Und glauben Sie mir, als langjähriges CDA-Mitglied weiß ich natürlich auch, dass es in einigen Branchen und Wirtschaftszweigen zu meinem Bedauern, überwiegend in den neuen Bundesländern, Schwierigkeiten gibt, Mitglieder zu gewinnen und sie zu organisieren. Diese Entwicklung stellt die Tarifparteien derzeit unbestritten vor ein Problem, denn die fehlende Organisation der Arbeitnehmerseite schwächt zwangsläufig deren Verhandlungsposition und es kann damit in diesen Branchen bedauerlicherweise nicht mehr von Verhandlungen auf Augenhöhe ausgegangen werden.
Aber, meine Damen und Herren, nicht der Staat hat an dieser Stelle eine vorrangige Handlungsaufgabe,
(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Doch, bei Hartz IV wird aufgestockt. Da sind die Kapazitäten vorhanden.)
sondern diese liegt in erster Linie bei den Arbeitgebern und Arbeitnehmern und insbesondere auch bei den tatsächlich freien und unabhängigen Gewerkschaften. Neben dem Betriebsverfassungsgesetz, auf das sich die Gewerkschaften berufen können, ist deren gesellschaftspolitische Aufgabe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Notwendigkeit einer funktionierenden Tariflandschaft zu überzeugen. Dass diese dabei von allen demokratischen Parteien unterstützt werden, halte ich schlichtweg für eine Selbstverständlichkeit.
Diese so klare wie auch einfache Formel kann und darf nicht durch ein falsches Verständnis über soziale Gerechtigkeit
durch den Eingriff in die Tarifautonomie mit einem politisch motivierten Einheitsmindestlohn, der sich möglicherweise im Zyklus der Wahlen ständig verändern würde, durchbrochen werden.
Sie sehen, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, welche Thematik wir dem Mindestlohn beimessen, um damit auch deutlich zu machen, wo die Trennschärfe zwischen Ihrer und unserer Auffassung über eine staatlich gelenkte oder eine freie und soziale Marktwirtschaft liegt.
Ein letzter Satz: Eine Bundesratsinitiative ist in unserem Koalitionsvertrag nicht vereinbart, gleichwohl aber die Bildung einer Arbeitsgruppe, die eine entsprechende Vorarbeit für eine klare Positionierung der Koalition leisten soll.
(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Die neue Freiheit heißt Mindestlohn von 3,28 € plus Steuern zahlen. Genau, dann bilden wir einen Arbeitskreis.)
Wir haben nicht fünf Jahre einen Arbeitskreis, wir haben einen Arbeitskreis gebildet. Der hat seine Arbeit aufgenommen und wird uns in Kürze berichten. Solange werden Sie sich noch gedulden müssen.
Der Antrag kommt von Ihnen. Aus alledem ist schlüssig, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, dass wir Ihnen Antrag ablehnen müssen.
Vielen herzlichen Dank, Frau Holzapfel, für Ihr Durchhaltevermögen trotz der lauten Geräuschkulisse hier im Raum. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Marian Koppe für die FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird Sie nicht überraschen, aber die FDP-Fraktion im Thüringer Landtag wird auch weiterhin die Einführung eines einheitlichen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns aus guten Gründen ablehnen.
Frau Siegesmund ist leider nicht da, aber vielleicht ist sie ja dann irgendwann zum Schluss noch mal da, jetzt hört sie leider nicht mehr zu, gesprochen und verreist. Aber jetzt wieder zum Antrag.
In Ihrem Antrag steht, liebe Kolleginnen und Kollegen, alles Mögliche für faire Löhne zu tun. Und wenn Sie das wollen, dann sollten der Staat und die Politik tatsächlich nicht in die Tarifautonomie eingreifen. Es ist nämlich Aufgabe der Tarifpartner, gemeinsam faire Löhne auszuhandeln.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE soll weiterhin dazu beitragen, das Entgeltniveau im Freistaat im Hinblick auf den zukünftigen Fachkräftebedarf nachhaltig zu verbessern. Mindestlohn zur Bekämpfung des Fachkräftemangels? Das kann - und das sage ich Ihnen ganz deutlich - und wird ein Mindestlohn nicht lösen.
Die Entwicklung des Thüringer Lohnniveaus wird sich im Hinblick auf das Halten und auf die Gewinnung von Fachkräften aus eigener Antriebskraft heraus verbessern. Denn jedes Unternehmen, jeder Betrieb muss selbst attraktive Löhne bieten, um die eigenen Kräfte nicht zu verlieren und weiterhin bedarfsgerecht Fachkräfte anzuwerben.
Auch der Vergleich mit dem europäischen Umland, den Sie am Schluss Ihres Antrags formulieren, ist aus unserer Sicht problematisch. Nach welchen Kriterien bemessen Sie eigentlich den Fakt, dass es einen Mindestlohn in 20 Ländern der Europäischen Union gibt? Mir fallen da Beispiele ein wie Litauen 1,40 €, Portugal 3,03 €, Polen 1,85 €, Slowakei 1,82 €, von Rumänien 0,93 € gar nicht zu sprechen. Und nicht mal eine Stunde von der Landesgrenze Thüringen entfernt - Tschechien 1,82 € Mindestlohn. Wenn das Ihre Kriterien sind, damit kann ich nicht viel anfangen.
Nein, Herr Kuschel. Aus liberaler Sicht ist ein zentrales Bewertungskriterium für uns ein funktionierendes Tarifsystem, ich wiederhole es noch mal.
Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und auch Österreich sind beschäftigungspolitisch erfolgreiche Länder mit einem funktionierenden Tarifsystem und haben keinen Mindestlohn.
Sehr geehrte Damen und Herren, bei einem qualifizierten Vergleich im europäischen Kontext ist Ihre quantitative Darstellung, wie bereits gesagt, weder ausreichend noch zielführend, Herr Ramelow.
Aus liberaler Sicht möchte ich die Debatte allerdings um einen weiteren Aspekt erweitern, und zwar die Tarifautonomie ist ein hohes Gut, in das sich der Staat nicht einmischen darf.
Politik sollte da aktiv werden, wo sie auch die Befugnis dazu hat. Nach der Absenkung des Spitzensteuersatzes unter Rot-Grün müssen wir nun endlich die kleinen bis mittleren Einkommen unter anderem auch durch den Abbau der kalten Progression antasten. Für die FDP-Fraktion ist die Abschaffung der kalten Progression, über die gerade in Berlin verhandelt wird, der erste Schritt, damit die Spannbreite zwischen Brutto und Netto nicht noch größer wird,
ein guter und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Begleiten Sie lieber diese Maßnahmen, statt die falschen Wege der Fraktion DIE LINKE mitzugehen.