Protocol of the Session on December 18, 2009

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, wie Sie wissen, ist seit dem 26. März 2009 das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen für Deutschland verbindlich. In der Folge hat der Bundesrat mit Beschluss vom 18. September 2009 die Bundesregierung aufgefordert, einen Aktionsplan zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln. Die Landesregierung hat im Bundesrat diesem Beschluss zugestimmt. Sie wird sich in enger Abstimmung mit den Kommunen und den Interessenvertretungen behinderter Menschen aktiv in den Prozess der Umsetzung des Übereinkommens einbringen. Das ist für uns selbstverständlich, da wir das Übereinkommen als einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Rechte behinderter Menschen betrachten. Es würdigt Behinderung als Teil der Vielfalt menschlichen Lebens und soll das nicht mehr zeitgemäße Prinzip der Fürsorge ablösen. Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle auf das wesentliche Ziel der UN-Konvention hinweisen.

Es geht schließlich um nicht mehr und nicht weniger, als den weltweit 650 Mio. Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zu allen Menschenrechten und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Die Vereinten Nationen schätzen, dass etwa zwei Drittel dieser Menschen in Staaten ohne jegliche behindertenpolitische Gesetzgebung leben. Insofern sind die Umsetzungserfordernisse in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der Rechte für Menschen mit Behinderungen in den jeweiligen Vertragsstaaten sehr differenziert. Das Übereinkommen erkennt folgerichtig an, dass für die Gewährleistung der darin fixierten Rechte Zeit zur Umsetzung und erhebliche finanzielle Ressourcen notwendig sind. Dementsprechend verpflichtet das Übereinkommen die Staaten lediglich, nach und nach unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel die Verwirklichung

dieser Rechte zu erreichen. Es ist ein pragmatischer und realistischer Ansatz, der uns dennoch zur schnellstmöglichen Umsetzung verpflichtet.

Die Voraussetzungen der Bundesrepublik Deutschland sind dafür bereits gegeben. Darauf geht der Bericht der Bundesregierung, dessen Bewertung Sie in Ihrer zweiten Fragestellung ansprechen, differenziert ein. Die Bundesregierung betont, dass die innerstaatliche Rechtslage aufgrund der Gesetzgebung der letzten Jahre den grundlegenden Anforderungen des Übereinkommens entspricht. Diese Auffassung teilt die Landesregierung. Insbesondere der Paradigmenwechsel, der in der Behindertenpolitik der Bundesrepublik Deutschland mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch IX und dem Behindertengleichstellungsgesetz eingeleitet wurde, findet mit dem Übereinkommen seine Entsprechung auf innerstaatlicher Ebene. Ich betone ausdrücklich, wir haben gute gesetzliche Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik und in Thüringen aber keinerlei Anlass uns zurückzulehnen. Vielmehr ist das Übereinkommen sowohl für Deutschland als auch nachfolgend für den Freistaat Thüringen ein wichtiges Referenzdokument, von dem neue Impulse für die Behindertenpolitik ausgehen sollen und werden. Der erste Schritt wird die Erarbeitung eines nationalen Aktionsplans sein. Die Länder wurden zwischenzeitlich durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales darüber informiert, in Kürze im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe Vorstellungen zum Konzept eines nationalen Aktionsplans einzubringen, und die weitere Arbeitsweise festgelegt. Dies ist nach unserer festen Überzeugung Voraussetzung für all das, was dann in der Folge in den Ländern ergänzend erarbeitet werden muss.

Sie können sicher sein, dass sich die Landesregierung in diesem Prozess aktiv einbringen wird. Schließlich ist die Umsetzung der UN-Konvention in Thüringen Bestandteil der Koalitionsvereinbarung. Der Bericht der Bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen spiegelt wichtige Punkte der UN-Konvention und untersetzt diese mit konkreten Maßnahmen und Entwicklungen auf Bundesebene.

Die darin genannten Schwerpunkte spielen auch in der Politik des Freistaats Thüringen seit Jahren eine wichtige Rolle. Beispielhaft sind zu nennen:

Die Verbesserung der Beschäftigung behinderter Menschen inklusive der betrieblichen Integration auch für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen. Hier sind in der Vergangenheit vielfältige Aktivitäten erfolgt, die durch innovative Projekte weiter zu fördern sind. Durch verschiedene Programme wurde z.B. die Einstellung von schwerbehinderten Menschen mit mehr als 50 Mio. € gefördert

und die Leistungen für Integrationsprojekte erhöht. Im Ergebnis der Maßnahmen sank die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen von 2005 bis 2008 um 4,3 Prozent. Ich fürchte allerdings, dass dieser positive Trend angesichts der Wirtschaftskrise schwer zu halten sein wird. Dennoch wurde damit bewiesen, dass aktive Arbeitsmarktpolitik Wirkung bei der beruflichen Integration behinderter Menschen zeigt. Diesen Weg werden wir ausbauen.

Die gemeinsame Bildung von behinderten und nicht behinderten Kindern hat Thüringen als eines der wenigen Bundesländer bereits 2005 im Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen verankert.

Der Ausbau der Barrierefreiheit in Bau, Verkehr und Kommunikation; so besteht ein Handlungsschwerpunkt der Landesregierung in einer weitgehend barrierefreien Zugänglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel und der Infrastruktur. Städtebaumittel werden eingesetzt, um die Lebenswelt barrierefrei zu gestalten.

Die Thüringer Bauordnung legt fest, dass in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen die Wohnungen mindestens eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein müssen.

Der Ausbau der Frühförderung für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder und schließlich die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe im Sinne personenzentrierter Hilfen und dem Ausbau ambulanter Hilfeformen; alles sind ausgewählte Beispiele für Schwerpunkte, die der Bundesbericht anspricht und die sich in konkreten landespolitischen Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen widerspiegeln.

Um im Sinne der UN-Konvention zu agieren, ist zukünftig eine Prüfung aller entsprechenden rechtlichen Regelungen und Förderprogramme unter Einbeziehung des Sachverstands der behinderten Menschen bzw. ihrer Interessenvertretungen unumgänglich. Auch in diesem Falle existieren die rechtlichen Grundlagen.

Das Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen - umgangssprachlich das Behindertengleichstellungsgesetz - verlangt in § 9, dass bei der Erarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften die Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen zu prüfen und deren Gleichstellung sicherzustellen ist. Der Rechtsrahmen hat sich in der Folge entscheidend zugunsten der Berücksichtigung von Barrierefreiheit in Förderrichtlinien verbessert. Die durch das Gesetz Verpflichteten, darunter das Land und die Kommunen, haben

nach § 6 Abs. 1 die Ziele des Gesetzes uneingeschränkt aktiv zu fördern. Ein in der Praxis effektives Mittel dafür ist die Vergabe von Zuwendungen. Konsequenterweise stellt das Gesetz in § 6 Abs. 3 klar, dass Fördermittelempfänger zur Beachtung der im Gesetz formulierten Ziele verpflichtet werden können. Gerade in infrastrukturell relevanten Bereichen wie Bau, Verkehr und Tourismus ist es zur Überarbeitung von Förderrichtlinien gekommen. Beispielhaft sind zu nennen, die Richtlinie zur Förderung des kommunalen Straßenbaus, die Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die Richtlinie zur Förderung von Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr in Thüringen und die Richtlinie zur Förderung der Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen.

Die Landesregierung wird die UN-Konvention zum Anlass nehmen, um entsprechend dem Koalitionsvertrag das Behindertengleichstellungsgesetz zu novellieren.

Nun zu Ihrer Frage, warum es seit dem Jahr 2004 keinen Bericht zur Situation behinderter Menschen gegeben hat: In der vergangenen Legislaturperiode gab es einen ständigen Dialog mit Interessenvertretungen und Verbänden der Menschen mit Behinderungen. Ich erinnere an die vierteljährlichen Tagungen des Landesbehindertenbeirats für Menschen mit Behinderungen, der die Landesregierung in grundsätzlichen Fragen der Behindertenpolitik berät. Daneben fanden in der vergangenen Legislaturperiode Sitzungen mit dem Bündnis zur Gleichstellung behinderter Menschen statt, an denen alle im Landtag vertretenen Fraktionen beteiligt waren.

Wir werden in dieser Legislaturperiode einen fundierten Bericht vorlegen. Er soll in seinen Aussagen sowohl den Ist-Zustand beschreiben als auch auf die Aufgabenstellungen der UN-Konvention und des künftigen nationalen Aktionsplans sowie davon abzuleitender Maßnahmen für Thüringen eingehen. Die Einbeziehung externen Sachverstandes ist aus unserer Sicht wichtig und wird erfolgen. Entscheidend aber ist, dass wir eine Berichterstattung im Dialog mit den Betroffenen und ihren Verbänden entwickeln und präsentieren werden. Der Landesregierung geht es auch in der Behindertenpolitik um Transparenz. Dazu zählt selbstverständlich die Offenlegung bestehender Probleme ebenso wie die Darstellung des Erreichten. Vor allen Dingen aber zählt dazu, dass die Betroffenen ihre Lebenssituation ungeschminkt im Bericht wiederfinden. Im Ergebnis möchte ich einen Bericht vorlegen, der allen Akteuren Hilfestellung bei der Umsetzung der UN-Konvention geben kann. Dies setzt unter anderem ausreichend Zeit und eine vernünftige Arbeitsstrukturierung voraus.

Zu Ihrer letzten Frage, der Kompetenzzuordnung des Landesbehindertenbeirats und des Landesbehindertenbeauftragten: Wir werden diese Frage im Rahmen der Auswertung der mit dem Behindertengleichstellungsgesetz gemachten Erfahrungen beantworten. Diese Auswertung wird im nächsten Jahr stattfinden und Sie können dann konkrete Vorschläge erwarten, die auch in die Novellierung einfließen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, so weit der Sofortbericht. Sie werden bemerkt haben, dass ich damit bereits einige Anforderungen an die Landesregierung im zweiten Teil des Antrags der Fraktion DIE LINKE angesprochen habe. Nicht zuletzt mit Blick auf den Koalitionsvertrag können Sie sicher sein, dass die Politik dieser Landesregierung für behinderte Menschen vom Dialog, der Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung und dem Willen zur Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen in Thüringen geprägt sein wird. Kurz gesagt, die UN-Konvention wird durch diese Landesregierung angepackt und Stück für Stück weiter in die Tat umgesetzt. Das aber setzt vor allem planvolles Handeln und die Abstimmung mit allen Akteuren voraus. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank auch an Sie, Frau Ministerin. Bei der mir vorliegenden Liste der Redemeldungen gehe ich einmal davon aus, dass alle Fraktionen die Beratung des Sofortberichts wünschen. Das ist so. Auf Verlangen aller Fraktionen eröffne ich also jetzt die Beratung zum Sofortbericht, zu Nummer I des Antrags. Gleichzeitig eröffne ich natürlich auch die Aussprache zu Nummer II des Antrags. Das Wort hat Abgeordnete Karola Stange von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, sehr geehrte Ministerin Taubert, ich war jetzt so beeindruckt von Ihrem Bericht, dass ich sage, danke dafür. Bei einem können Sie sich sicher sein, wir nehmen Sie beim Wort, dass genau das, was Sie hier vorgelegt haben, so in den kommenden Monaten oder Jahren umgesetzt wird. Wir werden Sie auch kritisch begleiten, natürlich auch mit Inhalten. Denn vor wenigen Tagen, werte Kolleginnen und Kollegen, fand hier in dem Hohen Haus - und alle Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen konnten teilnehmen - eine erste Beratung mit dem außerparlamentarischen Bündnis für Gleichstellung statt, wo genau die Verbände und Vereine, die hier

mit anwesend waren, auf die Tagesordnung geschrieben haben, welche Anforderungen sie an zukünftige Landespolitik stellen. Sie haben also am 3. Dezember uns in einer langen Tagesordnung und Beratung Fragen gestellt, die genauso lauten wie: Wird die Landesregierung die UN-Konvention umsetzen? In welcher Art und Weise wird es eine Novelle des Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen geben? Wie wird die Stärkung der Rechte des Landesbehindertenbeauftragten vorangetrieben? Auch war die Frage immer wieder im Raum: Wie werden die Nachteilsausgleiche und ein nationaler Aktionsplan hier in Thüringen in Angriff genommen und mit Leben erfüllt? Aus diesem Grunde hat meine Fraktion den Antrag, den Sie jetzt vorliegen haben, auf den Weg gebracht, wo genau diese Forderungen der Verbände des außerparlamentarischen Bündnisses mit aufgeführt worden sind, um - ich gebe es zu - natürlich auch zu wissen, wo die Landesregierung hin will, wo sie ihre Prioritäten setzt in der Behindertenpolitik in den kommenden fünf Jahren.

Sie haben den Bericht gegeben, Frau Taubert. Nun könnte ich sagen, alles gut und schön, aber ich denke schon, dass wir diesen Bericht auch in einem Ausschuss diskutieren sollten, denn es gibt schon einige Unterschiede, wie die Landesregierung in den letzten Jahren Behindertenpolitik gesehen hat oder auch zukünftig sehen wird. Ich denke, wir haben da noch Baustellen zu klären. Das wäre z.B. das Budget für Arbeit für Menschen mit Behinderungen. Da bin ich bei der Thematik Assistenz, von der habe ich hier leider nichts gehört. Da bin ich aber auch noch mal bei der Thematik Inklusion, Förderschulen etc. Ich denke, wir haben viel zu tun, um die UN-Konvention wirklich in Thüringen mit Leben zu erfüllen und umzusetzen.

Die Kolleginnen und Kollegen, die in den letzten Jahren hier in diesem Landtag gesessen haben, wissen, dass vor allem immer die Thematik im Vordergrund stand: Wie wird denn die UN-Konvention ins Deutsche übersetzt? Auf welche Themen und Inhalte legen wir einen Schwerpunkt? Da haben wir uns lange gestritten über das Wort „Inklusion“. Auch hier hoffe ich, dass die neue Landesregierung, allen voran auch die neue Sozialministerin, das Wort „Inklusion“ im wahrsten Sinne des Wortes auch mit in ihr Arbeitsprogramm aufnimmt und dies natürlich auch in den Programmen mit umsetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag ist dreigegliedert, einmal der Bericht, einmal die Aufforderung, im Bundesrat vor allen Dingen auch immer den Finger in die Wunde zu legen, wenn es darum geht, den nationalen Aktionsplan mit Leben zu erfüllen. Ich habe gehört, es wird einen nationalen Aktionsplan geben. Die Thüringer Landesregierung hat im

Bundesrat diesem zugestimmt. Ich habe in einer Anfrage, die mir heute zugegangen ist, auch lesen können, dass das zuständige Ministerium genau dazu eine Konzeption vorlegen möchte. Ich möchte auch, dass wir diese Konzeption seitens der Bundesregierung hier in dem Landtag zum Anlass nehmen und darüber reden, in welcher Art und Weise wir diese in Landespolitik umsetzen können.

In einem Punkt, der in der Anfrage mit angesprochen wurde, kann ich nicht mitgehen, in dem Sie schildern, dass wir erst gemeinsam abwarten sollten, inwieweit das Konzept der Bundesregierung und der nationale Aktionsplan auf den Weg gebracht werden, bevor wir hier in Thüringen einen Aktionsplan starten. Ich denke, ein Aktionsplan in Thüringen für die Rechte der Menschen mit Behinderungen kann unabhängig von dem, was im Bund passiert, auf den Weg gebracht werden. Ich möchte darum auch noch einmal eindeutig bitten, genau diese Thematik mit im Ausschuss zu bereden, denn wir haben durch die Föderalismuskommission jede Menge Inhalte bekommen, die wir selbstständig im Lande regeln können. Ich denke da wirklich nur an das Thema Bildungspolitik.

Sie haben uns gerade geschildert, dass ein eigenständiger neuer Behindertenbericht gebracht werden soll. Das ist gut und richtig. Gut wäre es natürlich, wenn er, wie wir im Antrag formuliert haben, am 5. Mai 2011 bereits vorgelegt werden könnte. Denn, ich glaube auch, so ein Bericht ist eine Grundlage für die Umsetzung der UN-Konvention hier in Thüringen und da sollten wir uns nicht jahrelang Zeit lassen.

Mit der Antwort, warum es in den zurückliegenden Jahren keinen weiteren Bericht gegeben hat, dass es immer ausführliche Diskussionen mit den Behindertenverbänden im Behindertenbeirat und Ähnlichem gegeben hat, sage ich nur, gut, Diskussion ist die eine Sache, aber ein Bericht ist weiß Gott etwas anderes.

(Beifall BÜNSNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier sollten wir wirklich darauf achten, dass der Bericht spätestens am 5. Mai 2011 dem Plenum und den Abgeordneten vorgelegt wird.

Ich denke schon - und davon gehe ich einfach aus -, dass so ein Bericht natürlich auch durch die Interessenvertretungen mit begleitet wird. Er kann nicht vom grünen Tisch aus geschrieben werden, sondern er braucht die Einbeziehung der Vereine und Verbände hier in Thüringen. Natürlich, werte Abgeordnete, werte Ministerin, haben wir in dem Koalitionsvertrag gelesen, für was Sie sich entschieden haben. Dass Sie z.B. Nachteilsausgleiche in Form des Blindengelds oder in Form eines Gehörlosengeldes auf den

Weg bringen wollen. Das ist für die Betroffenen sicher gut und richtig, aber es kann nicht alles sein. Denn wer wirkliche Integration möchte, wirkliche Einbeziehung in das gesellschaftliche Leben, der braucht natürlich auch einen Nachteilsausgleich für alle Menschen mit Behinderungen und daran haben auch wir hier in Thüringen noch zu arbeiten.

Ich denke auch, werte Abgeordnete, dass wir unbedingt eine Novelle des Thüringer Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen brauchen. In den zurückliegenden Jahren sind die Rechte und auch ein Stück die Pflichten des Landesbehindertenbeauftragten immer wieder, so wie sie im Gesetz formuliert worden sind, infrage gestellt worden. An der Stelle können Sie sich auf uns als Opposition verlassen, wir haben bereits genaue Änderungsvorschläge und genaue Vorstellungen, wie man einen Behindertenbeauftragten mit besseren Rechten und Pflichten, auch gegenüber den Ministerien ausstatten kann. Diese sind auch seit vielen Jahren abgesprochen mit Behindertenvereinen und -verbänden. In dem Sinne sage ich Ihnen auch, wir werden Sie kritisch begleiten, die Vorschläge vorlegen. Ich möchte im Namen meiner Fraktion diesen Antrag an den Sozialausschuss, aber auch an den Gleichstellungsausschuss überweisen, da Behindertenpolitik, wie wir wissen, eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe ist und da gehört es hin. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete Stange. Vielleicht von meiner Seite noch mal zwei Sätze zum Prozedere.

Den Teil 1 des Antrags, also den Sofortbericht, den können wir nur an den Ausschuss überweisen, wenn alle Fraktionen dem zustimmen und dann auch nur an einen Ausschuss. Zu dem Punkt 2 ist Ausschussberatung in allen Ausschüssen möglich. Darüber werde ich dann abstimmen lassen. Ich werde nach Teil 1 die Frage an die Fraktionen stellen, ob alle die Weiterberatung des Sofortberichts wollen, dann einigen wir uns, wenn das so ist, auf einen Ausschuss und dann machen wir den Punkt 2.

Ich rufe auf Abgeordnete Dagmar Künast von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich danke der Ministerin Taubert für ihren Sofortbericht, der uns den Fahrplan für das Vorgehen bei der Umsetzung der UN-Konvention für Thüringen deutlich dargelegt hat. Die Ratifizierung der UN-Konvention war ein großer Erfolg für die Menschen mit Behinderungen in

Thüringen und in der Bundesrepublik. Ich habe auch volles Verständnis für das Drängen der Betroffenen und ihrer Vertreter auf eine möglichst zeitnahe Umsetzung der Ziele der Konvention in Thüringen. Ich war ja auch in dem „außerparlamentarischen Bündnis für Behinderte“ und habe dort mit ihnen diskutiert. Ich habe da Verständnis. Wofür ich jedoch kein Verständnis habe, Frau Stange, ist, dass durch den vorliegenden Antrag eine Einhaltung unrealistisch gesetzter Termine eingefordert wird. Ich warne ausdrücklich davor, hier Dinge zu überstürzen. Wie bereits durch Ministerin Taubert dargestellt, wird es bei allem, was in diesem Bereich in Zukunft von uns getan wird, darum gehen, die Betroffenen so früh und so weit es geht, mit einzubeziehen. Auch externen Sachverhalt und natürlich die kommunale Ebene wollen wir von Beginn an mit einbinden. Dies bedarf einer sorgfältigen Abstimmung und intensiver Kommunikation. Wenn man einen fundierten und wahrheitsgetreuen Bericht erstellen möchte, ist die Vorlage eines Berichts zur Situation behinderter Menschen in Thüringen bis zum Mai 2011 nicht zu realisieren. Wir wollen einen fundierten und wahrheitsgetreuen Bericht. Dies wird länger dauern als bis zu dem im Antrag geforderten Termin.

(Zwischenruf Abg. Jung, DIE LINKE: Eineinhalb Jahre.)

Frau Jung, Sie möchten doch einen ordentlichen Bericht haben und nicht nur einen Bericht, was jetzt gerade ist, sondern auch, wo es in Zukunft hingeht. Wir haben beide Erfahrungen damit, dass man den Bericht, wenn man ihn kurz fasst und mit keinem diskutiert, recht schnell erstellen kann. Aber hier ist ja viel mehr noch gefordert. Wir wollen das gemeinsam machen. Wir können auch den Bestimmungen und Zielen des angesprochenen und zu erarbeitenden nationalen Aktionsplans auf Bundesebene nicht vorgreifen, wie das Frau Stange vorgeschlagen hat. Wir werden jedoch an dessen Erstellung mitwirken, das hat Frau Ministerin Taubert schon gesagt, und nach dessen Vorlage sehen, welche Schwerpunkte darin gesetzt werden und inwieweit wir ihn für Thüringen ergänzen und konkretisieren. Denn wir wollen Verbesserungen für die Menschen mit Behinderungen in Thüringen erreichen, die gut durchdacht und mit den Betroffenen abgesprochen sind. Nur dann sind die Maßnahmen mittel- und langfristig trag- und umsetzbar.

Die notwendige Gründlichkeit kann man in dem kurzen Zeitrahmen, der im Antrag teils gefordert wird, teils impliziert wird, nicht erreichen.

Meine Damen und Herren, es ist nicht im Interesse der Sache und der Betroffenen, wenn wir gesetzliche Regelungen, Situationsberichte, Maßnahmekataloge mit der sprichwörtlich heißen Nadel stricken. Das

können Sie eigentlich ernsthaft nicht wollen und das nützt auch den Menschen mit Behinderungen nichts. Wir sollten in deren Interesse realistisch sein und dürfen keine falschen Vorstellungen über die zeitliche Umsetzbarkeit der UN-Konvention wecken. Im Übrigen liegt zu dieser Konvention noch nicht einmal eine einheitlich deutsche Übersetzung vor. Sozialverbände haben die vorliegende Übersetzung in Teilen auch kritisiert. Schon kleine Unterschiede in der Übersetzung können weitreichende Konsequenzen in der Umsetzung zur Folge haben, z.B. das Termini inklusive oder integrativ. Hier möchte ich darauf verweisen, wie die Umsetzung des englischen Wortes inclusiv dann verwendet würde, jedoch unterschiedliche Bedeutung und rechtliche Konsequenzen haben wird. Das macht deutlich, wie schwierig das Unterfangen der Auslegung und Umsetzung der Konvention ist.

Meine Damen und Herren, die Koalition hat sich für die Legislatur im Bereich der Behindertenpolitik sehr viel vorgenommen und dies zu Recht. Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen in Thüringen ein möglichst uneingeschränktes Leben führen können. Dazu gehört beispielsweise eine bestmögliche Förderung von Kindern mit Behinderungen, der Ausbau von Arbeitsmöglichkeiten, aber auch die weitere Ausdehnung der Barierefreiheit. Besonders Letzteres wird in unserer Gesellschaft, in der immer mehr ältere und in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen leben, unerlässlich. Die UN-Konvention ist bei der Umsetzung unserer Behindertenpolitik eine Richtschnur, an der wir uns orientieren wollen. Aber um unsere Ziele zu verwirklichen und nicht auf halber Strecke stehenzubleiben, müssen wir gründlich arbeiten. Es muss ressortübergreifend, und wie bereits mehrfach gesagt, unter Beteiligung der Betroffenen erarbeitet werden.

Das Anliegen des vorliegenden Antrags ist nicht falsch. Wir begrüßen den auch, aber die terminliche Eile zu der beispielsweise beim Bericht zur Situation von Menschen mit Behinderungen in Thüringen gemahnt wird, würde nichts anderes als das Überstürzen der Erarbeitung wichtiger Grundlagen bedeuten.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kubitzki?

Lassen Sie mich kurz zu Ende reden und dann kommen wir zu den Fragen.