Protocol of the Session on June 17, 2011

Allein schon mit Blick auf den Artikel 7 wäre eine Zustimmung nur auf diesen ersten Antrag so nicht möglich. Aber ich habe bereits gesagt, es geht uns um eine Überweisung an den Ausschuss, um dort miteinander über alle drei Anträge zu reden. Der Artikel 24 sieht vor, wenn man ihn denn bis zum Ende liest, dass es keine Zwangsvergemeinschaftung von Behinderten und Nichtbehinderten in der Schule geben muss und geben soll. Das sieht dieser Artikel wahrlich nicht vor, er beschreibt die Inklusion als wesentlichen Bestandteil unserer Bildungslandschaft und fordert gleichzeitig die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse. Das bedeutet, dass auch die Bildung an Förderschulen notwendig bleiben wird.

(Beifall FDP)

Zusammenfassend möchte ich noch einmal sagen: Wir bitten mit unserem Antrag die Landesregierung, fordern Sie auch ein Stück weit auf dazu, uns einen Bericht zu geben - ich denke wir werden dazu heute noch einiges hören -, wie die vorgegebenen Grundsätze in Thüringen umgesetzt werden sollen in Perspektive und schließen uns der ursprünglichen Forderung des ersten Antrags bezogen auf das pädagogische Personal in Thüringen und auf die Arbeit im inklusiven Bildungssystem an. Ich denke, wir werden eine sehr fruchtbringende Dis

kussion haben im Ausschuss, denn alle drei Anträge haben das gleiche Ziel. Es geht um die qualitative Weiterentwicklung des Thüringer Bildungssystems, aber meines Erachtens muss eben ganz vordergründig auch betrachtet werden, dass das bestehende Bildungssystem nicht komplett umgekippt werden muss, sondern es geht um eine Weiterentwicklung. Vielen Dank.

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Hitzing. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Emde für die CDU-Fraktion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich versuche mal, mich kurz zu fassen, da offensichtlich am Freitagabend die Aufnahmefähigkeit nicht mehr ganz so groß ist. Umso intensiver freue ich mich dann auf eine Debatte, auch mit Fachleuten in unserem Bildungsausschuss.

(Beifall FDP)

Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass uns sehr, sehr viel daran liegt, zu diesem Thema fraktionsübergreifend einen Konsens zu erzielen, nämlich in der Frage: Wie halten wir es mit jungen Menschen, die Förderung nötig haben, die unsere Unterstützung brauchen? Ich glaube, wir reden dabei nicht nur über diejenigen, die die UN-Konvention unter dem Begriff Behinderte für sich definiert, sondern es wird am Ende darum gehen: Wie helfen wir all denjenigen Schülern, die einen Förderbedarf haben? Wir möchten ganz gern deswegen einen fraktionsübergreifenden Konsens erreichen, weil wir denken, dass es hier um einen höchst sensiblen Bereich geht, der tief in die Schicksale der betroffenen Kinder und ihrer Familien eingreift. Wir haben jetzt drei Anträge vorliegen. Ich bin dankbar dafür, dass wir die Debatte hier im Plenum jetzt aufgreifen. Sie ist landesweit schon an vielen Stellen entflammt und wird aus unserer Sicht so zu kanalisieren sein, dass möglichst der Konsens dann nicht nur im Landtag herrscht, sondern es bei allen Beteiligten einen Konsens gibt und man dann gemeinsam den Weg gehen kann.

Die Anträge von der Fraktion DIE LINKE und von der FDP fordern jeweils einen Bericht, daran anschließend will man auch noch ein Fortbildungskonzept, sage ich jetzt mal verkürzt. Unser Antrag geht da etwas weiter. Wir wollen, dass ein Gesamtkonzept für inklusive Bildung in Thüringen erstellt wird. Wir meinen das auch sehr ernst, weil wir glauben, dass dort die Dinge noch nicht alle ineinandergreifen, denn, wenn man vernünftig fördern will, dann muss das nicht erst in der Schule erfolgen, sondern ist unbedingt schon aufzugreifen im frühkindlichen Bereich. Dann sollten die Fördermaßnahmen und

die Dinge dann dort auch nahtlos in den schulischen Bereich übergehen. Ich denke, ganz große Reserven haben wir auch noch in dem Bereich der beruflichen Bildung, die oftmals etwas unterbewertet wird. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Punkt. Da unterscheide ich mich vielleicht von einigen Vorrednern, die meinen oder die hier zum Ausdruck bringen, dass sie die Begründung von mehr inklusiver Bildung festmachen an irgendwelchen Förderquoten. Ich sehe das nicht so. Für mich ist wichtig: Was hat der junge Mensch dann mit 25 Jahren für eine Position erreicht? Kann er sich im Arbeitsleben und überhaupt im gesellschaftlichen Leben einordnen? Da sind für mich die Lernorte, die er bis dahin besucht hat, eigentlich nicht so das Entscheidende, sondern es kommt darauf an, dass er die Förderung erfährt, die er braucht. Wenn der Lernort die inklusive Regelschule ist, dann ist das in Ordnung, aber alles andere gilt für mich auch.

Ich will auch sagen, wenn die Statistiken bemüht werden, dann muss man ganz einfach auch mal zur Kenntnis nehmen, dass es viele Länder in Deutschland oder Europa gibt, wo Schüler angeblich integrativ, inklusiv beschult werden. Wenn man dann genau hinschaut, kann es durchaus sein, sie lernen unter einem Dach, aber in getrennten Räumen, in getrennten Klassen, in getrennten Gebäuden. Das kann man auch unter Inklusion verstehen. Das geht für mich auch in Ordnung, aber wir müssen uns auch darüber unterhalten, was wir konkret darunter verstehen. Dem soll dann auch die Befassung im Ausschuss dienen. Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns Klarheit darüber verschaffen, was meint die UN-Konvention überhaupt? Ich habe da so ein bisschen Differenzen herausgehört, weil sich die eine Fraktion auf den Artikel 24 der UN-Konvention bezieht, die andere mehr auf den Artikel 7. Ich glaube, wir müssen uns darüber unterhalten, was diese UN-Konvention überhaupt meint. Dann müssen wir uns darüber unterhalten, wenn wir dabei in dieser Frage Sicherheit gewonnen haben, wie wir diese Dinge in Thüringen umsetzen wollen. Was ist der richtige fachliche Weg? Welche Rand- und Rahmenbedingungen braucht dann ein gelingender gemeinsamer Unterricht und braucht die Inklusion? Denn einfach nur Ziele zu beschreiben, ohne dann sagen zu können, ich kann sie fachlich, ich kann sie personell, ich kann sie sächlich umsetzen, bringt am Ende auch nichts. Das ist natürlich die Aufgabe, die ein Parlament auch hat, dass es die Wege so beschreibt, dass sie in der Praxis auch gangbar sind. Ich denke, wir müssen auch die Frage aufgreifen, welche Rolle können freie Träger und staatliche Schulträger in diesem System spielen? Welches Miteinander kann und muss es dort geben? Insofern betone ich noch einmal: Uns geht es um die Frage eines Gesamtkonzepts inklusiver Bildung vom Kindergarten bis hin zu einem beruflichen Abschluss. Uns geht es um die Frage der Bildungs

(Abg. Hitzing)

konzepte für Lehrkräfte und da ist nicht nur die Fortbildung von Lehrkräften und Erziehern gemeint, die schon im Beruf stehen. Uns geht es aber auch um die Definition von Mindestvoraussetzungen für einen gelingenden Unterricht. Das sollte hier definiert werden. Daher sind wir natürlich auch für die Überweisung an den Bildungsausschuss und denken, dass es dort eine Beratung geben muss auch mit den Fachleuten, auch mit den Praktikern. Wir Politiker sind sehr gut beraten, uns diese Meinungen sehr gut anzuhören und dann den Fachleuten auf ihrem Weg ein Stück weit nachzufolgen und nicht den Weg zu gehen, wir legen politisch fest, was ihr zu tun habt, und die haben vielleicht eine ganz andere Meinung. Also Antrag auf Überweisung, Befassung im Ausschuss, wenn es geht eine ordentliche Anhörung. Das große Ziel ist, aus unserem Antrag einen Antrag zu machen, den alle Fraktionen dieses Landtags unterschreiben können. In anderen Landtagen ist das gelungen. Wir würden uns freuen, wenn es hier auch gelänge. Danke.

(Beifall CDU, FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Emde. Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Karola Stange für die Fraktion DIE LINKE. Nicht? Gut, dann Herr Hauboldt. Sie wollen reden? Auch sehr gern.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Der Abgeordnete Kubitzki hat selbstverständlich gern das Wort.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Es kommt am Ende nichts anderes raus.)

Genau so ist es. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Minister, gestatten Sie mir am Anfang erst einmal kurz eine persönliche Bemerkung zu diesem Thema: Wenn es vor 15 Jahren schon die Möglichkeit des gemeinsamen Unterrichts gegeben hätte, bin ich überzeugt, dass dann meine behinderte angeheiratete Tochter heute bestimmt nicht eine Werkstatt für Behinderte besuchen müsste, sondern ich bin fest davon überzeugt, dass aus ihr mehr geworden wäre. Damit will ich die Arbeit überhaupt nicht negieren, die sie in der Förderschule oder dergleichen erfahren hat. Ich bin aber überzeugt, es wäre etwas anderes herausgekommen beim gemeinsamen Unterricht.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Es ist auch bekannt seit 2003, damals war ich auch beruflich tätig beim Einsatz Schulbegleiter im gemeinsamen Unterricht. Ich muss bestätigen, es hat sich in der Zeit, was den gemeinsamen Unterricht betrifft, viel bewegt. Ich habe selbst lernen müssen.

Wir haben Kinder begleitet in der Grundschule, wo ich nie gedacht hätte, dass das was wird und klappt. Heute muss ich sagen, die haben eine tolle Entwicklung genommen. Deshalb möchte ich das auch an den Anfang stellen: Ich brenne für den gemeinsamen Unterricht und für die Inklusion, wenn ich jetzt auch anschließend die eine oder andere kritische Bemerkung dazu mache.

Gerade weil ich für diesen gemeinsamen Unterricht brenne, hat es mich dann doch schon betroffen gemacht Anfang des Jahres und im I. Quartal dieses Jahres, was plötzlich medial entstanden ist, nämlich medial eine Auseinandersetzung zwischen Befürwortern des inklusiven Unterrichts und Menschen, die Angst vor dem gemeinsam Unterricht haben. Auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei den Sonderpädagogen in Förderschulen war die Angst da, wie geht es mit den Förderschulen weiter. Wir mussten medial feststellen eine Pro- und Kontra-Diskussion, die eigentlich nicht zur Werbung für den gemeinsamen Unterricht beigetragen hat. Es haben sich Elternvereine gebildet; ich sage nur den Verein „Pro Förderschule“, der auch viele Veranstaltungen durchgeführt hat. Wir hatten auch mal gemeinsam an Veranstaltungen teilgenommen, wo ich dann aber feststellen musste und anfangs mit der Meinung hineingegangen bin: Oh, die wollen jetzt den gemeinsamen Unterricht plattmachen. Nein, was dort zum Tragen kam, war Verunsicherung bei den Eltern. Den Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen; hier ist, wie Ihr Haus an den gemeinsamen Unterricht herangegangen ist, mit dieser Holzhammermethode viel kaputt gemacht worden. Aber es ist nicht alles kaputt, deshalb haben wir auch diesen Antrag gestellt, weil wir für den gemeinsamen Unterricht sind, für den inklusiven Unterricht sind und dafür etwas getan werden muss.

Gerade bei den Veranstaltungen habe ich große Verunsicherung bei den Eltern festgestellt. Wir müssen immer wieder sagen: Es geht um die Kinder, um nichts anderes. Es geht um das Beste für die Kinder. Ich muss sagen, Eltern von behinderten Kindern wollen das Beste für ihr Kind. Die wollen aber auch, dass ihr Kind behütet ist. Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Aus dem Grund war für sie bisher die Förderschule der Ort, wo das gewährleistet ist. Ich kann genug Beispiele benennen, wo Eltern gesagt haben, jawohl, wir wollen den gemeinsamen Unterricht, wir schicken unsere Kinder dahin, wo ich auch sagen kann, es hat geklappt und die sind überzeugt.

Das heißt, wie gehen wir an die ganze Sache heran? An den Forderungen will ich das mal abhandeln, bei denen es noch viele Probleme gibt. Es gab am 10. März eine gemeinsame Pressekonferenz des Thüringer Lehrerverbandes und der Landeselternvertretung. Die haben einige Forderungen aufgestellt und da gehen auch die Anträge hin. Die erste Forderung war ein Gesamtkonzept für die in

(Abg. Emde)

tegrative Bildung und Einbeziehung der frühkindlichen Bildung - ist in den Anträgen enthalten. Es wurde aber auch als Zweites ein weit gefasster Zeitkorridor für die Einführung der inklusiven Bildung gefordert. Ich finde das richtig, denn ich muss die Eltern der Kinder gewinnen, ich kann sie nicht zwingen, sie müssen den Gewinn für ihre Kinder erkennen.

Drittens die Forderung, Wahl und Entscheidungsrecht der Eltern akzeptieren. Aber wie sieht die Praxis manchmal aus? Die Praxis, die wir haben, ist, wenn Eltern sich dazu entschließen, dass ihr Kind am gemeinsamen Unterricht teilnehmen soll, haben sie erst einmal einen Behördendschungel zu durchschreiten. Sie haben es mit mindestens zwei Ämtern zu tun, nämlich mit dem Schulamt, bei dem sie den Antrag stellen müssen, und entweder dem Sozialamt oder dem Jugendamt des Schulträgers, bei dem sie Anträge stellen müssen für die sächliche Umsetzung. Ob das nun jetzt Material wie besondere Hilfsmittel sind oder ob das Schulbegleitung ist oder dergleichen mehr, dort müssen sie den Antrag stellen. Da sagen wir - das hatten wir schon einmal gefordert, auch hier in diesem Haus -, wir brauchen in jedem Landkreis eine Koordinierungsstelle, es sollte für die Eltern einen Ansprechpartner geben, der sie berät und dann in diesem Prozess begleitet.

Dann haben wir das, was die Sozial- und Jugendämter betrifft - Bescheiderteilungen manchmal nur für ein halbes Jahr. Gut ist schon, wenn eine Bescheiderteilung für ein Jahr erfolgt. Jedes Mal beginnt wieder die Lauferei, einen neuen Antrag zu stellen und dergleichen mehr. In der Regel verändert sich ja der Zustand nicht.

Eine weitere Forderung war, das Zugangsverfahren zu Förderschulen objektiver gestalten, klar definieren. In vielen Gesprächen mit den Eltern kam jetzt auch gerade bei den Veranstaltungen des Vereins „Pro Förderschule“ zum Tragen, dass besonders in der Einschulungsuntersuchung oder in dem Einschulungsverfahren, wenn sie den Antrag stellen wollten auf ein sonderpädagogisches Gutachten, ihnen das nicht genehmigt wurde, nicht zugelassen wurde, sondern gesagt wurde, erst mal in die Schuleingangsphase und nach drei Jahren bekommt ihr das Gutachten. So wurde es uns gesagt. Ich habe auch Vertreter des Ministeriums gehört, die haben das abgestritten. Aber die gängige Praxis, wie sie stattfindet, ist eben so, wie ich das jetzt geschildert habe. Da bekommen dann die Eltern von behinderten Kindern oder Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf schon die erste Angst, die erste Verunsicherung, was passiert jetzt mit ihrem Kind, wenn das in die Grundschule - nach ihren Worten - reingepresst wird. Ihnen erklärt auch keiner, was sie für Anträge stellen müssen und wo sie Hilfe bekommen oder dergleichen mehr. Das ist diese Problematik, die wir klären müssen.

Fünftens fordern der Thüringer Lehrerverband und die Landeselternvertretung durchdefinierte Standards hinsichtlich Inhalt, Struktur und Finanzierung des gemeinsamen Unterrichts als Alternative zur Förderschule. Da ist dann, was ich eben gesagt habe, die Frage mit diesem Ämterdschungel.

Sechstens ist eine Forderung - das kann ich aus der täglichen Praxis sagen -, es müssen die finanziellen Voraussetzungen für den gemeinsamen Unterricht geklärt werden. Gemeinsamer Unterricht kostet Geld. Für Sie als Kultus derzeit der Einsatz der Sonderpädagogen, aber auch die Schulträger zurzeit, wie die Struktur ist, müssen Kosten übernehmen und damit sind manchmal auch die Schulträger überfordert. Da geht es u.a. um die Schulbegleitung, da geht es aber auch um bauliche Voraussetzungen für die Schulen. Ich sage nur, ich könnte Ihnen jetzt eine Litanei erzählen, bis es uns gelungen war, einen Fahrstuhl in die Schule bei uns im Landkreis zu bekommen, und wir haben nun gar kein Geld - damals sah es vielleicht noch ein bisschen besser aus -, aber überhaupt so einen Fahrstuhl zu bekommen, wie schwer das war. Da braucht es klare Finanzierungskonzepte für diesen gemeinsamen Unterricht. Es wurde schon viel gesagt über die Problematik, wie sie gegenwärtig ist: 50 Prozent der Grund-, Regel- und Gesamtschulen und Gymnasien verfügen über kein sonderpädagogisches Personal. Nur 13 Prozent der Schulen verfügen über eine oder mehrere sonderpädagogische Kräfte. Bei so einer großen Runde, wo es um ein Kind ging, musste ich jetzt feststellen: Den Einsatz der sonderpädagogischen Kräfte in der Grundschule - es war eine Grundschule bei mir im Kreis hat nicht das Schulamt festgelegt - das war überraschend für mich -, sondern da hat die Direktorin der Förderschule festgelegt, wie sie ihre Leute in dieser Schule einsetzt, ohne - behaupte ich mal - dass die Direktorin das Kind, was dort gefördert werden sollte, kannte. Auch dafür brauchen wir Standards. Wir brauchen eine Begrenzung der Klassengröße für den gemeinsamen Unterricht, das ist besonders wichtig. Und wir sollten auch wirklich über solche Sachen nachdenken wie die Qualifizierung des Lehrpersonals, aber auch die Motivierung der Lehrer in den Grundschulen, Regelschulen und Berufsschulen. Ein Beispiel nur, wie es ist: Ich nenne die Schule nicht, das wäre wirklich betriebsschädigend, aber ich habe ein Schulgebäude, darin sind eine Grundschule und eine Regelschule. Wir betreuen viele Kinder in dieser Grundschule mit Schulbegleitern, sonderpädagogische Kräfte sind da eingesetzt, die Schulleiterin und die Lehrer brennen für den gemeinsamen Unterricht. Zwei Etagen darüber ist eine Regelschule. Die Schuldirektorin interessiert der gemeinsame Unterricht überhaupt nicht. Aber die Kinder wechseln jetzt von der Grundschule in die Regelschule und da erleben sie plötzlich eine ganz andere Welt; das schadet dem gemeinsamen Unterricht, weil es dort nicht gelungen

ist - Lehrer denken dort Gott sei Dank anders -, den Kopf dieser Schule zu überzeugen von der Sinnhaftigkeit des gemeinsamen Unterrichts. Ich habe jetzt so einen Schüler, der wechselt von der Grundschule. Wie mussten wir die Eltern überzeugen, dass sie ihr Kind in die Regelschule nehmen. Die wollten abspringen und wollten sagen, wir bringen es wieder in die Förderschule, weil sie dort in dieser Regelschule mit Eiseskälte empfangen wurden das war nicht gut. Da muss wirklich noch viel Arbeit geleistet werden. Dann ist es auch die Methode ich bin kein Pädagoge, vielleicht ist das auch gut, wenn man hier mal steht. Ich habe nun mal kennengelernt mit dieser Arbeit den sogenannten Stammgruppenunterricht in der Schuleingangsphase. Das war eingangs für mich Chaos, bis ich mitbekommen habe, was dort der Sinn ist. Heute bin ich davon überzeugt. Voraussetzung für diesen Stammgruppenunterricht sind aber zwei Lehrer in der Klasse - zumindest wurde es so gemacht. Da konnte individuell auf die Kinder - ob behindert, nicht behindert, ob mit sonderpädagogischem Förderbedarf - eingegangen werden. Da konnten eben auch die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf Extraaufgaben bekommen und dergleichen mehr. Jetzt war diese Schuleingangsphase zu Ende, die Schüler sind in die nächst höhere Klasse dritte oder vierte - gekommen und dann ging der Frontalunterricht los. Da brach für ein paar Kinder wieder die Welt zusammen, die mussten sich wieder vollkommen umstellen. Das heißt, wir müssen auch Unterrichtsformen finden, wie dieser Unterricht durchgeführt wird, damit wirklich die Individualität des Kindes - sowohl des ganz normalen gesunden Kindes als auch des Kindes, was den Förderbedarf braucht oder was die Behinderung hat - gefördert werden kann.

Am Rande muss ich eines sagen: Manche Klassen habe ich kennengelernt, da braucht fast jedes Kind manchmal einen Schulbegleiter. Das kann man ganz schwer unterscheiden, was sind Behinderungen, was sind Erziehungsmängel. Diese Bemerkung nur mal am Rande. Das heißt also, wir haben noch viel zu tun, aber meiner Meinung nach ist das Wichtigste, was wir machen müssen, was Sie machen müssen, was wir aber alle auch gemeinsam machen müssen, wir müssen für die inklusive Bildung werben und begeistern. Wir können nur Eltern überzeugen, ihr Kind, das sonderpädagogischen Förderbedarf braucht, das behindert ist, am gemeinsamen inklusiven Unterricht teilnehmen zu lassen, wenn wir ihnen wirklich deutlich machen anhand des praktischen Geschehens, welcher Gewinn für ihr Kind dabei entsteht. Davon sind wir noch weit entfernt. Das ist das, was mich ein bisschen traurig macht. Deshalb haben wir diesen Antrag heute hier eingebracht, weil wir was tun müssen, weil der Weg, der mit dem gemeinsamen Unterricht begonnen wurde auch durch Sie, und die Absicht gut und richtig ist. Wir müssen uns aber

klar darüber sein, es bedarf dazu Rahmenbedingungen, die die Politik schaffen muss. Über diese Rahmenbedingungen, die wir dazu brauchen, müssen wir uns aber auch bewusst sein. Der Finanzminister ist jetzt nicht da, das kostet Geld, das ist nicht zum Nulltarif zu haben.

Wir stimmen der Ausschussüberweisung für alle drei Anträge zu, möchten aber noch zusätzlich beantragen, dass alle drei Anträge auch an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überwiesen werden, weil wir sagen, es ist nicht nur ein bildungspolitisches Aufgabengebiet, sondern es ist auch ein sozialpolitisches Aufgabengebiet. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Kubitzki. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Es hat sich aber Minister Matschie zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe es mit Freude gesehen, dass es doch einen weitgehenden Konsens in der Zielsetzung hier im Landtag unter den Fraktionen gibt und die Bereitschaft, gemeinsam an diesem nicht ganz einfachen Thema zu arbeiten. Wir hatten vor Kurzem den 25. Landeselterntag, der auch unter dem Motto „Gemeinsamer Unterricht - Chance oder Belastung“ stand. Das war am 7. Mai in Bad Berka. Auch dort ist natürlich deutlich geworden, dass Eltern mit ganz unterschiedlichen Erwartungen und unterschiedlichen Positionen auch in die Diskussion gehen, zum Teil auch mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen mit Blick auf gemeinsamen Unterricht und Förderschulen. Aber eines fand ich sehr ermutigend, wie konstruktiv dort auf dem Landeselterntag diskutiert, miteinander um die richtigen Positionen gerungen wurde und wo auch klar war, im Mittelpunkt muss eines stehen, nämlich die Frage, wie werden wir den Kindern und Jugendlichen am besten gerecht.

Ich glaube, dass wir in der Tat auch gemeinsam dazu beitragen müssen, dass wir keine hoch aufgeladenen politischen oder ideologischen Debatten führen um die Frage Ausgestaltung des gemeinsamen Unterrichts, sondern dass wir gemeinsam versuchen, fachlich die besten Wege zu definieren. Darauf ist hier mehrfach hingewiesen worden. Der Kollege Kubitzki, aber auch der Kollege Emde hat darauf hingewiesen, dass wir versuchen müssen, hier wirklich Gemeinsamkeit im Landtag und natürlich auch mit den Beteiligten herzustellen.

(Abg. Kubitzki)

Ich will mich an dieser Stelle auch noch mal beim Vorsitzenden der Landeselternsprecher, bei Herrn Rommeiß, bedanken, der wirklich sehr engagiert und mit viel Einsatz für einen fairen und offenen Dialog unter den Elternvertretern geworben hat. Ich möchte mich auch noch mal bei Prof. Vernooij bedanken, die auch auf dem Landeselterntag gesprochen hat, die durchaus auch sehr kritisch Für und Wider des gemeinsamen Unterrichts der Beschulung in Förderschulen diskutiert. Sie hat - und das möchte ich uns an dieser Stelle auch ein bisschen erst einmal zugute rechnen - aber auch deutlich gemacht, dass die Gestaltung des gemeinsamen Unterrichts so, wie wir das jetzt angelegt haben hier in Thüringen, aus ihrer Sicht zielführend ist. Sie hat sich sehr intensiv damit beschäftigt, Gutachten über die Situation hier in Thüringen erstellt und aus ihrer Sicht gesagt, dass die Zusammenarbeit der beteiligten Partner aus Bildung und Politik in Thüringen gut ist. Das heißt lange noch nicht, dass sie schon gut genug ist, dass sie nicht besser werden kann und muss, aber, ich glaube, wir haben hier zunächst erst einmal eine tragfähige Grundlage.

Herr Kubitzki, Sie haben von Verunsicherung und Holzhammermethode gesprochen bei der Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts. Zunächst einmal vielleicht Folgendes: In dem Moment, wo Veränderungen wirklich dann angepackt, vorangebracht werden, entsteht automatisch Verunsicherung. Man kann gar nicht mit allen gleichzeitig so schnell reden, um diese Verunsicherung abzubauen. Deshalb müssen wir Prozesse gestalten, in die sich alle einbringen können, um Verunsicherung abzubauen und einen gemeinsamen Weg zu finden. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen.

An dieser Stelle auch noch ein weiterer Punkt: Manchmal wird der Eindruck erweckt, wir pressen jetzt die Kinder in eine Situation, in die sie nicht hineingehören. Frau Hitzing, Sie hatten gesagt, es darf keine Zwangsvergemeinschaftung geben. Herr Kubitzki hat berichtet, dass sozusagen per Zwang eingeschult wird in die Schuleingangsphase. Deshalb will ich noch einmal deutlich machen, welcher Prozess am Anfang steht, weil hier auch viel - wie soll ich das sagen - Verunsicherung dadurch da ist, dass bestimmte Prozesse nicht bekannt sind, wie kommen solche Entscheidungen zustande. Es wird in jedem einzelnen Fall mit ausreichendem Abstand zur Einschulung überprüft durch eine Fachkommission:

1. Gibt es sonderpädagogischen Förderbedarf?

2. Wie sieht der ganz konkret aus?

3. Wo kann das Kind sinnvollerweise beschult werden, wobei zuerst geprüft werden muss - denn dieser Vorrang steht seit 2003 im Gesetz - ist das sozusagen inklusiv möglich?

Dort, wo die Voraussetzungen nicht gegeben sind, inklusiv zu beschulen, bzw. nicht zeitnah geschaffen werden können, wird das Kind dann selbstverständlich mit Empfehlung Förderschule versehen.

Also dies ist wirklich ein individueller Prozess, in dem jedes einzelne Schicksal geprüft wird nach den Fördernotwendigkeiten, nach den Voraussetzungen, erst danach eine Entscheidung fällt, die übrigens intensiv mit den Eltern auch diskutiert werden muss, denn die Eltern müssen auf diesen Weg mitgenommen werden. Ich habe das auch noch einmal deutlich gemacht in der Debatte.

Meine persönliche Grundüberzeugung ist auch, man kann Kinder eigentlich gar nicht gegen den erklärten Willen von Eltern irgendwo fördern, sondern muss hier einen gemeinsamen Weg finden. Deshalb wird das Wort der Eltern in diesem Prozess auch sehr ernst genommen.

(Beifall CDU)