Protocol of the Session on May 20, 2011

Wir meinen - dafür habe ich drei Minuten, Herr Kollege -, dass in die Debatte genauso die anderen Kirchen einbezogen werden müssen, wobei in Thüringen natürlich die evangelisch-lutherische Kirche eine besondere Rolle und Bedeutung trägt.

(Beifall DIE LINKE)

Als Lutheraner bin ich ganz persönlich sehr froh über die deutlichen Signale des Papstes in Richtung Ökumene, aber es müssen ebenso die anderen bedeutenden Religionen in Thüringen in diese Debatte einbezogen werden und ebenso natürlich die humanistischen Grundlagen unserer Gesellschaft, die sich atheistisch definieren.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Unser Fazit ist es, meine Damen und Herren, ein stabiles, menschliches Wertefundament als Voraussetzung für eine dauerhafte Gesellschaft in Frieden, Freiheit und Menschenwürde diskutieren zu können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam die Chance nutzen, die der Besuch Benedikt XVI. in Thüringen bietet, jenseits des Alltags eine dringend notwendige Debatte zu führen. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Wünscht jemand aus den Fraktionen der CDU oder SPD das Wort zur Begründung des Alternativantrags?

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Er hat ja ge- rade mitbegründet.)

Das sehe ich nicht. Dann erstattet die Landesregierung einen Sofortbericht zu den Nummern I und III des Antrags und zu den Nummern 1 und 4 des Alternativantrags. Bitte, Frau Ministerin Walsmann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Namen der Landesregierung nehme ich den Antrag der FDP-Fraktion und den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD gern zum Anlass, zum Stand der Vorbereitungen und zu den im Antrag aufgeworfenen Fragen und Anregungen an die Landesregierung Stellung zu nehmen und zu berichten.

Zunächst zum Stand der Vorbereitung: Der Papstbesuch ist für die Landesregierung das herausragende Ereignis in diesem Jahr, es ist - so Bischof Wanke - ein Jahrtausendereignis für Thüringen.

(Unruhe im Hause)

In über 2.000 Jahren Christentum betritt erstmals ein Papst Thüringer Boden.

(Beifall CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Thüringen ist für diesen Besuch gut gerüstet und freut sich über die Ehre, Gastgeber sein zu dürfen. Wir werden auch die Chance dieses Besuches für unser Land nutzen und für das Kulturland Thüringen werben.

(Beifall CDU)

Das Reiseprogramm des Papstes steht fest. Der Papst wird in Berlin, Erfurt und Freiburg sein. Er wird länger, als ursprünglich geplant, im Bistum Erfurt weilen. Er wird einen großen öffentlichen Gottesdienst auf dem Erfurter Domplatz sowie eine Marienvesper in Etzelsbach im Eichsfeld halten.

(Beifall CDU)

Es wird darüber hinaus ein Treffen mit der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland im Augustinerkloster und einen ökumenischen Wortgottesdienst ebendort geben.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, dazu erklärte Ministerpräsidentin Lieberknecht Anfang April - und ich zitiere das gern: „Die Welt wird Zeuge einer großen Begegnung sein: Papst Benedikt der XVI. wird - im Kernland der Reformation - Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland treffen. Im Augustinerkloster zu Erfurt wird er mit ihnen sprechen und er wird mit ihnen einen Wortgottesdienst feiern. Damit betet Papst Benedikt der XVI. an der Stelle, an der

(Abg. Bergner)

Luther vor 500 Jahren seine erste Messe gelesen hat.

(Beifall CDU)

Das Jahrtausendereignis für Thüringen“ - so Bischof Wanke - „wird bereichert durch einen historischen Moment für die Christen weltweit. Der Papst zeichnet den Weg Martin Luthers nach, der für die Erneuerung der Kirche steht und nicht für ihre Spaltung.“

(Beifall CDU, FDP)

Mit dem Besuch in Thüringen stellvertretend für die jungen Länder soll der Überwindung der kommunistischen Diktatur und der deutschen Teilung gedacht werden. Es sollen damit der Mut der Christen in der DDR und die bedeutende Rolle der Kirchen in diesem Prozess bis hin zur Wiedervereinigung gewürdigt werden.

(Beifall CDU, FDP)

Der Papst besucht Deutschland auf Einladung des Bundespräsidenten, eine mündliche Einladung ging dem vorher, die gab es nämlich schon durch die vormalige Landesregierung, speziell durch den vormaligen Ministerpräsidenten Dieter Althaus.

(Beifall CDU, FDP)

Der Besuch des Papstes gilt daher als offizieller Besuch mit Elementen eines Staatsbesuchs. Die Federführung der Planung und Ausführung hat das Auswärtige Amt. Da der Besuch des Papstes zwar ein offizieller Besuch ist, aber insbesondere in Thüringen und Freiburg einen großen pastoralen Teil hat, der unstrittig von der katholischen Kirche organisiert wird, hat sich die Staatskanzlei mit dem Bistum Erfurt auf die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe verständigt. Mit dem Auswärtigen Amt, aber auch mit allen anderen verantwortlichen Stellen, wie der apostolischen Nuntiatur, der Deutschen Bischofskonferenz, dem Bundespresseamt, dem Bundeskriminalamt sowie dem Bistum Erfurt, dem Innenministerium und den kommunalen Stellen steht die Staatskanzlei in engem Kontakt, um gemeinsam den Besuch in Thüringen vorzubereiten.

Meine Damen und Herren, das Thema Sicherheit ist dabei ein ganz zentraler Punkt. Für die Koordinierung und für ein tragfähiges Sicherheitskonzept ist das Thüringer Innenministerium verantwortlich. Nur so viel vorab: Zum Schutz des Papstes sind Maßnahmen der höchsten Sicherheitsstufe erforderlich. Unterstützt von Polizeibeamten des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei sowie den Polizeien anderer Länder wird die Thüringer Polizei im Zusammenwirken mit der vatikanischen Sicherheit alle erforderlichen Maßnahmen treffen, die die Sicherheit des Gastes sowie der Teilnehmer an den einzelnen Veranstaltungen gewährleisten. Zwischen dem Bistum Erfurt, der Staatskanzlei, der

Stadtverwaltung Erfurt und dem Landkreis Eichsfeld besteht eine enge und gute Zusammenarbeit. Das Thüringer Innenministerium nimmt die Koordinierungsfunktion auf der oberen Ebene, also den Bundes- und Landesbehörden, und der mittleren Integrationsebene, den Polizeidirektionen, wahr.

Zu der Frage Pressearbeit: Wie Sie sich vorstellen können, wird das Medieninteresse an diesem Besuch eine aus Thüringer Sicht selten gekannte Dimension erreichen. Die professionelle Versorgung der vielen internationalen Medienvertreter wird sichergestellt werden müssen und dazu wird im Comcenter am Brühl ein Medienzentrum mit einer Kapazität für rund 300 Journalisten eingerichtet. Die Akkreditierung erfolgt zentral durch das Bundespresseamt. Parallel dazu wird es ein Medienzentrum in Etzelsbach geben. Das Bistum Erfurt hat gemeinsam mit dem Land Thüringen sowie der Stadt Erfurt ein Bürgertelefon eingerichtet, von dem rege Gebrauch gemacht wird. Betreut und finanziert wird dieses Telefon vom Koordinierungsbüro des Bistums. Ziel ist es, möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu eröffnen, ihre individuellen Fragen und Anliegen rund um den Besuch des Papstes zu beantworten. Dabei geht es um Fragen wie Tickets, Zeiten, Anfahrtswege, Parkmöglichkeiten, polizeiliche Maßnahmen am Veranstaltungsort, eventuelle Beeinträchtigungen, z.B. im Straßenbahn- oder Individualverkehr, und Fragen des Protokolls selbstverständlich.

Meine Damen und Herren, es ist davon auszugehen, dass sowohl die Messe auf dem Erfurter Domplatz als auch die Vesper an der Wallfahrtskapelle Etzelsbach über die Medien weltweit verbreitet und von Millionen von Zuschauern gesehen werden.

(Beifall CDU)

Und bei der Messe auf dem Domplatz geht man derzeit von ca. 30.000 Besuchern aus. Im Eichsfeld rechnet man mit rund 150.000 Gästen.

(Beifall CDU)

Dem Freistaat Thüringen bietet sich mit diesem Ereignis die einmalige Möglichkeit, seine Bekanntheit weltweit zu steigern und sich als weltoffenes, gastfreundliches Land zu präsentieren. Für Fragen des touristischen und kulturtouristischen Marketings des Papstbesuchs steht die TTG in engem Kontakt mit dem Bistum Erfurt und der Stadt Erfurt sowie dem Eichsfeld. Die Vermittlung von Unterkünften wird von den Verantwortlichen der Stadt Erfurt bzw. der Region Eichsfeld übernommen und dazu werden in den nächsten Wochen ausgedehnte Akquisemaßnahmen zur Einbeziehung auch privater Gastgeber stattfinden.

Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, den Papstbesuch auch als Gelegenheit zu nutzen, auf die Bedeutung herausragender Geschichtsorte des Christentums in Thüringen hinzuweisen und

(Ministerin Walsmann)

auch touristisch zu nutzen. Darüber hinaus gibt der Besuch auch Impulse für den spirituellen Tourismus. So ist z.B. anlässlich des Papstbesuches eine Sternpilgerfahrt nach Erfurt geplant.

Die Antragsteller nahmen den Papstbesuch aber auch zum Anlass, um zu einer Reihe anderer Fragen und Aspekte rund um Religion und Kirche sowie Wertefragen in Thüringen um Bericht zu bitten. Deshalb auch hierzu einige Anmerkungen. Was die konfessionelle Verteilung in Thüringen betrifft, so gehören 24 Prozent der Thüringer Bevölkerung einer der evangelischen Landeskirchen an. 8 Prozent der römisch-katholischen Kirche und ein kleinerer Teil der jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Fast 35 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Thüringen nehmen am schulischen Religionsunterricht teil. Dieser wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften konfessionsgebunden erteilt. Es gibt regelmäßige Gespräche zwischen Landesregierung und den Kirchen zu Fragen des Religionsunterrichts.

Zum Wirken der christlichen Kirchen und anderer Glaubensgemeinschaften: Was das Wirken der christlichen Kirchen und der anderen Glaubensgemeinschaften in der Thüringer Gesellschaft betrifft, heben die vom Freistaat Thüringen geschlossenen Staats-Kirchen-Verträge die wichtige gesellschaftliche Bedeutung der Kirchen hervor und helfen dabei, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung die Rahmenbedingungen für deren wirklich wichtiges Wirken auch zu sichern. Besonders hervorzuheben sind dabei die in der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände und sozialen Einrichtungen.

Die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit ist im Freistaat Thüringen umfassend in individueller, kollektiver und kooperativer Hinsicht gewährleistet. Als notwendige Bedingung der Religionsfreiheit gilt die Neutralität des Staats in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht im Sinne der Thüringer Landesverfassung und des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Damit ist es auch keine primär staatliche Aufgabe, den Bestand, den Zustand, Probleme und Entwicklungstendenzen kirchlicher Bauten zu erheben. Soweit es sich bei kirchlichen Bauten um Denkmale handelt, besteht für die Eigentümer die Möglichkeit, gegebenenfalls eine Förderung aus Denkmalschutzmitteln zu beantragen. Dies gilt auch für Bauten anderer in Thüringen vertretenen Weltreligionen, wie z.B. die auf christlich-jüdischen Wurzeln verweisenden mittelalterlich jüdischen Bauten in Erfurt, die Alte Synagoge und Mikwe.

Zum Stichwort Ausbildung: Als wissenschaftliche Vorbildung der geistlichen und im Rahmen der Religionslehreausbildung wird die theologische Ausbildung auf vertragsstaatskirchenrechtlicher Grundlage durch die Evangelisch-theologische Fakultät der

Friedrich-Schiller-Universität Jena und für die römisch-katholische Kirche durch die Katholisch-theologische Fakultät der Universität Erfurt staatlicherseits gewährleistet. Eine Übersicht über etwaige theologische Ausbildungen, die durch andere Religionsgesellschaften selbstständig durchgeführt werden, liegen dem Freistaat nicht vor. Die Thüringer Landesregierung ist stets - und das möchte ich betonen - zum Dialog mit Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften als wichtige gesellschaftliche Kräfte bereit.

Gegenüber den mit dem Freistaat Thüringen in staatsvertraglicher Beziehung stehenden Religionsgesellschaften, den Evangelischen Kirchen in Thüringen, der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen und dem Vatikan ist ein regelmäßig zu führender Dialog vereinbart. Dieses seit Jahren praktizierte Verfahren, vor allem mit den regelmäßigen Bischofsgesprächen, hat sich bewährt. Entsprechend dem Prinzip der staatlichen Nichtidentifikation und der religionsrechtlichen Parität können jederzeit themenabhängig weitere Dialogpartner infrage kommen.

Zum Stichwort Ökumene und Wertedebatte: Mit Blick auf Ökumene und Wertedebatte ist festzuhalten, dass es sich bei dem Papstbesuch um eine besondere kirchliche Veranstaltung handelt, die wegen ihrer wichtigen innerkirchlichen Bedeutung als Pastoralreise zu würdigen ist. Auf der Basis der durch die Landesverfassung und das Grundgesetz getroffenen Werteentscheidung begleitet die Thüringer Landesregierung gesellschaftlich geführte Wertedebatten auch unabhängig von dem anstehenden Papstbesuch in Thüringen.

Über die schulischen Unterrichtsfächer Religionslehre und den Ethikunterricht, deren Inhalt sich am Grundgesetz orientiert, wirkt der Freistaat nach Maßgabe seines in der Thüringer Verfassung und im Thüringer Schulgesetz konkretisierten staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags vermittelnd in Werte bildender Hinsicht. Darüber hinaus ist dem weltanschaulich neutralen Staat von Verfassungs wegen aber nicht möglich, innerkirchlich geführte Diskussionen etwa um das rechte Verständnis von christlicher Ökumene zu bewerten. Ebenso ist die einseitige Parteinahme für eine bestimmte religiös begründete Werteordnung rechtlich ausgeschlossen, wie sich der weltanschaulich neutrale Staat der Identifikation mit einer bestimmten Religion enthalten muss. Der moderne freiheitliche Staat ist ein religiös und weltanschaulich neutraler, aber kein wertneutraler, sondern ein wertgebundener Staat.