Protocol of the Session on November 18, 2011

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster spricht Abgeordneter Bärwolff von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag der GRÜNEN-Fraktion, der mag zwar abgeschrieben sein, aber wenn es ein politisch wichtiger Gegenstand ist, dann ist es mir relativ egal, ob der schon in irgendeinem anderen Landtag vorgelegt wurde oder nicht. Wenn es wichtig ist, darüber zu reden, dann sollten wir das tun.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Von daher kann ich die Kritik von Frau Meißner ein Stück weit verstehen, aber sich darüber derartig aufzuregen, halte ich doch ein bisschen für übertrieben und verfehlt, zumal von der CDU dazu nichts kam, das nur ganz kurz vorab.

Der Bundesfreiwilligendienst als Ersatz für den Zivildienst ist in der Tat mit ganz heißer Nadel gestrickt. Die Einsatzstellen, die Träger und auch diejenigen, die den Bundesfreiwilligendienst leisten sollen, stehen vor einem durchaus als Chaos zu bezeichnenden Gewirr von Fragen und Antworten. Wenn man sich mit den Trägern unterhält - Frau Pelke hat das gerade ausgeführt -, kommt heraus, dass dort sehr viele Dinge ungeklärt sind. Das eigentliche Problem ist der Umstand, dass der Wegfall des Zivildienstes erhebliche Lücken aufgeworfen hat, angefangen bei Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Pflegeheimen usw. Diese Lücken müssen geschlossen werden. Das ist, glaube ich, der eigentliche Kern, zu dem wir kommen müssen. Zudem ist von den rund 35.000 Stellen - was hatten Sie gesagt - die Hälfte besetzt, vor zwei, drei Monaten war es noch ein Drittel. In Thüringen ist in etwa ein Viertel besetzt, hatte Frau Siegesmund ausgeführt. Das zeigt auch, dass der Bundesfreiwilligendienst nicht das Instrument ist, womit man diese großen Lücken, die der Wegfall des Zivildienstes aufgerissen hat, schließen kann. Das, glaube ich, müsste man sich auch noch einmal vor Augen führen. Das ist zwar ein Instrument, womit man solche Bedarfe abfangen wollte, aber so richtig funktioniert das eben noch nicht. Dann muss man auch feststellen, dass der Bundesfreiwilligendienst für eine ganze Reihe von Menschen sehr unattraktiv ist. Für junge Leute ist es deshalb unattraktiv, weil die Regelungen aus dem FSJ, also aus dem Thüringenjahr, wesentlich günstiger sind, das muss man feststellen. Man muss sich aber auch die Frage stellen, wer sind eigentlich diejenigen, die im Alter von 26 bis - nach oben ist es ja offen - dort Freiwilligendienst leisten sollen. Wer kann sich das eigentlich leisten? Diejenigen, die zum Beispiel in Erwerbsarbeit sind, die haben, glaube ich, wenig Chancen oder auch wenig Motivation, Freiwilligendienst zu leisten, denn wenn man einmal aus dem Arbeitsprozess heraus ist für ein Jahr oder mehr - das geht ja bis zu zwei Jahren mit dem Bundesfreiwilligendienst -, dann ist es eben sehr schwierig. Das heißt, es bleiben diejenigen als potenzielle Bewerber für den Bundesfreiwilligendienst übrig, die quasi sowieso Zeit haben, also Menschen, die nach dem Studium noch nicht so richtig wissen, wie es weitergeht, Menschen, die in Erwerbslosigkeit sind, Menschen, die im Rentenalter sind. Das sind diejenigen, die für den Bundesfreiwilligendienst potenziell infrage kommen. Dann muss man sagen, dass die Regelungen, die auf Bundesebene getroffen sind, dass zum Beispiel für Hartz IV-Empfänger nur ein 60-€-Taschengeld zur Verfügung steht, zu dieser Unattraktivität beiträgt. Ich muss sagen, dass die

(Abg. Pelke)

Regelungen, die wir hier getroffen haben, wirklich mit heißer Nadel gestrickt sind und man sich nicht wirklich intensiv überlegt hat: Was wollen wir eigentlich erreichen und wie können wir das, was wir erreichen wollen, auch umsetzen? Das Ziel ist ja bekannt, aber der Weg über das Bundesfreiwilligendienstgesetz ist, denke ich, ein falscher, aus Sicht der Träger. Das kann ich nur noch einmal bestätigen, weil ich gestern die Möglichkeit hatte, bei der Parität bei der Mitgliederversammlung, noch einmal mit einigen Trägern dazu zu sprechen, auch beispielsweise mit dem kommunalen Radio in Erfurt, Radio F.R.E.I., das bemüht sich auch schon seit einigen Wochen um eine Bundesfreiwilligendienststelle und es funktioniert einfach nicht. Da ist ein 58-jähriger älterer Mann, der sich sozial schon seit zehn Jahren bei Radio F.R.E.I. engagiert, das Raumfahrtjournal (eine wirklich sehr gute Sendung, das Raumfahrtjournal über Radio F.R.E.I.), der sich also bemüht, dort eine Bundesfreiwilligendienststelle zu bekommen und es klappt einfach nicht, weil nicht klar ist, wer bezahlt was, woher kommen die Gelder, welche Bedingungen sind auch wegen der Versicherungsleistung zu übernehmen?

(Beifall Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundesfreiwilligendienst soll ja auch sozialversicherungspflichtig sein, es sollen ja auch Rentenansprüche usw. abgeführt werden und am Ende ist es doch wirklich schwierig, wenn die Träger auch noch Geld mitbringen müssen dafür, dass sie Bundesfreiwilligendienstleistende einsetzen. Von daher - Frau Meißner ist leider nicht da - ist es, denke ich, schon nötig, hier noch einmal darüber zu reden. Für die Fraktion DIE LINKE kann ich durchaus sagen, dass wir dieses Bundesfreiwilligendienstgesetz nicht mit wehenden Fahnen bejubeln und begrüßen, sondern da muss man wirklich ganz große Fragezeichen dahintersetzen. Denn eine Frage, die steht und die steht auch schon mit dem Zivildienst, das ist beispielsweise die Frage der Arbeitsmarktneutralität. Sind die Leistungen, die durch Zivildienstleistende, sind die Leistungen, die jetzt durch diese sogenannten Bufdis, ein ganz unangenehmer Begriff, also die Frage der Bundesfreiwilligendienstleistenden, die heißen jetzt Bufdis. Gruftis kennt man schon, jetzt gibt es auch noch Bufdis. Vielleicht gibt es auch den einen oder anderen Bufdis, der dann auch auf dem Friedhof arbeitet als Grufti, aber das nur am Rande. Sind die Leistungen, die dort erbracht werden, wirklich zusätzlich, sind die arbeitsmarktneutral? Wenn man sich anschaut, was mit dem Wegfall des Zivildienstes jetzt in den Krankenhäusern stattgefunden hat, was mit dem Wegfall des Zivildienstes in den Pflegeeinrichtungen stattgefunden hat, dann lässt sich doch konstatieren, dass diejenigen, die jetzt dort beschäftigt sind als Fachpersonal, wesentlich mehr Aufgaben und Arbeit haben. Das heißt, es gibt dort ein Quantum

von Arbeit, was jetzt nicht mehr erledigt wird und das kann ich nicht so richtig nachvollziehen, dass man dann sagt, der Bundesfreiwilligendienst und der Zivildienst, die sollen arbeitsmarktneutral stattfinden, das ist nicht der Fall. Ich glaube, wenn man den Zivildienst und die Wehrpflicht abschafft, da haben Sie uns als LINKE immer auf Ihrer Seite, aber dann muss man auch den zweiten Schritt gehen und sagen, die Arbeit und Leistung, die dort in den Einrichtungen geleistet wurde von den Zivildienstleistenden, die müssen wir zum Beispiel in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor abdecken. Das heißt, eine Tätigkeit, die

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

sozusagen Menschen in die Lage versetzt, ordentlich zu arbeiten und möglicherweise kann man das auch mit Arbeitsmarktinstrumenten verbinden, so dass sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, so dass sie zusätzliche Arbeit machen, so dass sie die viele Arbeit, die in den sozialen und karitativen Einrichtungen anfällt, auch bewältigen können. Diese Chance wurde leider von der Bundesregierung verpasst. Stattdessen hat man jetzt diesen Bundesfreiwilligendienst eingeführt, mehr schlecht als recht. Die Frage, die hat Frau Pelke ja auch schon angesprochen, ist die, was machen wir mit dem Ehrenamt? Da muss ich ganz ehrlich sagen, das Geld, was Sie in den Bundesfreiwilligendienst stecken, das hätte man sich in der Tat sparen können. Wenn wir in Erfurt beispielsweise, da ist das große Problem immer wieder, was machen wir mit den Mitteln für das Ehrenamt, wie geht das seinen Gang? Da kommt dann immer wieder raus, dass einige Träger anhand der ehrenamtlichen Personen, die dort tätig sind, und anhand der Leistung einen bestimmten Schlüsselsatz pro Ehrenamtlichen bekommen. Da bekommen dann einige Vereine 15,73 € als Vergütung oder als Anerkennung für die Ehrenamtlichen. Das kann man sich doch eigentlich sparen. Wenn man das Geld aus dem Bundesfreiwilligendienst nimmt, wenn man das Geld, was da ist, auch wirklich investiert, um Ehrenamt zu unterstützen, wenn man zum Beispiel Ehrenamtsagenturen organisiert, wenn man ähnliche Modelle wie in Gera, wo es eine Freiwilligenagentur gibt, die sich intensiv mit dem Thema Ehrenamt beschäftigt und auch eine fachliche Unterstützung gibt, ich glaube, da hätte man wirklich mehr gekonnt und mit dieser Freiwilligendiensteinrichtung, glaube ich, ist man da auf dem Holzweg. Was jetzt auch sehr, sehr offenbar wird, ist der Umstand, gerade wenn man sich mit den Trägern noch einmal auseinandersetzt, die vielen Lücken, die wir im sozialen System haben, die kommen ja auch nicht von ungefähr, sondern wir haben in den letzten Jahren ganz viele Einschnitte in den sozialen Infrastrukturen erlebt. Die Träger haben weniger Zuwendung bekommen, die Aufgaben wurden gekürzt, man kann das auch im Freistaat Thüringen sehen, die Jugendpauschale

hatte mal 15 Mio. € Volumen enthalten, zwischenzeitlich nur noch 9 Mio. €, jetzt sind wir bei 11 Mio. € angekommen - das sind alles Dinge, die sich auch auf die soziale Infrastruktur auswirken. Da kann man verschiedene Fachthemen durchdeklinieren und da wird offenbar, dass dort ein riesiger Bedarf ist, ja, das ist richtig, gerade für die soziale Infrastruktur, sonst wird es nichts. Es bringt nichts, wenn wir einen konsolidierten Haushalt und am Ende die Hälfte der Bevölkerung in Armut und Arbeitslosigkeit haben. Das ist schwierig. Deshalb denke ich, dass gerade die Kürzungen in den sozialen Infrastrukturen hier deutlich machen, hier brauchen wir öffentlich geförderte Beschäftigung, hier brauchen wir Möglichkeiten, um Leute in Arbeit zu bringen

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

und hier brauchen wir vor allem Möglichkeiten, damit die Aufgaben wahrgenommen werden. Es ist ja nicht so, dass die Aufgaben, die die Sozialen Träger erledigen und die in den Sozialgesetzen festgeschrieben sind, umsonst sind. In diesem Sinne möchte ich schließen

(Beifall Abg. Günther, CDU)

und sagen, der Bundesfeiwilligendienst ist wirklich ein Schnellschuss, er ist mit heißer Nadel gestrickt. Wir als LINKE-Fraktion sehen das durchaus kritisch und möchten eher dafür werben, statt auf den Freiwilligendienst zu setzen, sich zum Beispiel über einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor Gedanken zu machen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Mir liegen keine Wortmeldungen seitens der Abgeordneten mehr vor. Frau Ministerin, bitte schön. Frau Ministerin Taubert hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, zunächst einmal eine kurze Bemerkung zu den Redebeiträgen. Herr Bärwolff, gerade aus dem Grund, den ich zu Herrn Diedrichs gesagt habe, wir brauchen mehr Geld, können wir nicht auf das Geld verzichten und es irgendwo anders verteilen, denn die Grundauffassung in der Diskussion um die Freiwilligendienste war und wird es auch langfristig bleiben, dass man einheitliche Freiwilligendienste hat, die eine gemeinsame Basis und keine unterschiedlichen Auffassungen haben. Da ist es immer ratsam, dass sich Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker natürlich auch mit Haushaltsordnungen und dergleichen beschäftigen und

das ist einer der Gründe, warum wir so gehandelt haben im Freistaat, wie wir gehandelt haben.

Auch ich kann ein Beispiel benennen, mich hat vor drei Tagen ein Vater sehr sorgenvoll angesprochen. Er hat gesagt, ich habe meine Tochter dazu überredet, dass sie Bundesfreiwilligendienst ableistet und ich weiß immer noch nicht, was mit dem Kindergeld und mit meinem Familienzuschlag wird. Sie bekommtt 150 € und ich verliere 154 € oder noch mehr Geld. Wenn das für unsere Familie mit vier Kindern ein Verlustgeschäft ist, dann kann ich meine Familie nicht dazu motivieren, in so einen Dienst zu gehen. Das zeigt meines Erachtens sehr deutlich, wir haben es hier auf Bundesebene mit einem sehr schnellen Handeln zu tun, das ist nicht gut gewesen, das muss man so deutlich sagen und wir haben es mit einem Konflikt zwischen zwei CDU-Ministerien auf Bundesebene zu tun.

Wir haben uns als Jugendministerium dafür entschieden, dass wir uns hinter Frau Schröder versammeln, weil wir denken, dass das perspektivisch die richtige Wahl für die Finanzierung von Freiwilligendiensten ist. Wir sehen aber auch, dass alles seine Zeit braucht. Ich denke, da muss man dem Bund die Möglichkeiten lassen, zeitlich zu handeln, wenngleich ich auch sagen muss, die Ämter für Zivildienst haben jetzt eine andere Funktion und wir hätten uns alle gewünscht, dass das, was im Hintergrundgespräch im Sommer im Augustinerkloster von dem zuständigen Kollegen gesagt wurde, schneller umgesetzt würde. Der hatte uns nämlich schnelle Hilfe versprochen.

Insofern, wer auch immer momentan bei der Bundespolitik mitmischen darf, meine herzliche Bitte, das sage ich auch als im Ehrenamt tätige Person und da in meinem Jugendverband für Freiwilligendienste zuständig, die Haare mussten öfter gefärbt werden in Bezug auf dieses Thema.

Ich möchte Ihnen nicht noch einmal sagen, wie wichtig die Jugendfreiwilligendienste sind, nur so viel, die Grundlage für die Jugendfeiwilligendienste bildet ein eigenständiges Gesetz, das Jugendfreiwilligendienstgesetz. Auf dieser Grundlage leisten junge Menschen zwischen dem 16. und 27. Lebensjahr 12 Monate ihren Jugendfreiwilligendienst, Freiwilliges Soziales Jahr oder Freiwilliges Ökologisches Jahr.

In Thüringen werden die Freiwilligendienste seit 2003 als eigenständiges Förderprogramm „Thüringenjahr“ durchgeführt. Das sogenannte Thüringenjahr wird mit Landesmitteln und mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds, Eigenmitteln der Einsatzstellen, Stiftungsmitteln im Bereich Kultur- und Denkmalpflege sowie mit Bundesmitteln finanziert. Der Jugendfreiwilligendienst ist aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, eine Jugendbildungsmaßnahme, die gemäß unseren föderalistischen Grundsätzen von den Ländern intensiv begleitet

(Abg. Bärwolff)

und gemeinsam mit den Trägern ausgestaltet werden sollte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, mit der Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes wurde auf Anregung des Bundes der Bundesfreiwilligendienst konzipiert und zum 1. Juli 2011 gestartet. Er wird auf der Grundlage des Gesetzes zur Förderung eines Bundesfreiwilligendienstes durchgeführt. Ziel der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes war es unter anderem, den Wegfall der Zivildienstleistenden insbesondere in den Einrichtungen der Gesundheitshilfe, Altenhilfe, Behindertenhilfe, Kindertagesstätten, Jugendbildungseinrichtungen, Jugendherbergen möglichst zu kompensieren und die negativen Effekte der Aussetzung der Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes zu minimieren. So weit, denke ich, zunächst ein erster guter Ansatz.

Darüber hinaus sollten auch den vorhandenen Strukturen des Zivildienstes geeignete Aufgaben übertragen werden. Auch das wissen wir, wenn wir Behörden haben, man muss schauen, wie man weiterentwickelt oder umentwickelt oder verteilt. Da braucht es eine gewisse Zeit.

Die Öffnung des Bundesfreiwilligendienstes für alle Altersgruppen soll das bürgerschaftliche Engagement vieler Menschen sowie ihren Anspruch auf lebenslanges Lernen anregen und befördern, ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden, durch soziales Engagement positive Erfahrungen sammeln zu können. Freiwillige über 27 Jahre können den Bundesfreiwilligendienst auch mit reduzierter Stundenzahl leisten. Dieses Ansinnen wurde seitens meines Hauses ausdrücklich begrüßt, zumal der Wegfall der Zivildienstleistenden als Pflichtdienst für junge Männer große Lücken in verschiedenen Bereichen hinterlassen hat.

Ich möchte aber auch an dieser Stelle daran erinnern, dass die Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes ein breiter politischer Konsens war. Der neue Bundesfreiwilligendienst wird in ausschließlicher Bundeszuständigkeit in staatlicher Regie durchgeführt und finanziert. Das schränkt auch, Frau Siegesmund, Ihren Wunsch an uns doch ein ganzes Stück ein, weil so wie wir nicht beim Bund hineinregieren dürfen, wollen wir auch nicht, dass uns der Bund ständig Anweisungen gibt in speziellen Verwaltungsdurchführungen, also haben wir da unsere Grenzen.

Die Gesamtverantwortung trägt also der Bund. Es wird ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zwischen Bund und dem Freiwilligen abgeschlossen. Als Zentralstellen für die Umsetzung sollen dabei die bisher im Rahmen der Jugendfreiwilligendienste auf Bundesebene bereits tätigen großen Träger der Wohlfahrtspflege fungieren und stellen somit ein Bindeglied zwischen ihren Einsatzstellen und dem

Bund dar. Weitere Zentralstellen, insbesondere auch mit dem Schwerpunkt Natur- und Umweltschutz, werden durch das BMFSFJ zugelassen. Bereits im Vorfeld der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes wurde seitens des Bundes in der Diskussion mit den Ländern und den Trägern der Jugendfreiwilligendienste zugesichert, dass mit dem neuen Dienst keine Schwächung bzw. Verdrängung der Jugendfreiwilligendienste erfolgen sollte. Vielmehr war vonseiten des Bundes vorgesehen, die Förderpauschalen für die pädagogische Begleitung der Jugendfreiwilligendienste auf 200 € pro Teilnehmer und Monat anzuheben und jeden Platz zu fördern. Diese Zusage wurde kurzfristig erst nicht so eingehalten, vielmehr kam es zur Situation, die Sie in Ihrem Antrag, Ziffer 3, festgestellt haben.

Da bis zum 1. Juli 2011 bundesweit nicht die avisierten Plätze für den Bundesfreiwilligendienst erreicht werden konnten, sollte die Gewährung des Bundeszuschusses an die FSJ-Träger für die pädagogische Begleitung der Jugendfreiwilligendienste dem Grunde und der Höhe nach von der tatsächlichen Zahl der besetzten Plätze für den Bundesfreiwilligendienst bei den jeweiligen Trägern abhängig gemacht werden. Dieses Verhältnis, drei FSJ-Plätze zu zwei BFD-Plätzen, war da ausgewiesen. In Thüringen wären von der Regelung insgesamt 12 Träger des FSJ betroffen gewesen.

Meine Damen und Herren, ich denke, der Bund ist von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Für mich, für uns war absehbar, dass der neue Bundesfreiwilligendienst in der kurzen Einführungszeit vom 3. Mai 2011 bis zum 1. Juli 2011 nicht in dem erwarteten Umfang umsetzbar war und den Wegfall des Zivildienstes vollständig kompensieren kann. Darüber hinaus waren Rahmenbedingungen, Fragen der Vertragsgestaltung und Modalitäten der begleitenden Bildungsarbeit nicht abschließend geregelt. Eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne wurde zu spät gestartet. Zur Erreichung der avisierten Platzzahlen wurde durch den Bund auch eine Umwandlung von bisherigen FSJ-Stellen in Bundesfreiwilligendienststellen vorgeschlagen. Dieses Ansinnen wurde von der Landesregierung nicht unterstützt, da die Wahlfreiheit der Freiwilligen und Einsatzstellen zu dem von ihnen vorgesehenen Dienst nicht eingeschränkt werden sollte. Im Übrigen wäre damit ohnehin kein zusätzlicher Freiwilliger gewonnen worden.

In Ihrem Antrag unter Ziffer 5 fordern Sie die Landesregierung auf, ihren Einfluss gegenüber dem Bund geltend zu machen. Ich will Ihnen dazu berichten, was wir natürlich getan haben. Herr Staatssekretär Dr. Schubert hatte sich in meiner Vertretung bereits mit Schreiben vom 3. August 2011 an Frau Bundesfamilienministerin Schröder - wie einige andere Länderkollegen auch - gewandt und sein Missfallen bezüglich der vorab genannten Rege

(Ministerin Taubert)

lung mit Blick auf den gefährdeten Start des FSJ zum 1. September 2011 in Thüringen geäußert. Gemäß der beabsichtigten Regelung wäre die Gesamtfinanzierung des Thüringenjahrs aus Mangel an der Vorlage der Bundesbescheide nicht gesichert, Projekte wären nicht bzw. nicht in dem geplanten Platzumfang bei den jeweiligen Trägern umsetzbar gewesen, Verträge mit Seminarhäusern und Referenten hätten keine Bestandskraft erhalten, pädagogische Fachkräfte der Träger der Jugendfreiwilligendienste hätten möglicherweise entlassen werden müssen, über Tausend Freiwillige hätten ihren Dienst nicht beginnen können, da abgeschlossene Vereinbarungen mit Freiwilligen und Einsatzstellen nicht rechtskräftig geworden wären. Ein Letztes, der bereits durch die Einsatzstellen geplante Einsatz von Freiwilligen in Vollzeittätigkeit hätte nicht realisiert werden können.

Zwischenzeitlich wurde im Ergebnis eines weiteren Gesprächs auf Bundesebene eine Vereinbarung zwischen den Verbänden und dem Bund geschlossen. Diese wurde zwischenzeitlich umgesetzt, so dass neben den Plätzen für das FSJ bis zum 31. Oktober 2011 insgesamt bis 10.000 BFD-Plätze bundesweit eingerichtet wurden. Damit ist zumindest gesichert, dass die Bundesmittel für die bis zu 30.000 FSJ-Plätze bei den bundeszentralen FSJTrägern zeitnah bereitgestellt werden können. Insgesamt gibt es inzwischen eine Zusicherung des BMFSFJ zur Förderung des Bundes für die pädagogische Begleitung im Rahmen der Ableistung eines Jugendfreiwilligendienstes für bis zu 38.000 Plätze im FSJ, im FÖJ, der Kultur und dem Sport. Mit Blick auf die beschlossene Vereinbarung wurde seitens der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen bestätigt, sich auch intensiv weiterhin um die Werbung und Gewinnung von Freiwilligen, die Gewinnung von Einsatzstellen und deren Anerkennung durch den Bund für den Bundesfreiwilligendienst einzusetzen, um ihren Beitrag zur Erfüllung der Vereinbarung zu leisten. Circa 930 Freiwillige haben in Thüringen bereits ihren Bundesfreiwilligendienst begonnen. Jüngere Menschen haben sich dagegen vorrangig noch bewusst für den Jugendfreiwilligendienst entschieden.

In der Ziffer 6 Ihres Antrags fordern Sie die Landesregierung auf, gemeinsam mit dem Bund und den Ländern ein tragfähiges Konzept für alle Freiwilligendienste zu entwickeln, in dem Kompetenzen des Bundes und der Länder sowohl entsprechende Rahmenbedingungen festgeschrieben, Doppelstrukturen verhindert und auch die Einsatzfelder deutlich erweitert werden sollen. Wie bereits dargestellt, gibt es zwischen Freiwilligendiensten maßgebliche Unterschiede in Bezug auf die gesetzlich festgeschriebenen Zuständigkeiten, Finanzierungsstruktur der Dienste, die Rahmenbedingungen und strukturellen Voraussetzungen der Freiwilligendienste, die Verantwortlichkeiten für die Vertragsge

staltung, das Trägerprinzip bei den Jugendfreiwilligendiensten für die Gesamtverantwortung zur Sicherung der qualitativen Umsetzung inklusive der pädagogischen Begleitung auf der Grundlage eines Begleitkonzepts und die Wahrnehmung und Einhaltung von Qualitätsstandards für die Jugendfreiwilligendienste in enger Kooperation mit den Ländern. Eine Erweiterung der Einsatzfelder ist aus meiner Sicht insbesondere für die Jugendfreiwilligendienste ebenfalls nicht erforderlich, da diese bereits in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen hin bis zum Sport, der Denkmalpflege, der Kultur und des Naturschutzes umfangreiche Einsatzmöglichkeiten für junge Leute bieten. Die Einführung eines FSJ in der Politik bis hin zur Verwaltung und öffentlichen Institutionen hatten wir bereits im Ausschuss diskutiert und abgelehnt. Eine Erweiterung der Freiwilligendienste auf den Bereich Justiz erscheint vor dem Hintergrund der generellen Einsatzmöglichkeiten in den Bereichen der Wahrnehmung von hoheitlichen staatlichen Aufgaben fragwürdig.

Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund der positiven Erfahrungen, die wir mit den Jugendfreiwilligendiensten für junge Menschen gemacht haben, sehe ich zurzeit von der Entwicklung eines einheitlichen Konzepts für die Freiwilligendienste ab. Da bislang der Bund auch keinen Willen zu einem einheitlichen Freiwilligendienst hat, vor allen Dingen zu dessen Finanzierung, müssen wir mit dem Bundesfreiwilligendienst arbeiten. Er sollte jedoch auch für Freiwillige über 27 Jahre als Bildungsangebot angeboten und umgesetzt werden. Es sollten Teilhabemöglichkeiten und Lernziele vereinbart werden, denn auch ältere Menschen haben ein Recht auf Bildung. Für die Freiwilligen im Bundesfreiwilligendienst ist bislang lediglich die Teilnahme an fünf Tagen zur politischen Bildung vorgeschrieben. Im Hinblick auf die Erweiterung der Einsatzfelder über die per Gesetz vorgesehenen gemeinwohlorientierten Einsatzstellen hinaus müsste der Bund ohnehin in eigener Zuständigkeit entscheiden. Nach wie vor auch da stehe ich sehr eindeutig zu dem, was Birgit Pelke gesagt hat und was, denke ich, auch hier im Hause unstrittig ist - dürfen die Freiwilligendienste keine regulären Arbeitsplätze verdrängen und die Engagementleistungen insbesondere der Älteren müssen entsprechend honoriert werden. Die Arbeitsmarktneutralität muss dabei aus meiner Sicht insbesondere in den Einsatzstellen auf kommunaler Ebene gewahrt bleiben. Es wird sich noch zeigen, ob die strukturellen und konzeptionellen Neuerungen des Bundesfreiwilligendienstes - wie beispielsweise auch die Öffnung für alle Altersgruppen - geeignet sind, das Netz der Freiwilligendienste insgesamt tragfähig und nachhaltig zu gestalten. Wir werden uns seitens des Freistaats weiterhin darum bemühen, in den entsprechenden Gremien auf Landes- und Bundesebene mitzuwirken und den Prozess fachlich begleiten.

(Ministerin Taubert)

Ein Letztes: Ich denke, es ist wichtig, dass wir aus den Ländern, ob wir uns nun im Bund in Koalition befinden oder in Opposition, immer sehr deutlich dazu artikulieren, denn wir müssen auf örtlicher Ebene auch bei den Trägern natürlich mit so einem Bundesgesetz umgehen und es muss immer gestattet sein, auch Kritik zu üben.

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

Da bin ich guter Gemeinsamkeit mit meiner Kollegin Dr. Clauß aus Sachsen, die ja bekanntlich, Herr Mohring, Ihrer Partei angehört. Und sie scheut sich da auch nicht, einmal zu sagen, wir haben da im Bund eben, na ja, noch Nachholbedarf. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes war der Antrag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt worden auf Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist Zustimmung bei den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Wer ist dagegen? Das ist Ablehnung bei der CDU und bei der SPD. Damit ist der Antrag nicht an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überwiesen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung des Antrags wurde von Frau Meißner beantragt -, und zwar die Einzelabstimmung des Punktes 1 des Antrags. Stimmt der Antragsteller dem zu? Ja, danke. Dann kommen wir zur Abstimmung des Punktes 1 des Antrags in der Drucksache 5/3244. Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist Zustimmung bei der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist der Punkt 1 des Antrags angenommen.