Protocol of the Session on January 26, 2012

Der VS wusste auch in den Folgejahren um die Bestrebung der Neonazis, militante Terrorstrukturen aufzubauen. So berichtet ein V-Mann über ein Zusammentreffen von Neonazis, das am 21.09.2003 in Gotha stattgefunden hat, ich zitiere aus dem Bericht des V-Mannes an den Verfassungsschutz: B. ich kürze jetzt den Namen ab - ist fest der Meinung, dass so eine Braune Armee Fraktion ähnlich wie in München auch in Thüringen agieren werde. Er selbst will an deren Aufbau aktiv mithelfen. Es werde sich in aller Kürze diesbezüglich etwas tun. So lautet ein Bericht eines V-Mannes, der Funktionär der Neonaziszene in Thüringen war, an den Verfassungsschutz. Hat dies jemals bei irgendeiner Unterrichtung in der PKK - in einem Monatsbericht oder in einem Jahresbericht - eine Rolle gespielt, dass in Thüringen derartige Strukturen aufgebaut werden? Nein, weil die Öffentlichkeit getäuscht wurde. Der Verfassungsschutz hat diese Informationen für sich behalten, weil es eben nicht darum geht, die Polizei zu warnen, die Gesellschaft zu warnen, sondern Informationen zu haben, die er elitär für sich verwendet und mehr nicht.

Die PKK wusste von all dem nichts - ich habe es eben schon in den Raum gestellt - und wenn sie es wusste, dann durfte sie nicht darüber reden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wollen wir ja ändern. Machen Sie mit.)

Was hat so ein Verfahren mit einem Frühwarnsystem oder demokratischer Kontrolle zu tun? Nichts. Jetzt sollen die Befugnisse im Land denen des Bundesgremiums angeglichen werden, aber funktionierte denn das Bundesgremium? Funktionierte denn das PKGr?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das funktioniert besser.)

Und was ist mit der Kontrolle dieses Bundesgremiums die letzten zehn Jahre gegenüber den Geheimdiensten, die ebenfalls im Thüringer Heimatschutz operiert haben? Da hätte man doch aus diesem Gremium heraus eine Warnung geben müssen, wenn es funktioniert hätte.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie funktioniert denn die Informa- tion der PKK gegenüber der Polizei?)

Es hat eben gerade auf Bundesebene nicht funktioniert. Wusste denn das PKGr Bescheid

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist denn Ihr Vorschlag?)

von dem Spitzel des MAD im Thüringer Heimatschutz? Nein! Sie wusste nicht Bescheid. Wusste das PKGr Bescheid von den Spitzeln des Bundesamtes des Verfassungsschutzes?

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Woher wis- sen Sie denn alles, was wir wissen oder nicht wissen?)

(Unruhe CDU)

Also, wenn Sie die Presse der letzten Wochen verfolgt haben, ist in mehreren Medien ein Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zitiert worden, in dem ausdrücklich auch von dem Spitzeleinsatz des MAD im Thüringer Heimatschutz in dem in Rede stehenden Zeitraum berichtet wurde. Das ist an keiner Stelle dementiert worden und ich bin mir hier sicher, es zu sagen, das war auch so.

(Beifall DIE LINKE)

Was wusste das PKGr von Neonazimorden, von militanten Strukturen? Ich glaube, es ist keine Erfolgsgeschichte der Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, des MAD und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das in diesem Kontrollgremium geschrieben wurde. Deswegen kann auch die Regelung, die im Bund getroffen wurde, nicht allein Vorbild sein für das, was in Thüringen erforderlich ist

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Machen Sie es besser und setzen Sie es durch. Das ist doch die Frage.)

die Beseitigung eines Mangels, der laut Adams eine Ursache dafür ist, dass sich rechtsextremistische Terrorstrukturen ungehindert entwickeln konnten, wohl kaum.

Dann noch zum Schluss ein paar Worte in eigener Sache: Glauben Sie wirklich, wir als LINKE stellen uns hier hin und diskutieren darüber, wie wir in Zukunft schöner vom Geheimdienst bespitzelt werden? Das ist ein Stück weit auch zu viel verlangt von uns im Augenblick, wenn Sie das reflektieren, was am Wochenende der „Spiegel“ berichtet hat, dass 27 Bundestagsabgeordnete und 11 Landtagsabgeordnete von uns durch die Geheimdienste auf Bundes- und Landesebene ausgeforscht und bespitzelt werden.

Wir werden dem VS kein vermeintlich demokratisches Mäntelchen umhängen,

(Beifall DIE LINKE)

dieser Laden, der bei Verbrechen weggesehen hat oder diese sogar gefördert hat, hatte jede Zeit und jede Kapazität, sich mit den LINKEN in diesem Land zu beschäftigen. Es geht nicht nur um Bespitzelung, es geht auch darum, dass der VS Stichwortgeber und Zuträger für extrem Konservative war, die allein aus ideologischer Verblendung heraus es nicht akzeptieren können, dass eine sozialistische Partei zum Kanon demokratischer Parteien in Europa gehört.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Genau, das ist genau das Problem, was wir haben. Dieser Zwischenruf, der eben getätigt wurde. Diese Haltung, zu sagen, die demokratische LINKE ist das eigentliche Problem und da muss alle Kapazität, alle Zeit und alle Personalressourcen der Dienst- und Sicherheitsbehörden hingelenkt werden und gleichzeitig bei den Neonnazis weggeschaut werden, das ist die Ausgangssituation, die zu dem führte, was hier in Rede steht.

(Beifall DIE LINKE)

Unsere Forderung ist hier oft formuliert worden, ich erneuere sie: Wir brauchen ein demokratisches Dokumentations- und Informationszentrum; eine Stelle, die Verfassung, Demokratie und Menschenrechte schützt und alles dafür tut, dass es gesamtgesellschaftliche Aufgabe wird. Hier lassen wir nicht locker. Wer Aufklärung will, muss auch über ernsthafte Konsequenzen reden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten wir gegenwärtig und er wird in naher Zukunft hier vorgelegt werden.

Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist der zweite vor dem ersten Schritt. Er scheut die politische Konsequenz und lässt das unbeachtet, was

öffentlich die Diskussion beherrscht. Ich möchte Heribert Prantl aus der „Süddeutschen Zeitung“ zitieren, hier in dieser Wochenendbeilage mit dem Hauptthema Verfassungsschutz: „Die Geschichte des Verfassungsschutzes in Deutschland ist in nicht unwesentlichen Teilen eine Skandalgeschichte. … Die Methoden, die der Verfassungsschutz angewendet hat, waren und sind keine Werbung für die Verfassung ….

(Beifall DIE LINKE)

Ein überflüssiger Verfassungsschutz ist zu teuer. Und wenn er gar gefährlich ist, dann muss man nicht nur seine V-Leute abschalten, sondern den ganzen Verfassungsschutz.“ Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Gentzel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beginnt ihren Gesetzentwurf mit dem Satz: „Die bestehenden Regelungen zur parlamentarischen Kontrolle des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz gewährleisten keine hinreichende Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit.“ Wie wahr, wie wahr! Deshalb ist der Gesetzentwurf von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN folgerichtig. Er ist nicht nur folgerichtig in der aktuellen Diskussion um die Frage, was ist im Umfeld des NSU, der Zwickauer Terrorzelle passiert, wieso hat ein Landesamt so versagt. Die Geschichte des Landesamts für Verfassungsschutz in Thüringen ist ein ganzes Stückchen älter. Wer sich an die Querelen, Skandale und Auseinandersetzungen in diesem Parlament in der letzten Legislaturperiode erinnert, muss erkennen, wie folgerichtig und wie richtig der Entwurf der Fraktion der GRÜNEN ist. Deshalb, auch wegen der Geschichte, hat sich die Koalition in den Koalitionsvertrag geschrieben, dieses Gesetz zu ändern und insbesondere Informations- und Kontrollrechte zu stärken. Ich will das hier ganz offen sagen, es ist kein Ruhmesblatt für diese Koalition, dass der Gesetzentwurf von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns im Gegenteil - auch das will ich ganz offen sagen - fragen, warum die Kollegen von der CDU-Fraktion so vollmundig wie Herr Fiedler Kontrolle fordern und formulieren, wir werden stärker kontrollieren müssen, und auf der anderen Seite so auf der Bremse stehen, wie wir das im Parlament hier erleben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch mal in die Geschichte dieses Gesetzes hineingehen, um das klar zu machen. Im März 2006 haben wir einen Gesetzentwurf der SPD beraten, der sehr nah an dem war, was die GRÜNEN heute hier vorlegen. Die CDU hat 2006 dieses Gesetz abgelehnt mit der Begründung, das brauchten wir nicht. Wir wären heute, Herr Fiedler, in der Parlamentarischen Kontrollkommission ein ganzes Stückchen weiter. Wir hätten die Unterstützung, die Sie einfordern, wenn Sie damals nicht so blind gewesen wären und es abgelehnt hätten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit zweieinhalb Jahren steht es im Koalitionsvertrag - der Beitrag der CDU-Fraktion: substanziell null. Vor über zwei Monaten, wie sich das in einer Koalition gehört, haben wir dem Koalitionspartner einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, bis heute Reaktion: null. Nichts tut die CDU im Augenblick, was die Kontrollrechte des Parlaments betrifft. Sie redet zwar vollmundig darüber, aber sie tut nichts. Der Höhepunkt - auch das will ich ganz offen sagen - ist, dass der Vorsitzende der PKK heute ankündigt, dass die Art und Weise, wie die Landesregierung kontrolliert werden soll, zukünftig von der Landesregierung vorgegeben wird im Parlament. Lieber Wolfgang Fiedler, ich weiß nicht, was passiert ist, dass du so viel Kreide gefressen hast,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber wir waren uns immer darüber klar, was die parlamentarische Kontrolle betrifft, geht die Initiative vom Parlament aus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann doch nicht sein, dass die Landesregierung eine Vorlage macht, wie sie wünscht, zukünftig kontrolliert zu werden. Der Weg ist falsch. Ich sehe ein - darüber müssen wir jetzt auch noch zwei Sätze reden, weil das PKK-Gesetz nicht nur PKK-Kontrolle ist, sondern auch der Umgang und die Speicherung von Daten und von anderen Fragen -, dass da die Landesregierung durchaus die Federführung übernimmt. Aber bei der Frage, wie sich die Landesregierung durch das Parlament kontrollieren lässt, kann doch nicht die Landesregierung die Vorgabe dazu machen. Ich halte das für falsch.

(Unruhe CDU, DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben doch gar keine Ahnung, Herr Gentzel.)

Na ja, bei der Frage mit Ahnung.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das Parla- ment entscheidet über die Gesetze, nicht die Landesregierung.)

Richtig. Aber es ist doch absolut ein Unding, dass die erste Vorlage... Herr Mohring, wir beide wissen...

(Abg. Renner)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Kein Blatt vor den Mund nehmen.)

Nein, ich bin an der Stelle ganz offen, weil mich das ärgert, wie hier auf der einen Seite immer wieder Kontrolle einngefordert wird und auf der anderen Seite wird nichts getan außer geredet.

Wir beide wissen ganz genau, dass man mit einer Gesetzesvorlage schon Eckpfeiler einschlägt, und diese Eckpfeiler soll das Parlament einschlagen und nicht die Landesregierung. Darum geht es an dieser Stelle. Wenn Sie das nicht verstehen, dann weiß ich, warum die CDU hier seit Monaten auf der Bremse steht.