So hat die CDU-Fraktion im Februar 2012 ein Forum zum Thema „Interkommunale Zusammenarbeit“ mit vielen Bürgermeistern und Kommunalvertretern durchgeführt und um mehr kommunale Zusammenarbeit geworben. Ziel muss es sein, diese interkommunale Zusammenarbeit zu stärken und weiter auszubauen. Nur so können dauerhafte Entlastungen für Kommunen erzielt werden, um langfristig den Herausforderungen des demographischen Wandels vor Ort begegnen zu können.
Mit dem Entschließungsantrag in der Drucksache 5/3799 „Haushaltskonsolidierung fortsetzen“ haben wir dieses Ziel bereits bei der Verabschiedung des Haushalts 2012 hier im Thüringer Landtag deutlich unterstrichen und die Landesregierung gebeten,
die Etablierung von Modellregionen zu prüfen, in denen die Reduktion und Aufhebung von Vorschriften erprobt werden kann. Diese Erprobung soll punktuell in ausgewählten Kommunen erfolgen und gerade nicht flächendeckend in ganz Thüringen. Hintergrund dessen ist, dass ein flächendeckendes Erprobungssystem, wie dies der Gesetzentwurf der Fraktion der FDP vorsieht, mit erheblich größerem Verwaltungsaufwand und Kosten verbunden ist. Das können Sie ja in Brandenburg nachvollziehen, was die Studie gekostet hat. Der Gesetzentwurf
würde entgegen den Darstellungen der FDP-Fraktion zu erheblichen Mehrbelastungen in den Thüringer Verwaltungen führen, weil zunächst alle Gemeinden, die von landesrechtlichen Regelungen abweichen möchten, einen Antrag bei einer extra einzurichtenden Genehmigungsstelle stellen müssten. Über diese Anträge müsste im üblichen Verwaltungsverfahren entschieden werden. Bei der Vielzahl der denkbaren Abweichungsmöglichkeiten im Landesrecht und der Anzahl von Kommunen in Thüringen können das Antragsaufkommen und die damit verbundenen Kosten derzeit nicht kalkuliert werden.
Der Gesetzentwurf ist aber auch verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Mit dem Gesetz soll es der Verwaltung ermöglicht werden, von landesgesetzlichen Standards abzuweichen. Durch die Verwaltung sollen vom Landtag beschlossene Gesetze zumindest befristet außer Kraft gesetzt werden. Eine parlamentarische Beteiligung bei diesen durchaus bedeutenden Entscheidungen ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen.
Im Ergebnis ist der Gesetzentwurf ungeeignet, um Bürokratie abzubauen, und in der praktischen Umsetzung rechtlich höchst bedenklich. Wir lehnen den Gesetzentwurf deshalb ab.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, Herr Bergner hat hier formuliert, dass er das Verhalten von CDU und SPD nicht verstehen kann, den Gesetzentwurf nicht zumindest in den Ausschüssen zu beraten. Ich kann das verstehen, warum CDU und SPD so handeln. Da ist zunächst inhaltlich intellektuelle Überforderung gekoppelt mit politischer Verweigerung, sich dem Problem dieses Staates zuzuwenden. Das ist die Ursache. Das haben wir erlebt, als die CDU zehn Jahre in absoluter Mehrheit hier regiert hat, da hat die SPD das immer angemahnt und dann haben die Genossinnen und Genossen der SPD wieder gekämpft bis zum Umfallen und jetzt machen sie das „Gemunkel“ von der CDU eben mit. So ist das Leben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich kann den Frust der FDP verstehen. Wir verstehen es auch nicht, dass über so eine Frage nicht im Ausschuss ganz sachlich und emotionslos diskutiert werden kann, denn über Entbürokratisierung wird bereits so lange diskutiert, solange es Bürokra
tie gibt. Das ist ein dauernder Prozess und wir befinden uns hier immer in einem Spannungsfeld zwischen der Erwartungshaltung von Menschen an den Staat einerseits und erwarten andererseits, dass sich der Staat möglichst nur noch auf Kernkompetenzen zurückzieht. Das hier im Plenum im Einzelnen zu diskutieren, muss zu einer Überforderung aller Beteiligten führen, auch der Zuhörerinnen und Zuhörer. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich den Antrag der FDP, den Gesetzentwurf erneut an die Ausschüsse zu überweisen und dort dann in der gebotenen Art und Weise zu beraten.
Auch wir haben viele Fragen zum Gesetzentwurf der FDP. Das ist aber nichts Außergewöhnliches, weil der Gesetzentwurf natürlich nur einen sehr abstrakten Rahmen vorschreibt und die Ausgestaltung natürlich viele Interpretationen zulässt, ich hatte dazu bereits in der ersten Lesung hier gesprochen. Wir befürchten beispielsweise, dass ein Teil oder eine Zielrichtung des Gesetzentwurfs der FDP darin besteht, im Rahmen der Verfahrensbeschleunigung auch die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und der Öffentlichkeit einzuschränken. Das würden wir für bedenklich halten. Die Vertreter der FDP haben dem widersprochen, das wäre nicht Ziel ihres Gesetzentwurfs. Andererseits, Herr Bergner, haben gerade Sie bei der Einbringung des Gesetzesentwurfs in der ersten Lesung formuliert, da darf ich, Frau Präsidentin, aus dem Protokoll der Sitzung vom 22. März zitieren, es geht Ihnen zum Beispiel „um wirtschaftliche Entwicklungen besser zu fördern, Existenzgründungen zu erleichtern und Verwaltungsverfahren zu beschleunigen“. Klar, da müssen Sie zunächst erst einmal unsere Bedenken zur Kenntnis nehmen, aber wir sind natürlich auch gerne bereit, uns hier vom Gegenteil überzeugen zu lassen.
Sie haben ein Gesetz angesprochen, das auf viel Kritik stößt, das ist das Vergabegesetz. Jeder, der kommunalpolitisch aktiv ist, weiß, wie kompliziert das ist und dass sich viele Kommunen wünschen würden, auch im Rahmen der Regionalisierung und der Förderung von regionalen Unternehmen und Wirtschaftskreisläufen, dort vereinfachte Vergabebedingungen realisieren zu können. Wir wissen, wir sind da nicht allein Herr des Verfahrens, sondern die Europäische Union macht Vorgaben, allerdings auch erst ab bestimmten Schwellenwerten. Viele Kommunen entwickeln durchaus Kreativität, um diese Schwellenwerte zu unterlaufen. Das findet unsere Unterstützung. Ich bitte nur zu bedenken, es kommen auch immer wieder Forderungen von den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern in Thüringen, die natürlich einerseits eine Entbürokratisierung dort fordern, andererseits auch Rechtssicherheit haben wollen, was die Vergabe von öffentlichen Aufträgen angeht, also Transparenz und Nachprüfbarkeit wollen, um faire Wettbewerbsbedingungen dort zu sichern. Auch
das ist eine Sache, die wir immer im Detail diskutieren müssen. Es gibt in Thüringen die Thüringer Mittelstandsförderrichtlinie, die so einen kleinen Einstieg in diese Entbürokratisierung darstellt. Da müssen wir weiter dranbleiben und versuchen, mit allen Beteiligten dann einen Kompromiss zu finden, der, wie gesagt, sowohl rechtssicher ist, Transparenz schafft als auch dann den Kommunen den Spielraum gibt, insbesondere über die Vergabe auch regionale Wirtschaft zu fördern.
Die Bauordnung haben Sie angesprochen. Wir sind als LINKE davon überzeugt, das war ein mutiger Schritt, die Thüringer Bauordnung so zu novellieren, dass eine Vielzahl von Baugenehmigungsverfahren entweder vereinfacht wurden oder ganz aus der Genehmigung herausgenommen worden sind. Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die nachbarschaftlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesen Bauvorhaben jetzt zugenommen haben, und zwar jetzt im Nachhinein, und sich viele deswegen die Beteiligung der Nachbarn im früheren Baugenehmigungsverfahren wieder wünschen, einfach um die Konfliktfelder auszuräumen. Eine Vielzahl dieser Konfliktfelder resultieren aus Informationsdefiziten, weil die Nachbarn jetzt gar nicht mehr einbezogen werden. Irgendwann beginnt jemand zu bauen und dann fühlen sich manche in ihren Rechten als Grundstücksnachbar beeinträchtigt. Also auch dort müssen wir aufgrund der Erfahrungen noch einmal darüber nachdenken, ob alle Regelungen, die jetzt in der Thüringer Bauordnung sind, tatsächlich praxisnah sind und insbesondere auch die Rechte der Nachbarn sichert.
Ein weiteres Stichwort haben Sie gegeben - den Denkmalschutz. Es ist Realität beim Denkmalschutz, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die wirtschaftliche Verwertung von denkmalgeschützten Immobilien im Vordergrund steht. Das kann natürlich nicht sein, weil es da um Baudenkmäler geht. Von daher wünschen wir uns eigentlich beim Denkmalschutz eine Verschärfung im Interesse, dass denkmalgeschützte Ensembles und Gebäude erhalten bleiben und nicht ausschließlich der wirtschaftlichen Verwertung unterworfen werden.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Kuschel, ich will gleich zu Ihrer Rede fragen, ich will nur fragen, ob Sie mir zustimmen würden - es sind zwei Fragen -, dass für die Materie, über die wir reden, seitens der Landesregierung vermutlich das Innen- und vielleicht das Justizministerium zuständig ist, vermutlich aber das Innenministerium und es deswegen sehr unerfreulich ist, dass kein Vertreter dieses Ministeriums sich im Haus befindet.
Sie hatten noch eine Frage. Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Es zeugt von hoher Respektlosigkeit, wenn hier eine Fraktion einen Gesetzentwurf einbringt und große Teile der Landesregierung durch Abwesenheit glänzen.
Aber das ist nur die Fortsetzung dessen, was hier die Koalition vorlebt. Sie bietet ja auch nicht den entsprechenden Respekt, weil es gehört eigentlich zum Respekt, auch Gesetzentwürfe, die man inhaltlich überhaupt nicht mitträgt, aber trotzdem sich Fraktionen Arbeit gemacht haben, dass sie zumindest in den Ausschüssen beraten werden. Aber das ist ein Zustand, da müssen Bürgerinnen und Bürger einmal eine Entscheidung treffen. Das können sie nur am Wahltag. Das ist klar.
Klar, da macht man Angebote und da kann man auch ein ernüchterndes und enttäuschendes Ergebnis erreichen. Davon bin ich auch persönlich nicht befreit. Das ist richtig, Herr Mohring.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr von der Krone hat hier für die CDU versucht, sich mit dem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen und ist dann auf zwei Bereiche ausgewichen, zu denen ich kurz etwas sagen möchte.
Zu den Kosten: Da teile ich durchaus zunächst die Feststellung, die Herr von der Krone hier getroffen hat, dass man die Kosten nicht abschätzen kann. Aber das ist eben bei Entbürokratisierungsmaßnahmen fast immer so, dass sie zunächst sogar etwas mehr Geld kosten, weil man natürlich experimentieren, ausprobieren muss, da wird es Irrtümer geben, aber die Alternative wäre ja, alles so zu belassen wie es ist. Das wäre Stillstand.
Von daher, sage ich, gehen wir nie davon aus, dass an erster Stelle sofort spürbar eine Kostenentlastung eintritt, sondern es geht in erster Linie darum, Interessen von Bürgerinnen und Bürgern stärker in den Fokus zu rücken. Dann werden sich auch ent
sprechende Kostenentlastungen mittel- und langfristig einstellen. Davon bin ich persönlich überzeugt. Insofern ist der Verweis auf die Kosten letztlich ein Argument, das natürlich jede weitere Diskussion völlig blockiert, wenn man ausschließlich auf diese Kostenfrage abstellt. Es bleibt bei der Zielstellung, dass natürlich Entbürokratisierung auch - ich sage es noch einmal - mittel- und langfristig zu Kostenreduzierungen führen muss. Aber in erster Linie geht es um das Verhältnis zwischen Staat, Bürgerinnen und Bürgern, das Verhältnis zwischen Kommunen und Genehmigungsbehörden und dergleichen. Da müssen wir einmal ehrlich sein, die sogenannten Demokratiekosten oder Transaktionskosten zwischen Bürgern und Gemeinden sind nun nicht das eigentliche Problem unserer Finanzverfassung, sondern da haben wir ganz andere Probleme und Herausforderungen.
Eine weitere Sache - Herr von der Krone, das wird Sie auch etwas überraschen, da stimmen wir Ihnen zu und sprechen Ihnen auch Mut zu, diesen Weg fortzusetzen - ist die Diskussion über kommunale Gemeinschaftsarbeit, allerdings nicht als Alternative zu einer Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform, die ist trotzdem erforderlich, aber wir brauchen tatsächlich auch eine Diskussion über die Fortentwicklung der Strukturen kommunaler Gemeinschaftsarbeit als Ergänzung zur Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Da müssen wir zunächst zur Kenntnis nehmen, dass die jetzigen Instrumente der kommunalen Zusammenarbeit eher von Intransparenz und von Tendenzen der Entdemokratisierung gekennzeichnet sind. Bitte genau zuhören: Tendenzen der Entdemokratisierung, damit sage ich nicht, dass es entdemokratisierter Raum ist, aber man hat bei manchen Zweckverbänden durchaus das Gefühl, dass sie sehr weit weg von den Problemlagen von Bürgerinnen und Bürgern sind. Diskutieren Sie das in der CDU weiter. In uns finden Sie dort einen kritischen und konstruktiven Diskussionspartner. Das hat aber wenig mit diesem Gesetzentwurf hier zu tun, das ist eine andere Baustelle. Ich bin mir sicher, dass wir in naher Zukunft auch über diese Fragen der kommunalen Gemeinschaftsarbeit nochmals hier an dieser Stelle zu diskutieren haben.
Abschließend noch einmal: Es stellen sich uns viele Fragen zu dem Gesetzentwurf. Die möchten wir gern mit dem Einreicher im Ausschuss sachlich diskutieren, deshalb unsere Unterstützung der nochmaligen Überweisung an die Ausschüsse. Danke.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Präsidentin, gemäß § 34 der Geschäftsordnung beantrage ich für meine Fraktion zum Tagesordnungspunkt die Herbeirufung des Innenministers.
Dann stimmen wir über diesen Antrag ab. Wer für die Herbeirufung des Innenministers ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei der FDP-, der CDU-, der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE, also allen Fraktionen. Wer ist dagegen? Es ist niemand dagegen. Wer enthält sich? Es enthält sich auch niemand. Damit ist die Herbeirufung des Innenministers einstimmig beschlossen. Wir rufen den Innenminister herbei und unterbrechen, bis der Innenminister anwesend ist.
Der Innenminister ist anwesend. Der Finanzminister hat mir eben erklärt, er wäre in der Landesregierung für zuständig erklärt worden, für diesen Punkt zu sprechen oder zu vertreten. Die beiden Minister mögen sich jetzt einig werden, wer diesen Punkt vertritt, aber wir setzen die Beratung fort. Das Wort hat Abgeordneter Hey von der SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass Teile der Landesregierung auch wieder eingetroffen sind, um der spannenden Debatte zu folgen. Wir haben uns in der letzten Plenardebatte schon einmal mit diesem Thema beschäftigt. Es wurde von den Rednern zum Teil auch dargelegt, dass dieser Gesetzentwurf keiner Ausschussüberweisung bedarf, von anderen ist dies bestritten worden, aber das liegt in der Natur der Sache.
Nur, Herr Bergner, wenn Sie hier von einem dramatischen Fehlgriff sprechen, wenn keine Ausschussüberweisung erfolgen sollte
- der Inhalt mag stimmen, ja -, und Herr Kuschel sogar sich dazu versteigt zu behaupten, dass uns der intellektuelle Hintergrund fehlt,
Wissen Sie, Herr Kuschel, Peter Becker hat einmal gesagt, wir brauchen keine Intellektuellen, sondern intelligente Menschen, das ist nicht dasselbe.