Protocol of the Session on April 14, 2011

Die europäische Badewasser-Richtlinie stellt künftig an Badegewässer ähnlich hohe Anforderungen bei der Wasserqualität wie an Trinkwassertalsperren. Zur Sicherung der Wasserqualität in der Trinkwassertalsperre Zeulenroda zahlt die Thüringer Fernwasserversorgung Landwirten im Einzugsgebiet einen Ausgleich für Ertragsausfälle durch verminderte Ausbringung von Dünger. Da diese Ausgleichszahlung nach Wegfall des Trinkwasserschutzstatus der Talsperre nicht mehr aufrechterhalten werden soll, muss davon ausgegangen werden, dass die Wasserqualität der Talsperre bei normaler landwirtschaftlicher Bewirtschaftung des Einzugsgebiets keinen Betrieb eines öffentlichen Freibads ermöglicht. Um im Bergsee Ratscher, an dem es ein öffentliches Freibad gibt, die Vorgaben der europäischen Badewasser-Richtlinie langfristig sicher einhalten zu können, sollen die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in seinem Einzugsgebiet mit Anlagen zur Phosphatfällung versehen werden. Diese verursachen erhebliche Mehrkosten bei Errichtung und Betrieb der Kläranlagen. Für das Erreichen des wasserrechtlich vorgeschriebenen guten Zustands des Flusses Schleuse vor und nach dem Bergsee ist eine Phosphatfällung nicht nötig. Der Bergsee selbst ist als Hochwasserrückhaltebecken ein stark verändertes Gewässer.

Ich frage die Landesregierung:

1. Haben die Träger der Abwasserentsorgung im Einzugsgebiet des Bergsees Ratscher einen Anspruch auf Ausgleich der für die Sicherung des Badebetriebes über die wasserrechtlichen Anforderungen zur Abwasserreinigung hinaus gehenden Aufwendungen zur Phosphatfällung?

2. Kann Landwirten ohne Zahlung eines Verlustausgleichs vorgeschrieben werden, im Einzugsgebiet von Gewässern mit öffentlichen Freibädern die Düngung ihrer Nutzflächen so zu reduzieren, dass die Badewasserqualität nicht beeinträchtigt wird und wie wird dies begründet?

3. An wie vielen Tagen im Jahr ist bei flächendeckender vollbiologischer Abwasserbehandlung im Einzugsbereich des Bergsees ohne Phosphatfällung künftig mit Überschreitungen der europäischen Qualitätsanforderungen für Badegewässer zu rechnen?

4. Ist es rechtlich möglich, auf die zusätzliche Phosphatfällung im Einzugsgebiet des Bergsees Ratscher zu verzichten, das öffentliche Freibad an Tagen, an denen die Badewasserqualität nicht erreicht wird, nicht zu betreiben und stattdessen Baden auf eigenes Risiko zuzulassen und wie wird dies jeweils begründet?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und in diesem Fall Herr Staatssekretär Dr. Schubert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Namen der Landesregierung beantworte ich die Anfrage des Abgeordneten Kummer wie folgt: Gestatten Sie eine grundsätzliche Vorbemerkung. Die gestellten Fragen betreffenden Maßnahmen zur Einhaltung und Verbesserung der mit der europäischen Badewasser-Richtlinie vorgegebenen Qualitätsstandards. In Thüringen erfolgt die Umsetzung mit der Thüringer Verordnung über die Qualität und die Bewirtschaftung der Badegewässer. Die hygienische Überwachung und die gesundheitliche Bewertung der Wasserqualität werden von den örtlichen Gesundheitsbehörden vorgenommen - deshalb bin ich auch jetzt hier -, aber die Einhaltung und die Festlegung von Bewirtschaftungsmaßnahmen mit dem Ziel einer Verbesserung der Wasserqualität werden durch die zuständigen Umwelt- und Wasserbehörden geprüft. Da zur Beantwortung insbesondere der Fragen 1 bis 3 die Kernzuständigkeit des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz tangiert ist, haben wir dazu die fachliche Stellungnahme eingeholt und die ist jetzt Bestandteil der Antwort.

Zu Frage 1: Für einen verbindlichen Anspruch auf Ausgleich der Aufwendungen aus Einrichtung und Betrieb einer erhöhten Phosphatelimination existiert im Wasserrecht keine Rechtsgrundlage. Das Abwasserabgabenrecht hingegen bevorteiligt höhere Aufwendungen zur Reinigung des Abwassers, indem die Abwasserabgabe reduziert bzw. gar nicht erst erhoben werden muss. Ebenso wird die zu zahlende Abwasserabgabe unter bestimmten Voraussetzungen mit den Investitionen für diese Aufwendungen verrechnet. Darüber hinaus gewährt der Freistaat Thüringen neben der Grundförderung zusätzliche Zuwendungen, wenn bei weitergehender Reinigungsanforderung und der Ausstattung geförderter Kleinkläranlagen eine zusätzliche Phosphatelimination erfolgt. Die zusätzliche Zuwendung beträgt 300 € für eine Kleinkläranlage bis zu vier Einwohnerwerten zuzüglich 50 € für jeden weiteren Einwohnerwert.

Zu Frage 2: Für eine solche Anordnung gegenüber dem Landwirt fehlt es regelmäßig an einer wasserrechtlichen Ermächtigungsgrundlage.

Zu Frage 3: Eine solche detaillierte Prognoserechnung liegt nicht vor. Sie wäre auch weder mit dem verhältnismäßigen Aufwand aufstellbar noch wäre eine solche Genauigkeit letztendlich verlässlich erzielbar. Im Rahmen von fachlich geeigneten und detaillierten Nährstoffbilanzen wurde für den Wasserkörper Ratscher eine erreichbare Trophiestufe sowohl für das gute ökologische Potenzial nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie als auch für ein gutes Badegewässer prognostiziert. Diese geben einen guten Rückschluss auf die grundsätzlich zu erwartenden Wasser- und damit Badewasserqualitäten. Bei einem Verzicht auf die vorgesehene Maßnahme zur Phosphatelimination im Einzugsgebiet ist eine Verbesserung der Trophiestufe nicht möglich. Die Gefahr für weitere Massenentwicklung von Blaualgen, insbesondere in den Sommermonaten, besteht damit weiter.

Zu Frage 4: Nein, der Bergsee Ratscher ist offiziell ein an die EU-Kommission gemeldetes Badegewässer. Die hygienische Überwachung hat über die gesamte Badesaison zu erfolgen. Werden Beanstandungen der Wasserqualität bekannt, müssen entsprechende Maßnahmen bei bakteriologischen Grenzwertüberschreitungen, zum Beispiel das Verbot zum Baden, ausgesprochen werden. Eine Empfehlung nur zum Baden auf eigenes Risiko bei Kenntnis von bakteriologisch beanstandeten Wasserproben kann und wird es vom zuständigen Gesundheitsamt nicht geben. Danke.

Es gibt eine Nachfrage durch den Fragesteller.

Gut, die Wasserqualität würde sich ja schon durch die Kläranlagen wesentlich verbessern gegenüber dem jetzigen Stand. Aber meine Nachfrage: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Staatssekretär, gilt ja das Verursacherprinzip bei den Kläranlagenbetreibern, also bei dem kommunalen Einzugsbereich muss die Phosphatfällung gerichtet werden. Das haben Sie zu Frage 1 beantwortet. Bei den Landwirten gilt es nicht. Können Sie den Unterschied erklären, wieso für Landwirte das Verursacherprinzip nicht gilt, für Bürger, die kommunales Abwasser produzieren, es jedoch gilt? Das erschießt sich mir nicht.

Die zweite Frage: Sie sprachen von den zusätzlichen Zuwendungen für die Phosphatfällungen in Höhe von 300 €. Meines Wissens gibt es dafür keinen Rechtsanspruch. Plant denn die Landesregierung, diese Zuwendung immer zu bewilligen?

Das sind jetzt beides Fragen, die im Geschäftsbereich von Herrn Reinholz liegen. Aber ich versuche einmal, für das Erste eine Antwort zu geben, ansonsten müssen wir das schriftlich nachreichen. Es gibt ja die sogenannte ordnungsgemäße Landwirtschaft. Wer die betreibt, der begeht sozusagen keine Umweltschäden und kann dafür nicht belangt werden. Das wäre die Erklärung, die ich jetzt spontan aus meiner Kenntnis habe. Zu zweitens ist jetzt wirklich die Frage nach Fördermitteln, die das Haus von Herrn Reinholz betrifft. Ich denke mal, wir werden ihn bitten, das dann schriftlich nachzureichen.

Ich glaube, Herr Minister Reinholz hat schon ganz vorsichtig genickt. Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke, Herr Staatssekretär.

Ich rufe auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hauboldt von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/2534.

Großflächeninitiative der Thüringer Landesregierung zur Entwicklung von Industriegroßflächen

Seit September 2010 wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) zu Maßnahmen der Entwicklung von Industriegroßflächen gebildet (Großflä- cheninitiative). Im bisherigen Ergebnis wurde eine Einstufung von Standorten nach Prioritätskategorien vorgenommen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welchen konkreten Arbeitsinhalten und Zielsetzungen hat sich die IMAG gebildet?

2. Welche Standorte in Thüringen wurden zur Entwicklung von Industriegroßflächen bisher durch die Landesregierung bestätigt?

3. Welche finanziellen Anforderungen sind nach Ansicht der Landesregierung für die Entwicklung von Industriegroßflächen geplant?

4. Welche Vorgaben bzw. Kriterien müssen erfüllt sein, um in die Prioritätenkategorien der Kategorien 1 oder 2 aufgenommen zu werden - jeweils gesondert nach Kategorien?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie, Herr Staatssekretär Staschewski.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage

(Staatssekretär Dr. Schubert)

des Abgeordneten Hauboldt für die Thüringer Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Basierend auf den Festlegungen der Kabinettssitzung vom 29.06.2010 zur Thüringer Großflächeninitiative konstituierte sich am 02.09.2010 die interministerielle Arbeitsgruppe Thüringer Großflächeninitiative IMAG. Im Rahmen der IMAG sollen seitens des TMWAT unter Beteiligung des TMBLV, TMLFUN, TFM und der Staatskanzlei die Standortvorschläge für die Priorität 2 weiterführend behandelt werden. Hierzu werden durch die LEG Thüringen für diese Standorte Machbarkeitsstudien erarbeitet, die die Grundlage für die Bewertung der Standorte bilden. Anhand der in der IMAG abgestimmten Kriterien werden die Bewertung und ein Ranking der Standorte abgestimmt.

Zu Frage 2: Durch das Kabinett wurden in der Sitzung am 29.06.2010 folgende fünf neue Entwicklungsprojekte als Priorität 1 im Rahmen der Thüringer Großflächeninitiative bestätigt: 1. Waltershausen-Hörselgau, 2. Gera-Vogelherd-Cretzschwitz, 3. Artern-Unstrut, 4. Hermsdorfer Kreuz an der L 1070 und Erfurt Süd-Ost.

Zu Frage 3: Für die fünf neuen Entwicklungsprojekte, also die mit der Priorität 1, geht die Landesregierung bei einer Nettofläche von ca. 290 ha von insgesamt rund 100 Mio. € für Grunderwerbs- und Entwicklungskosten aus. Für die Priorität 2 übrigens sind natürlich noch keine Zahlen da, weil man da noch die ganzen Machbarkeitsstudien abwarten muss.

Zu Frage 4: Die Standorte der Priorität 1 basieren auf Vorschlägen der LEG Thüringen mbH und des TMWAT. Insgesamt wurden neun Standorte auf Basis von Machbarkeitsstudien anhand von 19 gewichteten Bewertungskriterien beurteilt. Im Rahmen dieser Standortbewertung ergab sich ein Ranking für die einzelnen Standorte, das die Grundlage für die Kabinettsbefassung und den Beschluss am 29. Juni bildete. Alle Standorte, die keine Aufnahme in die Priorität 1 finden konnten, sowie Standorte für regional bedeutsame Industrie- und Gewerbeansiedlungen, die Bestandteil der Regionalpläne sind und die bisher nicht umgesetzt wurden, werden als Standortvorschläge für die Priorität 2 der Thüringer Großflächeninitiative weiter betrachtet. Aus diesem Standortpool werden sich im Ergebnis der Arbeit der IMAG also analog der oben beschriebenen Vorgehensweise bei der Festlegung zu den Standorten zur Priorität 1 ein Ranking der Standorte für die Priorität 2 und damit die Auswahl der Nachrücker in die Priorität 1 ergeben.

Es gibt zunächst eine Nachfrage durch den Fragesteller.

Danke, Herr Präsident. Eine Nachfrage zur Priorität 1 bzw. auch 2, die Sie ausgeführt haben. Sie haben bei der Prioritätenliste 1 benannt rund 100 Mio. € für Grunderwerb und Erschließung. Meine Frage: Inwieweit ist dabei prozentual das Engagement der Kommunen in dieser Frage berücksichtigt worden. Das sind ja die Fördermittel des Landes. Also ich frage nach dem Verhältnis Engagement der LEG bzw. nach dem Verhältnis der Aufgaben der Kommunen, die dabei zu berücksichtigen sind.

Ich kann Ihnen jetzt schlecht die Zahl aufdividieren. Ich weiß, dass es insgesamt Kosten von rund 100 Mio. € sind, aber ich kann nachschauen, ob man das genau aufschlüsseln kann, dann können wir es Ihnen zukommen lassen.

Es gibt eine weitere Nachfrage durch den Abgeordneten Kummer.

Herr Staatssekretär, im gegenwärtig gültigen LEP sind mehrere großflächige Industriegebiete ausgewiesen. Ich denke hier z.B. an die Goldene Aue und in dem Zusammenhang - es handelt sich hier überall um Gebiete, die auf hervorragendem landwirtschaftlichen Boden stehen - und auch im Zusammenhang mit der Frage, wie viele Flächen wir noch versiegeln wollen, meine Frage: Wie ist denn die bisherige Auslastung? Würden wir diese Flächen, die hier in der Priorität 1 angestrebt werden, nicht auch in vorhandenen Gebieten noch finden, um sie anbieten zu können?

Wir haben grundsätzlich die Diskussion - das haben Sie auch im letzten Jahr mitbekommen -, die immer gestartet wird, haben wir genügend Flächen, wenn man schaut, sind die einzelnen Gewerbegebiete ausgelastet. Was uns fehlt, und deshalb haben wir auch diese Großflächeninitiative gestartet, sind tatsächlich noch Flächen, die wir vorhalten können für die Ansiedlung von Großflächen. Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass hier dann solche Großflächen nicht vorhanden sind, wenn entsprechend interessierte Investoren da sind, daher brauchen wir sicherlich auch noch weitere Großflächen. Deshalb hat sich auch die Landesregierung - und das ist auch bestätigt worden durch das Parlament - auf eine Großflächeninitiative geeinigt und das Parlament hat dem auch zugestimmt im Rahmen der Haushaltszustimmung, dass dieser

(Staatssekretär Staschewski)

Haushaltstitel entsprechend auch hier vorgehalten werden kann.

Es gibt eine weitere Nachfrage durch den Fragesteller.

Herr Staatssekretär, noch eine Nachfrage: Sie haben das Ranking in der Prioritätenliste 1 genannt, die fünf Gebiete haben Sie hier dargestellt. Wenn nach Abschluss der Machbarkeitsstudien durch die LEG aus der Prioritätenkategorie 2 Erkenntnisse erwachsen, halten Sie es für möglich und notwendig, dass sich innerhalb des Rankings der Kategorie 1 noch Veränderungen ergeben?

Wir haben eine Priorität 1 und eine Priorität 2. In der Priorität 1 stehen erst einmal alle die drin, die prioritär, die auch finanziell darstellbar sind, vorangetrieben werden. Es kann sein, dass sich da noch etwas verändert, dann rutschen von der Priorität 2 entsprechend die Nächsten nach.

Nachfrage - es gibt aber bei den fünf jetzt keine Veränderungen?

Nein, erst einmal sind diese fünf diejenigen, die gesetzt sind. Die sind die Priorität 1.

Es gibt eine weitere Nachfrage durch den Abgeordneten Kummer.

Herr Staatssekretär, Sie hatten vorhin gesagt, wir brauchen großflächige, also am Stück. Wie soll denn verhindert werden, dass es wieder zu Vorkommnissen kommt wie beim Gewerbegebiet Queienfeld, was ein großflächiges war, was dann aber doch durch kleinteilige Unternehmensansiedlungen so weit belegt wurde, dass es jetzt offensichtlich nicht mehr als großes zur Verfügung steht?

Wir haben grundsätzlich darauf gepocht, dass wir eine Großflächeninitiative machen, um genau da auch festzulegen, dass wir hier großflächige Ansiedlungen machen können. Das heißt, wir entscheiden das, wer sich da, wo ansiedelt. Wir halten

extra diese Flächen für diese großflächigen Ansiedlungen vor.

Danke, Herr Staatssekretär. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Augsten von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/2535.