Protocol of the Session on July 7, 2011

Ein vierter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Problematik eines weiteren Ausschusses, die wir heute auch hier beraten. Wir wissen, dass uns große Dinge bevorstehen mit Blick auf die durch Lissabon geltenden Regelungen des EU-Frühwarnsystems, die Beteiligung der Landesparlamente, und dass uns da eine wichtige, verantwortungsvolle Rolle zukommt. Insofern begrüßen wir ausdrücklich, dass nicht mehr der Gleichstellungsausschuss in Rede steht, ob dieser gegebenenfalls erweitert oder auch abgewertet...

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Der stand nie in Rede.)

Der stand natürlich nie in Rede, sagen Sie, wir werten das anders. Wir sind froh, dass es jetzt den Vorschlag gibt, einen Europaausschuss einzuberufen, einen Extraausschuss. Ich habe allerdings kein Verständnis dafür, dass die FDP dies jetzt nicht mittragen will. Denn aus meiner Sicht - wir sind für offene Worte, glaube ich, durchaus bekannt - sind es nicht die juristischen Bedenken, die hier tragen, sondern vielmehr die Unzufriedenheit darüber, welchem Ausschuss Sie derzeit vorsitzen. Sie können jetzt sagen, ich kann da viel erzählen, wir haben soundso keinen Ausschussvorsitz inne,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Von Wie- derholungen wird Ihre Unterstellung nicht besser.)

erst bei Ausschuss Nummer 14 kämen wir zum Zuge. Was heißt denn Unterstellung?

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Was ist es denn sonst?)

Was sind denn Ihre Gründe? Ich habe keine sachlichen Begründungen gehört. Wir wissen doch alle, dass Sie den Gleichstellungsausschuss, das haben Sie auch gesagt, genommen haben, weil es keinen weiteren gab.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das ist dummes Zeug.)

Der Ausschuss ist sehr wichtig, das ist kein dummes Zeug.

(Unruhe im Hause)

Ein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist die Thematik der Diskussion von Gesetzesvorlagen im Internet.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Glauben Sie eigentlich selber daran?)

Natürlich glaube ich daran, an das, was ich sage jedenfalls. An das, was Sie sagen, glaube ich nicht. Die Diskussion von Gesetzesvorlagen über das Internet: Wir haben im Ältestenrat - Herr Emde hat es angeführt - beschlossen, dass es erste Versuche dazu geben soll. Wir meinen, wir sollten noch sehr viel mehr Mut haben, die Menschen einzubeziehen, auch wenn es Arbeit macht. Demokratie macht immer Arbeit, und das ist auch gut so. Demokratie lebt vom Mitmachen, deswegen muss es unser Ziel sein, für möglichst viele Menschen die Möglichkeit zu schaffen, sich zu beteiligen. Was wir aber über die Geschäftsordnung hinaus wichtig finden, ist die Schaffung weiterer Regularien. Eben ist schon angesprochen worden, dass das Abstimmungsverhalten oftmals schwierig nachzuvollziehen war für Menschen, die nicht hier anwesend sind. Da haben wir im Präsidium auch eine schnelle Regelung gefunden, jetzt immer anzusagen, welche Fraktion sich wie zu welchem Antrag oder zu welcher Gesetzesvorlage verhalten hat.

Was ich mir wünschen würde, wäre, dass wir auch selbstverständlich eine verbindliche Rückmeldung an alle Anzuhörenden geben, was aus ihren Stellungnahmen geworden ist. Das muss nicht in der Geschäftsordnung geregelt werden, aber auch das würde das Vertrauen in unsere Demokratie stärken. Ich freue mich heute hier auf die weitere Debatte. Ich freue mich auch auf kürzere, auf knackige, auf lebendige Reden, die wir hier hoffentlich zukünftig erleben werden. Wir werden aber auch aushalten müssen, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Lassen Sie uns doch darüber konstruktiv streiten, denn auch das macht Demokratie aus. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Blechschmidt zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste, vor gut einem Jahr haben wir mit großen Erwartungen und den damit verbundenen Positionen die Geschäftsordnung in den entsprechenden parlamentarischen Gang gegeben. Dabei war das Grundziel dieser Veränderung der

Geschäftsordnung, unsere eigene Arbeitsmethode, unsere Arbeitsgrundlage - es wurde schon gesagt den aktuellen Realitäten anzupassen. Diese sind unserer Meinung nach erstens ein Fünfparteienparlament, das automatisch über kurz oder lang intensiver, umfangreicher, sprich quantitativ und qualitativ anspruchsvoller tätig ist. Ich erinnere mich noch gut daran und im ersten Moment war ich sogar positiv überrascht, dass viele gerade auch neue Kolleginnen und Kollegen hier vorn den Satz prägten „Ich rede nur kurz“ und dies sogar mitunter eingehalten haben.

(Zwischenruf Abg. Augsten, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist relativ.)

Diese Erfahrung nahm in den kommenden Monaten zunehmend wieder ab.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Nicht bei al- len.)

Somit stand die Aufgabe, dieses neue Arbeitsvolumen auch per Geschäftsordnung aufzugreifen und in neue Bahnen zu lenken.

Da ist zweitens der Drang der Öffentlichkeit, der Wunsch von Bürgerinnen und Bürgern, näher, hautnah an Entscheidungen und Entscheidungsprozessen und vor dem an Diskussionsprozessen teilzuhaben. Ich höre jetzt schon - und das ist ja auch in der Debatte schon sichtbar geworden - einige Argumente, die da sagen, wo sind sie denn, die Bürgerinnen und Bürger oder sollen wir sie gegebenenfalls auf das sogenannte Sofa setzen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser mein geschilderter Drang kommt an verschiedenen Stellen heute schon zum Ausdruck: Demonstrationen vor dem Haus, Petitionen, Besuche im Landtag oder in unseren Wahlkreisbüros. Bürger will nicht nur informiert werden oder zu Wahlen animiert werden, Bürger will beteiligt werden.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Bürgerin auch.)

Und die Bürgerinnen natürlich auch. Wir haben die Aufgabe auch im Rahmen unserer parlamentarischen Gepflogenheiten und der Geschäftsordnung, diesem Bürger nicht nur zu signalisieren, dass das so ist, sondern auch Bedingungen zu schaffen, ich wiederhole, sie zu beteiligen. So verstehen wir mehr Demokratie. Da ist dann nicht die Frage, wer vor der Tür steht oder wer hineinkommt, sondern da zählen allein die Chance und die demokratische Gegebenheit, die Möglichkeit, sich beteiligen zu können.

Meine Damen und Herren, ja, wir haben mit dem gemeinsamen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung sozusagen einen Schritt getan, der die Effizienz der Gestaltung unserer Arbeit schafft. Gleichzeitig bringt der Antrag auch den Blick auf die

(Abg. Rothe-Beinlich)

neuen Aufgaben. Das EU-Frühwarnsystem ist genannt worden. Thüringen ist mit seiner Vereinbarung im Vergleich zu anderen Bundesländern doch sehr weit. Es wird sich auch mit der in dieser Vereinbarung geschilderten Evaluation ein wichtiges Moment befinden, das die Möglichkeit gibt, nach diesem einen Jahr zu überprüfen, ob wir nicht doch vielleicht noch eine gesetzliche Regelung dafür einführen sollten. Aber das wird die Zukunft bringen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wer hat es gemacht? Die CDU.)

Die zukünftige Arbeit des Ausschusses und der in der Vereinbarung zwischen der Landesregierung und dem Landtag auch formulierte Arbeitsauftrag zwischen uns, wie er ähnlich auch in Baden-Württemberg ist, hat die Form der gesetzlichen Beteiligung des Parlaments einschließlich der damit verbundenen Verfassungsänderung. Die Mitwirkung der Parlamente bei bundesstaatlichen europäischen Entscheidungen wird nach Auffassung der LINKEN in Zukunft notwendiges Element parlamentarischer Rechte sein und somit die Lübecker Vereinbarung der Konferenz der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten mit Leben erfüllen.

Meine Damen und Herren, auch andere Aspekte die will ich nur kurz streifen - wie die Stärkung der Digitalisierung der Arbeitsvorgänge der Dokumentenverteilung oder die klarstellende Regelung der Verfahren bei Abstimmungen trägt meine Fraktion ausdrücklich mit.

Damit wären wir beim Stichwort „Redezeit“. Diese von vielen als notwendig eingeforderte Veränderung hat mit der jetzigen Regelung ihren vorläufigen Höhe- bzw. Ergebnispunkt erreicht. Ich gestehe, dass der Diskussionsprozess zwischen den Fraktionen, aber auch besonders innerhalb meiner Fraktion kein einfacher gewesen ist, weil einige Kolleginnen und Kollegen durchaus begründet mit der Verkürzung der Redezeit immer auch die Frage der Öffentlichkeit von Ausschüssen in Zusammenhang gesetzt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Die Ergebnisse der Abstimmung zu unseren Änderungsanträgen, was die Frage der Öffentlichkeit von Ausschüssen anbetrifft, wird somit auch Einfluss auf das Abstimmverhalten einiger Kolleginnen und Kollegen der LINKEN zum gemeinsamen Antrag haben.

Meine Damen und Herren, und damit wäre ich auch schon bei aus Sicht der LINKEN seit Langen im Thüringer Landtag bestehenden Demokratie- und Transparenzdefiziten. Die bisher in der Regelung nicht öffentlich tagenden Ausschüsse müssen als Regelfall öffentlich tagen. Ich betone noch mal: Die Thüringer Verfassung sagt deutlich auch in ihrer Achtung, in der Regel sind Ausschüsse nicht öffentlich und sie können öffentlich sein. Das ist gut so

und das ist auch richtig so. Es ist aber nicht mehr ausreichend genug. Wir haben gehört, in fünf anderen Bundesländern ist die Möglichkeit, über die Öffentlichkeit der Ausschüsse entsprechende Diskussionsprozesse der Politikerinnen und Politiker deutlicher in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir würden eben gern dieses Grundprinzip in der Thüringer Verfassung - und deshalb unser Antrag - umkehren: In der Regel sind Ausschüsse öffentlich.

(Beifall DIE LINKE)

Und ich muss keinem Juristen erklären, was „in der Regel“ bedeutet. Das bedeutet, dass wir auch im Umkehrschluss durch bestimmte Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausschließen können, um solche Gedanken, wie sie der Kollege Emde genannt hat, auch vielleicht mal - in Anführungsstriche - „in Ruhe diskutieren zu können“. Aber, was bedeutet schon mit Blick auf die Öffentlichkeit und unsere politische Arbeit Ruhe.

Meine Damen und Herren, uns als LINKE ist die Öffentlichkeit der Ausschüsse ein zentrales Anliegen, dass wir die Änderungsvorschläge samt der Verfassungsänderung auch noch mal heute in der zweiten Lesung bzw. dritten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Werte Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, warum haben Sie an dieser Stelle nicht den Mut wie in den anderen Bundesländern, in denen meines Wissens das demokratische Abendland auch nicht untergegangen ist, die Öffentlichkeit von Ausschüssen und somit die Beteiligung, die Chance der Beteiligung von Öffentlichkeit zuzulassen. Ich glaube, die Zeit 1948 wie in Bayern ist 2011 für Thüringen allemal angebracht. Demzufolge sage ich und kündige auch seitens meiner Fraktion an, unseren entsprechenden Änderungsantrag in namentlicher Abstimmung hier zu stellen

(Beifall DIE LINKE)

Falls er keine Mehrheit finden sollte, werden wir aber nicht aufhören, auch in Zukunft auf diese Forderungen in diesem Hohen Haus immer wieder zurückzukommen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Nicht mehr lange und wir haben eine Mehr- heit.)

Ebenso wichtig ist für uns LINKE - und das will ich deutlich machen -, dass die Rechte der einzelnen Abgeordneten und Fraktionen in der Geschäftsordnung noch weiter gestärkt werden können. Dazu haben wir in erster Lesung einige Vorschläge und in den Ausschüssen entsprechende Vorschläge aufgestellt. Ich möchte hier nur einen noch mal konkret darstellen. Angefangen vom Recht der Fraktionen, bei Anhörungen die einzelnen Sachverständigen zu benennen, ohne dass diese von der Mehr

heit weggestimmt werden können. Für die zweite Lesung hat sich die Fraktion exemplarisch für diesen Themenbereich der Wiedereinführung des Rügerechts und des Rechts auf Weiterberatung im Fachausschuss bei der Beantwortung von Mündlichen Anfragen konzentriert. Das Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten gegenüber der Regierung ist für die inhaltliche Arbeit und Ausübung der Kontrollfunktion der Abgeordneten und besonders der Opposition eine ganz zentrale Frage.

(Beifall DIE LINKE)

Seit das Rüge- und Weiterberatungsrecht - § 92 Geschäftsordnung des Thüringer Landtags ehemals - auf Initiative der damaligen CDU-Mehrheit bei der Novellierung 2001 entfallen ist, kann ein Mitglied der Landesregierung eine Mündliche Anfrage - theoretisch zugespitzt - mit wohlfeilen Worthülsen oder einer schlichten Ja-Nein-Kombination beantworten. Möchte der Abgeordnete dann sein Recht durchsetzen, umfassend eine qualifizierte Antwort zu bekommen, kann er nur den Weg zum Verfassungsgericht einschlagen. Das kann unserer Meinung nach nicht sein, es braucht ein parlamentarisches Instrument. Außerdem ergibt sich aus der Beantwortung von Anfragen in manchen und in sehr vielen Fällen weiterer Gesprächsstoff, also macht eine Weiterberatung in einem Fachausschuss durchaus Sinn.

(Beifall DIE LINKE)

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich nochmals auf unseren dritten Änderungsantrag eingehen und für dessen Annahme werben. Es geht um eine starke und vor allem transparente Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürger und ihre inhaltlichen Vorschläge in ein Gesetzgebungsverfahren. Diese Testvorschläge für die Änderungen der Geschäftsordnung sind vom Thüringer Verband für mehr Demokratie erarbeitet und allen Fraktionen zur weiteren Arbeit bzw. Umsetzung übergeben worden. Wir als LINKE-Fraktion haben uns immer auch als parlamentarischer Arm in Sachen Stärkung der Bürgerbeteiligung verstanden.