Protocol of the Session on January 27, 2011

(Beifall CDU, FDP)

Wenn dieses Ziel erreicht ist, dann ist das Landesprogramm vollumfänglich gerecht.

Ausweislich, meine sehr verehrten Damen und Herren, des aktuellen Thüringer Verfassungsschutzberichts umfasst das linksextremistische Potenzial im Freistaat über 400 bekennende Anhänger. Da gehören Mitglieder der Kommunistischen Plattform in der Partei DIE LINKE dazu, der DKP, der MLPD und so weiter. Damit umfasst das linksextreme Spektrum etwa ein Drittel des Mitgliederbestands des rechtsextremen. Ich habe da andere Zahlen, im Programm ist von 300 bis 700 die Rede, der Verfassungsschutzbericht spricht von etwas über 1.000, so dass wir ungefähr auf ein Drittel kommen. Dieses Verhältnis ist aus meiner Sicht tatsächlich keine Größenordnung mehr, die man als Autor eines solchen Programms einfach so unter den Tisch fallen lassen kann. Auch das Ansteigen der Gewalttaten und der Delikte insgesamt gehört zu den guten Gründen, das extremistische Spektrum in Thüringen tatsächlich mit beiden Augen zu betrachten.

Bei den Zahlen, die Sie genannt haben, Frau Ministerin, Delikte und Gewalttaten, muss man ja tatsächlich auch in Betracht ziehen, dass es im rechtsextremen Bereich Delikte gibt, die es im linksextremen überhaupt nicht gibt, z.B. das Zeigen von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, wo jedes Einzelne als Delikt aufgeführt ist. Ich kann Ihnen aber versprechen und ich bin sicher, dass es viele Opfer gibt, viele die unschuldig auch eingekerkert gewesen sind zu DDR-Zeiten, die sich nicht besonders freuen, heute Symbole, die nicht verboten sind, der ehemaligen DDR in der Öffentlichkeit zu sehen.

(Beifall CDU, FDP)

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass im Landesprogramm auf der einen Seite die Ergebnisse eines Gutachtens von Herrn Edinger, über den Sie ja auch gesprochen haben, über die Gefährdung der demokratischen Kultur in Thüringen durch den Rechtsextremismus und die politische Entfremdung verwiesen wird, im Auftrag Ihres Hauses erstellt, auf der anderen Seite im Programm auch zu lesen ist, dass die - Zitat: „Forschung zu linksextremen Einstellungen gegenwärtig in Thüringen und Deutschland wenig entwickelt ist.“

(Beifall CDU, FDP)

Das, meine Damen und Herren, wirft die Frage auf, auf welche Erkenntnisse Sie denn die Schlussfolgerung stützen, dass Linksextremismus in Thüringen offenbar nur am Rande relevant sei und die Frage, warum wurde der Auftrag für dieses Gutachten von Ihrem Ministerium nicht so erweitert oder ein anderes Gutachten in Auftrag gegeben, das die Gefährdung der demokratischen Kultur auch durch den Linksextremismus und auch den religiös motivierten Extremismus tatsächlich auch wissenschaftlich erfasst wird und mit dieser Grundlage dann in das Programm, in die Erarbeitung oder eben nun zum jetzigen Zeitpunkt in die Weiterentwicklung des Programms gegangen wird. Dazu, liebe Frau Ministerin, möchte ich Sie ausdrücklich auffordern und ermuntern, diesen Mangel an ministerieller Informiertheit bitte auch entsprechend zu korrigieren und zu beseitigen. Es wird viel Geld für Expertisen ausgegeben und, ich glaube, dass an dieser Stelle das Geld der Steuerzahler durchaus sinnvoll angelegt wäre.

(Beifall FDP)

Eine Fortschreibung, die Durchführung des Programms muss aber auch ganz grundsätzlich auf einem ideologiefreien Arbeits- und Diskussionsprozess basieren. Dazu gehört auch, dass die Akteure, die beteiligt werden, entsprechend hinterfragt werden. Ich will einfach einmal zitieren, was das Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2005 über die VVN geschrieben hat, über die VVN-BdA. Da heißt es im Verfassungsschutzbericht von 2005: „In

der linksextremistisch beeinflussten VVN-BdA besetzen weiterhin Mitglieder und ehemalige Mitglieder der DKP sowie traditionalistisch eingestellte Mitglieder der Linkspartei.PDS die wichtigsten Leitungspositionen. Der Verband blieb daher dominant dem orthodox-kommunistischen Antifaschismus verpflichtet, wonach Rechtsextremismus im inneren Zusammenhang mit marktwirtschaftlichen Ordnungssystemen steht und daher staatliche Institutionen in westlichen Demokratien rechtsextremistische Umtriebe eher unterstützen als bekämpfen. In dieser Sichtweise ist eine sozialistisch-kommunistische Diktatur die einzig konsequente Alternative zu faschistischen Gefahren.“

Frau Ministerin, um das Landesprogramm gegen Extremismus sozusagen zu komplettieren, müssen Sie in der Tat die Fortschreibung und die Umsetzung sicherstellen, dass Sie niemanden daran beteiligen, der selbst demokratiefeindlichen Ideologien nacheifert.

(Beifall FDP)

Ich sage das, weil uns die Bundesvorsitzende der Partei DIE LINKE vor wenigen Wochen einen interessanten Einblick in das Seelenleben ihrer eigenen Partei gegeben hat. Natürlich muss das an dieser Stelle kommen, völlig klar. Sie schreibt: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen, sie auszuprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“ Es geht also nicht mehr um das Ziel Kommunismus, sondern es geht nur noch um den Weg dorthin und die Mittel dazu. Und den Weg dorthin und die Mittel dazu beschreibt Rosa Luxemburg, gern auch als glühende Demokratin stilisiert, aber auch hier hilft uns Frau Lötzsch auf den Weg - Rosa Luxemburg beschreibt nämlich den Weg, wie man dieses Ziel zum Kommunismus erreichen will, und zwar: „... sich hineinzupressen in den bürgerlichen Staat, bis alle Positionen besetzt sind

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Die hat sich wahrscheinlich selbst das Leben ge- nommen.)

und sie dann mit Zähnen und Nägeln zu verteidigen.“ Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, klingt für mich auch nach einer Drohung, nach einer Bedrohung demokratischer Kultur, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das war doch notwendig damals, Herr Barth.)

Wenn das Frau Lötzsch heute über 90 Jahre später wiederholt - man werde die Ansätze in die bürgerliche Gesellschaft hineinpressen -, dann, meine sehr verehrten Damen und Herrn, muss ich sagen, Demokratie ist keine Veranstaltung, die von Zwang, Druck oder Gewalt lebt.

(Beifall FDP)

Zähne und Nägel gehören nicht zu den bevorzugten oder auch nur ansatzweise akzeptablen Mitteln der demokratischen Auseinandersetzung.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Aber dass sie ermordet worden ist.)

(Unruhe DIE LINKE)

Demokratie lebt von Überzeugung, von der Kraft der Worte.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Da- nach sind die KZs aufgebaut worden.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich die Aussagen von Frau Lötzsch dann vergleiche mit der Definition der Bundesregierung zum Linksextremismus, dann wird es aus meiner Sicht endgültig offenbar. Die Bundesregierung definiert den Linksextremismus nämlich als „Bestrebungen, die anstelle der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft etablieren wollen und ihr politisches Handeln an revolutionär-marxistischen Ideologien orientieren“. Wenn wir diese Definition zugrunde legen, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, strebt DIE LINKE ausweislich der Äußerungen ihrer Bundesvorsitzenden genau dieses Ziel an.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das ist erbärmlich, Herr Barth, am 27. Janu- ar.)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen, Frau Ministerin, rufe ich Sie auf, bei der Durchführung und bei der Umsetzung dieses Programms alle Kräfte mit zu bündeln, die antifaschistisch sind, aber eben auch antikommunistisch.

(Unruhe DIE LINKE)

Das gehört zum vollständigen, zum kompletten Bild dazu.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Es war die Rote Armee, die Auschwitz befreit hat, nicht die FDP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den beiden Änderungsanträgen bzw. Entschließungsanträgen, die uns noch vorliegen, möchte ich noch einige Sätze sagen. Zum NPD-Verbot ist das Notwendige und das Richtige von der Ministerin an dieser Stelle gesagt worden. Zur Frage der Extremismuserklärung, die das Bundesprogramm verlangt, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich hier einfach nur einmal vorlesen, worüber wir dort reden. Zu dem Extremismusprogramm gehört eine Bestätigung, die von den Antragstellern zu unterschreiben ist, in der es heißt: „Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland be

kennen und eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten. Als Träger der geförderten Maßnahmen haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer dies nicht unterschreiben kann, der trete vor und dem sage ich, dass er aus diesem Programm auch kein Geld verdient hat. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP)

(Unruhe DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Metz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach dem Abschlusssatz von Herrn Barth ist es natürlich spannend, dass ich jetzt hier vortrete. Das passt auch inhaltlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach langer Debatte und vielen emotionalen Diskussionen ist das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit endlich auf den Weg gebracht. Das ist angesichts der Situation, die wir besonders in den neuen Bundesländern und auch in Thüringen haben, bitter nötig. Noch immer treiben die Braunen ihr Unwesen und schaffen Angst mit ihren Schlägern und mit ihren Demagogen, die menschenfeindliche Reden schwingen und ein neues altes Deutschland einfordern. Das ist nichts anderes als ein völkisches Land. Sie setzen dabei auf Rassismus oder wie der bürgerliche Begriff ist, Ethnopluralismus, setzen auf Unterdrückung, statt Freiheit und nennen es, für die Probleme des einfachen Deutschen da zu sein.

Auch die sogenannte Mitte ist da nicht ausgenommen. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde hinlänglich zitiert. Es ist klar, dass Rechtsextremismus nicht nur ein Problem bei jungen Menschen aus Ostdeutschland ist, es betrifft mittlerweile alle Bevölkerungsschichten. Aber auch in Thüringen formiert sich hier auf breiter Basis Widerstand und das seit Jahren; Widerstand gegen die verfestigten Neonazistrukturen, chauvinistische Verbindungen, Burschenschaften und braunes Gedankengut. Zu Beginn meiner Rede gilt es allen Dank zu sagen,

(Abg. Barth)

die sich gegen Rassismus und Nationalismus zur Wehr setzen, den vielen Gruppen, die so unterschiedlich sind und doch einen gemeinsamen Nenner haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das ist, für Menschlichkeit und ein buntes Miteinander einzutreten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke den Gewerkschaften, den Parteien, den Jugendverbänden, den Kirchenvertreterinnen und -vertretern, den vielen antifaschistischen Gruppen, den Sportvereinen, Bürgerbündnissen und allen weiteren Partnern, die es aufzuzählen hier wert wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zahlen und Fakten der rechten Szene wurden von Frau Taubert bereits ausführlich genannt. Ich will daher nur auf einige Punkte eingehen und noch ein paar grundsätzliche Worte verlieren. Wir haben eine seit Jahren etablierte und in Zyklen auch immer wachsende Szene an gewaltbereiten Neonazis, die in so mancher Region ein Sympathisantenumfeld geschaffen haben, das es Andersdenkenden, Andersaussehenden nicht erlaubt, sich frei von Angst zu bewegen. In vielen Gesprächen mit Migrantinnen und Migranten, linken Jugendlichen und auch aus eigener Erfahrung ist dabei eines klar geworden: Nicht nur die Schläge und Tritte, sondern die bloße Präsenz dieser Gruppen, die mit chauvinistischen Sprüchen und martialischem Auftreten Straßenzüge, Plätze und Jugendeinrichtungen beherrschen, schafft Angst und lässt nicht zu, sich als Mensch frei zu entfalten. Umso wichtiger ist es, dass es eine starke Zivilgesellschaft gibt vor Ort, die Freiräume bieten kann, auch für unkonventionelle Ideen, unkonventionelle politische Vorstellungen, Kunst und Veranstaltung, eine Zivilgesellschaft, die in ihrer Breite gestärkt wird.

Doch Nazis schrecken auch vor körperlicher Gewalt und Mord nicht zurück; es ist sogar integraler Bestandteil eben dieser Ideologie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, über 140 Todesopfer seit 1990 belegen das ganz klar. Der 23-jährige Mario, 1993 in Schlotheim ermordet; die 14-jährige Jana in Saalfeld auf offener Straße von einem Nazi erstochen; ein 48-jähriger Vater, der mit seinem Sohn zu einer Punkveranstaltung gegangen ist, ihn dort abgeliefert hat und auf der Straße dann gemeinsam mit seinem Sohn zu Tode geprügelt wurde; ein Spätaussiedler in Gera, der von der Skinheadszene zugerichtet und ermordet wurde. Eine solche Schreckensbilanz von über 140 Todesopfern durch Neonazis seit 1990 macht wütend und bedarf des Protests aller und eines Eingreifens des Staates, der Polizei, der Gerichte, aber auch der Empörung der Menschen, und zwar aller Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann geilen sich diese Herrschaften und Damen mit wirklich ekelhaften Texten in Musiken auf, von Rechtsrock und NSBM bis zu neuen Musikformen, sogar Hip Hop und Techno werden vereinnahmt. Eine der wichtigsten Regionen dabei ist Thüringen. Neben der Etablierung von Labels und Ketten sowie Neonaziläden sind das Festival- und Konzertland Thüringen sowie von hier stammende Größen des NS-Hardcore und NS-Black Metal zu nennen. Aufmärsche und Veranstaltungen zur eigenen Beweihräucherung und Agitation gehören wohl genauso dazu wie flächendeckende Publikationen in Thüringen und Webseiten. Gegen solche Art von Agieren muss klare Kante gezeigt werden. Ich bin dankbar, Frau Taubert, für die Erwähnung. Dann hilft eben manchmal keine Prävention und keine Diskussion, sondern tatsächlich klare Kante. Das Innenministerium hat das in Worten im Programm auch getan, nun müssen hier Taten folgen. Repression ist eben manchmal das Einzige, was gegen derart kriminelle und menschenverachtende Strukturen hilft. Doch genauso gehört eine starke, entschlossene und empörte Zivilgesellschaft dazu. Das Beispiel Jena hat es vorgemacht - vom Oberbürgermeister bis zum großartigen Aktionsnetzwerk haben geholfen, klare Signale zu setzen. Eine Kommune ist der Ort, wo die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus stattfindet. Hier gibt es ein breites Bündnis.

Das Landesprogramm setzt auch bei diesem Punkt an. Mit dem CIVITAS-Programm und anderen Programmen hat Rot-Grün die Wende bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus eingeleitet. Auch daran kann man heute erinnern, wenn dieses Landesprogramm diskutiert wird. Rot-Grün hat nämlich nicht mehr nur auf staatliche Strukturen gesetzt, sondern Mittelpunkt waren die vielen Einzelpersonen und Initiativen, die nun gestärkt und teilweise gegründet werden konnten mit finanzieller und ideeller Unterstützung des Bundes.