Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema Residenzpflicht oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden und der analogen Anwendung auf geduldete Ausländer nach § 61 Abs. 1 beschäftigt uns, wie wir es bereits gehört haben, ja seit längerer Zeit. Ein Antrag der FDP wurde im September nach einer mehrheitlichen Empfehlung des Innenausschusses hier im Plenum abgelehnt. Frau Berninger, meine Argumentation vom September 2010 hat weiterhin Bestand.
Dem habe ich im Grunde nichts hinzuzufügen, da ich mir sicher bin, dass ja alle Argumente im Prinzip doch vorgetragen wurden. Ich hatte eigentlich noch eine Unmenge an Zahlenmaterial erwartet und nicht nur Zitate, aber Sie haben, denke ich, uns auch so die Schwächen des Gesetzes sehr klar verdeutlicht. Wie vereinbart, hat der damalige Innenminister Prof. Huber eine neue Verordnung ins Kabinett eingebracht und in dieser steht, wie vereinbart, eine Ausweitung der Residenzpflicht. Beim Gespräch mit Prof. Huber am 11. November wurde nach Berichten eine Einigung schon skizziert. Dadurch sollte in jeden der 23 Aufenthaltsbezirke der Stadt die Stadt Erfurt und Jena mit einbezogen werden.
Nach dem Wechsel im Ministerium wurde vom jetzigen Minister eine andere Strategie verfolgt mit der Begründung, dass die CDU-Fraktion diese weitere Öffnung nicht mitträgt. So kam es bisher noch zu keinem Fortschritt. Das heißt aber nicht, dass nichts passiert ist. Wir als SPD, die sich für eine weitgehendere Veränderung als die, die das Innenministerium vorgeschlagen hat, einsetzt, wurden in der Zwischenzeit mit einem Preis - Sie haben es erwähnt - ausgezeichnet. Sicher, Frau Berninger, gleich erwarte ich noch Ihren Zwischenruf, ich sollte mich schämen. Aber ehrlich gesagt, so richtig weiß ich immer noch nicht, für was ich mich jetzt schämen soll,
dass ich mich bei Gesprächen vor Ort nicht nur mit Ausländern, Asylsuchenden, sondern auch mit Leuten unterhalte, die diese Regelung durchsetzen müssen, dass ich Gespräche mit den Ministern, Vertretern der Kirchen, Vereinen oder Organisationen führe? Bei den Gesprächen vor Ort zeigt sich keine einheitliche Meinung zur Residenzpflicht und das hat nichts mit dem Parteibuch der Menschen, die vor Ort Verantwortung tragen, zu tun.
Residenzpflicht ist in meinen und auch in den Augen meiner Fraktion eine Einschränkung der Freizügigkeit,
aber ich muss auch sagen, eine durch den Staat gewollte und durch das Gesetz festgelegte. Dass diese Regelung generell verändert werden soll, da sage ich jetzt hier nichts Neues. Auch heute stehe ich ganz klar dazu, dass die Verordnung der Landesregierung, die nicht vom Parlament, sondern von der Regierung beschlossen wird und somit auch nicht die Zustimmung der Fraktion zur Bedingung hat, schnellstmöglich mit den am weitestmöglichen Erleichterungen verabschiedet wird.
Das Problem der eingeschränkten Bewegungsfreiheit ist dadurch leider nicht gelöst. Vielleicht sollte die FDP im Bund bei ihrem Koalitionspartner anfragen, wie diese denn zu einer Gesetzesänderung stehen. Damit bekommen die Länder eine klare Vorgabe und der Ermessensspielraum für die Bundesländer wird klar geregelt. Ich sehe das Berichtsersuchen - wenn auch ein sehr knapper Bericht als erfüllt an. Dem Punkt 1 stimmen wir sicher, wie Sie das von uns erwarten, Frau Berninger, nicht zu, denn wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass die Verordnung nicht erst am 30.04., sondern möglichst früher in Kraft tritt und damit durch die Regie
Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihren Bericht zur Situation. Es wird Sie aber vielleicht nicht überraschen, wenn ich etwas enttäuscht bin über die sportliche Kürze. Ich denke,
da hätten schon ein paar Informationen mehr hineingehört. Frau Kollegin Berninger und auch andere Kollegen haben in der Debatte schon etwas mehr erläutert, wie es vor Ort läuft, was etwa an Gebühren anfällt, welche Regelungen unterschiedlicher Art in den Kreisen getroffen werden zur Länge der Verlassenserlaubnis und dergleichen mehr. Das hätte uns schon interessiert, und das hätte uns vom zuständigen Minister interessiert.
Trotzdem, meine Damen und Herren, zeigt die Debatte, dass Handlungsbedarf besteht. Die Situation, die wir hier in Thüringen haben in Sachen Residenzpflicht, ist für einen freiheitlich-demokratischen Staat beschämend.
Wir meinen, wenn Geduldete genauso behandelt werden wie Asylsuchende, dann ist das schon eine Restriktion und wir meinen, dass die Art und Weise, wie sie hier in der Debatte geschildert worden ist, schon eine restriktive Art und Weise ist. Mit unserem Antrag drängen wir deshalb auf das Einlösen des Versprechens der Landesregierung. Der zweite Teil des Berichtsersuchens war ja nicht zuletzt auch angelegt im Wissen darum, dass in Sachsen geduldete Ausländer sich seit dem 17. Januar 2011 im gesamten Freistaat ohne gesonderte Erlaubnis bewegen können, und zwar durch einen Erlass des CDU-Innenministers. Frau Kollegin Kanis, das ist die FDP als Koalitionspartner, die sich dort ebenfalls dafür eingesetzt hat. Ich denke, wir sollten auch da wiederhole ich mich - Politik dort machen, wo wir das Mandat dafür erhalten haben. Und Sachsen, meine Damen und Herren, liegt in keiner anderen Bundesrepublik als Thüringen. Ich denke, was dort rechtlich möglich ist, muss auch hier rechtlich möglich sein.
Meine Damen und Herren, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich ausdrücklich bedanken für die zahlreichen unterstützenden Beiträge hier in dieser Debatte. Frau Kollegin Holbe, bei aller Sympathie, Ihr Beitrag war in meinen Augen ein Widerspruch in sich selbst. Sie haben einleitend unseren Antrag begrüßt und dann haben Sie gesagt, Sie stimmen nicht zu und Sie wollen es auch nicht im Ausschuss haben. Das, meine Damen und Herren, ist Politik, die Menschen im Land zu Recht nicht verstehen.
Ich verspreche Ihnen an dieser Stelle, Sie werden das Thema nicht los, so lange es nicht eine deutliche Verbesserung für die betroffenen Menschen gibt.
Ein Dank an Frau Kollegin Berninger für das Lob an die FDP, dass wir schneller waren, aber darum geht es uns nicht. Es geht nicht darum, mit einer Initiative schneller gewesen zu sein, sondern es geht uns darum, gemeinsam - dafür werbe ich ausdrücklich - eine menschliche Lösung für die Betroffenen zu erreichen.
Wir appellieren, meine Damen und Herren, an die Landesregierung, sich im Interesse der Menschlichkeit zu einigen und werben in dieser Runde, wir bitten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich für eine Regelung in Thüringen einzusetzen, die einer freien Gesellschaft würdig ist. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergner. Mir liegt jetzt keine Redemeldung mehr vor. Ich frage in das Plenum: Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist? Erhebt sich Widerspruch? Nein, das sehe ich nicht. Ich habe auch keinen Antrag auf Ausschussüberweisung gehört. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag, und zwar über die Nummer 1 des Antrags der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/2273. Wer für die Annahme des Antrags in Nummer 1 ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen der Fraktionen CDU und SPD. Gibt es Enthaltungen? Das sehe ich nicht. Damit ist die Nummer 1 des Antrags nicht angenommen.
Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung? Das ist der Fall. Das Wort hat der Abgeordnete Untermann.
Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach dem schweren Zugunglück in SachsenAnhalt wollen wir hier keine alten Wunden aufreißen. Was wir wollen, ist, dass alles, aber auch alles unternommen wird, dass sich so etwas in Thüringen nicht wiederholen kann. Wir wollen keine Schuldfragen stellen oder klären, das machen andere. Wir wollen aber nicht gleich wieder zur Tagesordnung übergehen. Den Faktor Mensch - wie auch in unserer Begründung, im Antrag stand kann man nicht ausschließen, den kann man aber, den muss man so klein wie möglich halten.
Wir haben dieses Problem schon im Ausschuss besprochen, sicher, aber nach reiflichen Überlegungen - wir hatten übrigens diesen Antrag schon gleich, als das passierte, im Auge - haben ich mir noch einmal überlegt, beim Nachlesen auch im Protokoll: Es gibt hier Punkte, die wir unbedingt noch mal ansprechen müssen - das werde ich dann auch in der Aussprache tun -, die mir nicht gefallen. Auch die ganze Begründung ist etwas - nicht lapidar, das ist übertrieben, aber es gefällt uns nicht. Es gibt einige Sachen, die ich speziell ansprechen werde. Deshalb nur noch mal die Worte von mir jetzt zur Begründung. Die eigentliche Begründung haben Sie auf unserem Antrag. Alles andere möchte ich dann in der Aussprache machen. Danke.
Danke, Herr Abgeordneter Untermann. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags und das Wort hat Herr Minister Carius.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist klar, das Zusammenwirken von Mensch und Technik hat in den vergangenen 175 Jahren Eisenbahn in Deutschland zu immer besseren Sicherungssystemen geführt und die Bahn insgesamt zum sichersten Verkehrsmittel gemacht. Trotzdem haben wir solche tragischen Unfälle wie letztens in Sachsen-Anhalt immer mal wieder zu beklagen, sehr schwere Unfälle mit Toten und Verletzten. Den Angehörigen der Toten und
auch den Verletzten gehört unser tiefes Mitgefühl. Zugleich schulden wir diesen Menschen natürlich eine Auseinandersetzung über bessere Möglichkeiten der Unfallvermeidung, wie wir sie bereits im Ausschuss durchgeführt haben. Es ist besonders tragisch, dass gerade die zum Teil eingleisige Strecke Halberstadt-Magdeburg im Laufe des Jahres 2011 vollständig mit einem Zugbeeinflussungssystem ausgestattet werden sollte. Sicher, auch technische Sicherheitssysteme bieten keine absolute Garantie gegen Unfälle dieser Art, insbesondere dann, wenn wie hier menschliches Versagen die Fehlerquelle ist. Trotzdem hätte der Unfall unter Umständen vermieden werden können oder wäre glimpflicher verlaufen, wenn der Güterzug nach dem Überfahren des Hauptsignals automatisch zwangsgebremst worden wäre. Der vom Fahrdienstleiter per Bahnfunk angeordnete Nothalt hat zwar noch zu einer spürbaren Verringerung der Geschwindigkeit des Personenzuges von fast 100 auf 66 km/h geführt, doch für die große Masse des Güterzugs kam der Nothalteaufruf viel zu spät. Da hilft es wenig, wenn in der Pressemitteilung der Deutsche Bahn AG vom 31. Januar hingewiesen wurde, dass die Strecke Halberstadt-Magdeburg den gültigen Sicherheitsstandards entsprach, deren rechtliche Grundlage die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) ist.
Lassen Sie mich zum vorliegenden Antrag kommen. Das Eisenbahnnetz in Thüringen umfasst ein Streckennetz von 1.553 km. Davon sind 1.338 km bundeseigene Eisenbahnstrecken, von denen 889 km nur eingleisig ausgebaut sind. Die 215 km nicht bundeseigene Eisenbahnstrecken in Thüringen sind auch eingleisig ausgebaut.
Aufsichtsbehörde für die bundeseigenen Strecken ist das Eisenbahnbundesamt, während die nicht bundeseigenen Strecken der Aufsicht des Landes unterfallen.
Nach Angaben der DB AG sind seit 1990 auf bundeseigenen Strecken im Freistaat drei Ereignisse zu verzeichnen, die alle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. In Auswertung der Ereignisse in Holzdorf hatte die DB Netz-AG auf der Strecke Weimar-Berka-Kranichfeld ein modernes Sicherungssystem des Achszählverfahrens zusätzlich installiert, mit dessen Hilfe Zugkollisionen verhindert werden. Auf nicht bundeseigenen Strecken gab es keine erwähnenswerten besonderen Ereignisse.
Auf den bundeseigenen Strecken mit Streckengeschwindigkeiten von über 100 km/h werden überwachende Systeme, wie die punktförmige Zugbeeinflussung, die Linienzugsbeeinflussung (LZB), die Geschwindigkeitsüberwachungseinrichtung für Neigetechnikzüge (GNT), das Europäische Zugkontrollsystem (European Train Control System - ET- CS) eingesetzt. Auf bundeseigenen Strecken im
Freistaat werden bisher Punktförmige Zugbeeinflussungssysteme (PZB) und Geschwindigkeitsbeeinflussungssysteme für Neigetechnik eingesetzt. Die im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitsstrecke Leipzig-Halle-Erfurt-Nürnberg wird mit ETCS-Systemen ausgerüstet.