Im Rahmen der Beantwortung der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Hauboldt zum Thema Arbeitsstand des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung des Thüringer Richtergesetzes (Drucksache 5/3858) legte sich die Landesregierung trotz Nachfrage nicht auf einen Zeitpunkt für die Einreichung in den Landtag fest. Die Landesregierung machte auch keine Angaben zu den inhaltlichen Eckpunkten. Auch auf die Frage der Position der Landesregierung zu den Aktivitäten anderer Bundesländer, die Selbstverwaltung der dortigen Justiz auszubauen (so z. B. in Hamburg), machte sie keine Angaben. Der preußische Justizminister Leonhardt erklärte im Jahre 1878: „Solange ich über die Beförderungen bestimme, bin ich gerne bereit, den Richtern ihre so genannte Unabhängigkeit zu konzedieren“, also zuzugestehen.
1. Welche Position vertritt die Landesregierung aus welchen Gründen in der Frage der Abschaffung des so genannten „Stichentscheids“ durch den Justizminister gemäß § 49 Abs. 2 ThürRiG?
2. In wie vielen Fällen seit dem Jahr 1999 kam es bezogen auf die Gesamtzahl der Personalentscheidungen - im richterlichen Bereich zum „Stichentscheid“ und insbesondere: Welche Leitungsfunktionen an welchen Gerichten waren davon betroffen?
3. Welche Position nehmen nach Kenntnis der Landesregierung die richterlichen Berufsverbände in Thüringen (Deutscher Richterbund, Neue Richter- vereinigung) zur Frage des Stichentscheids ein?
4. Wie bewertet die Landesregierung die in anderen Bundesländern (z.B. Hamburg) laufenden Aktivitäten zum Ausbau von Selbstverwaltungsstrukturen der Justiz?
Zu Frage 1: Die Landesregierung hat sich in der Frage der Abschaffung des sogenannten Stichentscheids nach § 49 Abs. 2 ThürRiG noch keine abschließende Position gebildet. Wie die Landesregierung bereits in ihrer Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hauboldt in der Drucksache 5/3858 ausgeführt hat, wurde die erste Ressortabstimmung zum Entwurf eines Thüringer Richterund Staatsanwältegesetzes im September 2011 eingeleitet und ist bisher noch nicht abgeschlossen.
Zu Frage 2: Im Zeitraum von Anfang 1999 bis Ende 2011 wurden insgesamt 219 richterliche Ämter der Besoldungsgruppe R 2 aufwärts zur Besetzung ausgeschrieben. In acht von 219 Fällen kam es zum sogenannten Stichentscheid, das sind rund 3,6 Prozent aller Fälle. Hiervon waren fünf Stellen im Leitungsbereich von Gerichten betroffen. Konkret handelt es sich dabei um folgende Ämter: Direktor/Direktorin des Amtsgerichts Artern, Richter/ Richterin am Amtsgericht als der/die ständige Vertreter/Vertreterin eines Direktors bei dem Amtsgericht Erfurt, Richter/Richterin am Sozialgericht als der/die ständige Vertreter/Vertreterin eines Direktors bei dem Sozialgericht Gotha, Präsident des Thüringer Oberlandesgerichts, Vizepräsident des Thüringer Oberverwaltungsgerichts.
Zu Frage 3: Die Position der richterlichen Berufsverbände ist von einer fortschreitenden Entwicklung gekennzeichnet. Der Thüringer Richterbund als Landesverband des Deutschen Richterbundes und die neue Richtervereinigung haben in einem gemeinsamen Verbandsentwurf vom 28. Mai 2010 ein eigenständiges Regelungsmodell vorgeschlagen, das es so in keinem anderen Bundesland gibt. Konkret sieht Ihr Entwurf den Wegfall des Präsidialrats vor. Stattdessen soll eine gemeinsame Vertretung als echte Richtervertretung aller Gerichtsbarkeiten errichtet werden - ein Landesjustizrat. Anders als beim Präsidialrat ohne Beteiligung der Exekutive, das heißt ohne Gerichtspräsidenten als Beamten der Justizverwaltung im Sinne von § 175 Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz. Der Landesjustizrat soll sein Votum unter anderem zu Beförderungsvorschlägen der obersten Dienstbehörde abgeben. Im Falle der Divergenz zwischen oberster Dienstbehörde und Landesjustizrat soll ein Richterwahlausschuss befasst werden, der als Einigungsstelle durch Beschluss über den Personalvorschlag entscheiden soll. Ende letzten Jahres haben der Thüringer Richterbund und die neue Richtervereinigung ihre Positionen teilweise ergänzt. Die Verbände gehen insoweit von der Beteiligung eines einheitlichen Präsidialrats für alle Gerichtsbarkeiten aus, der zu den Beförderungs- bzw. Personalvorschlägen der obersten Dienstbehörde Stellung nimmt.
Zur Frage 4: Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass es in anderen Bundesländern derzeit nennenswerte laufende Aktivitäten zum Ausbau von sogenannten Selbstverwaltungsstrukturen in der Justiz gibt. Auch in Hamburg ist gegenwärtig kein Ausbau von sogenannten Selbstverwaltungsstrukturen zu verzeichnen. Im Übrigen hat die Landesregierung in den Plenarsitzungen vom 27. Mai 2010, 23. März 2011 und zuletzt vom 26. Januar 2012 dargelegt, dass der Einführung von sogenannten Selbstverwaltungsstrukturen für die Justiz verfassungsrechtliche Hindernisse und Probleme der Vereinbarkeit mit Bundesrecht entgegenstehen. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken werden offenbar von der Bundesregierung geteilt, wie Ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE vom 18. März 2010 unter anderem zur Einführung eines Systems der Selbstverwaltung der Justiz zu entnehmen ist. Das ist die Bundestagsdrucksache 17/1097. Vielen Dank.
Wir kommen jetzt zur vierten Frage, das ist die Frage der Abgeordneten Hennig in der Drucksache 5/3985. Die Frage wird gelesen von der Frau Abgeordneten Stange und beantwortet vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Herrn Prof. Merten. Bitte, Frau Abgeordnete.
Lehrund Betreuungssituation innerhalb der Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Erfurt
Im Wintersemester 2011/2012 sind in der Studienrichtung Germanistik an der Universität Erfurt Professurstellen nicht ausreichend besetzt worden. Als eine der größten Fachrichtungen an der Universität (270 Studienanfänger im Wintersemester 2011/2012) führen die nichtbesetzten Stellen zu massiven Einschnitten in der Qualität des Lehrangebots. Angebotene Veranstaltungen sind überfüllt und Seminare müssten in Anbetracht der Studierendenzahlen als Vorlesungen behandelt werden. Durch die Nichtbesetzungen wird es enorm schwer, Seminare fristgerecht belegen zu können und die Regelstudienzeit einzuhalten.
1. Wann werden die offenen Professurstellen besetzt und welche Schritte sind dazu eingeleitet worden?
2. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um im Sommersemester die Lehre in der Studienrichtung Germanistik vor allem innerhalb der Literatur- und
3. Welche Gründe gibt es aus Sicht der Landesregierung für den beschriebenen personellen Zustand in der Germanistik der Universität Erfurt?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hennig wie folgt:
Zu Ihrer Frage 1: Im Bereich der Germanistik, Sprachwissenschaft-Literaturwissenschaft, ist derzeit eine Professur, die durch altersbedingtes Ausscheiden frei geworden ist, noch nicht dauerhaft wiederbesetzt, nämlich germanistische Sprachwissenschaft. Diese Professur befindet sich im Besetzungsverfahren. Nach Rufablehnung durch den Erstplatzierten wird aktuell mit dem Zweitplatzierten verhandelt. Im Erfolgsfall wird ein Dienstantritt zum 1. Oktober 2012, zum Beginn des Wintersemesters angestrebt. Während der Vakanz war die Professur zur Absicherung der Lehre stets ordnungsgemäß vertreten, eine Möglichkeit, die das Thüringer Hochschulgesetz vorsieht und die sich für junge Nachwuchswissenschaftler in aller Regel als große Chance erweist. Die Professur neuere deutsche Literaturwissenschaft wird vom Stelleninhaber momentan in Teilzeit wahrgenommen, wobei der freie Stellenanteil adäquat vertreten wird.
Zu Ihrer Frage 2: Zur Absicherung der Lehre wird die vakante Professur bis zur Neubesetzung weiterhin ordnungsgemäß vertreten. Daneben sind eine Reihe von Mittelbaustellen überwiegend durch unbefristet eingestellte Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem entsprechenden Lehrdeputat besetzt; Kontinuität ist damit gewährleistet. Zusätzlicher Lehrbedarf wird über den üblichen Weg der Erteilung von qualifizierten Lehraufträgen abgefangen.
Zu Ihrer Frage 3 antworte ich wie folgt: In einer Universität ist es aus verschiedenen Gründen fortwährend erforderlich, Professuren neu zu besetzen. Professoren scheiden nicht nur, wie im vorliegenden Falle, aus Altersgründen aus, nicht selten - und für die Hochschule insofern schwer planbar - folgen sie auch einem auswärtigen Ruf. Für die Wiederbesetzung der Professur schreibt § 78 des Thüringer Hochschulgesetzes ein Berufungsverfahren vor. Die Besetzung kann sich insbesondere dann verzögern, wenn der Erstplatzierte nach längeren Berufungsverhandlungen den erteilten Ruf nicht annimmt. Das ist bei der in Rede stehenden Professur genau geschehen. Vor dem Hintergrund der Dar
stellung zu den Fragen 1 und 2 ist die Lehr- und Betreuungssituation an der Universität Erfurt in diesem Bereich nicht bedenklich.
Vielen Dank. Ich sehe keine Nachfragen. Vielen Dank, Herr Prof. Merten. Wir kommen jetzt zur fünften Frage. Das ist die Frage der Frau Abgeordneten Stange in der Drucksache 5/4010. Antworten wird für die Landesregierung das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, Herr Staatssekretär Schubert. Bitte, Frau Abgeordnete.
Für ein Kind mit Behinderung kann über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeld bezogen werden, wenn eine vor dem 25. Lebensjahr eingetretene Behinderung Grund dafür ist, dass ein Kind seinen Lebensbedarf nicht selbst decken kann.
In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Abzweigung von Kindergeld für erwachsene Kinder mit einer Behinderung“ (Drucksache 5/ 2207) wird deutlich, dass die örtlichen Träger der Sozialhilfe in Thüringen seit mehreren Jahren die Abzweigung des Kindergeldes praktizieren. Dabei stellen die Träger der örtlichen Sozialhilfe bei der für das Kind zuständigen Familienkasse einen Antrag, das Kindergeld von den Eltern abzuzweigen.
Nach den Urteilen des Thüringer Finanzgerichts vom 23. November 2011 gäbe es eine Vermutung, dass Eltern ihre Einnahmen mindestens in Höhe des Kindergeldes auch zugunsten der behinderten Kinder verwenden, so dass eine Abzweigung regelmäßig ausscheide. Eines Nachweises oder einer Glaubhaftmachung des Aufwandes im Einzelnen bedürfe es dann regelmäßig nicht. Nur in begründeten Fällen, z.B. wenn der Kindergeldberechtigte keinen Unterhalt leisten kann und selbst Sozialleistungen erhält, kann eine Abzweigung weiterhin in Betracht kommen.
1. Welche Auswirkungen haben die o.g. Urteile des Thüringer Finanzgerichts in Bezug auf die Praxis der örtlichen Träger der Sozialhilfe in Thüringen?
2. Sind der Landesregierung Empfehlungen des Thüringer Landesverwaltungsamts zur Kindergeldabzweigung bekannt und wenn ja, welchen Inhalt haben diese Empfehlungen?
3. Beabsichtigt die Landesregierung in Anbetracht der o.g. Urteile des Thüringer Finanzgerichts, Empfehlungen zu geben, von der gegenwärtigen Praxis zur Kindergeldabzweigung durch die örtlichen Trä
4. Beabsichtigt die Landesregierung im Rahmen einer Bundesratsinitiative die Ermessensregelung in § 74 Einkommensteuergesetz dahin gehend zu ändern, dass eine Kindergeldabzweigung nur noch in den Fällen möglich wäre, in denen der Kindergeldberechtigte der Unterhaltspflicht nicht nachkommen will und wie wird dies jeweils begründet?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stange wie folgt:
Angesichts der Formulierung in der Anfrage sehe ich mich vorweg zu der Klarstellung veranlasst, dass die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe keineswegs das Kindergeld selbst abzweigen können. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, bei der zuständigen Familienkasse die Abzweigung auf der Grundlage von § 74 Einkommensteuergesetz zu beantragen. Die Entscheidung über die Abzweigung trifft die Familienkasse. Diese wird im Auftrag der Bundesfinanzverwaltung tätig und untersteht nicht der Aufsicht des Freistaats Thüringen. Dies begründet auch die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit.
Zu Frage 1: Die Landkreise und kreisfreien Städte sind im Rahmen des Zwölften Sozialgesetzbuchs im eigenen Wirkungskreis tätig. Deshalb sind uns die Auswirkungen der Urteile auch im Einzelnen nicht bekannt.
Zu Frage 2: Gemäß § 4 Abs. 4 Nummer 3 des Thüringer Gesetzes der Ausführung des Zwölften Sozialgesetzbuchs, was ja auch heute erst neu beschlossen worden ist, berät das Thüringer Landesverwaltungsamt die örtlichen Träger der Sozialhilfe in Thüringen mit dem Ziel der einheitlichen Anwendung des Sozialhilferechts. Dies erfolgt regelmäßig in Form von Empfehlungen, insbesondere zu aktuellen Rechtsfragen. Die Empfehlung bezüglich einer Antragstellung an die zuständige Familienkasse auf Abzweigung des Kindergelds orientieren sich an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Die dazu ergänzend ergangenen Schreiben des Bundesfinanzministeriums und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden zuletzt mit Empfehlung vom 19. Mai 2011 den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung gestellt. Darin wird klarstellend darauf verwiesen, dass es bei der Grundentscheidung des Gesetzgebers bleibt, wonach eine Abzweigung von Kindergeld nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen
soll. Insbesondere bei den in häuslichen Gemeinschaften mit den Eltern lebenden volljährigen behinderten Kindern sei davon auszugehen, dass die Eltern in der Regel Aufwendungen in erheblicher Höhe trügen, so dass eine Abzweigung nicht in Betracht komme. Ausnahmen könnten beispielsweise in Betracht kommen, soweit der Kindergeldberechtigte selbst Sozialleistungen erhalte und deutlich mache, dass ihm Unterhaltsleistungen nicht möglich seien.
Zu Frage 3: Nein, das oben genannte Schreiben des Thüringer Landesverwaltungsamts vom 19. Mai 2011 enthält bereits eine zutreffende und umfängliche Darstellung der Sach- und Rechtslage.
Zu Frage 4: Die Landesregierung plant keine Bundesratsinitiative, die Vorschrift des § 74 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz zur Abzweigung des Kindergelds durch Träger von Sozialleistungen zu ändern.
Herr Staatssekretär, ich habe in meiner Begründung bereits auf eine Kleine Anfrage hingewiesen, die Drucksache 5/2207, die vor einem Jahr die Abgeordnete Jung gestellt hat, wo wir nachgefragt haben, in wie viel Fällen die Abzweigung vorgenommen wird in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Da ist im Prinzip gesagt worden, dass vor allen Dingen Gera, aber auch in Eisenach weit über die 200.000 € jährlich eingenommen werden aufgrund der Abzweigung. Somit finde ich Ihre Feststellung erst mal nicht korrekt, dass es nur ein Ausnahmefall ist, wo die Abzweigung durchgeführt wird. Und nun noch mal eindeutig die Frage an Sie: Im November/ Dezember letzten Jahres sind ja die Urteile gefällt worden, sehen Sie es nicht als dringend notwendig an, aufgrund dieser neuen Urteile noch mal gemeinsam mit dem Landesverwaltungsamt dahin gehend zu reden, ob neue Richtlinien erarbeitet werden können, wie die Kommunen handeln sollen?