Die Beschäftigung mit diesen Fragen, die Unterstützung einer freiheitlichen humanistischen Geisteshaltung, die andere Kulturen, andere Ethnien, andere Glaubensrichtungen schätzt und anerkennt, sie ist das Fundament für eine Geisteshaltung, in der Fremdenfeindlichkeit keine Zukunft hat.
Allerdings ist Gleichsetzung in dieser Debatte eine schwierige Vokabel. Wie soll man Menschen sozial gleichsetzen, die aus einer anderen Sozialisation kommen, über völlig andere Lebenserfahrungen und Lebenshintergründe verfügen? Nein, meine Damen und Herren, wir wollen sie nicht gleichsetzen, wir wollen, dass sie faire Chancen für ihren weiteren Lebensweg haben.
Deshalb, meine Damen und Herren, setzen wir uns ein für Fragen der Bewegungsfreiheit, für mehr Freiheit in der Unterbringung, für bessere Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsmarkt und Ausbildung, doch gleichsetzen wird man nicht können und wollen wir nicht.
Und man darf, meine Damen und Herren - auch das dürfen wir nicht vergessen -, nicht mit wohlfeilen geschliffenen Formulierungen Einheimische gegen Zuwanderer aufbringen, wo sich manche dieser Einheimischen an der unteren Schwelle der sozialen Leiter befinden und die durchaus verständliche Frage stellen, ob sie nicht als Einzahler in das soziale System auch höhere Ansprüche haben. Sozialer Friede ist ein wichtiger Baustein für eine weltoffene Geisteshaltung in unserer Gesellschaft. Deswegen, meine Damen und Herren, setzen wir auf Hilfe zur Selbsthilfe, wir setzen auf mehr Teilhabechancen für Flüchtlinge am Arbeitsmarkt, am Wohnungsmarkt und am Bildungsgeschehen. Die Förderung der Geisteshaltung, die letztlich auch eine ganz natürliche menschliche Willkommenskultur von unten prägt, sie ist mitten unter den Menschen voranzubringen ohne staatlich verordnet werden zu können.
Ein Wort zum Schluss, meine Damen und Herren, das notwendige und richtige Vorgehen gegen Fremdenfeindlichkeit darf nicht das breite bürgerschaftliche Engagement für Weltoffenheit und Toleranz vergessen lassen. Diesen Menschen, die sich mitten in dieser Gesellschaft von unten für Weltoffenheit, für die Offenheit gegenüber Flüchtlingen engagieren, diesen Menschen, meine Damen und Herren, gilt unser Dankeschön. Ich danke Ihnen.
schon viele andere vorher, wie unterschiedlich man einen einzigen Satz, nämlich soziale und rechtliche Gleichstellung von Flüchtlingen als Beitrag zum Abbau rassistischer Einstellungen in Thüringen, hier darstellen kann. Die SPD-Fraktion hat gerade heute in Anbetracht des besonderen Tages einen Aktionsplan zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vorgestellt. Nicht von ungefähr ausgerechnet heute, sondern weil wir ganz klar sehen, dass - das ist auch schon ausgeführt worden - der Rassismus wirklich in unserer Gesellschaft immer noch sehr stark verankert ist. Bei uns ging es in diesem Aktionsplan unter anderem um einen Punkt, nämlich wie man rechtsextremen Machenschaften und Rassismus entgegenwirken kann. Wir haben vorgeschlagen, so ähnlich wie wir es schon von der FDP gehört haben, dies unter anderem an einer Ausbildungsoffensive festzumachen. Eine Ausbildungsoffensive für Menschen mit Migrationshintergrund, da Thüringen Fachkräfte benötigt, und zwar Fachkräfte, die sich bewusst für Thüringen entscheiden, um hier zu leben und zu arbeiten. Aber es geht auch um eine Fachkräfteoffensive, die wir initiieren möchten. Dabei sollen ganz bewusst auch unter Menschen mit noch keinem gesicherten Aufenthaltsstatus - also auch Flüchtlingen - Fachkräfte für Thüringen geworben werden, denn wir brauchen sie hier. Hierzu zählt für uns als SPD aber auch die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ausländer- und Sozialbehörden. In meinen vielen Gesprächen habe ich den Eindruck, dass gerade Flüchtlingsbiographien mit ihren Folgen, mit ihren Veränderungen, mit ihren gravierenden Details oftmals nicht genug in den Fokus gerückt werden und so Vorurteile und persönliche Verletzungen der Flüchtlinge und ausländischen Mitbürger hätten vermieden werden können.
Wir haben schon gehört, dass es im sozialen Bereich recht schwierig ist, eine Gleichstellung hinzukriegen, denn eine Gleichstellung an sich ist nicht möglich. Aber wenn ein Gesetz seit 1993 - Frau Berninger sagte 1994 - nicht verändert wurde - ich rede vom Asylbewerberleistungsgesetz -, dort die DM-Beträge immer noch drin sind, obwohl jeder weiß, dass sich die Lebenshaltungskosten deutlich verteuert haben, dass für die Flüchtlinge im Prinzip 40 DM für Kinder oder für einen Erwachsenen 80 DM, so, wie es im Gesetz verankert ist, zur persönlichen Verfügung stehen, das heißt also für Fahrtkosten, für den Friseurbesuch, für die Kinder Teilnahme an einem Wandertag, ist das einfach zu gering und nicht in Ordnung. Ich stimme nicht zu, dass man das nicht verändern sollte.
Auch die 360 DM, die für einen Haushaltsvorstand, oder 220 DM, die für ein Kind bis 7 Jahre an Leistungen veranschlagt sind, halte ich für ausgesprochen zu gering und man sollte ganz sicher da ran
gehen. Das ist zwar in DM-Leistung ausgewiesen, aber wird leider in Thüringen in den meisten Landkreisen wirklich noch mit Warengutscheinen und einigen wenigen als Sachleistung bei Kleidung durchgeführt.
Und wie schon bei der Einführung der Schulpflicht und dem Besuch von Kindertagesstätten für die Kinder eine Verbesserung gelungen ist, wird es Zeit, dass sich hier etwas tut.
Für uns als SPD-Fraktion steht im Mittelpunkt: Rassismus heißt fehlende Information, heißt Bekanntmachen mit dem Fremden, die Angst zu nehmen vor dem, was ich nicht kenne. Deswegen heißt für uns eine konsequente Fortführung der Zusammenarbeit mit allen Organisationen, wie der Diakonie und den Johannitern, mit den Kirchen, den Vereinen vor Ort wie zum Beispiel einem Weltnetzwerk aus Jena oder Freundeskreis Asyl in Altenburg, den Netzwerken Integration und den Runden Tischen in den einzelnen Landkreisen, ja, dem Ausländerbeirat in Erfurt und dem Zentrum für Integration und Migration. Denn diese Zusammenarbeit bringt Information und natürlich auch ein verstärktes Verständnis. Für die rechtliche Gleichstellung, sehe ich das nicht ganz so, weil insbesondere dann, wenn ich kein deutscher Staatsbürger bin, habe ich schon als EU-Bürger ein Problem zum Beispiel beim Wahlrecht, das ich nicht wahrnehmen kann. Ich denke, das ist im Moment nicht zu verwirklichen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat beginnen von Karl Valentin: „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.“ Passender kann man es, glaube ich, kaum formulieren. Weil hier soeben schon eine Broschüre genannt wurde, gemeint ist die Studie Migration und Integration - Herausforderung für Thüringen, gestatten Sie mir, dass ich hier von Seite 110 kurz etwas zitiere, Frau Präsidentin, und zwar steht hier: „Die Perspektive der Bevölkerung zerfällt in zwei Sichtweisen: die guten und die schlechten Zuwanderer. Die sagen, ach das sind die Guten, die studieren, die promovieren oder die arbeiten hier und mir gefällt die Diskussion nicht.
Ich kann die Argumente zwar menschlich verstehen, wenn man sagt, ach das ist ja der Professor, das weiß ja jeder Neonazi, dass er in der S-Bahn nicht jemandem auf die Mütze hauen darf, weil das ja ein Professor sein könnte. Ja, aber die anderen, die wollen ja alle nur was vom Kuchen abhaben. Da braucht es noch andere kommunale Strategien, da bin ich auch noch am Suchen.“ Das ist ein Zitat aus einer Studie, in der man zu dem Schluss kommt, dass wir konstatieren müssen, dass sich die meisten Menschen mit Migrationshintergrund in Thüringen nicht willkommen fühlen, dass Rassismus ganz offensichtlich sehr unterschiedliche Gesichter hat. Ich finde es gut, dass wir dieses ernste Thema heute hier diskutieren können, auch im Thüringer Landtag.
Ich sage aber auch, Herr Bergner, wenn Sie hier argumentieren, dass ein Einzahler in ein System vielleicht auch mehr Rechte haben sollte als ein Mensch, der weniger einzahlt, und somit Menschen nach Zahlungsfähigkeit beurteilt werden mit Blick auf ihre Würde und in ihre Rechte, dann vertrete ich einen dezidiert anderen Standpunkt als Sie.
Aus meiner Sicht muss gelten, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Die Aktuelle Stunde der Fraktion DIE LINKE redet auch nicht von Gleichsetzung oder Gleichmacherei, sondern von Gleichstellung. Gleichstellung ist etwas anderes. Gleichstellung geht davon aus, dass allen Menschen, egal woher sie kommen, egal woran sie glauben, die gleichen Rechte zugestanden werden, dass sie gleichgestellt werden. Dass diese Gleichstellung überfällig ist, zeigt ganz exemplarisch das hier schon viel zitierte Asylbewerberleistungsgesetz, in dem nicht nur D-Mark-Beträge festgeschrieben sind und die gestiegenen Lebenshaltungskosten überhaupt keine Beachtung finden, sondern mit dem vor allen Dingen eine, wie ich meine, diskriminierende und durchaus rassistische Praxis in Gesetzesform gebracht wurde. Das ist eine Kritik, die wir seit vielen Jahren haben. Deswegen machen wir uns auch auf Bundesebene für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes stark.
Sehr geehrte Frau Kanis, wenn Sie hier vorn stehen und sagen, rechtliche Gleichstellung ist im Moment nicht zu machen, dann sage ich Ihnen: Rechtliche Gleichstellung ist nur nicht zu machen, weil es offenkundig die politischen Mehrheiten dafür nicht gibt, weil Sie und die SPD beispielsweise nicht bereit dazu sind, die Gesetze entsprechend zu ändern,
weil Sie nicht bereit sind, dafür zu sorgen, dass wir zu einer Gleichstellung kommen. Da helfen im Übrigen auch wohlfeile Gedenkminuten wenig, wenn der Alltag sich rassistisch zeigt, wenn Menschen Angst davor haben müssen, in Geschäften, auf der Straße oder auf dem Bahnhof zufällig Kontrollen zu unterliegen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben, wenn sie beschimpft werden, wenn sie sich dafür rechtfertigen müssen, ob sie einen guten Bildungsabschluss haben oder nicht, nur weil sie wie Menschen wie du und ich behandelt werden möchten. Ich jedenfalls glaube, das ist ihr gutes Recht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Blick auf Ungleichbehandlung gibt es auch ganz viel zu tun, auch hier in Thüringen. Die Residenzpflicht ist schon angesprochen worden. Wir haben immer wieder dafür geworben, dass sie auf das ganze Land ausgeweitet wird, trotzdem ist es bis heute nicht passiert. Wir könnten sofort Bargeld an die Flüchtlinge ausreichen, das wenige Bargeld, was ihnen zusteht, damit sie mit diesem Geld selbst entscheiden können, was sie machen. Aber nein, wir reglementieren dies an ganz vielen Orten, indem es die - wie ich meine - völlig unwürdige Gutscheinpraxis gibt. Wir bringen Asylbewerberinnen und Flüchtlinge in lagerähnlichen Unterbringungen unter, obwohl wir ihnen auch dezentrale Wohnungen zur Verfügung stellen könnten. An all diesen Stellen könnten wir konkret etwas tun. Wenn wir dann in dieser Studie, die ich eben schon benannte, nachlesen müssen, dass sich Flüchtlinge, dass sich Migrantinnen in Behörden immer wieder fühlen, als ob sie Bittstellerinnen vierter Klasse wären, wenn sie Angst haben, ihre Wünsche, ihre Vorstellungen zu formulieren, dann brauchen wir auch eine Einstellungsänderung. Wir brauchen eine echte Willkommenskultur. Wir sollten endlich lernen, dass auch Thüringen nur zukunftsfähig ist, wenn wir uns öffnen für Menschen anderer Kulturen und mit anderer Geschichte. Wenn wir uns öffnen, wenn wir weltoffen werden im wahrsten Sinne des Wortes, und wenn wir die Chance in der Vielfalt erkennen. Ohne Probleme wegreden zu wollen, gilt es zu erkennen: Integration ist keine Einbahnstraße. Auch wir werden uns ändern müssen. Vielen herzlichen Dank.
Ich werde dieses Mal die Zeit nicht ausnutzen, Frau Präsidentin. Ich möchte Angela Merkel zitieren, die am 23. Januar dieses Jahres bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremer Gewalt gesagt hat: „Intoleranz und Rassismus äußern sich keineswegs erst in Gewalt. Gefährlich sind auch diejenigen, die Vorurteile schüren, die ein Klima der Verachtung erzeugen.“
Meine Damen und Herren, ein Klima der Verachtung schürt man eben auch mit dem Festhalten an diskriminierenden Sondergesetzen.
Frau Holbe, es ist schlicht unmöglich, einerseits glaubhaft für den Abbau von Vorurteilen, rassistischen Stereotypen politisch zu demonstrieren, wie Sie das gerade am Pult gemacht haben, oder als Landesregierung Wettbewerbe zur Stärkung der Zivilcourage aufzurufen, um Benachteiligungen und Diskriminierungen abzubauen und andererseits Benachteiligung, Schlechterstellung und Diskriminierung per Gesetz fortbestehen zu lassen, wie Sie das tun, indem Sie als Landesregierung und als CDU an einer diskriminierenden Verwaltungsvorschrift festhalten, die auf einer Gesetzeslage basiert, die bereits vor 15 Jahren abgeschafft wurde. Genau dasselbe gilt für Sie, Frau Kanis. Es ist nicht glaubhaft, wenn Sie beispielsweise in einer Pressekonferenz heute Mittag fordern, dass die Residenzpflicht auf ganz Thüringen ausgeweitet werden soll, aber täglich in Ihrer politischen Arbeit hier im Thüringer Landtag entsprechende Anträge ablehnen.
Ganz zum Schluss, Frau Holbe: Lassen Sie sich bitte von Ihrem Redeschreiber sachlich korrekte Dinge aufschreiben, § 2-Leistungen, also AnalogLeistungen zur Sozialhilfe werden nicht nach 36 Monaten gewährt, sondern erst nach 48.
Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Bergner noch einmal zu Wort gemeldet; die Redezeit beträgt noch 2:30 Minuten.
Meine Damen und Herren, ich möchte nur eines klar- und richtigstellen: Es ist mir hier vorgeworfen worden von Frau Kollegin Rothe-Beinlich, dass ich sinngemäß formuliert hätte, Menschenwürde von Zahlungsfähigkeit abhängig zu machen. Genau das, meine Damen und Herren, habe ich nicht. Ich
habe aber auf eins aufmerksam gemacht mit einer Fragestellung, und zwar mit einer Fragestellung, die einem tagtäglich im normalen Leben begegnet, wenn man mit einfachen Menschen zu tun hat, wenn man beispielsweise - Sie wissen, ich bin vom Bau - mit Menschen vom Bau zu tun hat, die nach einem langen Arbeitsleben auf einmal in die Situation gekommen sind, dass sie möglicherweise Leistungsempfänger geworden sind. Die haben ein langes Leben lang eingezahlt und ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich, ich verstehe, wenn dann jemand, der 20 Jahre seit der deutschen Wiedervereinigung in unsere Sozialsysteme eingezahlt hat, der hier gearbeitet hat, der sich hier engagiert hat, wenn der die Frage stellt, wieso bekomme ich nicht mehr im Vergleich zu Zuwanderern. Ich will damit ausdrücklich nicht die Situation von Zuwanderern, die Situation von Flüchtlingen in irgendeiner Weise bagatellisieren, das will ich ausdrücklich nicht. Ich habe auch in meiner Rede gesagt, über die Besserstellung von Flüchtlingen wollen und müssen wir reden. Aber ich möchte ganz ausdrücklich auch darauf aufmerksam machen, dass die Frage des sozialen Friedens ganz, ganz wichtig ist, eben im Sinne dieser Geisteshaltung, die für Fremdenfeindlichkeit keinen Platz hat. Das meine ich, meine Damen und Herren.