Protocol of the Session on October 14, 2011

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pelke. Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eigentlich finden wir GRÜNE Recycling ja gut. Da geht es um die Wiederverwertbarkeit von Stoffen, man kann aus dem, was mal was war, noch was viel Besseres machen. Aber wo ich mich dann doch wundere, wenn wir den gleichen Antrag, den wir vor einem Jahr hier diskutiert haben, eins zu eins vom ersten Punkt bis zum letzten Komma noch mal diskutieren. Das ist kein gutes Recycling und in der Politik halte ich das für nicht sinnvoll. Ich frage mich ein bisschen, warum wir damit erneut Zeit verbringen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe deswegen auch kurzzeitig überlegt, ob ich nicht einfach die gleiche Rede halte wie beim letzten Mal und dann mal austeste, ob das jemandem auffällt. Aber das ist ja langweilig, deshalb habe ich mich auch aktuell vorbereitet. Herr Gumprecht hat das vielleicht gemacht, habe ich Sie jetzt ertappt. Okay,

also Herr Gumprecht hat recycelt, die FDP auch. Frau Jung ihre Rede war ziemlich aktuell, die von Frau Pelke auch. Scheinbar gibt es hier doch den Anspruch, auf der einen Seite aktuell zu sein und auf der anderen nicht so. Das passt ja auch zu dem, was Herr Gumprecht hier behauptet. Er recycelt ja immer wieder, dass die CDU sich selbst Mut macht mit dem Spruch „Wir sind die Familienpartei in Thüringen“. Ja, nur weil Sie es immer wieder zu sich selbst sagen, wird es aber nicht wahrer. Das stimmt einfach nicht, Herr Gumprecht,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil Sie Politik nicht für Familien in Thüringen machen, sondern an ihnen vorbei und Ihr stoisches Beharren auf dem Landeserziehungsgeld ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass Sie Politik an Familien vorbei machen. Wir haben damals, als die FDP ihren Gesetzentwurf vorgelegt hat, auch einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, weil - jetzt kommt die politische Gemeinsamkeit - wir das Landeserziehungsgeld in Thüringen für überflüssig halten. Es ist teuer, es ist kontraproduktiv für eine moderne und gerechte Familienpolitik, aber wir haben damals schon etwas anderes gemacht, als die FDP es jetzt wieder macht. Die FDP macht die Vollbremsung, das heißt, all jenen Familien, die jetzt damit rechnen, dass sie in den Folgemonaten tatsächlich Landeserziehungsgeld beziehen, kappt die FDP ihre verlässliche Finanzierungsbasis damit, dass sie wieder den gleichen Fehler macht wie vor einem Jahr, dass sie wieder darauf beharrt, ab 01.01. 2012 wäre die Abschaffung sofort umzusetzen, das geht nicht, auch das ist keine redliche Familienpolitik.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Sie müssten eigentlich gelernt haben, die Argumente waren ausgetauscht, wenn man in diesem Bereich, wenn man im Bereich des Landeserziehungsgeldes wirklich etwas stemmen will in Thüringen, dann muss man das außerhalb dieses Plenarsaals machen, weil innerhalb die Koalitionsmehrheit es offenbar nicht hergibt. Sie kennen genau wie ich den Koalitionsvertrag, in dem steht, die SPD würde zwar gern, sie darf aber nicht,

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das stimmt nicht, das haben Sie falsch gelesen.)

da hat sich Frau Pelke gerade auch wieder sehr schön an genau dieser Basis entlanggehangelt. Herr Zeh, dass Sie das mit einer anderen Brille lesen, wundert mich jetzt nicht, aber ich lese es so und sehe auch in den Reihen der SPD Zustimmung. Wie auch immer, lassen Sie uns auf die Bundesebene blicken, da gibt es durchaus das eine oder andere spannende Neue. Bundesfamilienministerin Schröder hat am Sonntag etwas Bewegung in die Debatte gebracht, schaue ich gern in Ihre Reihen, schwarz-gelb mit den recycelten Reden,

(Abg. Pelke)

wenn es um das geplante Betreuungsgeld geht. Da ist nämlich die Frage, ob das jetzt auf einmal zu teuer werden soll, angesichts der Haushaltslage, finde ich ja spannend. Also auf den Bund schaut die CDU, können wir uns das Betreuungsgeld a´ la Thüringen leisten, aber im Land, angesichts von 16 Mrd. € Schulden, schauen wir nicht, ob wir uns das leisten können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht reden Sie mal mit Ihrer Bundespartei, das könnte helfen. Und jetzt komme ich aber noch einmal zur FDP. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, ob die FDP denkt, wenn schwarz-rot in Thüringen das Erziehungsgeld beerdigt, ob dann das Betreuungsgeld auf Bundesebene vielleicht nicht mehr kommt. Vielleicht ist das der aktuelle Grund gewesen, warum Sie es hier noch einmal eingebracht haben. Aber an der Stelle muss ich einfach mal so sagen, vielleicht überschätzen Sie da auch einfach die Thüringer Wirkung.

Worum geht es denn eigentlich? Es geht um gute Familienpolitik in Thüringen, es geht, Frau Pelke hat es gesagt, um gute Kitas, um eine verlässliche Basis für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht um eine gute Infrastruktur, damit junge Familien sich auch entscheiden können, bewusst Beruf und Familie miteinander in Einklang zu bringen. Es geht um gute Netzwerke, auf die man sich verlassen kann, in der Situation in der Familien sind, die auch flexibel reagieren müssen, und es geht auch um die Frage, da bin ich wieder bei der Bundesebene, wenn man wirklich eine verlässliche Finanzierung will für Familien und Kinder, am Ende um die Frage einer Kindergrundsicherung. Da diskutiere ich gern hier mit Ihnen, da interessiert mich auch Ihre Position. Aber es geht nicht um 150, 100 oder 50 € zusätzlich, die keinem, der arbeiten muss, an der Stelle reichen, um über den Monat zu kommen. Das ist doch völlig hypothetisch, das ist eine Pseudofreiwilligkeit, Herr Gumprecht, weil nur Familien, die es sich leisten können, können diese 150 € auch noch einstecken. Alle die es sich nicht leisten können, müssen nämlich arbeiten gehen. Und das müssen Sie endlich mal erkennen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der einzig logische Schluss, den es da gibt, ist, tatsächlich von diesem stoischen Blick auf das Landeserziehungsgeld endlich abzukommen, wie gesagt, sonst laufen Ihnen die Familien davon.

Es gibt aber noch etwas anderes, was die Landesregierung jetzt tun könnte, gerade wenn es darum geht, zu sagen, wir brauchen gute Kitas, weil das die Struktur ist, auf die Familien sich verlassen müssen. Es gibt Bundesmittel, die zur Verfügung gestellt werden, um gerade in Städten wie Jena und anderen, den Kita-Ausbau voranzutreiben. Das, was diese Landesregierung macht, ist Folgen

des, sie beruft sich auf einen Schlüssel aus dem Jahr 2005, wo ganz andere Geburtsprognosen getroffen wurden, als dies tatsächlich eingetroffen ist. In Jena ist es beispielsweise so, dass die Stadt deutlich weniger Geld aus Bundesmitteln bekommt, weil unser Kultusministerium nicht in der Lage ist, neue Zahlen zu liefern. Und das ist ungerecht und da könnten Sie heute hergehen und etwas tun und auch hier etwas sagen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn Ihnen das nicht bekannt ist, kann ich Ihnen das gern auch noch einmal darlegen. Das ist wirklich ein Problem.

Die zweite Frage, die ich hier gern noch diskutiert hätte, ich bin nun leider die Letzte in der Runde gewesen, aber das kann man vielleicht auch an anderer Stelle weiterdiskutieren: Halten Sie denn am Thüringer Erziehungsgeld auch fest, wenn das Betreuungsgeld auf Bundesebene 2013 kommt? Brauchen wir das dann immer noch? Vielleicht gibt es dann eine neue Möglichkeit, auch zwischen Schwarz-Rot, mal zu überlegen, ob es dieses Festklammern tatsächlich geben muss oder nicht.

Noch einmal: So sehr wir GRÜNEN sagen, moderne Familienpolitik geht anders, wir werden dem FDP-Antrag nicht zustimmen, weil mir auch der Geist des Entwurfs und die Frage, dass er allein finanzielle Ebenen atmet, nicht gefallen. Es geht nicht darum, was Familien in Thüringen brauchen. Familien in Thüringen brauchen, ich erwähnte es gerade, eine gute Infrastruktur und alles, was man bereitstellen kann und muss an Flexibilität. Deswegen bin ich mir sehr sicher, wenn wir eine Lösung finden, muss die erstens so sein, dass man das Landeserziehungsgeld auslaufen lässt, und man zweitens an den Punkten, an denen man etwas ändern kann, ich erwähnte den Kita-Ausbau, auch tatsächlich etwas tut und sich nicht hinter dieser einzigen politischen Maßnahme versteckt, von der Sie behaupten, sie mache die CDU zur Familienpartei.

Deswegen sage ich auch, was wir tun. Sie haben im Ausschuss damals, als wir unseren Gesetzentwurf eingebracht haben, eine mündliche Anhörung abgelehnt, ich will darauf hinweisen. Wir laden alle Abgeordneten, die da noch etwas dazulernen wollen, herzlich zu einer Anhörung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die FDP hat dem sich interessanterweise nicht geöffnet, am 1. November 2011 ein. Wir haben verschiedene Organisationen, Vereine und Verbände eingeladen und werden offen miteinander diskutieren, wie zeitgemäß das Landeserziehungsgeld noch ist. Wenn Sie mögen, kommen Sie vorbei, Sie sind herzlich eingeladen. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete Siegesmund. Es hat sich jetzt Herr Abgeordneter Dr. Zeh zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr verehrte Kollegen der FDP. Herr Koppe, ich bin immer der Meinung, wenn man Behauptungen aufstellt, dann muss man sie auch beweisen.

(Beifall CDU)

Sie haben die Behauptung aufgestellt, dass das Erziehungsgeld Fehlanreize mit sich bringt und dass eine Fernhalteprämie dazu führt, dass Kinder aus den Kitas abgemeldet werden in Thüringen. Den Beweis dieser Aussage sind Sie schuldig geblieben. Ich kann demgegenüber festhalten, dass gerade in Thüringen, dort, wo also Erziehungsgeld gezahlt wird, die Kinderbetreuungsquote Jahr für Jahr gestiegen ist. Das heißt also, es gibt keinen Zusammenhang zwischen Abmeldung von Kindern aus Kindertagesstätten und der Thüringer Erziehungsgeldzahlung.

(Beifall CDU)

Zweitens, Frau Jung, Sie haben mich zitiert aus einer Anhörung im Bundestag. Da Sie nicht dabei waren, muss ich sagen, können Sie natürlich nicht den gesamten Zusammenhang hier wiedergeben. Deswegen würde ich den gern an dieser Stelle noch einmal wiederholen. Ich bin gefragt worden, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen sozial schwachen Schichten und gleichzeitiger Abmeldung in den Kindertageseinrichtungen aufgrund des Betreuungsgeldes. Ich habe daraufhin geantwortet: Nein, ein solcher Zusammenhang ist in Thüringen nicht festzustellen. Dazu habe ich zwei statistische Beweise angeführt. Einmal ist in der Stadt Gera mit einer relativ hohen Quote an Hartz-IV-Empfängern und Sozialhilfeempfängern, wo man damit rechnen müsste, dass eine hohe Abmeldung durch das Erziehungsgeld entsteht, die umgekehrte Situation zu beobachten. Wir haben nämlich eine sehr hohe Betreuungsquote, in Gera die höchste in Thüringen. Demgegenüber steht das Eichsfeld mit einer vergleichsweise niedrigen Quote an Hartz-IV-Empfängern, wo man erwarten müsste, dass die Quote der Betreuung sehr hoch ist. Nein, das Eichsfeld hat eine sehr niedrige Betreuungsquote. Dieser Zusammenhang zeigt eigentlich ganz deutlich, dass es keinen statistisch nachgewiesenen Zusammenhang gibt, dass für sozial Schwache das Erziehungsgeld ein Anreiz ist, ihre Kinder abzumelden.

Drittens, was Herr Koppe im Zusammenhang mit dem Artikel 6 der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland gesagt hat, halte ich für abenteuerlich, da stimme ich mit Frau Pelke ausdrücklich überein. Das, was Sie hier argumentiert haben, würde ja be

deuten, dass sich eine Förderung von Familien ausschließen würde, wenn es Sache der Eltern selbst ist, sich darum zu kümmern. Ich denke, der Staat hat die Aufgabe, die Eltern bei der Erziehungsaufgabe zu unterstützen. Genau das tun wir auch mit dem Erziehungsgeld.

(Beifall CDU)

Da Sie auch noch das Kostenargument angesprochen haben, Herr Koppe, möchte ich ausdrücklich sagen: Ich will das Argument nicht in den Fordergrund rücken, weil es für uns auch nicht so wichtig war. Aber wenn Sie schon mit den Kosten anfangen: Erziehungsgeld spart am Ende, denn die Unterhaltung von einem Kindergartenplatz erfordert Zuschüsse in Höhe von 700 bis 800 €. Ein Kinderkrippenplatz für Kinder im Alter von einem bis drei Jahren kostet in Thüringen etwa 900 €, in Bayern übrigens 1.200 €. Das heißt also, wenn Sie eine rein fiskalische Bilanz machen, die ich nie gemacht habe, aber wenn Sie es schon aufmachen, dann würde ich sagen, Erziehungsgeld spart unter dem Strich dem Land sogar Geld. Aber aus dem Grunde will ich es gar nicht machen, nur weil Sie diese Argumentation vorhin in dieser Weise aufgemacht haben. Ich wiederhole es noch einmal, für uns ist die Wahlfreiheit der Eltern wichtig und

(Beifall CDU)

das bedeutet, wir brauchen eine gute Betreuungsinfrastruktur für Eltern, die ihre Kinder in Einrichtungen geben wollen. Das ist wichtig für gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf und wir wollen diejenigen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, auch unterstützen. Wir halten das für sachgerecht, denn Erwerbsarbeit und Erziehungsarbeit ist uns gleich wichtig und gehört meines Erachtens auch in der Wertigkeit auf eine Ebene.

(Beifall CDU)

Noch einmal: Ich bin der Meinung, Erziehungsarbeit und Erwerbsarbeit sind gleichwertig.

Sechstens - auch das will ich noch einmal betonen, weil hier angefragt wurde, ob es einen Zusammenhang gebe, dass die Kinderzahlen wegen der Zahlung von Erziehungsgeld gestiegen sind: Wir haben zumindest im Jahr 2010 die höchste Geburtenquote pro Frau. Ich will es noch einmal aus dem Statistischen Jahrbuch zitieren, da muss ich einmal meine Brille nehmen, also im Jahr 2010 - das ist die letzte Aussage, die ich machen will, …

Herr Abgeordneter Dr. Zeh, darf ich Sie dann doch einmal unterbrechen. Danke.

Dann dürfen Sie mich unterbrechen. Also ich will nur noch einmal sagen, dass wir im Jahr 2010 1,43 Kinder pro Frau, die höchste Geburtenzahl der Frauen seit 1990 haben, und das vier Jahre nach Einführung des Erziehungsgeldes.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Dr. Zeh, ich unterbreche Sie dann jetzt. Es ist der Wunsch auf eine Zwischenfrage vorhanden. Gestatten Sie das? Bitte, Frau Abgeordnete Jung.

Herr Dr. Zeh, ich habe mich gemeldet, als Sie gesagt haben, Erwerbsarbeit setzen Sie gleich mit Erziehungsarbeit. Das ist überhaupt kein Widerspruch, den ich da habe, aber ich stelle Ihnen die Frage: Leisten erwerbstätige Eltern keine Erziehungsarbeit nach diesem Satz?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist eine falsche Schlussfolgerung. Das habe ich nicht gesagt und ich bin auch nicht dieser Meinung. Ich bin aber trotzdem der Meinung, dass Erziehungsarbeit und Erwerbsarbeit in der Gesellschaft gleichwertige Dienste sind. Familien, die Kinder erziehen, leisten einen unverzichtbaren Dienst für diese Gesellschaft. Deshalb glaube ich, dass das Erziehungsgeld hier richtig angesetzt ist.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Dr. Zeh. Es spricht jetzt Frau Sozialministerin Taubert.