Zu dieser Tradition in Thüringen gehört auch, dass es wieder einmal in Thüringen war, als das erste deutsche Hoftheater mit festem Ensemble gegründet wurde und mit klarem Budget. Es gab dann einen Theateretat in der herzoglichen Kammer, das war in Gotha 1775. Die Kenner wissen auch - ich sehe schon den Gothaer Abgeordneten ganz aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her rutschen -, die Kenner wissen auch, der Theaterdirektor hieß damals Ekhof und ist ja auch heute noch der Namensgeber dieses Theaters. Dazu, wenn man ein bisschen tiefer in die Gesichte schaut, gehört auch, dass man feststellt, die Debatte, die wir im Moment führen, ist zu allen Zeiten geführt worden, von Anfang an, wenn es um Theater, um Orchester ging, um Finanzierung und Strukturen. Das Wort „Fusion“ wird ja in Thüringen nicht mehr in den Mund genommen, wenn es um die Theater- und Orchesterlandschaft geht. Aber ich darf Ihnen vielleicht mal zum Besten geben, was der Theaterdirektor Ekhof seinerzeit in Gotha am ersten deutschen Hoftheater mit festem Ensemble an die Herzogin Anna Amalia schrieb, Namensgeberin der Bibliothek in Weimar.
Er schreibt ihr folgenden Vorschlag: „Mein Gedanke war, wenn bei dem guten Einvernehmen, worin beide Höfe stehen, es tunlich und annehmlich wäre, dass beide sich vereinbaren, eine Gesellschaft zu errichten, sie gemeinschaftlich salarierten und alternativ die Gesellschaft in Weimar und Gotha spielen ließen. Die Vorteile wären, dass jedem Hofe in der Ausgabe jährlich nur die Hälfte der Unterhaltung zufiele.“ Also auch damals wurde natürlich schon über Strukturen, Finanzierung, Kooperationen, gemeinsame Unternehmungen diskutiert. Ich glaube, es ist damals auch nicht auf den Weg gekommen.
Ich will Ihnen noch ein zweites Beispiel geben aus dem Ende der 20er-Jahre. Dort gab es ein Gutachten des Reichssparkommissars über die Theaterverhältnisse und dort heißt es - ich darf das auch zitieren -: „Zwingende Gründe zu einer grundlegenden Reform des thüringischen Theaterwesens liegen vor. Sie sind finanzieller Natur und sollen im Folgenden erläutert werden.“ Ich will jetzt die Erläuterungen nicht folgen lassen, aber es gibt noch einen klugen Satz, den die Gutachter dort damals auch schon formuliert haben, der heißt: „Die psychologische Bedeutung, die einer solchen Verbundenheit von Theater und Zuhörerschaft in Thüringen beizumessen ist, kann kaum hoch genug eingeschätzt werden.“ Sie sehen also, meine Damen und Herren, die Debatte über Strukturen, Finanzierung, die besondere Thüringer Kulturlandschaft hat uns durch die Jahrhunderte begleitet und immer wieder auch neue Lösungen hervorgebracht. Frau Rothe-Beinlich hat es dankenswerterweise eben noch einmal beschrieben: Unsere Theater- und Orchesterlandschaft besitzt eine hohe Attraktivität und sie ist hoch leistungsfähig und wir müssen dafür sorgen, dass diese hohe Attraktivität und Leistungsfähigkeit auch in der Zukunft erhalten bleibt.
Was haben wir in den letzten Monaten getan, um hier zu Ergebnissen zu kommen? Wir haben zunächst einmal in einer ersten Runde mit den Intendanten der Theater und Orchester und den Trägern zusammengesessen und langfristige Entwicklungskonzepte diskutiert und gesagt, legt doch mal eure Überlegungen auf den Tisch, wie kann das in den nächsten Jahren hier in Thüringen aussehen. Wir haben dann in einem Spitzengespräch mit den kommunalen Trägern eine Arbeitsgruppe vereinbart. In dieser Arbeitsgruppe saßen Vertreter der Städte, der Landkreise, die kommunalen Spitzenverbände, der Bühnenverein, das Innenministerium
und natürlich auch mein Haus. Ziel der Arbeitsgruppe war es, Kriterien zu definieren, nach denen sich die Fördergrundsätze bestimmen lassen, denn es ist klar, dass es hier unterschiedliche Positionen gibt. Wir wollten versuchen, eine gemeinsame Linie darin zu finden und nicht nur jede einzelne Einrichtung isoliert zu betrachten.
Diese Arbeitsgruppe hat einen grundsätzlichen Strukturvorschlag gemacht, nämlich gesagt, wir müssen die Theater und Orchester nach unterschiedlichen Kategorien in Thüringen betrachten, sie sind nicht alle untereinander vollständig vergleichbar. Es gibt Häuser, die sehen ihre eigene künstlerische Ausrichtung sehr stark auf die konkrete Region und auf lokale Zielgruppen zugeschnitten, und es gibt Häuser und Einrichtungen oder Sparten, die sehen ihre Bedeutung vor allem überregional, mit nationalem Anspruch. Wir können Häuser, die solche unterschiedlichen Perspektiven für sich selbst definieren, nicht gleich behandeln, sondern wir müssen schauen, wie wir mit dieser Unterschiedlichkeit umgehen. Wir haben diesen Zuordnungsvorschlag in persönlichen Gesprächen mit den Intendanten, auch mit den Trägern besprochen. Alle haben sich in dieser Zuordnung am Ende auch wiedergefunden und haben sie auch unterstützt und sagen, das ist ein sinnvolles Strukturelement. Das war der erste wichtige Schritt, den wir gemacht haben, nämlich dem Ganzen eine neue Struktur zu geben, die genau beschreibt, wie die Förderung aufgebaut sein kann. Dieser Struktur sollen unterschiedliche Förderlinien entsprechen. Wir wollen eine Förderlinie machen für die Häuser und Einrichtungen, die sich unmittelbar auf die Region beziehen, auf das lokale Publikum, und wir wollen eine Förderlinie machen für die Einrichtungen und Häuser, die mit einem nationalen oder überregionalen Anspruch ihre Arbeit ausrichten.
Warum schlagen wir das vor? Ich möchte nicht, und das hat Herr Koppe hier befürchtet, dass wir Große gegen Kleine ausspielen, dass wir sagen, am Ende müssen, wenn wir große Leuchttürme erhalten wollen, die kleinen Einrichtungen dafür bluten. Deshalb machen wir zwei unterschiedliche Förderlinien. Wir schaffen damit Transparenz in der Förderung und ordnen die Häuser diesen Förderlinien zu. Damit haben wir das erste Mal eine längerfristige Förderperspektive beschrieben, die der Eigenart der Häuser auch gerecht wird. Und ja, wir haben in den Verhandlungen auch mit den Trägern diskutiert, wie sieht es aus mit der Rückkehr zum Flächentarifvertrag? Ich finde, das gehört in solche Gespräche auch hinein. Es kann doch nicht sein, dass wir überall sonst im Leben akzeptieren, dass es Tarifverhandlungen und Tarifsteigerungen gibt, aber bei Theatern und Orchestern plötzlich sagen, die kommen auch ohne Tarifsteigerungen aus. Sie wissen ja auch, dass es zum Teil Haustarifverträge gibt, die dafür gesorgt haben, dass die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter seit vielen Jahren gar keine Gehaltserhöhungen gehabt haben. Das kann nicht die Entwicklungsperspektive sein. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen mit allen Beteiligten auch darüber reden: Gibt es Wege der Rückkehr zum Flächentarifvertrag?
wenn man zum Flächentarifvertrag zurückkehren will, und auch darüber haben wir mit den Trägern geredet. Es ist ja nicht so, dass wir aus Erfurt heraus allein bestimmen können, was dort passiert, sondern die Häuser sind in kommunaler Trägerschaft zum allergrößten Teil. Wir sind die Zuschussgeber und müssen deshalb mit den Trägern eine gemeinsame Linie finden.
Eines möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal klarmachen: Ohne das kommunale Engagement kann unser Wille, der hier auch von allen Fraktionen geäußert worden ist, nämlich die Vielfalt und Dichte der Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft zu erhalten, nicht in die Tat umgesetzt werden; es geht nur gemeinsam.
Es kann auch nicht sein, dass die Kommunen rufen, Land, mach mal, wir können nicht mehr. Auch das Land ist in einer äußerst schwierigen Haushaltssituation ebenso wie die Kommunen und wir können nur auf beiden Seiten sagen, trotz schwieriger Haushaltssituation sind wir bereit, bestimmte Mittel in diesen Bereich der Kulturförderung zu geben, weil wir davon überzeugt sind, dass wir das für eine gute Entwicklung in Thüringen brauchen.
Ich persönlich bin der Auffassung - ich habe das hier auch schon mehrfach deutlich gemacht -, dass diese Kulturlandschaft ein Wesensmerkmal dieses Landes ist, dass sie Identität bedeutet, die eine Stärke dieses Landes ausmacht. Deshalb sage ich auch noch einmal, ich habe nie über Strukturveränderungen geredet, die dazu führen, dass diese Identität rasiert wird, infrage gestellt wird, sondern die Strukturveränderung, die wir vorschlagen, ist eine Zuordnung in neue Förderlinien. Natürlich diskutieren wir auch in den einzelnen Standorten über den Umfang der Angebote. Da bitte ich Sie einfach auch um Verständnis, wir sind noch mitten in den Gesprächen. Jeder, der schon einmal Verhandlungen geführt hat, weiß das, dass man deshalb nicht an dieser Stelle schon über Details reden kann. Ich habe Ihnen die Grundlinien deutlich gemacht, denen diese Gespräche folgen. Ich persönlich bin nach dem, was wir bisher besprochen haben, zu
versichtlich, dass uns eine solche Neuregelung gelingen kann. Die Signale, die wir aus den Kommunen haben, auch einen eigenen Beitrag dazu zu leisten, die sind positiv. Mein Ziel ist es, dass wir bis Mitte Juli dann auch unterschriftsreife Vereinbarungen vorlegen können. Mein Wunsch ist, dass das, was wir dort tun, um diese Theater- und Orchesterlandschaft zu erhalten, dann auch, wenn es um Haushaltsdebatten geht, hier im Landtag mitgetragen wird. Das Ganze kann auch nur mit Ihrer Unterstützung gelingen. Sie sind Haushaltsgesetzgeber, Sie werden am Ende darüber entscheiden, wie viele Mittel für diese Aufgabe zur Verfügung stehen. Deshalb bitte ich Sie um Ihre deutliche Unterstützung, so, wie sie jetzt auch in der Aktuellen Stunde zum Ausdruck gekommen ist.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, den Ball, den Sie jetzt hingelegt haben, den muss man schon in das Tor schießen. Sie haben an dieses Hohe Haus appelliert, man möge so, wie jetzt die Debatte gelaufen ist, zur Frage der zukünftigen Finanzierung der Theater und Orchester auch im Haushaltsgesetzgebungsverfahren entscheiden. Gern kann ich Ihnen sagen, von unserer Seite haben Sie die Unterstützung. Wir hatten beim letzten Haushalt schon einen Verpflichtungsermächtigungsantrag für die Jahre ab 2013 gestellt. Ich kann mich nicht erinnern, dass aus der Regierungskoalition dort irgendeine Stimme Ja gesagt hätte zu einem solchen Antrag. Wäre das damals geschehen, stünden wir heute besser da.
Eins kann ich nur sagen: Zwei Dinge wundern mich sehr. Eins, dass der Finanzminister zu Beginn dieses Plenums hier Platz genommen hatte und offensichtlich vor dem Hintergrund seiner eigenen Verantwortung im Kabinett dieses Haus wieder verlassen hat. Ich denke, das ist eine Debatte, die wir nicht nur mit dem Minister für Kultur führen müssen, sondern - ich habe es vorhin gesagt - mit dem ganzen Kabinett und insbesondere mit dem Finanzminister.
Vor diesem Hintergrund verwundert mich auch, dass insbesondere aus den koalitionstragenden Fraktionen Reden kommen, als ob sie die Opposition aufgeschrieben habe. Es wundert mich auch, dass offensichtlich der Koalitionspartner in Gestalt
von Herrn Kellner weniger weiß als das, was sich so durch die Lande gesprochen hat, ohne dass man die Zeitung liest.
Herr Minister, Sie sprechen von den unterschiedlichen Förderlinien, die Sie jetzt erfinden wollen. Das mag alles eine Überlegung sein und das mag, wie Sie jetzt dargestellt haben, auch aus den Häusern kommen. Aber sind Sie denn wirklich der Meinung, dass man überregionale Bedeutung in Erfurt, in Weimar und in Meiningen hat und in Altenburg und in Rudolstadt nicht? Wer kommt denn auf solche Ideen? Die sind doch mit nichts zu begründen und die stimmen auch nicht mit dem überein, was jetzt die Kollegen aus den Koalitionsfraktionen gesagt haben. Und sie stimmen auch nicht mit dem eindeutigen Bekenntnis überein, welches Sie noch einmal abgegeben haben, dass die kulturelle Vielfalt die Stärke dieses Landes eigentlich ausmacht. Wissen Sie, wir können jetzt, nachdem wir nachgefragt und eine Aktuelle Stunde am heutigen Tag beantragt haben, nur einen Antrag ins Plenum bringen. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir das auch tun werden. Dort werden wir darauf eingehen müssen, wie ein erhöhter Finanzbedarf aus den Häusern auch durch die Landesregierung, sprich dann mit der Unterstützung des Gesetzgebers, in die Gänge kommt. Ansonsten können Sie reden mit den Trägern, mit den Intendanten, mit sonst wem - zum Kulturforum reden Sie schon gar nicht mehr darüber, nein, darüber haben Sie noch nie geredet, über die Theater und Orchester -, Sie können reden, wie Sie wollen, der Flächentarifvertrag nach der 3. Periode der Existenz eines Haustarifvertrags ist kein Peanutsbetrag. Er ist nicht von den lokalen Trägern in Eisenach, in Weimar, in Rudolstadt, in Saalfeld oder in Altenburg oder wo auch immer aufzubringen. Dann müssen Sie umsteuern, dann müssen Sie Strukturveränderungen vornehmen. Unser Vorschlag lag dazu auf dem Tisch. Wir haben ihn „Solidarischen Kulturförderausgleich“ genannt und Sie haben ihn abgelehnt. Also werden wir solche Vorschläge wiederholen müssen und dieses Parlament auffordern, nicht nur in Sonntagsreden das Bekenntnis zu den Theatern und Orchestern hier abzugeben, sondern dem Ganzen auch Taten folgen zu lassen.
Frau Präsidentin, Sie haben von der Wolfsburger Erklärung der Präsidentenkonferenz deutschsprachiger Länder gesprochen. Da kann ich Ihnen nur sagen, wir dürfen dieser Regierung das alleinige Herumwursteln nicht mehr durchgehen lassen;
dann müssen wir als Parlament aktiv werden. Ich kann Ihnen von meiner und unserer Seite versprechen, wir werden dabei in die Offensive gehen.
Frau Kollegin Klaubert, ich muss mich schon wundern, dass Sie hier gegen die Rückkehr zum Flächentarifvertrag wettern und dagegen, dass wir das in den Gesprächen eingebracht haben.
Ich hatte eigentlich erwartet, dass gerade von der LINKEN eine Unterstützung kommt, wenn es um Flächentarifverträge geht.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Für „schizophren“ habe ich beim letzten Mal einen Ordnungsruf erhalten.)
Sie sagen, die Kommunen sind nicht in der Lage, die Mittel für die Tarifverträge aufzubringen. Wenn die Kommunen, die ja an Tarifverträge gebunden sind, nach Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst die Gehälter erhöhen, in ihrer Verwaltung, in ihren nachgeordneten Bereichen, wieso können sie das beim Theater dann nicht? Warum ausgerechnet da nicht? Ich finde, wir sollten hier wirklich eine offene Debatte führen,
wenn wir sagen, wir wollen den Versuch unternehmen und möglichst zum Flächentarifvertrag zurückgehen. Wenn es Gründe gibt, die das absolut nicht zulassen, dann muss man das akzeptieren. Aber erst mal muss der Wunsch und der Wille da sein, das gemeinsam auf den Weg zu bringen; allerdings nicht so, dass die Kommunen sagen, Land zahl mal, sondern, dass sie selber auch sagen, das ist mein Beitrag dazu. Anders kann es doch nicht gehen.
Frau Klaubert, Sie haben gesagt, wenn Sie sich durchgesetzt und eine Verpflichtungsermächtigung in den Haushalt geschrieben hätten schon für die nächsten Jahre, wären wir besser dran. Nein, das wären wir nicht. So erfahren sind Sie doch auch in Verhandlungssituationen. Wenn man vorher das Ergebnis auf den Tisch legt und sagt, das ist die Summe, dann hat man natürlich in Verhandlungen keine besonders guten Karten, wenn es darum geht, Spielräume auszuloten oder ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Verhandlungspartnern, um am Ende zu einem sinnvollen Finanzierungser
gebnis zu kommen, was für kommunale Träger und Land gleichermaßen akzeptabel ist. Deshalb haben wir gesagt, wir legen nicht vorher die Summe fest, sondern wir führen die Verhandlungen, wir sehen, wohin die Entwicklung geht, was notwendig ist, und dann, wenn wir den Überblick haben, welches Geld wir brauchen, um sinnvolle Theaterverträge abzuschließen, wird das Geld im Haushalt eingestellt. Ich finde, nur so herum wird wirklich ein Schuh daraus.