Sicher ist hier ein ganzes Bündel von Maßnahmen gemeint, zum Beispiel eine Verstärkung des öffentlichen Nahverkehrs, des Radwegebaus, eine Verkehrsberuhigung oder auch Fahrbahnsanierung. Allerdings möchte ich sagen, dass natürlich auch die Reduzierung des Tempolimits gerade in Wohngebieten eine immer größere Rolle spielt. Ich möchte stichpunktartig noch einige Beispiele ansprechen, zum Beispiel das Hermsdorfer Kreuz. Ich hatte es vorhin schon erwähnt, es ist klar, dass mit dem zunehmenden Ausbau, gerade nachts, die Grenzimmissionswerte in den Wohngebieten Kirchenholzsiedlung, Mendelssohnstraße und Uthmannstraße überschritten werden und durch aktive Lärmschutzmaßnahmen nicht eingehalten werden können. Auch die Tageswerte in Hermsdorf sind sehr hoch. Nicht zuletzt deswegen wird die Stadt wieder den Klageweg beschreiten. Sie hat es bereits ein Mal getan.
Ich muss sagen, meine Damen und Herren, es ist schon mehr als bedauerlich, wenn Kommunen gezwungen werden, den Klageweg zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigung ihrer Bürger einschlagen zu müssen. Das heißt also, hier würde man gegebenenfalls mit allerersten Temporeduzierungen schon eine Möglichkeit schaffen, um die Belastung für die angrenzenden Ortschaften zu verringern. Abgesehen davon halten wir es auch für dringend geboten, eine generelle Überarbeitung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorzunehmen. Hier wurden bereits im Haushaltsplan 2011 die Belastungen für Bundesfernstraßen um 3 Dezibel gesenkt, also die Grenzwerte. Baden-Württemberg hat das für seinen Bereich mitgenommen und es wäre schön, wenn Thüringen das ebenfalls mit berücksichtigen würde.
Weitere Beispiele für erhöhten Verkehrslärm sind die A 9 in Richtung Eisenberg, im Raum Hainspitz, die Hörselbergumfahrung hatte ich schon erwähnt. Auch hier gibt es zunehmende Beschwerden. Deswegen möchten wir das Anliegen des Antrags unterstützen, denn bereits bei Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Tempo 120/130 könnte man zunehmend Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Verlärmung reduzieren.
Dass das möglich ist, haben die Bauphasen im Bereich Hörselbergumfahrung gezeigt, bis 2010 gab es eine Tempobeschränkung auf 120, in Hainspitz auf der einen Seite 130. Man könnte diese Möglichkeiten immer mehr in Anschlag bringen und sicherlich auch andere Maßnahmen wie die bessere finanzielle Ausstattung des öffentlichen Nahverkehrs, die Errichtung höherer Lärmschutzwände, aber das Tempolimit wäre ein erster Schritt.
Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen. Es wurde schon erwähnt, dass zwar langfristig gesehen die Zahl der Unfallopfer - der Schwerstverletzten und Toten - abgenommen hat, aber bereits in diesem Jahr wieder ein Anstieg um 37 Prozent zu verzeichnen war. Die Ursachen sind sehr vielfältig, sehr breit und ich denke, das Thüringer Verkehrssicherheitsprogramm wird auch viel dazu beitragen, um schrittweise Unfallursachen zu beseitigen, aber gerade die Frage von Geschwindigkeitsregulierung, von Geschwindigkeitssenkungen - andere Länder haben damit umfassende Erfahrung gemacht - tragen ebenfalls dazu bei, Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Wir brauchen - das wäre ein dritter Punkt - doch nur an die Tankstelle zu schauen. Bei den Preisen, die dort gegenwärtig aufgeschrieben sind, und bei den abnehmenden Ressourcen werden sich Geschwindigkeitsbegrenzungen von selbst einstellen. Aber wollen wir so lange warten? Ich will nur einmal sagen, der ADAC bietet bereits Kurse für sparsames Fahren an und jeder, der sich so ein kleines bisschen damit auskennt, das ist Tempo 110, 120.
Hier in diesem Zusammenhang will ich nur noch mal auf das Problem Tempo 30 eingehen. Wir alle wissen genau - und das ist unstrittig -, es ist auch schon von mehreren Rednern gesagt worden, es hat eine positive, verkehrssichernde Wirkung vor Schulen, vor Kindereinrichtungen, an Unfallschwerpunkten und in reinen Wohngebieten. Das machen die Kommunen vielfach schon. Denn wir wissen genau: Jeweils 10 Stundenkilometer Senkung der Geschwindigkeit bedeutet einen wesentlich größeren Schutz für Leib und Leben der Betroffenen, die mit einem Auto kollidieren. Die Frage Lärmschutz wurde verschiedentlich kontrovers diskutiert.
Ich will jetzt darauf eingehen, was in Jena vor kurzem passiert ist. Wir hatten an den Bundesstraßen laut Lärmaktionsplan 2009 eine Tempolimitfestlegung von 30 Kilometern in der Stunde. Es gab vielfältige Aufregung, ob es bei Stadträten war oder bei Bürgern, die die Maßnahme zur Reduzierung des Lärms nachts ab 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr nicht so ganz eingesehen haben. Die Fachhochschule Jena hat eine Untersuchung dazu durchgeführt unter
dem Titel „Einfluss der zulässigen Geschwindigkeit auf die Geräuschemission in innerstädtischen Durchgangsstraßen“, und siehe da, nicht nur gefühlt wurde festgestellt, sondern wissenschaftlich untersetzt, dass die Geräuschemission vor allen Dingen von der Reduzierung der Geschwindigkeit abhängt. Bereits die Senkung von 50 Kilometer auf 30 Kilometer hat eine Abnahme des Einzelereignispegels von 5 Dezibel mit sich gebracht und im Ergebnis von Mittelungen wurden bis zu 4 Dezibel Senkung bei einer Abnahme der Geschwindigkeit von 20 Kilometern je Stunde erreicht.
Ähnliche Untersuchungen oder Ergebnisse brachten die Feststellungen in Berlin. Auch dort wurde ein „Nachts-Tempo-30-Programm“ verabschiedet und - um noch mal auf die Bemerkung des Ministers einzugehen - die Feinstaubregulierung lässt sich sicherlich mit einer Temporeduzierung nicht verringern, weil die Bremswege, das Anfahren und so weiter da eine wesentlich größere Rolle spielen. Aber man könnte auch eine Untersuchung anhand einer größeren Stadt durchführen, inwieweit sich beispielsweise durch Abschalten von Ampeln und anderen Verkehrshindernissen bei einer durchgehenden, nicht allzu großen Geschwindigkeit die Feinstaubregulierung und Emissionswerte senken lassen könnten. Ich denke, hier wären die Fachhochschule Erfurt oder die Fachhochschule Jena gern dazu bereit, solche Untersuchungen vorzunehmen.
Deswegen sind wir der Meinung, dass wir dieses Thema „Tempolimit und weitere Lärm reduzierende Maßnahmen“ im Ausschuss weiter diskutieren sollten, wir würden uns sehr freuen, wenn dieser Antrag an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr überwiesen werden könnte. Wir sind der Meinung, es reicht nicht, nur über Tempolimits zu sprechen, es müsste auch weiter diskutiert werden, wie ein Geschwindigkeitsreduzierungskonzept in ein Lärmvermeidungskonzept überführt werden könnte. Ich hätte nur eine Bitte an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Hier steht: „Bis Ende des Jahres 2011 ist ein Konzept zu entwickeln“. Vielleicht könnten Sie den Zeitpunkt noch etwas weiter nach hinten verlegen, so dass wir tatsächlich im Zusammenhang mit den von der EU geforderten Maßnahmen für den Freistaat und für die Kommunen gesicherte wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung stellen könnten und auch konzeptionelle Maßnahmen unterstützen könnten, die angefangen von einer nächtlichen Geschwindigkeitsreduzierung, von einer Prüfung des Tempolimits an lärmgefährdeten Ortschaften bis hin zu einem Gesamtkonzept, sowohl die Frage der Lärmreduzierung als auch die Frage der Verkehrssicherheit unterstützen könnte.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, namens meiner Fraktion möchte ich zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Geschwindigkeitsbegrenzung auf Thüringer Straßen“ Folgendes sagen. Zunächst etwas Allgemeines: Die CDU und die SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Belangen von Verkehrssicherheit und Unfallvermeidung Rechnung zu tragen und das Thüringer Verkehrssicherheitsprogramm bis 2020 fortzuschreiben. Nach meiner Kenntnis wurde das Thüringer Verkehrssicherheitsprogramm 2020 fertig gestellt und soll in den nächsten Tagen dem Kabinett, den Abgeordneten des Thüringer Landtags sowie im weiteren Verlauf auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Landesregierung beweist damit, dass sie konsequent und zielgerichtet an einer langfristigen und nachhaltigen Erhöhung der Verkehrssicherheit arbeitet und im Hinblick auf Punkt 2 des vorliegenden Antrags nicht mit zeitlich unrealistischen und inhaltlich einseitigen Schnellschüssen die Debatte befeuert.
Es greift meines Erachtens ein wenig zu kurz, die Verkehrssicherheit ausschließlich mittels generellen Geschwindigkeitsbegrenzungen erhöhen zu wollen und sich auf eine von über 100 Empfehlungen des Europäischen Parlaments zu berufen.
Nicht angepasste Geschwindigkeit ist eine Hauptursache. Doch ob eine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb von Ortschaften auf 30 km/h und nicht nur in reinen Wohngebieten und auf Autobahnen auf 120 km/h die „Vision Zero“ realistischer erscheinen lässt, bezweifle ich.
Weitere Unfallursachen, nämlich das Nichtbeachten der Vorfahrt, Fahren unter Alkohol und Drogen, die die Damen und Herren links und ganz links hier freigegeben wollen, und ein ungenügender Sicherheitsabstand, werden mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung nicht behoben und gelten neben überhöhter Geschwindigkeit als weitere Quelle zahlreicher Verkehrsunfälle. Aus diesem Grund halte ich es für sinnvoll, an die Erhöhung der Verkehrssicherheit im Ganzen zu denken und eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung nicht als Allheilmittel vorzuschlagen.
Unseren Schwerpunkt werden wir auch weiterhin auf ein Bündel von Maßnahmen legen, das zum Beispiel beinhaltet: eine verkehrssichere Gestaltung des Verkehrsraums, die Weiterentwicklung intelligenter Verkehrssysteme, eine gezielte Umsetzung von Unfallverhinderungsmaßnahmen an un
fallhäufigen Verkehrsbereichen und - was ganz wichtig ist - eine gute und solide Verkehrserziehung. All diese Maßnahmen werden mit der Verkehrssicherheitsarbeit in Thüringen kompetent verfolgt und genießen nicht zuletzt auch durch die Fortschreibung des Verkehrssicherheitsprogramms höchste Priorität.
Einen weiteren Punkt möchte ich zu bedenken geben, dass eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auch überwacht werden muss. Wir haben zwar gehört, wir brauchen mehr Polizisten auf der Straße, aber ob die nun alle dafür eingesetzt werden sollen, die Autofahrer zu überprüfen und Regelverstöße zu ahnden, halte ich für illusorisch und nicht umsetzbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu Punkt 3 des Antrages möchte ich sagen: Nicht nur die Koalition zwischen CDU, CSU und FDP auf Bundesebene lehnt ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen ab, sondern auch wir als CDU-Fraktion im Thüringer Landtag wenden uns gegen eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel, deutschlandweit ein Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h einzuführen.
Das möchte ich gern begründen: Ich denke - und da sind wir uns vielleicht nicht alle, aber die meisten einig -, dass nicht nur die Thüringer, sondern die deutschen Autobahnen im Allgemeinen, zu den sichersten Straßen weltweit gehören. Alle aus DDRZeiten bestehenden Thüringer Autobahnen, A 4 und A 9, wurden seit 1990 umfassend saniert, in sie ist investiert worden ist. Wir haben auch drei Autobahnen neugebaut, die A 71 die 73 und die 38, und haben in den letzten 20 Jahren 8,5 Mrd. € verbaut. Bei all diesen Sanierungs- und Neubaumaßnahmen hatte und wurde die Verkehrssicherheit als höchste Priorität angewandt.
Vor diesem Hintergrund wäre es doch unsinnig, wenn bestens ausgebaute Autobahnen mit einem Tempolimit versehen werden. Schon jetzt gelten auf knapp 40 Prozent der bundesweit 13.000 Autobahnkilometer dauerhaft oder zeitweise Geschwindigkeitsbegrenzungen, weitere neun sind mit Streckenbeeinflussungen limitiert. Das heißt also, dass sich 50 Prozent des deutschen Autobahnnetzes in einem reglementierten Zustand befinden. Alle Autobahnkilometer mit 120 km/h zu reglementieren, würde bedeuten, dass diese zumindest in Thüringen hochmodernen Verkehrsadern, in die, wie ich gerade auch gesagt habe, schon viele Milliarden geflossen sind, unattraktiv für die Teilnehmer im Individualverkehr werden. Möglicherweise würde dies zu einer Verlagerung des Verkehrs zulasten der Landesstraßen führen. Ich glaube, das will niemand.
Nach einer Statistik des ADAC werden ca. 32 Prozent aller Kraftfahrzeugkilometer über die Autobahn abgewickelt, denen ein Anteil von 12,6 Prozent der tödlich Verunglückten gegenüber steht. Auf Landesstraße mit einem Fahrleistungsanteil von etwa 40 Prozent sind dort etwa 60 Prozent der Verkehrstoten zu registrieren. Das zeigt, in welchem Verhältnis wir uns hier bewegen. Ich denke, dass eine solche Entwicklung, die mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung einhergeht, nicht zielführend ist und auch nicht in unserem Interesse liegt.
Frau Schubert, auch ein Wort zu den Verkehrstoten. Der Herr Adams hat sich da ein bisschen komisch geäußert. Ich denke, 120 Verkehrstote sind 120 zu viel. Das steht außer Frage und da sind wir uns auch alle einig. Aber ich möchte hier der Wahrheit halber sagen, dass laut Landesamt für Statistik seit 1991 die Anzahl Getöteter auf Thüringens Straßen kontinuierlich um etwa 80 Prozent gesunken ist, nämlich von 574 im Jahr 1991 auf jetzt 120 Personen und das bei erhöhtem Verkehrsaufkommen. Dies ist der niedrigste Wert seit Bestehen des Freistaats und zugleich Ausdruck verantwortungsvoller Verkehrspolitik, die wir seit 20 Jahren hier in Thüringen verantworten.
Das soll aber nicht heißen, dass wir uns auf den Lorbeeren ausruhen, sondern an diesen Problemen weiter arbeiten. Deutschlandweit hatten wir im vergangenen Jahr ebenfalls die niedrigste Zahl Getöteter im Straßenverkehr seit der Einführung der Statistik im Jahr 1953. Die Länder, die eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen haben wie Belgien oder Österreich, haben meines Wissens keine bessere Verkehrsunfallstatistik vorzuweisen.
Eine weitere Begründung, die Sie hier aufgeführt haben, ist die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele. Dass der Anteil der CO2-Emmission durch ein Tempolimit zu vermeiden wäre, ist unserer Auffassung marginal, gemessen am CO2-Aufstoß aufstrebender Schwellenländer bzw. Industrienationen. Um wirksam die CO2-Emmission zu senken, ging 2009 mit der Reform der Kfz-Steuer bereits ein klares Signal aus, welches aus meiner und unserer Sicht ein viel wirksameres Instrument für den Klimaschutz ist als die Einführung eines Tempolimits.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um mit einem letzten Satz meine Gedanken zusammenzufassen; ein gezieltes Bündel an Maßnahmen sowie eine temporäre Geschwindigkeitsbegrenzung je nach Gefährdungslage halten wir als CDU-Fraktion für wirksamer, um die Erhöhung der Verkehrssicherheit zu erreichen. Deshalb lehnen wir den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab. Vielen Dank.
Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Schubert von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Lukin, ich bedanke mich ausdrücklich für Ihren Beitrag, der viele Aspekte erwähnt hat, die aufgrund der Zeit hier gar nicht alle genannt werden können, die aber auch - und da gebe ich Frau Tasch recht - bei dem Thema „Verkehrssicherheit“ mit bedacht werden müssen. Der kleine Schönheitsfehler, der Antrag ist mehrfach verwiesen worden bis Ende 2011, wäre, wenn wir die Ausschussüberweisung durchführen, sehr schnell zu korrigieren.
Frau Tasch, 100 Punkte, Herr Carius hat es auch gesagt, das ist keine Frage. Das ist nur eine Maßnahme, die ist im Gegensatz zu vielen anderen, den ganzen technischen Entwicklungen, die im Sinne der Verkehrssicherheit vorangebracht werden, sehr einfach und kostengünstig. Da liegt es einfach nahe, genau das als Erstes vorzuschlagen, wenn es darum geht, dass wir damit Menschenleben retten können.
Die Diskussion zu den anderen Maßnahmen, Sie werden ja in Kürze ein neues Programm vorlegen, sollten wir natürlich im Ausschuss führen.
Eine letzte Bemerkung an Frau Tasch, die gerade sagte, der CO2-Ausstoß, den man mit einem allgemeinen Tempolimit einsparen könnte, wäre marginal, wir sollten uns die Schwellenländer anschauen. Mit der Argumentation müssten wir in ganz Deutschland nicht den Klimaschutz vorn anstellen, Frau Tasch. Es geht doch darum, dass wir das Vorbild werden und auch schon für viele andere Länder sind. 3 Prozent sind nicht marginal Frau Tasch, das ist nämlich das, was man damit einsparen kann.
Der erste Mensch, der nachweislich bei einem Autounfall ums Leben kam, war eine Frau, die 1896 in London starb. Sie wurde damals von einem Auto erfasst, das mit 7 km/h fuhr. Interessant daran ist, dass die Menschen, die Zeugen waren bei diesem Unfall, der Meinung waren, das Auto sei rücksichtslos zu schnell gefahren. Das als kleine historische Erinnerung daran, wie subjektiv Geschwindigkeit ist. Sie merken das, wenn Sie von der Autobahn herunter fahren, auf 50 km/h reduzieren müssen, wie subjektiv die Behandlung von Geschwindigkeit ist, wie sehr wir uns daran gewöhnen.
Bei Gewöhnung komme ich zu einem zweiten Punkt und der ist mir sehr ernst. Warum, frage ich Sie, warum? Herr Carius: Sie äußern an dieser Stelle Beileid für die Opfer des Zugunglücks in Sachsen-Anhalt. Das ist richtig. Aber warum sind uns dann die Toten auf unseren Straßen nie eine Erwähnung im Parlament wert, warum? Warum gibt es in diesem Land riesige Anstrengungen, ich erinnere an den Ausbruch von EHEC, der bakteriellen Infektion, die 2010 53 Todesopfer in ganz Deutschland gefordert hat, während in Thüringen 120 Menschen starben. Die Antwort ist ganz einfach: Wir sind daran gewöhnt.
Die Verkehrspolitik, so wie sie ist, ist ein Ausdruck, dass wir als Gesellschaft offensichtlich eine sehr hohe Toleranz für diese Unfalltoten haben. Ich möchte erreichen, dass Sie sich das wenigstens bewusst machen, dass wir da mit zweierlei Maß messen und entsprechend die Debatte beginnen. Wer, wenn nicht wir, sollte den Anfang machen, hier den Finger daraufzulegen, dass wir mit zweierlei Maß messen und ein viel größeres Bewusstsein schaffen in dieser Gesellschaft. Wer, wenn nicht wir?
Der deutsche Verkehrssicherheitsrat hat sich bereits 2007 zur „Vision Zero“, zur Vision Null bekannt, null Verkehrstote. Herr Carius, ich habe mit Freude vernommen, dass Sie sich auch diesem Ziel verpflichtet fühlen. Der Verkehrssicherheitsrat hat auch einen Richtungswechsel kundgetan. Er hat nämlich gesagt, das System Straße muss sich an den Menschen anpassen und nicht umgekehrt. Ich glaube, das sollte die Richtung sein, wenn wir weiter über Verkehrssicherheit diskutieren.
Keine Frage, seit den 70er-Jahren wurden große Anstrengungen und Erfolge verzeichnet, was die Frage der Verkehrssicherheit und der Unfallzahlen betrifft. Aber, dieser Trend ist offensichtlich kein Automatismus. Vielleicht, das kann ich nicht sagen, ist der Hinweis, den Frau Lukin gemacht hatte, dass wir wieder mit erhöhten Unfallzahlen zu tun haben, vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass wir mit allen, auch technischen Mitteln, die zu der Reduktion geführt haben, an Grenzen kommen. Außerdem wäre sonst auch „Vision Zero“ ein Ziel, das sich schon viel eher und viel stärker auf allen politischen Ebenen durchgesetzt hätte, wenn dieser Automatismus vorhanden wäre.
Außerdem hat die Statistik große Schwächen, das sagt selbst Herr Ramsauer in seinem Verkehrssicherheitsprogramm, weil es die Schwerstverletzten ausblendet, die auch dank des medizinischen Fortschritts heute länger überleben und wenn sie dann sterben, aus der Statistik herausfallen, generell, dank des medizinischen Fortschritts viele Schwerstverletzte überleben mit den entsprechenden Folgen für ihr restliches Leben.
Wir zahlen einen weiteren hohen Preis, was die Lebensqualität in den Städten betrifft, da bin ich wieder bei Tempo 30, und das zeigt sich besonders daran, wie eingeschränkt die Kinder sind, ihre unmittelbare Umgebung selbstständig zu erkunden, weil es zu gefährlich ist mit allen Folgen, die das hat für ihre körperliche und geistige Entwicklung. Da brauchen Sie sich nur umschauen.
Sie blendet auch aus, dass Ostdeutschland überproportional auf die Einwohnerzahl gemessen hohe Unfallzahlen hat im Vergleich zu den westlichen Bundesländern. Da gibt es durchaus Bundesländer, von denen wir viel lernen können. Nordrhein-Westfalen ist so ein Beispiel, wenn noch Zeit ist, kann ich darauf dann eingehen.
Andere Länder in Europa, die umfangreiche Verkehrssicherheitsprogramme aufgelegt haben, inklusive Tempolimit, sind besser. Das Beispiel Dänemark, das ist eine Statistik von vor wenigen Jahren, hat ein Viertel der Verkehrsopfer zu beklagen. Ein Viertel von denen in Deutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl, also ein redlicher Vergleich. Hessen hatte in den 80er-Jahren auf vielen Autobahnen ein Tempolimit und hatte auch weniger Verkehrsopfer zu beklagen. Vielleicht ist diese Null nicht erreichbar. Es muss zumindest unser Ziel sein. Dieses Ziel ist nicht nur ethisch geboten, sondern auch volkswirtschaftlich. Die Unfälle in Deutschland kosten den Staat 30 Mrd. €, sagt auch Herr Ramsauer in seinem Programm und beklagt die Kosten für das Gesundheitswesen.