Protocol of the Session on January 26, 2012

lung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten geändert werden. Wir haben in Diskussionen immer wieder vor Ort gehört, dass die Praxis gezeigt hat, dass oft Bürgermeister oder Landräte Frauen auf die Stelle „abgeschoben“ haben, die vielleicht sonst an anderen Dienststellen nicht mehr gebraucht wurden. Darum möchten wir die Wahl der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten neu einführen. Sie soll angelehnt werden an die Wahl von Dezernentinnen und Dezernenten, also mit einer Wahlperiode von sechs Jahren. Ich glaube, wenn dies erstmalig durchgeführt ist, und die besten Frauen sind durch die Kreistage oder Stadträte gewählt worden, so haben sie nach sechs Jahren eine gute Chance entsprechend der Dezernentenwahl, sich auch wieder neu der Wahl zu stellen. Sie werden auch wieder den Zuschlag für diese verantwortungsvolle Arbeit bekommen. Ja, wir brauchen auch für diese Arbeit Kontinuität, wir brauchen eine feste Ansprechpartnerin. Darum auch die Forderung, die wir immer wieder gehört haben von den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, wir brauchen eine Stellvertreterfunktion. Es kann nicht sein, dass, wenn bei Krankheit, bei Urlaub oder bei Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen sich Bürgerinnen und Bürger oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Verwaltung an eine Gleichstellungsbeauftragte wenden wollen, die Türen verschlossen sind. Gehen wir den Schritt und stellen fest: Wir brauchen für die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten aber auch für die Frauenbeauftragten in den Landesdiensten eine Stellvertreterin. Dies soll gesetzlich geregelt werden und das haben wir in den §§ 26 und 18 formuliert und dargelegt.

Damit im ländlich geprägten Thüringen nicht die weißen Flecken auf der Landkarte der Gleichstellung so groß bleiben, schlagen wir vor, dass ab einer Einwohnerzahl von 5.000 zukünftig ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte berufen werden können. Das ist ein guter Schritt, wodurch wir auch in den kleinen Gemeinden oder Kommunen, die sich zusammenschließen, die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten würdigen und weiter festigen. Die weißen Flecken, von denen ich bereits gesprochen habe, sollen beseitigt werden. Darum ist auch die Gültigkeit des Gleichstellungsgesetzes von uns noch einmal genauer angeschaut und mit Änderungen versehen worden. Immer - und das sage ich ausdrücklich, weil auch dieses in den Beratungen immer wieder gesagt worden ist -, wenn das Land oder die Kommune Teile der Verwaltung, einer Körperschaft oder einer anderen Einrichtung ausgliedert, werden diese zukünftig mit unserem Gesetz verpflichtet, sich an das Gleichstellungsgesetz zu halten. Gleiches gilt für juristische Personen des privaten Rechts oder von Personengesellschaften, an denen das Land oder die Thüringer Kommunen Mehrheitsbeteiligungen halten.

Ein Beispiel will ich hierzu geben. Für die Stiftung Weimarer Klassik hat bis jetzt die Weimarer Gleichstellungsbeauftragte keinen Zugang; hier muss es eine neue gesetzliche Regelung geben. Wir sind der Auffassung, wenn Land und Kommune keine direkte Zuständigkeit mehr haben oder sich dieser entledigt haben, soll die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten vor Ort damit gestärkt werden, dass sie Zugriff hat.

Werte Damen und Herren, Gleichstellung - und jetzt bin ich wieder bei Herrn Kemmerich - wollen wir für die Familien. Das haben wir klar geregelt, indem wir die Begriffsdefinition in § 3 unter die Lupe genommen und formuliert haben, dass für die LINKEN der Begriff „Familie“ nicht an den Trauschein geknüpft ist, sondern für uns ist die Familie da, wo Vater, Mutter oder eine Lebensgemeinschaft mit Kindern oder mit pflegebedürftigen Angehörigen zusammenlebt. Für uns ist eine Familie auch da, wo die Gleichstellung der Lebenspartner, sprich Lesben und Schwule, vorhanden ist. Auch für diese Familien wollen wir Verbesserungen, wollen wir familienfreundlichere Arbeitsplätze.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist in § 12 formuliert. Hierzu gehören Möglichkeiten wie Telearbeitsplätze, das Sabbatjahr, Arbeitszeitkonten oder Teilzeitarbeitsplätze auch in Führungsfunktionen.

Frau Abgeordnete Stange, der Abgeordnete Recknagel möchte Ihnen gern eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Das machen wir zum Schluss.

Zum Schluss also.

Werte Anwesende, wir haben - das ist uns auch ganz besonders wichtig - die Rechte der Frauenbeauftragten im Landesdienst mit diesem Gesetzentwurf gestärkt. Bislang - so ist es im alten Gesetz zu lesen - hing die Freistellung immer vom Belieben der Dienststellenleitung ab, ob die Frauenbeauftragte freigestellt worden ist. Wir wollen eine feste Freistellungsregelung und haben formuliert, dass ab 500 Beschäftigten eine ganze Stelle freigestellt wird und ab 200 Beschäftigten zumindest eine halbe Freistellung erfolgen soll - nachzulesen in § 19. Anstatt Frauenbeauftragte wie bisher lediglich beratend einzubeziehen, sind sie nach unserem Gesetz zwingend zu beteiligen. Das gilt bei Ausschreibungen, bei Auswahlverfahren oder bei Bewerbungs

gesprächen. Werden diese Beteiligungsrechte missachtet, hat die Frauenbeauftragte ein Beanstandungsrecht. Das ist auch etwas Neues, da sind wir ganz, ganz stolz, dass wir genau diese neuen Paragrafen eingeführt haben. Wir hoffen, sie werden auch in einem Gesetz, was demnächst verabschiedet werden soll, mit eingebracht und umgesetzt, denn nur wenn es Beanstandungsrechte gibt, dann haben sie natürlich auch aufschiebende Wirkung. Das ist wichtig. Wenn eine Frauenbeauftragte sagt, hier ist etwas nicht in Ordnung, so muss dieses ganze Verfahren noch einmal wiederholt werden. Sie haben nach unserem Gesetzentwurf nun sogar die Möglichkeit, vor einem Verwaltungsgericht zu klagen.

Gerade diese Sanktionsmöglichkeiten sind ganz entscheidend für ein gutes Wirken eines Gleichstellungsgesetzes. Bislang ist es zwar in der Theorie ein Anspruch gewesen und war auch zum Teil so formuliert, aber Führungspositionen geschlechtergerecht zu besetzen war meist wirklich nur Theorie.

Wir schauen in die Landesregierung, da haben wir ein Beispiel dafür. Von den zehn Staatssekretärsposten haben wir eine Frau in der Landesregierung und der Rest, also neun, sind mit Männern besetzt. Bei den Abteilungsleitern sind über 86 Prozent und bei den Referatsleitern immerhin noch 73 Prozent in Männerhand. Hier sollten wir doch gemeinsam etwas ändern und auch da Frauen in diese Positionen bekommen.

Das Thema Frauenförderpläne ist bereits erwähnt. Auch hier haben wir uns sehr, sehr viele Gedanken gemacht. Wir sagen, wir wollen auch die Frauenförderpläne, die erstellt werden müssen, mit deutlich höherer Verbindlichkeit, mit konkreten Maßnahmen ausstatten und einer strengen Kontrolle unterziehen, einklagen. Dieses ist nachzulesen in unseren Paragrafen. Neu ist die Einführung eines Verbandsklagerechts. Das ist eine Neuerung im Vergleich zu allen gesetzlichen Grundlagen. Auch hier haben wir uns angelehnt an zum Beispiel das Gleichstellungsgesetz von Menschen mit Behinderungen, wo unbedingt das Verbandsklagerecht ein Novum ist und eingeführt werden soll. Ich denke schon, dass es wichtig ist, dass die Frauen unterstützt werden müssen, wenn sie der Auffassung sind, sie sind nicht richtig in einer Ausschreibung bedacht worden und sie nicht allein den Mut haben, eine Konkurrentenklage einzureichen. Es ist immer gut, wenn dann ein Verband für sie diese Klärung vor Gericht vornimmt.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben oft über Führungspositionen von Frauen gesprochen. Das Thema Quote ist immer wieder genannt worden. Auch hier haben wir Regelungen reingeschrieben, wie wir das zukünftig verbessern wollen. Wir haben uns natürlich noch einmal dem Thema der Auftragsgabe gewidmet. Wir wissen,

dass wir auch hier nicht alleinstehen. Das Land Berlin hat bereits die Auftragsvergabe auch an eine Frauenquote mit geknüpft. Wir haben uns da ein bisschen Hilfe geholt und haben in unserem Gesetzentwurf formuliert, immer dann, wenn in der Privatwirtschaft mehr als elf Angestellte vorhanden sind und es gibt eine Auftragsvergabe in Höhe von 25.000 € oder bei Bauvorhaben von 200.000 € soll unter anderem nachgewiesen werden, dass auch die Berücksichtigung und die Gleichstellung und Förderung von Frauen in dieser Einrichtung vorhanden ist. Schauen Sie nach Berlin. In Berlin hat dieses Gesetz und dieser Paragraf nicht dazu geführt, dass die Bautätigkeit nicht mehr vorhanden ist. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nun kann Ihnen der Abgeordnete Recknagel noch die Frage stellen.

Danke für die Möglichkeit der Nachfrage. Sie sagten eben, mit Bezug auf § 3 - Begriffsbestimmung hatten Sie in Absatz 3 „Familie“ definiert, und erwähnten in Ihrer Rede dazu unter anderem auch Lesben und Schwule. Nach der Definition Ihres Absatzes 3 gelten als Familie die Lebensgemeinschaften mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Habe ich das dann richtig verstanden, dass beispielsweise ohne Trauschein Zusammenlebende oder Lesben- oder Schwulenpaare nicht als Familie gelten? Denn wenn diese kein Kind oder keinen pflegebedürftigen Angehörigen haben, sind sie dann dementsprechend nicht Familie.

Da haben Sie nicht richtig zugehört.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe ausdrücklich gesagt, auch diese gehören bei uns zu dem Begriff der Familie - ausdrücklich.

Dann müssen Sie das auch so in den Gesetzentwurf schreiben, da steht es nicht drin.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie können doch einen Änderungsantrag schrei- ben.)

Ich habe jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr aus den Fraktionen. Für die Landesregierung rufe ich Frau Ministerin Taubert auf.

(Abg. Stange)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Fraktion DIE LINKE hat in ihren Gesetzentwurf viel Arbeit und Mühe hineingesteckt. Herzlichen Dank dafür.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das haben wir gern gemacht, Frau Taubert.)

Ja, ich finde das gut. Es ist immer gut, wenn man mit seinen Gedanken auch in Gesetzesform in den Landtag kommt. Das ist das Königsrecht der Opposition - Sie haben es schon dargestellt - und das finde ich auch in Ordnung so. Sie haben jedoch nicht nur außer Acht gelassen, dass der von Ihnen vorgeschlagene Regelungsumfang kaum noch mit einem Gesetz zu erfassen ist, also Sie haben versucht, viel in das Gesetz hineinzupacken und Sie erhöhen natürlich - ich denke, Frau Stange, das ist nicht ganz richtig - auch Standards. Das muss man schon sagen. Damit sind natürlich auch Kosten verbunden. So wie es das Königsrecht der Opposition ist, Gesetze vorzulegen und nicht genau hinzusehen, wie es mit der finanziellen Absicherung ist, so ist es die Pflicht der Landesregierung, natürlich auch jeden einzelnen Posten daraufhin zu überprüfen, welche finanziellen Auswirkungen er hat, und das - da können Sie versichert sein - tut, wenn es die Gleichstellungsministerin nicht vorgenommen hat, dann spätestens der Finanzminister. Das erklärt natürlich auch - nicht nur, aber dennoch auch -, dass wir doch länger gebraucht haben, als wie Sie es beschrieben haben am Anfang - wir selbst gedacht haben, dass wir für unsere Novellierung des Gleichstellungsgesetzes in Thüringen brauchen. Ich bin trotz alledem guten Mutes, zumal unsere Ministerpräsidentin auch versprochen hat, in diesem Jahr zum 8. März ein Gleichstellungsgesetz vorzulegen, da sind wir uns einig, gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten Frau Arenhövel. Auch bei ihr möchte ich mich bedanken. Sie hat wirklich die letzten zwei Jahre ausgesprochen viel Zeit und auch Nerven mit ihren Kolleginnen in diesen Gesetzentwurf gesteckt, um doch die meisten Bedenken, die von anderen Ministerien geäußert wurden, mit zu verarbeiten. Ich denke, es ist immer gut, wenn viele gute Gedanken zu einem guten Gesetz führen.

(Beifall CDU, SPD)

Deswegen sind wir da auch in wirklich ausreichend Gesprächen bisher unterwegs gewesen. Ich habe die große Hoffnung, dass wir dort auch in Bälde zum Zuge kommen. Natürlich ist für uns die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch wichtig. Wir sind in Thüringen, wenn Sie an die Kindertagesstättenbetreuung denken, sehr gut aufgestellt. Dennoch ist es so, dass vor allen Dingen alleinerziehende Frauen immer noch einen erhöhten Bedarf an Möglichkeiten haben. Das ist nicht nur außerhalb des öf

fentlichen Dienstes so, das ist auch innerhalb des öffentlichen Dienstes so.

Ein weiterer Punkt, der uns gemeinsam umtreibt, ist - also zumindest alle die, die für Gleichstellung hier im Hause brennen, und das ist, das weiß ich, in allen Fraktionen mit Personen auch untersetzt -, dass wir in Führungspositionen im öffentlichen Dienst in Thüringen noch nicht da sind, wie wir das wollen. Ich will ganz deutlich sagen: Es geht mit dem Gesetz auch darum, tatsächlich Gleichstellung zu erreichen, eben auch in Führungspositionen. Sollten wir da mal angekommen sein und es alle verinnerlicht haben, dass Gleichstellung für Thüringen existenziell wichtig ist, und zwar nicht nur für die Frauen, sondern für die gesamte Gesellschaft, dann können wir uns ein Gleichstellungsgesetz am Ende sparen und natürlich auch die Aufwendungen, die dazu notwendig sind. Bis dahin brauchen wir es und werden als Landesregierung in Bälde einen Gesetzentwurf vorstellen, der den Ansprüchen genügt, nämlich die Gleichstellungsbeauftragten zu stärken, die Quoten auch verbindlich festzulegen. Ich denke, es kann nicht sein, dass wir hier im Landtag auch von Quoten woanders reden und selber im öffentlichen Dienst die Quote nicht haben. Das geht nicht so, da müssen wir auch Vorbild sein. Wir können das auch, weil wir gerade im öffentlichen Bereich - ob es jetzt im Bereich der Landesregierung oder auch im Bereich der Kommunen ist durchaus viele leistungsfähige Frauen beschäftigt haben. Was wir wollen, ist natürlich, auch da, wo Unterrepräsentanz bei Männern ist, dies zu befördern. Sie kennen die Bereiche gerade bei den Erzieherinnen und Erziehern, da müssen wir heute noch mehr von Erzieherinnen reden als von Erziehern. Es geht also auch darum, dass in den Bereichen, in denen Männer unterrepräsentiert sind, eine Angleichung erfolgen kann und sollte. Gleichwohl merken wir, in der Gesellschaft wird die nicht berufstätige Frau immer noch als so eine Art Reserve gesehen, die in den Beruf gehen kann, wenn es der Wirtschaft gerade gut geht, und aus dem Beruf wieder herausgehen muss, wenn es dann nicht mehr so funktioniert. Ich denke, das ist in Ostdeutschland und auch in Thüringen nicht das Bild, was wir von Frauen und Männern, von den Lebensentwürfen beider Geschlechter haben. Deswegen, denke ich, sollten wir ein Gleichstellungsgesetz auf den Weg bringen und ich freue mich, dass die CDU-Fraktion vorgeschlagen hat, ihren Gesetzentwurf gemeinsam dann später mit unserem auch im Gleichstellungsausschuss zu behandeln. Danke schön.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

Es gibt keine weiteren Redeanmeldungen. Damit schließe ich die Aussprache. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Gleichstellungsausschuss zu überweisen. Wer diesem zustimmt, den

bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Ich frage nach Gegenstimmen. Es gibt keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Die gibt es auch nicht. Damit ist diese Überweisung an den Gleichstellungsausschuss erfolgt.

Gibt es weitere Ausschussüberweisungen? Die gibt es nicht. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 2.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3

Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/3896 ERSTE BERATUNG

Mir ist nicht signalisiert worden, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zur Begründung haben möchte. Doch? Dann bitte, Herr Adams, das Wort zur Begründung, 5 Minuten zunächst.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, ich weiß, dass es leicht pathetisch klingen kann, wenn man bei diesem Tagesordnungspunkt noch einmal an die grundrechtlichen Pfeiler des modernen Verfassungsstaats erinnert. Peter Badura fasst in seinem Staatsrecht systematisch zusammen, ich zitiere: „Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist ein Abwehrrecht gegen die öffentliche Gewalt, darüber hinaus aber auch ein Schutzauftrag, der die Verpflichtung des Staates begründet, durch geeignete Rechtsvorschriften und durch einen wirksamen Vollzug“ - an dieser Stelle kürze ich etwas ab - „dieser Rechtsvorschriften Leben und körperliche Unversehrtheit gegen Dritte zu schützen.“ Weiterhin führt er aus: „Eine Verletzung der Schutzpflicht kann nur festgestellt werden, wenn die von der öffentlichen Gewalt getroffenen Schutzvorkehrungen gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich sind.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt im Umkehrschluss auch, dass der Staat seine Rechtfertigung verliert, wenn er gänzlich unzureichende und unzulängliche Mittel einsetzt, um das Leben zu schützen, Leben, das die vitale Grundlage der Menschenwürde darstellt und konstitutiv für unseren Staat ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Beunruhigende ist, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland - nicht nur hier in Thüringen - darüber

diskutieren müssen seit dem Ende letzten Jahres, ob dieser Fall nicht eingetreten ist. Wir sind hier in Thüringen aufgefordert, aufzuklären, wie aus unserem Bundesland heraus diese Verbrechen ihren Lauf nehmen konnten. Wir haben dazu vor zwei Tagsordnungspunkten einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, aber einen wesentlichen, einen nicht unbeträchtlichen Teil dieser Aufklärung werden wir in der Parlamentarischen Kontrollkommission leisten müssen. Die Erfahrung der letzten Monate zeigt aber auch, dass die fünf Mitglieder dieses Hauses, die diesen Auftrag erhalten haben, damit große Schwierigkeiten haben trotz allen Engagements, weil die Mittel fehlen, aufzuklären, was eine geheimdienstlich arbeitende Behörde in den letzten zehn Jahren getan hat und was dort vonstatten ging.

Ich erlaube mir ein zweites Zitat: „Bei der Wahrnehmung der dem Thüringer Verfassungsschutz zugewiesenen Aufgaben ist dessen Tätigkeit, wie die Tätigkeit von Nachrichtendiensten insgesamt, weniger transparent als die anderer Behörden. Insofern fehlt es in der Regel an der öffentlichen Kontrolle als Machtbegrenzung.“ Der Autor kommt zu dem Schluss: „Angesichts der Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle für den Grundrechtsschutz des Einzelnen ist der Landtag, aber auch die Parlamentarische Kontrollkommission selbst gut beraten, nach Ansatzpunkten und Lösungen zu suchen, wie die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes und der Sicherheitsbehörden weiter gestärkt werden kann.“ Der hier Zitierte ist kein anderer als der heutige Justizminister Dr. Holger Poppenhäger, der dies damals in einem Beitrag für die Thüringer Verwaltungsblätter im Jahr 2004 schrieb.

Hier ist der Vorschlag der GRÜNEN zu dieser Aufgabe. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind guter Dinge, dass wir heute hier einen vernünftigen Ansatzpunkt für die weitere Arbeit an diesem Thema geben. Wir wissen und hoffen, dass wir in den Ausschüssen und dann in der zweiten Lesung möglicherweise schnell zu einem Ergebnis kommen könnten, wenn dieses Parlament das haben will. Ein schnelles Ergebnis wäre ein schnelles Ausstatten der Parlamentarischen Kontrollkommission mit weiteren Kompetenzen und Hilfsmitteln. Darum hoffen wir auf eine zügige Beratung. Wir wissen auch, dass wir hier nur einen ersten Schritt gehen, der unvollständig ist. Der zweite Schritt muss auch gegangen werden. Wir wissen, dass die Regierungskoalition angekündigt hat, diesen zweiten Schritt auch zu gehen. Wir wollen aber nicht warten bis zum zweiten Schritt, nämlich elementare Veränderungen am Verfassungsschutzgesetz vorzunehmen, das heißt, eine Zieldiskussion zu führen, eine Mittelabwägung durchzuführen und elementar den Sinn dieser Behörde auf den Prüfstein zu stellen, zu hinterfragen und gesellschaftlich zu diskutieren. Wir wollen damit nicht bis zur Mitte oder bis zum

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

Ende des Jahres warten. Herr Gentzel, Sie wissen es, wie oft wir uns treffen. Das heißt, jede Sitzung, in der wir mehr Kompetenzen haben, ist ein zusätzlicher Gewinn für die Demokratie, für diesen Rechtsstaat. Wir bitten um Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss und an den Innenausschuss. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Adams, möchten Sie dann noch einmal das Wort nehmen oder war das jetzt schon der … Ja, gut.