Protocol of the Session on September 16, 2011

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Meyer das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mir bleibt eigentlich nur noch ein Aspekt hier vorn zu sagen, der noch nicht von den Vorrednerinnen und Vorrednern benannt worden ist. Ich finde es übrigens eine spannende Debatte im Ausschuss, warum möglicherweise bei den Beitrittskandidaten in die Europäische Union dort eine andere Schwerpunktsetzung genommen worden ist. Ich glaube, genau das ist das, was den Ausschuss jetzt auch zu dem Justiz- und Verfassungsausschuss macht, nämlich die Frage der Stellung der Exekutive und der Legislative in den jungen Ländern Europas und in den etwas gefestigteren demokratischen Strukturen. Genau das könnte möglicherweise auch der Grund dafür sein, warum es bei uns eben gerade nicht so gemacht wird. Darüber würde ich gern diskutieren, denn die Frage, in welchem Bereich man Einflussnahmen vermuten kann auf konkrete Personalentscheidungen gerade bei der Judikative, da gehen wahrscheinlich die Meinungen auseinander hier in diesem Haus. Aber, dass sie sich durchaus anders darstellen als beispielsweise in Beitrittskandidaten von 2004 oder 2007, das würde ich doch einmal in den Raum stellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern finde ich das gut, wenn wir das einmal im Ausschuss diskutieren. Der letzte Aspekt, den ich noch nennen will: Ich bin ja nun selber Mitglied im Richterwahlausschuss, und was den Alltag dort angeht - ohne etwas zu verraten, das darf ich ja gar nicht -, ist das Thema natürlich auch der Fachkunde und dementsprechend auch der dort möglichen Diskussionsfähigkeit aller Beteiligten nicht aus den Augen zu lassen, wenn es um die Frage geht, wie die Zusammensetzung dort auszusehen hat und die Entscheidungsfähigkeit. Habe ich mich unklar genug ausgedrückt und trotzdem verständlich? Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Ja; bitte schön.)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat der Abgeordnete Hauboldt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kollegin Marx neben dem Datenschutz, den will ich gar nicht schlechtreden, macht

es mir aber zumindest mehr Spaß, in dieser Thematik der Unabhängigkeit der Justiz - und hier ist es ja ein Baustein, wenn wir über das Richtergesetz über die Verantwortung der Richter reden, herausgegriffen - hier die Diskussion anzustacheln und anzufachen. Ich möchte im Anschluss an meine Grundsatzbemerkungen auf das, was meine Vorredner hier kundgetan haben, auch gern noch einmal eingehen, um bestimmte Argumente zu entkräften bzw. zu widerlegen. Aber eins möchte ich auch zu Beginn loswerden. Ich weiß nicht, was Sie für eine Vorstellung haben, wie meine Fraktion solche Gesetzesvorhaben erarbeitet. Sie können uns durchaus glauben, meine Damen und Herren, dass wir natürlich mit entsprechenden Kapazitäten, Vereinigungen und Richtern auch diese Dinge diskutieren und auch diese Aspekte mit berücksichtigen. Also keine Erarbeitung vom grünen Tisch, Herr Scherer, dazu komme ich später noch einmal.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU)

Das ist Ihre Sichtweise, die kann ich aber nicht ändern. Meine Damen und Herren, im Rahmen der Plenardebatte um den Grundsatzantrag meiner Fraktion, der hier schon benannt worden ist unter dem Aspekt „Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz in Thüringen ausbauen“, im Mai 2010 hat die Landesregierung das von uns vertretene weitreichende Konzept der Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz abgelehnt und als nicht notwendig bezeichnet bedauerlicherweise, obwohl es sehr harsche Aufforderungen - und das haben Sie vollkommen ausgeblendet - auch durch den Thüringer Richterbund gab gerade mit Blick auf das europäische Vorhaben und europäische Vorgaben, in Thüringen tätig zu werden. Darauf haben Sie mit keiner Silbe abgehoben. Gerade die Berufs- und Interessenverbände der Richterinnen und Richter bzw. auch der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Neue Richtervereinigung, Deutscher Richterbund haben hier schon sehr weitgehende Vorschläge in die öffentliche Debatte gebracht. Sie sehen die Einrichtung von Selbstverwaltungsgremien wie ein Justizverwaltungsrat vor oder auch weitgehende Rechte zur Verwaltung der Haushaltsmittel durch die Justiz selbst. DIE LINKE teilt diese Vorstellungen. Das will ich hier ganz deutlich sagen.

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Steht aber bei Ihnen nicht drin.)

Moment, das ist wieder Ihre Lesart, Herr Scherer, darauf komme ich noch. Sie haben angekündigt, es wird demnächst ein Richtergesetz geben. Sie nicht, aber bei der Diskussion nehmen Sie sich immer aus der Regierungsverantwortung heraus und wenn es mal angebracht ist, dann betonen Sie das wieder. So funktioniert es auch nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Dann Butter bei die Fische, wenn Sie sagen, wir wollen ein Gesetz vorlegen, dann sind Sie selbstverständlich als CDU-Fraktion, als regierungsmittragende Fraktion gefragt und ich gehe auch davon aus, dass Sie Ihre Inhalte dort anbieten. Bisher kenne ich sie nicht.

Zurück zum Thema: Ein zentraler Punkt in dem Gesamtkonzept für mehr Unabhängigkeit und Selbstverwaltung in der Justiz ist das Verfahren der Personalauswahl, sind die Mechanismen der Personalpolitik, ist die Frage, welche der Beteiligten welche Entscheidungsrechte und Einflussmöglichkeiten haben. Die Unabhängigkeit in der Justiz wird vor allem durch die Personen und das Handeln der einzelnen Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bestimmt. Daher ist die Entscheidung über Personalfragen, meine Damen und Herren, eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Frage in diesem Bereich. Da wird auch der viel zitierte Anspruch - und da gehe ich mal zurück in die Geschichte des preußischen Justizministers Leonhardt - verständlich - ich darf zitieren, Frau Präsidentin -: „Solange ich über Beförderungen bestimme, bin ich gern bereit, den Richtern ihre sogenannte Unabhängigkeit zu konzedieren.“ Dieses Zugeständnis einer faktisch ausgehöhlten Unabhängigkeit besteht, so hart dies vielleicht auch für den einen oder anderen klingen mag, im Prinzip bis heute fort, auch hier in Thüringen, denn der Justizminister hat ja, das ist auch betont worden, eine Art Letztentscheidungsrecht und die Exekutive sehr viel Einfluss auf die Ausgestaltung von Personalauswahlverfahren. Der Anspruch Leonhardts legt nahe, die Beförderungsämter bei Richtern und Staatsanwälten abzuschaffen; die Gleichwertigkeit der Richterämter ist ebenfalls ein wichtiger Baustein zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtsprechung. Denn wenn keine Beförderung lockt, meine Damen und Herren, ist auch die Versuchung für Richter geringer, sich vielleicht bestimmten Meinungen anzuschließen, um sich Aufstiegschancen nicht zu verbauen. In der Praxis ist es meist nicht gern gesehen, wenn z.B. Urteile von Richtern häufig auch in der nächsten Instanz kassiert werden. Herr Scherer, das kennen Sie auch.

Auch die Fraktion DIE LINKE fordert daher die Abschaffung von Beförderungen bei Richtern und Staatsanwälten. Die Frage, ob sich Richter der Meinung der ihnen übergeordneten Gerichtsinstanz anschließen oder nicht, soll meines Erachtens nach Sachargumenten beantwortet werden. Die beiden vorgelegten Gesetzentwürfe, meine Damen und Herren, für die Novellierung des Thüringer Richterrechts nehmen jedoch nicht die Problematik Beförderung bzw. deren Abschaffung in den Blick, noch nicht. Dazu braucht es meines Wissens auch noch weitere begleitende Schritte.

Der Änderungsgesetzentwurf zum Thüringer Richtergesetz befasst sich mit den anderen wichtigen Gesichtspunkten, die ebenfalls die Personalpolitik im Bereich des richterlichen und staatsanwaltlichen Personals betrifft und das noch viel mehr grundsätzlicher als die Frage von der Beförderung. Es geht um die grundsätzlichen Fragen der Personalauswahl und der Entscheidung der weiteren Personalverwendung. Durch die Veränderung der Zusammensetzung des Richterwahlausschusses wird der Einfluss der Exekutive zurückgedrängt, das haben Sie richtig dargestellt. Der Justizminister ist nicht mehr geborenes Mitglied des Richterwahlausschusses, er ist damit auch nicht mehr sein Vorsitzender. Die Vertreterinnen und Vertreter der Legislative des Landtags übernehmen diese Funktion. Der Präsident des Landtags sollte nach unserer Auffassung zukünftig dieses Amt übernehmen. Bei der Besetzung durch Vertreterinnen und Vertreter der Justiz gibt es ebenfalls aus unserer Sicht Veränderungen, auch - und das ist ja neu - die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sollen künftig zumindest mit beratender Stimme im Gremium vertreten sein.

Unser Gesetzentwurf stellt durch seine Regelung sicher, dass im Rahmen der praktischen Arbeit die vom Landtag entsandten Mitglieder des Gremiums von den übrigen Mitgliedern nicht überstimmt werden können. Das gebietet das Prinzip der möglichst - Herr Scherer, da unterscheiden wir uns wahrscheinlich im Wesentlichen - direkten Legitimation der Übertragung öffentlicher Ämter.

Die Entscheidungskompetenzen des Richterwahlausschusses bei Beförderungen, Versetzungen, usw. werden gegenüber der bisherigen Situation gestärkt. Damit wird Personalpolitik in der Thüringer Justiz aus unserer Sicht transparenter und auch demokratischer. Damit sind zwar die Beförderungsämter nicht abgeschafft, aber sie lassen sich durch die Exekutive aus unserer Sicht nicht mehr instrumentalisieren, wie es noch der preußische Justizminister Leonhardt, um auf ihn zurückzukommen, im Sinn hatte. Bei Verfahren zu Personalfragen müssen dem Richterwahlausschuss in Zukunft mehr Informationen und Unterlagen, zum Beispiel bei Stellungnahmen, zur Verfügung gestellt werden als bisher. Die Entscheidung erfolgt auf einer erweiterten Informationsgrundlage. Damit wird der Meinungsbildungsprozess des Richterwahlausschusses differenzierter und die Entscheidung entsprechend sachlich fundierter. Der Auswahlprozess wird für die Bewerber transparenter und die Entscheidung nachvollziehbar. In der Vergangenheit hat es in der Thüringer Justiz eine Reihe durchaus umstrittener Besetzungsverfahren gegeben bis hin zu Konkurrentenklagen. Das dürfte Ihnen auch nicht neu sein. Die Besetzung der Präsidentenämter beim Landesarbeitsgericht und beim Oberlandesgericht sind da

für Beispiele, die auch öffentlich bekannt geworden sind.

Meine Fraktion hofft, dass ihre Gesetzesänderungsvorschläge dazu beitragen, ebensolche Klagen wie in der Vergangenheit und solche langwierigen Verzögerungen bei Arbeitsabläufen in der Thüringer Justiz zu vermeiden. Es gibt noch weitere Änderungsgesichtspunkte, die aber im Rahmen der ersten Lesung nicht alle im Detail benannt werden können. Sie sollen aber, das habe ich wohlwollend zur Kenntnis genommen, eingehend im Rahmen einer Fachdiskussion im Ausschuss besprochen werden, am besten auch im Rahmen einer mündlichen Anhörung mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis. Es ist bei uns, in meiner Fraktion, angezeigt worden, dass es dieses Begehren gibt.

Daher beantrage ich jetzt schon die Überweisung der beiden Gesetzentwürfe an den Ausschuss für Justiz und Verfassung. Meine Damen und Herren, die Vorschläge sind als Diskussionsangebot zu verstehen zur Verbesserung der Personalentscheidung und Personalentwicklung und um den gangbarsten Weg für die Stärkung von Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Thüringer Justiz zu finden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass wegen der besonderen Altersstruktur in der Thüringer Justiz, und das ist ein permanentes Problem, das wird unstrittig sein, diese Fragen in der kommenden Zeit sehr an Bedeutung gewinnen werden. Es stehen Personalwechsel in größerem Umfang an.

Die von meiner Fraktion vorgeschlagenen Änderungen im Thüringer Richtergesetz lassen sich nur in Begleitung mit der Änderung des Artikels 89 der Thüringer Verfassung umsetzen. Daher die zwei Gesetzentwürfe. Meine Fraktion würde ihre Vorschläge gern in Gegenüberstellung, das betone ich auch, mit den Vorschlägen der Landesregierung diskutieren. Dieses Gegenüberstellen der Positionen belebt meines Erachtens den demokratischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess. Die Thüringer Landesregierung hatte auch auf meine Mündliche Anfrage im Märzplenum einen eigenen Entwurf im Herbst 2011 angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Koalitionsregierung bei diesem Thema nicht genauso blockiert und verhält wie eventuell bei der Novellierung des Thüringer Ministergesetzes, Herr Scherer, Sie haben ja Ihre Position schon dazu bezogen. Ich hoffe, das wird in der Situation nicht der Fall sein.

Nun lassen Sie mich noch ganz kurz zurückkommen auf Ihre Anmerkung zu Beginn der Diskussion. Herr Scherer, Sie haben angemahnt, und das reizt mich natürlich in der Diskussion, hinsichtlich eines verantwortungsvollen Umgangs, den will ich noch einmal betonen. Ich habe auch diverse Schreiben hier vor mir liegen von Richterinnen und Richtern aus Thüringen, die sagen, Sie haben unseren Ge

setzentwurf mit Begeisterung zu Kenntnis genommen. Ich verrate Ihnen nicht die Namen,

(Heiterkeit CDU, SPD)

aber Sie können mir durchaus glauben, dass nicht nur Widerspruch, wie das in Ihrer Debatte der Fall war, hervortritt, sondern auch durchaus löbliche Worte gefunden werden und Begeisterung. Das hängt natürlich damit zusammen, dass sich der eine oder andere in der Erarbeitung dieser Gesetzesvorhaben mit eingebracht hat. In dieser Zusammensetzung, meine Damen und Herren, das ist ja nicht neu, gibt es ein sogenanntes Hamburger Modell, Herr Scherer, wenn Sie sich da auch noch einmal erkundigt haben. Es ist nicht unmittelbar ein neues Paradebeispiel für Thüringen. Wir haben uns schon mal orientiert, wie das in anderen Bundesländern aussieht. Das Hamburger Modell ist schon ein erster Schritt in diese Richtung. Ich gebe aber gern zu, dass sich unser Gesetzentwurf zumindest in der Anwendungsbreite noch etwas darüber hinaus entwickelt hat. Aber, meine Damen und Herren, Richterbund und neue Richtervereinigung waren zumindest auch in der Erarbeitung und den Vorstellungen, die sie selbst erarbeitet haben, Partner für uns in dieser Frage. Sie haben benannt, so wie sich die jetzige Gesetzeslage darstellt, es sei Ihnen wichtig, lebenslange Anstellung, Unkündbarkeit etc. pp. Dagegen gibt es überhaupt nichts zu sagen, aber was ist mit der Frage Einstellung, Anstellung, Versetzung und Beförderung? Ist das nicht ein Thema und eine Diskussion wert, genau diese Kompetenz auch dem Richterwahlausschuss zuzubilligen? Dazu haben Sie sich bisher nicht verhalten. Sie haben gesagt, es wäre interessant, einmal darüber nachzudenken, wie kann man auch in dieser Position eine Stärkung im Rahmen des Richtergesetzes diesbezüglich vornehmen.

Zur Zusammensetzung haben Sie sich etwas süffisant geäußert und haben gesagt, man könne ja, die Parlamentarier entscheiden dann und wo ist da das Demokratische dabei zu berücksichtigen? Sie haben eines vergessen und haben ja auch noch das Urteil zitiert, die letzte Entscheidung läge ja beim Landesjustizminister. Die Parlamentarier können auch Letztentscheidungsrecht haben, Herr Scherer. Da interpretieren wir sicherlich etwas unterschiedlich das Urteil, was Sie hier benannt haben. Das heißt, die demokratische Legitimation, ich hatte es vorhin benannt, das Parlament hat die unmittelbare Legitimation, der Minister hat die mittelbare. Zu der Frage können wir uns dann gern noch einmal verständigen.

Eines noch dazu: Sie haben gesagt, jetzt machen wir das aus dem Bauch heraus, die Debatte zu diesem Gesetz zu beginnen. Ich kann mich erinnern, dass es, ich glaube, im Frühjahr dieses Jahres war, als die neue Richtervereinigung eingeladen hatte zu einer spannenden Diskussion genau zu diesem

Thema. Ich kann mich nicht erinnern, dass aus Ihrer Fraktion, bedauerlicherweise auch nicht aus dem Justizbereich, dort jemand präsent gewesen wäre, der zum Beispiel Ihre Meinung und Ihre Stellungnahme dort hätte in die Wagschale werfen können. Bedauerlich, jetzt holen wir es im Parlament nach, aber auch interessant und reizvoll, das gebe ich gern zu.

Zu den Kollegen der FDP möchte ich nichts weiter sagen, weil in den Ausführungen habe ich zumindest keine Substanz vernehmen können, deshalb kann ich da auch nichts erwidern.

Frau Marx, zumindest Sie trauen sich zu, auch Ihrer Verantwortung entsprechend dem Thema bestimmte Überlegungen abgewinnen zu können. Wenn wir die Diskussion im Ausschuss fortführen wollen, dann finde ich das sehr spannend. Ihre Bereitschaft haben Sie signalisiert, ich nehme Sie beim Wort. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube … nein, ich kann die Aussprache noch nicht schließen. Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Poppenhäger zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist ja so, dass man in diesem Hohen Hause immer wieder etwas dazulernt und das auch bei dieser Debatte. Ich habe gelernt, dass bei dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE die Richtervereinigungen Partner waren. Ich habe eben noch einmal in das Gesetz geschaut, da steht drin, dass auch der Richterwahlausschuss künftig über Beförderungen zu entscheiden hat. Ich weiß nicht, ob Sie den Vereinigungen gesagt haben, dass es nach Ihrer Vorstellung in Zukunft Beförderungsämter ja nicht mehr gibt. Dann lassen Sie uns diese Passage gleich herausnehmen aus Ihrem Gesetzentwurf und dann bin ich mal gespannt, ob dann die Richtervereinigungen auch noch Partner sind in dieser Frage. Ich bin sehr interessiert.

Zum Richterwahlausschuss: Da will ich auch mal eine Klarstellung vorab sagen. Ich habe dort überhaupt kein Stimmrecht. Zu sagen, man müsse mir dort den Vorsitz und das Stimmrecht entziehen, geht fehl. Ich bin dort nicht stimmberechtigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Ihnen bekannt sein dürfte, befasst sich auch das Thüringer Justizministerium bereits mit einem Gesetzentwurf unter Beteiligung vieler Mitarbeiter meines Hauses zur Novellierung des Thüringer Richtergesetzes. Insofern - und das will ich Ihnen gern konzedieren, bestätigt der Vorstoß der Fraktion DIE LINKE einmal mehr die Relevanz und Wichtigkeit

dieses Themas. Die Arbeiten an der Erstellung des Gesetzentwurfs in meinem Hause sind abgeschlossen. Ich habe den Gesetzentwurf zur Novellierung des Thüringer Richtergesetzes jetzt bereits zur Ressortabstimmung innerhalb der Landesregierung freigegeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: Es gibt durchaus bei dem heute zu beratenden Thema einige Übereinstimmungen zwischen der Landesregierung und auch der Linkspartei. Auch ich halte - da spreche ich in der Tat für die gesamte Landesregierung - die richterliche Unabhängigkeit für ein überragend hohes Gut in unserem demokratisch verfassten Staat. Dasselbe gilt ohne Einschränkung auch für die rechtsstaatlichen Prinzipien wie Gewaltenteilung, die Grundsätze demokratischer Legitimation oder auch die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Außerdem ist es das erklärte Ziel der Landesregierung, mit der Novellierung des Thüringer Richtergesetzes insoweit - auch mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit - die Beteiligungsrechte der Richter zu stärken und die Mitwirkungsmöglichkeiten in den richterlichen Gremien zu erhöhen. Ich gehe davon aus, dass auch diese Zielstellung die Zustimmung der Fraktion DIE LINKE finden wird.

Aber damit enden auch bereits die Übereinstimmungen. Ein wesentlicher, wenn auch vielleicht eher technischer Gesichtspunkt, der gegen eine Realisierung der Gesetzentwürfe der Fraktion DIE LINKE spricht, ist ihre inhaltliche Einschränkung auf einen einzigen Regelungsgegenstand. Die Entwürfe greifen aus einer Vielzahl sich aufdrängender hoch komplexer und zugleich ineinander verschlungener dienstrechtlicher, justizorganisatorischer und verfassungsrechtlicher Probleme ganz nach Belieben einen einzigen Punkt heraus und behandeln als Solitär nur ein einziges Gremium, den Richterwahlausschuss.

Wenn Sie nun meinen, sehr verehrte Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE, ein solchermaßen eingeschränkter Regelungsansatz wäre ernsthaft geeignet, die von Ihnen gewünschte Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit zu bewirken, so muss ich hier widersprechen. Ich will dies auch kurz begründen.

Erstens ist die Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit keine monokausale Angelegenheit, die mit der Neustrukturierung eines einzelnen Gremiums kurzerhand erledigt wäre. Angesichts der kaum überschaubaren Vielzahl von Hebeln und Stellschrauben im Richtergesetz können Sie beim besten Willen nicht erwarten, dass die Betätigung eines einzelnen Hebels meinen Beifall findet. Wie gesagt, es handelt sich um eine hoch komplexe wie schwierige Materie, die ebensolche Antworten verlangt.

(Abg. Hauboldt)

In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass das Thüringer Richtergesetz zuletzt 2001 geändert wurde. Gerade seit 2006 erleben wir doch eine enorme Fülle von dienstrechtlichen, organisatorischen, verfassungsrechtlichen Änderungen sowohl im Bundes- als auch im Landesrecht. Ich nenne nur die Föderalismusreform, die tiefgreifenden Änderungen des Deutschen Richtergesetzes und des auch für Richter und Staatsanwälte wichtigen Beamtenstatusgesetzes des Bundes, nicht zu vergessen zahlreiche Folgeänderungen und Novellierungen auf Landesebene im Thüringer Besoldungs-, Beamten- und Versorgungsrecht. Um es deutlich zu sagen, das einzig Sinnvolle ist hier an dieser Stelle, das Richtergesetz als Ganzes auf den Prüfstand zu stellen und es einer Generalüberholung zu unterziehen. Genau das hat das Thüringer Justizministerium getan.

Zweitens: Wenn in Ihrem Entwurf und auch in der Rede wiederum von einer Annäherung an die europäischen Standards einer Justizverfassung die Rede ist, so vermittelt dies den unzutreffenden Eindruck, die richterliche Unabhängigkeit in Thüringen habe keinen europäischen Standard. Ich stelle mit Nachdruck nochmals klar, die Justizstrukturen in Thüringen und in Deutschland entsprechen in jeder Hinsicht rechtsstaatlichen Kriterien. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in Deutschland und auch in Thüringen auch im europäischen Vergleich auf höchstem Niveau. Auch weltweit genießt die deutsche Justiz hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit eine Spitzenstellung, übrigens anders als einige Länder mit einer sogenannten Selbstverwaltungsorganisation. Zudem gibt es weder in der Europäischen Union noch seitens des Europarates und seiner Gremien rechtsverbindliche Standards für die mitgliedstaatlichen Justizstrukturen, die der deutschen oder der Thüringer Justizstruktur entgegenstehen würden.

Drittens: Der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE, dem Richterwahlausschuss die alleinige Zuständigkeit für die Einstellung, die Beförderung und die Versetzung von Richtern zu übertragen, begegnet gewichtigen verfassungsrechtlichen Bedenken der Landesregierung. Sie dürfte in dieser Form auch kaum praktikabel sein. Die verfassungsrechtlichen Bedenken liegen im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Artikel 98 Abs. 4 des Grundgesetzes auf der Hand. Der Abgeordnete Scherer hat vorhin ja auch daraus zitiert. Die Entwürfe zitieren die einschlägige bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung. Danach schließt Artikel 98 Abs. 4 Grundgesetz eben eine Alleinentscheidungsbefugnis, und zwar nicht nur, wie in den Gesetzentwürfen angenommen wird, für die Anstellung als Ernennung zum Richter auf Lebenszeit aus. Der Begriff „Anstellung“ ist nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung weit zu verstehen, er erfasst auch die Einstellung und alle Beförderungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, als Ergebnis kann ich festhalten: Die Gesetzentwürfe der Linkspartei begegnen einer Vielzahl von rechtlichen und praktischen Bedenken. Einer weiteren Diskussion hierzu gemeinsam mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung im zuständigen Ausschuss sehe ich gern entgegen. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Minister. War das eine Bitte um Zwischenfrage? Herr Minister, gestatten Sie diese?

Gern.