Protocol of the Session on May 2, 2012

Heute geht es darum, auf eine im Musterentwurf für ein einheitliches Strafvollzugsgesetz von zehn Ländern, auch von Thüringen, vorgesehene völlig indiskutable Regelung hinzuweisen, bevor in Thüringen ein entsprechender Gesetzentwurf auf den Weg gebracht wird. In diesem Musterentwurf sind Regelungen vorgesehen, die wir strikt ablehnen. Das ist zum Beispiel auch die Aufhebung der Arbeitspflicht. Hier hat richtigerweise der Thüringer Justizminister schon geäußert, dass diese Regelung für Thüringen nicht übernommen wird. Aber es gibt noch eine Regelung, die keinesfalls übernommen werden kann, die, die den Hafturlaub für Gefangene betrifft, und zwar, um es genauer zu sagen, den Hafturlaub für Gefangene, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt sind.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Niemals, niemals!)

Natürlich sieht auch das jetzige bundesrechtliche Strafvollzugsgesetz eine solche Lockerung vor, allgemein solche Lockerung immer unter dem Vorbehalt, wenn nicht zu befürchten ist, dass er sich dem Vollzug entzieht bzw. die Lockerung missbraucht, um Straftaten zu begehen. Aber wir wissen alle, dass das Prognosen sind und Prognosen sind in dem Bereich - das hat sich schon oft gezeigt - am Schluss dann eben doch falsch. Aber es ist natürlich richtig, zum Erfolg einer Resozialisierung gehört auch, den Gefangenen durch solche Vollzugslockerungen zu helfen, sich in das Leben in Freiheit wieder einzugliedern. So ist es im jetzigen Bundesstrafvollzugsgesetz in § 3 auch vorgesehen. Deshalb gibt es natürlich auch vor der Haftentlassung vermehrt solche Vollzugslockerungen.

Aber bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die Sachlage etwas anders. Hier hat jemand tatsächlich eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen und wir sollten uns einmal vergegenwärtigen, bei welchen Straftaten jemand eine lebenslange Freiheitsstrafe überhaupt nur bekommen kann. Das ist zum einen bei Mord, bei Todschlag sogar nur im besonders schweren Fall. Dann gibt es noch Raub, Brandstiftung, Herbeiführung einer Sprengstoffoder Kernstoffexplosion, aber alles nur, wenn das verbunden ist mit dem Tod eines Menschen. Selbst da sieht der Gesetzgeber noch vor, dass zum Teil nur Freiheitsstrafen zwischen 10 und 15 Jahren verhängt werden. Dann haben wir noch den sexuellen Missbrauch von Kindern mit Todesfolge und die Vergewaltigung mit Todesfolge. Das sind schon alle Paragraphen, für die man überhaupt eine lebenslange Freiheitsstrafe bekommen kann. Das zeigt doch, da werden schwerste Verbrechen begangen, und dafür gibt es dann eine lebenslange Freiheitsstrafe. Und wenn so jemand zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt ist, dann kann frühestens nach 15 Jahren geprüft werden, ob er für die Folge

(Abg. Siegesmund)

zeit dann auf Bewährung zu entlassen ist - frühestens nach 15 Jahren, so steht es in § 57 a im StGB. Genau das ist auch zu berücksichtigen, wenn es um Maßnahmen der Resozialisierung geht. Für die Frage von Hafturlaub hat der Bundesgesetzgeber diesen § 13 Abs. 3 im bisher geltenden Gesetz so geregelt, dass frühestens nach 10 Jahren Vollzug zu prüfen ist, ob er auf Bewährung entlassen werden kann. 15 Jahre muss er sowieso bleiben, in der Regel ist es zwischen 18 und 20 Jahren, und bis jetzt ist es so vorgesehen, nach 10 Jahren Vollzug kann so ein Hafturlaub dann gewährt werden. Das sind 5 Jahre, bevor er überhaupt frühestens entlassen werden kann.

Diejenigen Länder, die schon ein Landesstrafvollzugsgesetz gemacht haben, haben diese 10-Jahres-Regelung beibehalten bzw. Bayern hat sie noch um 2 Jahre verschärft und hat 12 Jahre in sein Gesetz geschrieben.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist auch viel besser.)

Der Musterentwurf, um den es heute hier geht, sieht vor, dass schon nach Verbüßung von 5 Jahren ein solcher Urlaub von 21 Tagen oder im konkreten Fall steht es noch nicht mal genau drin, wie lange, gewährt werden kann.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Irrsinn, Irr- sinn!)

Hier wird aus meiner Sicht der Resozialisierung ein absoluter Vorrang eingeräumt und dabei die anderen Gründe, die für eine Strafe eines Schwerverbrechers mit lebenslang sprechen, völlig außer Acht gelassen. Wenn man jetzt dazu auch noch § 40 Satz 2 in diesem Musterentwurf liest, in dem steht, dass bei der Ausgestaltung der Lockerungen auch den Belangen des Opfers Rechnung zu tragen ist, dann klingt das in meinen Augen wie ein Hohn, wenn man gleichzeitig schon nach 5 Jahren jemanden entlässt.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich habe nur noch einen Satz. Bei 5 Jahren Untersuchungshaft, da wird die Untersuchungshaft sogar zum Teil mitgerechnet, kann einer schon nach 2, 3 Jahren nach dem Prozess schon wieder auf der Straße stehen und in der Nachbarschaft von Geschädigten dann auftauchen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Unerhört, überhaupt darüber nachzudenken.)

Ich fasse zusammen: Aus Resozialisierungsgründen ist ein Hafturlaub für zu lebenslanger Freiheits

strafe Verurteilte schon nach 5 Jahren nicht notwendig.

Herr Abgeordneter, einen Satz!

Ich bin fertig. Es widerspricht dem Opferschutz und im Übrigen darf ich noch darauf hinweisen, dass das auch dem Koalitionsvertrag entspricht, das abzulehnen, dort steht nämlich drin: „Die Koalitionsparteien werden so lange die Opfer von Straftaten stärker in den Fokus aller Bemühungen stellen. Danke schön.

(Beifall CDU)

Als Nächster spricht für die Fraktion DIE LINKE Abgeordneter Hauboldt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Denk daran, du willst Bürgermeister werden. Nicht, dass du das unterstützt. Dann kommen sie alle zu mir.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin! Herr Fiedler, ich bin es, danke für den Hinweis.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ne, ne, du bist zwar gewählt, aber es dauert noch ein bisschen.)

Gut. Zurzeit im Amt.

Zu der heutigen Thematik, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion. Ich habe mich etwas gewundert, was Sie überhaupt bewogen hat, so ein durchaus brisantes Thema auf die Tagesordnung zu setzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der Redebeitrag von Ihnen, Kollege Scherer, hat ja bewiesen, dass fünf Minuten nicht ausreichen, genau zu diesem Sachverhalt inhaltlich zu diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Rechtzeitig Alarm schlagen.)

Rechtzeitig Alarm schlagen, das können Sie gerne machen. Ich war übrigens auch erschrocken, als ich diese Zeitungsnotiz mit erschreckendem Foto von Ihrem Fraktionskollegen und Fraktionsvorsitzenden vernommen habe. Da sind ja Schlagwörter aufgetaucht, die eigentlich in dieser Thematik nichts zu suchen haben. Ich will das einmal vorwegnehmen.

(Abg. Scherer)

(Beifall DIE LINKE)

Genau diese Schärfe, da hoffe ich doch, dass die auch seitens des Justizministeriums wieder herausgenommen wird, dass nämlich Dinge hineininterpretiert werden, die gar nicht drinstehen und wo auch durchaus eine subjektive Bewertung nachzuvollziehen ist. Ich sage es deutlich, solche gesellschaftlich relevanten und brisanten Themen, wie der Umgang mit Straffälligen, vor allem mit den zu langen Haftstrafen Verurteilten, sollten aus meiner Sicht sachlich fundiert und auch ernsthaft diskutiert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Da bin ich dabei: Populistische Schlagabtausche auf dem Niveau und nach Art eines bestimmten Druckerzeugnisses, das kennen Sie alle, mit vielen großen und bunten Bildern und vier Buchstaben, denke ich, sind zu diesem Thema auch nicht angemessen. Ich denke und hoffe nicht, dass der Termin, der vielleicht am nächsten Wochenende ansteht, Sie irgendwo gereizt hat oder für Sie reizvoller ist, um dieses Bewusstsein, Angst oder auch dieses durchaus berechtigte Sicherheitsgefühl unter den Menschen hier noch einmal politisch auszuschlachten. Ich denke, das ist höchst gefährlich, wenn man sich auf dieses Glatteis begibt, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir schlachten nie etwas aus.)

Ich habe, als das Thema das erste Mal aufgekommen ist, dieser Vertrag, der in der Öffentlichkeit dann eine Rolle gespielt hat, vernehmen dürfen, dass genau die am rechten Rand versucht haben, da zu fischen, meine Damen und Herren. Ich habe dann Plakate gesehen, auch bei mir in der Stadt „Kinderschänder an den Galgen“ oder „Todesstrafe für Kinderschänder“ mit der Unterschrift „Hier ist die Nationale Bewegung“. Das will ich genau nicht an dieser Stelle.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Unser Rechtsstaat, unsere Gerichtsbarkeit, meine Damen und Herren, sowie eine moderne Zivilgesellschaft ist und wird in der Lage sein, im Rahmen eines modernen Strafvollzugs darauf zu reagieren. Ich gebe Ihnen ja recht, meine Damen und Herren, das Thema Hafturlaub bzw. Vollzugslockerungen für Gefangene mit langen Haftstrafen - genannt Langstrafler - hier im Landtag zu diskutieren, das sollte geschehen. Allerdings, ich sage es noch einmal, ist die Thematik viel zu komplex, um sie hier in fünf Minuten im Rahmen einer Aktuellen Stunde abzuhandeln. Es ist deutlich geworden, das Nachjustieren am Gesetz ist in Ordnung, über Einzelheiten können wir doch gerne reden. Sie haben sie ja auch benannt. Da haben wir durchaus selbst eigene Aspekte bzw. Vorschläge, die wir im Rahmen

der Diskussion zu dem Gesetz gern einbringen möchten.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nennen! Vier Jahre? Drei Jahre?)

Meine Damen und Herren, das Thema, wenn der von zehn Ländern, darunter auch Thüringen, vorgelegte Musterentwurf hier beraten wird, Herr Fiedler, da sind Sie ja gern zur Debatte eingeladen. Wenn Sie jetzt hier Zwischenbemerkungen machen, gar nicht qualifiziert, sondern nur lautstark, fordere ich Sie auf,

(Beifall DIE LINKE)

ich kann es dann vielleicht nicht mehr, weil ich dann kein Abgeordneter mehr bin, aber Sie sind gern aufgerufen, sich inhaltlich an der Diskussion zu beteiligen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich bin ja im Justizausschuss.)

Wir werden, meine Damen und Herren, eigene Regelungsvorschläge vorlegen, ähnlich derer, Sie können sich gern daran erinnern, bezüglich der Diskussion zum Jugendstrafvollzugsrecht und Jugendstrafvollzugsgesetz im Jahr 2007. Dort haben wir, ich meine, aus heutiger Sicht vernünftige Vorschläge vorgelegt. Inhaltlich ist zu sagen, dass sich die Notwendigkeit von Haftlockerungen - darauf haben Sie überhaupt nicht Bezug genommen, Herr Scherer - auch für den sogenannten Hafturlaub für Inhaftierte mit langer Haftzeit schon mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Das haben Sie außen vor gelassen.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Das ist doch überhaupt nicht wahr. Ich habe nie et- was gesagt von fünf Jahren)

Gut. Dann haben Sie einen anderen Ansatz. Ich bestreite das, was Sie hier formuliert haben. Einer der Leitsätze, abgeleitet aus der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes in der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 lautet, weil Sie sagen, es ist nicht wahr: Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, dass dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Die Möglichkeit der Begnadigung allein ist nicht ausreichend.

Herr Abgeordneter, Ihre Zeit ist leider um.

Vielmehr gebietet das Rechtsstaatsprinzip, die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren ge

setzlich zu regeln. Nehmen Sie das ganz einfach zur Kenntnis. Ich plädiere dafür, das im Rahmen der Gesetzgebung zu behandeln, nehmen Sie es bitte so hin. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)