Protocol of the Session on February 23, 2012

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei gibt es widerstreitende Ideen. Die eine Idee sagt, machen wir den Landtag kleiner entsprechend der Schrumpfung der Bevölkerung. Es gibt aber auch eine Debatte, die sagt, wenn wir mehr Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wollen, ist vielleicht ein doppelt so großer Landtag nötig, der aber ein Landtag ist, in dem Abgeordnete in Halbzeit ihr Mandant ausüben und in der halben Zeit der Woche im Leben stehen und arbeiten in einem Unternehmen, in der Verwaltung oder wie auch immer. Diese Debatten braucht Thüringen und dieses Gesetz zeigt, wie wenig Kraft diese beiden Fraktionen aus SPD und CDU haben, es fehlt Ihnen am gemeinsamen Ziel und es fehlt Ihnen in jedem Fall auch an der Kraft, gemeinsam neue Dinge für Thüringen, die wegweisend auch für die Bundesrepublik sein könnten, voranzubringen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Landesregierung Herr Staatssekretär Rieder.

Danke schön. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, da das Parlamentswahlrecht als ureigenste Materie der Legislative anzusehen ist, entspricht es der überwiegenden Praxis, dass Gesetzentwürfe zur Änderung des Landeswahlgesetzes aus der Mitte des Landtags eingebracht werden. Der vorliegende Gesetzentwurf ist notwendig, weil sich in zwei Wahlkreisen, nämlich im Wahlkreis 12, Schmalkalden-Meiningen I und im Wahlkreis 32, Weimar, die Bevölkerungszahlen in den vergangenen Jahren so entwickelt haben, dass dort eine Abweichung um mehr als 25 Prozent von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise zu verzeichnen ist. Im Einzelnen verweise ich auf den Bericht der Landesregierung.

Weicht die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise um mehr als 25 Prozent nach oben oder nach unten ab, so ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 3 Landeswahlgesetz eine Wahlkreisneueinteilung zwingend erforderlich. Diese Kennziffer - 25 Prozent - ist nicht willkürlich gegriffen, das zeigt allein schon, dass es auch im Bundeswahlgesetz eine entsprechende Grenze gibt. Es ist auch eine Grenze, die man nicht einfach so aussetzen kann, wie es eben hier in der Debatte anklang, denn dahinter steht im Kern die Frage, welches Gewicht einer

Stimme im einzelnen Wahlkreis zukommt. Deswegen ist es auch verfassungsrechtlich geboten, dass die Zahl der Bevölkerung in den Wahlkreisen nicht zu weit voneinander abweicht.

Der Gesetzentwurf greift die Vorschläge der Landesregierung in dem eben genannten Bericht auf und führt im Ergebnis dazu, dass die Abweichungen in den beiden Wahlkreisen nun wieder deutlich unter der 25-Prozent-Marke liegen. Auch die in dem Gesetzentwurf darüber hinaus enthaltenen inhaltlichen Änderungen werden von der Landesregierung unterstützt. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Angleichungen an das Bundeswahlgesetz, mit denen der Bund aufgrund von Erfahrungen bei den vorangegangenen Bundestagswahlen sein Wahlrecht in einigen Bereichen fortentwickelt hat. Dass Thüringen sich den vom Bund vorgenommenen Änderungen anschließt, ist aber nicht nur unter dem formalen Gesichtspunkt der Harmonisierung der Wahlgesetze zu begrüßen, denn die Änderungen bringen in verschiedenen Bereichen auch mehr Rechtssicherheit und Klarheit. Dies gilt insbesondere für die klare Regelung zur Parteizugehörigkeit von Parteibewerbern. Außerdem stellt die Abschaffung der Antragsbegründung bei der Briefwahl für die Bürger eine Vereinfachung dar. Um die vorgesehenen Gesetzesänderungen für die Organisation und Durchführung der nächsten Landtagswahl praktisch umzusetzen, ist schließlich noch eine Anpassung der entsprechenden Vorschriften in der Landeswahlordnung notwendig. Dafür wird die Landesregierung, die gemäß § 71 Abs. 1 Landeswahlgesetz für die Änderung der Landeswahlordnung zuständig ist, Sorge tragen und die entsprechenden Vorbereitungen auf den Weg bringen. Ich hoffe, dass der Gesetzentwurf zeitnah beraten und beschlossen werden kann und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Ich sehe keine weiteren Redeanmeldungen und kann damit die Aussprache schließen. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit ist die Überweisung vorgenommen worden.

Nun kommen wir zur Abstimmung des Gesetzentwurfs an den Justizausschuss. Wer dieser seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit ist das auch einstimmig geschehen.

(Abg. Adams)

Die Federführung soll beim Innenausschuss liegen. Wer dieser Federführung beim Innenausschuss seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit wird der Innenausschuss federführend diesen Gesetzentwurf beraten.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 5

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Datenschutzgesetzes (Gesetz zum Ausbau der Unabhängigkeit des Lan- desdatenschutzbeauftragten) Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/4041 ERSTE BERATUNG

Die Fraktion hat angekündigt, dass Frau Abgeordnete Renner das Wort zur Begründung nehmen wird.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die besten Argumente für unseren Gesetzentwurf haben die Damen und Herren der Koalition in den letzten Tagen selbst geliefert. Die Personalie des Datenschutzbeauftragten wurde auf den politischen Basar gezerrt - das bedauern wir sehr -, anstatt die Besetzung der Stelle angemessen, transparent, fair und ohne Parteikalkül durchzuführen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da nun auch der Stellvertreter im Amt geht und eine Referatsspitze derzeit unbesetzt ist, befindet sich das Schiff Datenschutz in Thüringen auf schwerer See und für die starken Wellen sind die CDU und die SPD verantwortlich. Damit die Institution in Zukunft nicht erneut beschädigt wird und das Amt eine überparteiliche Legitimation erfährt, dafür steht unser Gesetzentwurf.

Unsere Vorschläge: Zukünftig soll der oder die Datenschutzbeauftragte vom Landtag mit einer Zweidrittelmehrheit und nach einem öffentlichen und transparenten Stellenausschreibungs- und Bewerbungsverfahren gewählt werden. Jeder in Thüringen soll Kandidatenvorschläge machen können. Bei der Funktion des Datenschutzbeauftragten geht es um den wirksamen Schutz von Grund- und Bürgerrechten und nicht um Parteiengezerre oder politische Spielchen.

Zweitens, ein weiterer wichtiger Punkt in unserem Gesetzentwurf: Es soll in Thüringen ein unabhängiges Datenschutzzentrum geben als rechtsfähige,

selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts und oberste Landesbehörde. Dieses strukturelle Modell gibt es bereits in Schleswig-Holstein und nach Ansicht der LINKEN gibt es dort so viele positive Erfahrungen, dass so ein unabhängiges Datenschutzzentrum auch für unser Bundesland sinnvoll wäre.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Stärkung der Unabhängigkeit spricht auch, dass so ein Zentrum den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in seiner Rechtsprechung an die unabhängige Organisation des Datenschutzes entsprechen würde.

Drittens: Wir fordern eine größere Unabhängigkeit, das habe ich schon gesagt, und die muss untersetzt werden durch eine entsprechende bessere personelle wie finanzielle Ausstattung. Dies hat der jetzt ausscheidende Amtsinhaber, Herr Stauch, immer wieder gefordert. Ich denke, es ist auch wichtig, an der Stelle zu sagen, es tat seiner Person, aber auch seinem Amt Unrecht, wie stillos die Koalition in Sachen Datenschutzbeauftragter in den letzten Wochen agierte.

(Beifall DIE LINKE)

Der derzeitige Amtsinhaber hat in der Vergangenheit bei Themen durchaus kritisch Position bezogen; sei es bei der Aufdeckung der Datenschutzprobleme in Thüringer Kommunen, sei es mit Blick auf die notwendige Aufstockung bei Personal und Logistik, um zum Beispiel Prüf- und Kontrollaufgaben zukünftig auch wirklich flächendeckend in Thüringen durchführen zu können und sei es die Forderung nach einer umfassenden Modernisierung des Thüringer Datenschutzrechts. Das sind alles Aufgaben und Probleme, die nach Ansicht meiner Fraktion im Bereich Datenschutz dringend angegangen und gelöst werden müssen. Dafür steht heute unser Gesetzesvorschlag.

(Beifall DIE LINKE)

Ein kritischer, engagierter und wirklich unabhängiger Thüringer Datenschutzbeauftragter oder eine Datenschutzbeauftragte kann und sollte hier eine gewichtige Rolle spielen. Aber dazu müssen auch die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Nicht nur hinsichtlich des Besetzungsverfahrens, sondern auch hinsichtlich Ausgestaltung und Arbeitsstrukturen sehen wir hier dringenden Novellierungsbedarf.

Unser Gesetz ist ein Schritt hin zu mehr Unabhängigkeit, Wirksamkeit und Transparenz beim Thema Datenschutz und wird für den zukünftigen Datenschutzbeauftragten oder die Datenschutzbeauftragte ihr Wirken, ihre Möglichkeiten und ihre Wirksamkeit erhöhen können. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Gumprecht auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Landtag hat vor drei Monaten ein neues Datenschutzgesetz auf den Weg gebracht. Dem war, wie Sie wissen, eine sehr umfangreiche Diskussion hier im Plenum, bei der Anhörung, aber auch in den Medien vorausgegangen. Anschließend hat der Landtag sich dazu entschieden - sicherlich mit Mehrheit -, die derzeitige Konstruktion zu wählen, und wir haben, wie ich schätze, ein ausgewogenes Gesetz auf den Weg gebracht.

Wie war es dazu gekommen? Neben der Vereinbarung der beiden Regierungspartner im Koalitionsvertrag liegt dem Gesetz natürlich auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zugrunde. Im März 2010 hatte dieser festgestellt, dass die Aufsicht über den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich gemäß Artikel 28 der Europäischen Datenschutzrichtlinie in völliger Unabhängigkeit und damit frei von Fach- und Rechtsaufsicht der Landesregierung ausgestaltet sein muss.

Wir haben dieser Forderung Rechnung getragen und so der Übertragung der Aufsicht für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich auf den Thüringer Datenschutzbeauftragten entsprochen. Der Landesbeauftragte führt seine ihm übertragenen Aufgaben völlig weisungsfrei aus. Damit ist den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs - wie ich meine - Genüge getan.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das reicht, ja? Das meinen wir nicht.)

Die Einrichtung des Landeszentrums für Datenschutz war bereits damals in der Diskussion und wurde abgelehnt. Sie sagten, selbst Schleswig-Holstein, ich sage, einzig Schleswig-Holstein hat diesen Weg gewählt. Sie wissen, dass wir auch diesen Vorschlag ablehnen werden.

Zu Ihrem zweiten Anliegen, die Stellung, vor allen Dingen die Bestellung des Datenschutzbeauftragten ändern zu wollen: Da kann ich mir beim Lesen der Änderungsvorschläge für die §§ 36 und 36 a die Bemerkung nicht verkneifen, dass diese Regelung wohl auf die morgige Wahl des Datenschutzbeauftragten zielt. Ihr Antrag ist damit rein politisch motiviert, denn er zielt allein auf die Person und ist nicht an der Sache orientiert. Entweder, Sie wollen Ihre eigene Bewerberin beschädigen oder der Antrag ist nur scheinheilig gestellt.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da bringen Sie jetzt etwas durcheinander.)

Wir werden Ihren Änderungen deshalb nicht entsprechen, sie ablehnen und auch einer Überweisung nicht zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Abgeordneter Adams das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, jetzt muss man als Erstes etwas geraderücken, und zwar den Unterschied zwischen den einzelnen Fraktionen. Soweit ich mir das hier notiert habe auf meinem Zettel und das auch der Drucksache entnehmen kann, liegt uns jetzt ein Gesetzentwurf der LINKEN vor. Soweit ich informiert bin - und das muss ich mir nicht aufschreiben -, gibt es einen Wahlvorschlag der GRÜNEN für die Landesdatenschutzbeauftragte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Sie das vermischen und diskreditieren wollen, zeigt, dass Sie sich mit dem Komplex nicht wirklich auseinandergesetzt haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Sie sich nicht nur mit dem Gesetz, sondern auch mit der Wahl morgen und dem Angebot von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Sprecherin des Chaos Computer Clubs hier nach Thüringen zu holen und damit eine „prominente“ Datenschutzpolitik für Thüringen aus der Mitte Deutschlands heraus deutlich zu machen und dem eine Stimme zu verleihen, auseinander gesetzt hätten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wer von uns hat schon einmal in einer großen deutschen Tageszeitung gelesen, dass die oder der Thüringer Datenschutzbeauftragte mit harscher Kritik gegen die Landesregierung vorgegangen ist oder sich ein privates Unternehmen schnappt und sagt: So werdet Ihr in Zukunft hier in unserem Land das nicht mehr machen können, ihr müsst die Rechte der Bürgerinnen und Bürger achten? Das haben wir alle noch nicht gelesen, das haben wir alle noch nicht bemerken können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber über das ULD, das Unabgängige Landeszentrum für Datenschutz, in Schleswig-Holstein haben wir das alle gelesen. Das

ist keine Kritik am bisherigen Arbeiten des Landesdatenschutzbeauftragten, sondern es ist eine scharfe Kritik an der nicht wirklichen Unabhängigkeit. Die wirkliche Unabhängigkeit, wie sie in Schleswig-Holstein installiert wurde, führt auch dazu, dass sich der dort ansässige Datenschutzbeauftragte so ein kleines Unternehmen wie Facebook mal schnappt und mit denen die rechtlichen Regelungen einmal durchexerziert.