Protocol of the Session on February 23, 2011

Die 2011 zum ersten Mal zur Anwendung kommende neue Fassung von § 18 der Thüringer Landes

(Abg. Leukefeld)

haushaltsordnung (ThürLHO) erlaubt die Aufnahme von neuen Schulden, um Einnahmeverluste gegenüber den Vorjahren auszugleichen. Allerdings dürfen diese Schulden nur zum kurzfristigen Ausgleich des Einnahmerückgangs verwendet werden, sie müssen innerhalb von fünf Jahren zurückgeführt werden. Der Tilgungsplan für diese Rückführung ist laut § 18 Abs. 3 ThürLHO verbindlich festzulegen. Für 2011 plant die Landesregierung, die Möglichkeiten der Thüringer Landeshaushaltsordnung voll auszuschöpfen und so 472 Mio. € Schulden neu aufzunehmen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie sieht der Tilgungsplan für die 472 Mio. € Neuverschuldung aus, die unter Berufung auf § 18 Abs. 2 Nr. 1 ThürLHO aufgenommen werden sollen?

2. Auf welche Summe wird sich die gesamte Zinsbelastung bis zur vollständigen Rückzahlung dieser 472 Mio. € über die nächsten Jahre voraussichtlich belaufen (bitte Nominalwert 2011 und Realwert zum Jahr der vollständigen Rückzahlungen ange- ben)?

Es antwortet Staatssekretär Dr. Spaeth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Recknagel wie folgt:

Zu Frage 1: Gemäß § 18 Abs. 3 der Thüringer Landeshaushaltsordnung ist für die nach der Neuregelung aufgenommenen Kredite ein auf fünf Jahre ausgelegter Tilgungsplan festzulegen. Die Tilgung beginnt in dem Haushaltsjahr, in dem der Haushaltsplan ohne Kreditaufnahme ausgeglichen werden kann. Der Tilgungsplan wird im Rahmen des Mittelfristigen Finanzplans dargestellt und jährlich an den aktuellen Stand angepasst. Das Ganze kommt aber nur zum Tragen, wenn in dieser Höhe überhaupt Kredite aufgenommen werden. Das werden wir aber erst zum Ende des Jahres sehen.

Zu Frage 2: Die Zinsausgaben bei Inanspruchnahme der im Haushaltsjahr 2011 höchstmöglichen Kreditaufnahme in Höhe von 471,9 Mio. € würden sich bis zur vollständigen Tilgung auf der Basis von fünf gleichbleibenden Tilgungsraten in kumulierter Betrachtung voraussichtlich auf nominal 70,8 Mio. € summieren. Dem liegt zugrunde, dass im ersten Jahr rund 17,7 Mio. € anfielen, die bis auf 3,5 Mio. € sinken. Die kumulierte Zahl von 70,8 Mio. € entspricht einem realen Wert von 64,6 Mio. €. Ich danke Ihnen.

Es gibt keine weiteren Nachfragen dazu, so dass ich die Anfrage des Herrn Abgeordneten Hausold aufrufen kann, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/2271.

Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Patrol-Insolvenz - aktueller Stand

Im Zusammenhang mit der Insolvenz des Sicherheits-Unternehmens Patrol in Gera kam es zu einer Reihe von Gerichtsverfahren, insbesondere versucht(e) der Insolvenzverwalter, von früheren Arbeitnehmern Gehalt zurückzufordern, das diese Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber Patrol erst verspätet erhalten hatten. In einigen Verfahren soll der Insolvenzverwalter vor Gericht unterlegen sein. Der Unterzeichner der Anfrage hat im Rahmen seiner Abgeordnetentätigkeit darüber hinaus Informationen erhalten, dass einige dieser Gerichtsverfahren nun zuständigkeitshalber an das Arbeitsgericht verwiesen worden sind.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele vom Insolvenzverwalter eingeleitete Gerichtsverfahren gegen ehemalige Arbeitnehmer des Unternehmens Patrol sind der Landesregierung mit welchem derzeitigen Verfahrensstand bzw. -ergebnis vor welchen Gerichten (sachlich/örtlich) bekannt?

2. Inwiefern sind der Landesregierung vergleichbare Gerichtsverfahren - gegebenenfalls mit vergleichbarem Verfahrensstand bzw. -ausgang - auf Rückerstattung von Arbeitslohn bzw. Gehalt zu anderen Insolvenzfällen in Thüringen bekannt?

3. Inwiefern hält die Landesregierung eine Reform der Insolvenzordnung für notwendig, insbesondere hinsichtlich eines besseren Schutzes von Arbeitnehmereinkommen im Insolvenzverfahren, gegebenenfalls vergleichbar mit den Regelungen der zuvor geltenden Konkursordnung?

4. Inwieweit - und gegebenenfalls zu welchen Schwerpunkten - wurde bzw. wird seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung in Gremien wie z.B. den (ständigen) Ministerkonferenzen des Bundes und der Länder eine Reform der Insolvenzordnung diskutiert?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Prof. Dr. Herz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des

(Abg. Koppe)

Herrn Abgeordneten Hausold beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Hierüber liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Es ist im Thüringer Justizministerium allerdings bekannt, dass es im Zusammenhang mit der Fragestellung bereits mindestens zwei Insolvenzverfahren gegen verschiedene Firmen gibt. Eine statistische Auswertung der Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Fragestellung erfolgt jedoch weder im konkreten Fall noch generell. Des Weiteren, solche Verfahren können sowohl bei Amtsgerichten als auch bei Arbeitsgerichten anhängig sein.

Zu Frage 2: Auch hierüber liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Ich kann also nur auf die Antwort zu Frage 1 verweisen. Eine statistische Auswertung liegt uns nicht vor.

Zu Frage 3: Die Insolvenzordnung ermöglicht nicht ohne Weiteres den Rückgriff des Insolvenzverwalters auf die bereits gezahlten Löhne und Gehälter. So unterliegen Lohn- und Gehaltszahlungen, die, wie in den hier in Rede stehenden Fällen, aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung stammen, nicht durchweg der Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 Abs. 1 und 130 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung. Die Anfechtung ist vielmehr an relativ strenge Voraussetzungen gebunden. Erstens müssen die Zahlungen innerhalb der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sein. Zweitens muss der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig gewesen sein. Drittens, und das ist meines Erachtens entscheidend, muss der Gläubiger zu dieser Zeit Zahlungsunfähigkeit oder gemäß § 130 Abs. 2 Insolvenzordnung wenigstens die Umstände gekannt haben, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen ließen. Dabei reicht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die bloße Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit sprechen, nicht aus, wenn sie nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen. Ich verweise hier auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 2009 oder ein Urteil des Landgerichts Mühlhausen oder ein Urteil des Amtsgerichts Nordhausen. Ungeachtet dessen bietet die Insolvenzordnung für Arbeitnehmereinkünfte, aber auch an anderer Stelle Schutz. Insoweit sei lediglich darauf verwiesen, dass § 123 Abs. 2 Insolvenzordnung Verbindlichkeiten aus einem nach Verfahrenseröffnung erstellten Sozialplan zu Masseverbindlichkeiten qualifiziert, die gemäß § 53 Insolvenzordnung vorab aus der Masse zu berichtigen sind. Darüber hinaus wird nach den §§ 183 ff. SGB III für Arbeitsgeltansprüche aus den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnung ein Insolvenzgeld gewährt. Darüber hinaus - und das ist entscheidend für die Fragestellung - hat sich die Landesregierung zu der Frage, ob Entgeltansprüche

aus dem Arbeitsverhältnis künftig stärker geschützt oder noch stärker geschützt werden sollen, noch keine abschließende Meinung gebildet.

Zu Frage 4: Novellierungsvorschläge im Sinne einer Rückkehr zu der Privilegierung von Arbeitsgeldforderungen nach der Konkursordnung sind aktuell nicht Diskussionsgegenstand. Die Bundesregierung strebt bereits seit längerer Zeit eine Reform der Insolvenzordnung an. Im Zuge dessen hat das Bundesministerium der Justiz einen Diskussionsentwurf für ein sogenanntes Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen - so der Titel - erarbeitet, der sich derzeit in der Ressortabstimmung der Bundesregierung befindet. Dieser Entwurf zielt in erster Linie auf eine Erleichterung der Restrukturierung und Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen und damit den Erhalt von Arbeitsplätzen ab. Dazu soll unter anderem das Insolvenzplanverfahren vereinfacht und im Sinne eines Restrukturierungsrechts noch stärker auf die Frühsanierung von Unternehmen ausgerichtet werden. Vielen Dank.

Dazu gibt es durch den Fragesteller Nachfragen und der Abgeordnete Kuschel hat sich aus der Mitte des Hauses gemeldet. Bitte, Herr Hausold.

Herr Staatssekretär Herz, zunächst einmal einen Dank für die doch ausführliche Antwort. Wir hatten das Thema im Landtag schon öfter, auch in der vergangenen Legislaturperiode. Meistens fielen die Stellungnahmen sehr kurz aus. Ich hätte nur eine Nachfrage von meiner Seite. Sie haben unter Punkt 3 ausgeführt, dass sich zu diesen Fragen, die Sie auch erläutert haben, die Landesregierung noch keine abschließende Meinung gebildet hat. Damit bestätigen Sie mir aber, dass die Landesregierung sich mit diesen Fragen auseinandersetzt und auch Überlegungen anstellt, inwiefern sie hier aktiv werden kann.

Natürlich setzen wir uns mit diesen Fragestellungen auseinander. Wir beobachten das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene genau. Wir werden zum gegebenen Zeitpunkt dazu Stellung nehmen.

Herr Abgeordneter Kuschel, Sie wollten noch eine Frage stellen.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, Sie beobachten das Verfahren auf

(Staatssekretär Prof. Dr. Herz)

Bundesebene sehr aufmerksam. Ich auch, deshalb habe ich heute erfahren über den TagesschauTicker, dass das Bundeskabinett heute den Gesetzentwurf beschlossen und dem Parlament zugeleitet hat. Sie haben jetzt gesagt, er ist noch in der Ressortabstimmung. Ich verfüge nicht über die Mitarbeiterkapazitäten wie das Ministerium, um bestimmte politische Prozesse zu beobachten. Meine Frage: Wenn jetzt die nächste Hürde genommen ist und bereits das Bundeskabinett den Entwurf bestätigt hat, welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, dennoch ihre eigenen Vorstellungen in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen? Auf welche Schwerpunkte konzentrieren Sie sich dabei?

Als wir die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Hausold beantwortet haben, hat das Bundeskabinett noch nicht entschieden gehabt. Manchmal entscheidet die Bundesregierung überraschend schnell, das ist erfreulich. Wir werden uns jetzt den Gesetzentwurf natürlich sorgfältig anschauen, der jetzt in die parlamentarische Abstimmung kommt. Dann muss man sehen, wie wir in einzelnen Punkten darauf reagieren und was die Einflussmöglichkeiten einer Landesregierung in dem Fall sein können.

Als Nächstes rufe ich die Anfrage der Frau Abgeordneten Renner, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/2284 auf.

Danke, Frau Präsidentin.

Nicht gehaltene Vorträge in geheimdienstlichen Tagungsbänden

Am 4. November 2010 veranstaltete das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ein Symposium mit dem Titel „9. Symposium Linksextremistische Gewalt - Gefährdungen, Ursachen und Prävention“ in Erfurt. Einer der Vortragenden war Prof. Dr. Eckhard Jesse, Professor für Politische Systeme, Politische Institutionen an der TU Chemnitz, der sich als sogenannter Extremismusexperte versteht. Auf der Website des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz wird nun u.a. sein Vortrag vom 4. November 2010 zum Download angeboten. Der dort wiedergegebene Vortrag Jesses beginnt mit einer Auseinandersetzung um die Ausführungen der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Gesine Lötzsch, die erst einen Monat nach der Veranstaltung, am 3. Januar 2011, in der Zeitung „Junge Welt“ publiziert wurden. Zudem wurden durch den Referenten offenbar Streichungen von Passagen vorgenommen und nicht kenntlich gemacht, in denen er einen Vergleich zwischen der Gefährdung der Demokratie

durch die NPD und DIE LINKE und zu möglichen Regierungskoalitionen mit der Partei DIE LINKE anstellte. Das Landesamt kündigt an, die Vorträge in einem Tagungsband zu veröffentlichen.

Ich frage die Landesregierung

1. Wie rechtfertigt die Landesregierung die Tatsache, dass ein nicht gehaltener und offenbar um relevante Passagen gekürzter sowie um andere Passagen ergänzter Vortrag als angeblich auf dem Symposium gehaltener Originalvortrag im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit unter Verschweigen dieses Umstandes verbreitet wird und auch weiterhin verbreitet werden soll?

2. Teilt die Landesregierung die im mündlichen Vortrag geäußerte Auffassung Jesses, dass der „harte Extremismus“ der NPD „keine Gefahr für den demokratischen Verfassungsstaat“ darstelle sowie dass der „weiche Extremismus“, den angeblich die Partei DIE LINKE vertrete, für die Demokratie gefährlicher sei, und wie begründet sie ihre Auffassung?

3. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur durch den Antisemitismusforscher Dr. Lars Rensmann (Moses Mendelssohn Zentrum Pots- dam) und den Historiker Prof. Dr. Wolfgang Wippermann (Freie Universität Berlin) vorgenommenen Zurechnung Jesses zur sogenannten Neuen Rechten und wie begründet sie ihre Auffassung?

4. Was war die Motivation, die auf dem Symposium von Jesse geäußerte Empfehlung, aus dem im Internet publizierten Vortrag zu streichen, es dürfe mit der LINKEN „keine Koalition geben“, solange heutige „Positionen erhalten bleiben“, und welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Aussage Jesses?

Diese Fragen beantwortet Herr Staatssekretär Rieder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Renner wie folgt:

Zu Frage 1: Prof. Jesse hat seinen Vortrag weitgehend in freier Rede gehalten. Das von ihm aktualisierte Redemanuskript ist auf der Internetseite des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz eingestellt und wird in dieser Form auch Eingang in den Tagungsband finden. In einer Fußnote wird deutlich gemacht, dass es sich um eine aktualisierte Fassung handelt.

Zu Frage 2: Die Landesregierung respektiert die im Grundgesetz in Artikel 5 Abs. 3 verankerte Freiheit

(Abg. Kuschel)