Protocol of the Session on January 26, 2011

(Beifall CDU, SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Siegesmund zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren: „An der Nordsee folgt auf die Ebbe die Flut und am Sozialgericht Berlin steigt die Klageflut Tag um Tag.“ Das ist ein Zitat von Sabine Schudoma, Präsidentin des Berliner Sozialgerichts. In Thüringen ist das aber nicht anders. Am 11. Januar ist bekannt geworden, dass die vier Sozialgerichte in Thüringen 2010 über 21.000 neue Klagen im Eilverfahren bekommen haben. Das waren 3.000 mehr als im Jahr zuvor. Und der Punkt ist, deswegen sind wir ganz schnell wieder beim Thema Hartz IV, wo wir uns letzte Woche schon darüber unterhielten, über 60 Prozent der Klagen, die an den Sozialgerichten eingereicht werden, richten sich gegen Hartz-IV-Bescheide und um es deutlich zu sagen, in vielen Fällen sind diese Klagen auch berechtigt,

(Beifall DIE LINKE)

weil zumindest jede zweite Klage teilweise erfolgreich ist. Der Applaus seitens der LINKEN wird an dieser Stelle meiner Rede aber sein Ende finden.

Denn trotz allem ist die Hartz-IV-Reform, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, eine richtige Reform gewesen. Man muss sich aber natürlich darüber verständigen, warum es zu diesen Klagen kommt. In der Regel geht es darum, über die Anrechnung von Einkommen Erstattungen für Wohn-, Strom- oder Heizkosten zu sprechen bzw. was die Frage angeht von angemessenem Wohnraum. Das sind alles Punkte, die nicht vernünftig geregelt sind, nicht so geregelt, dass sie juristisch nicht anfechtbar sind. Die Vereinnahmungen der Sozialgerichte mit den Hartz-IV-Fällen führt aber dazu, dass viele andere Rechtsgebiete, beispielsweise Verfahren zu Renten-, Kranken- oder Unfallversicherungsprozessen nicht die notwendige Aufmerksamkeit erfahren. Deswegen ist das Problem durchaus interessant und man sollte sich dem auch widmen. Ob es in der Aktuellen Stunde heute hier richtig ist, darüber kann man jetzt trefflich streiten. Ich will mich dazu nicht weiter äußern. Aber entscheidend ist ja, dass wir fragen, wie gehen wir damit um.

Justizminister Dr. Poppenhäger hat völlig recht, er hat gesagt, es liegen 25.000 unerledigte Fälle in den Gerichten. Die Antwort kann aber nicht allein sein, dass wir noch mehr Richter einstellen. Was auch keine Lösung ist, ist die Erhöhung der Gerichtsgebühren. Was aber auch keine Lösung ist, das ist die Reduzierung der Prozesskosten seitens des Landes einzufordern. Das sind also alles Punk

(Abg. Marx)

te, wo wir, glaube ich, nicht zusammenkommen können. Die Antwort heißt aber schon gar nicht: Hartz IV muss weg. So platt kann man es natürlich machen. Dieses rot-grüne Projekt, eine der umfangreichsten Reformen im Sozialbereich, war richtig und gut. Und selbst wenn es diese Klageflut gibt und wir uns auch damit im politischen Raum auseinandersetzen müssen, müssen wir die Punkte finden, wo mit Reformen das Ganze geändert,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

verbessert und so geregelt werden kann, dass es für diejenigen, die Hartz-IV-Empfänger sind, vernünftig ausfinanziert wird. Wir sind im Augenblick in der komfortablen Lage, dass das Hartz-IV-Paket aufgeschnürt ist und dass man eigentlich jetzt darüber reden könnte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird im Bundestag getan, augenblicklich im Vermittlungsausschuss. Streng genommen sind Sie mit Ihrer Aktuellen Stunde mindestens drei Monate zu spät, man hätte das hier thematisieren können, bevor der Vermittlungsausschuss sich damit auseinandersetzt.

Es gibt diverse Anträge auf Bundesebene, auch einen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der trägt den Titel „Rechte der Arbeitsuchenden stärken - Sanktionen aussetzen“. Es gibt die Idee, Ombudsstellen einzuführen, Ombudsmänner und -frauen bei allen Trägern des SGB II verstärkt zu bemühen, die helfen, Konflikte auszuräumen, um die Arbeitsuchenden eben nicht sofort in die Arme der Sozialgerichte laufen lassen zu müssen. Das Problem, das wir aber auf Bundesebene im Augenblick haben, ist, dass - und da gebe ich an dieser Stelle auch meinen Vorrednern recht -, wenn wir nicht eine vernünftige Regelung im Vermittlungsausschuss hinbekommen, eine neue Klageflut wartet, am Problem also nichts geändert wurde, sondern wir es schlicht und ergreifend aussitzen, weil im jetzigen Entwurf von schwarz-gelb wieder nicht geregelt ist, was eine angemessene Wohnung ist, und wir im Endeffekt das Ganze an der Stelle auch nicht spezifizieren und damit eine entscheidende Lösung finden.

Auch die verschärften Sanktionsmöglichkeiten der Hartz-IV-Reform sind sehr bedenklich, auch hier wird es vermutlich wieder zum Bemühen der Sozialgerichte kommen. Wir sind im Augenblick in der Phase, in dem wir hier im Thüringer Landtag relativ wenig entscheiden können. Der Vermittlungsausschuss tagt, Sie wissen das, am Montag tat er dies mit mehr oder minder entscheidenden und transparenten Ergebnissen. Was ich nicht sehe, ist, dass alle Probleme unter schwarz-gelb ausgeräumt werden können. Was ich aber auch nicht sehe, ist, dass wir hier unilateral auf Thüringer Landtagsebe

ne das Problem lösen und stemmen können. Das muss man einfach akzeptieren. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe keine Redeanmeldungen mehr aus den Fraktionen. Für die Landesregierung Herr Justizminister Poppenhäger.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, weder der Abgeordnete K. noch der Anwalt M. hindern die Landesregierung am Arbeiten, das kann ich versichern. Es klingt bei dem gewählten Thema allerdings an, dass wir es tatsächlich mit einer wachsenden Anzahl an Klagen vor den Sozialgerichten zu tun haben, manche sprechen von einer Klageflut, das möge jeder selbst entscheiden.

Ich will zunächst einmal die Gelegenheit nutzen, weil es in der Tat eine Vielzahl von Klagen ist, und mich bei den Bediensteten der Thüringer Sozialgerichtsbarkeit recht herzlich bedanken. Sie leisten eine hervorragende und engagierte Arbeit und es ist ihnen trotz der noch anzusprechenden Probleme, die ich nicht verschweigen will, gelungen, den Bürgern einen effektiven Rechtsschutz bei gleichbleibend hoher Qualität zu gewähren.

Dass gleichwohl Schwierigkeiten bestehen, die seit 2005 rapide ansteigenden Verfahrenszahlen abzuarbeiten, ist allgemein bekannt. Auch das Hohe Haus hier hat sich schon mehrfach mit der Problematik befasst. Um es vorwegzunehmen: Es mangelt weder am politischen Willen noch am Engagement der Bediensteten der Sozialgerichte. Vielmehr zeigt der Umstand, dass nahezu alle Bundesländer von der Überlastung der Sozialgerichtsbarkeit in ähnlicher Weise betroffen sind, dass dieser beispiellose Verfahrensanstieg angesichts begrenzter Personal- und Sachmittel kurzfristig nicht zufriedenstellend zu bewältigen ist und von uns allen weiterhin erhebliche Anstrengungen abverlangen wird.

Zunächst also zu den Verfahrenszahlen: Die Thüringer Sozialgerichtsbarkeit war im Kalenderjahr 2010 insgesamt sehr stark belastet. Es bestehen allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sozialgerichten. Das heißt, die angesprochene Klageflut war nicht an allen Gerichten gleich hoch. Im Kalenderjahr 2010 gingen bei den vier Thüringer Sozialgerichten insgesamt 25.461 neue Klagen ein. Das ist ein Anstieg im Vergleich zum Kalenderjahr 2009 um 28,6 Prozent. Die Entwicklung des Geschäftsanteils gestaltete sich jedoch an den einzelnen Standorten recht unterschiedlich. Während es beim Sozialgericht in Meiningen im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2010 zu einem Rückgang um 5,2 Prozent kam, stieg die Zahl der

(Abg. Siegesmund)

neu eingegangenen Klagen beim Sozialgericht Altenburg um 6,3 Prozent, beim Sozialgericht Gotha um 28,2 Prozent und beim Sozialgericht Nordhausen sogar um 67,4 Prozent. Wie in den Vorjahren auch, war die Geschäftsentwicklung an den Sozialgerichten maßgeblich von den Neueingängen im Bereich der Angelegenheiten nach dem SGB II bestimmt. Der Anteil der SGB-II-Verfahren an der Gesamtzahl der neu eingegangenen Klagen ist von 61,5 Prozent im Jahr 2009 auf 69,5 Prozent im Jahr 2010 weiter angestiegen. Die Entwicklung der SGB-II-Verfahren verlief ebenfalls regional sehr unterschiedlich. Während die Zahl der SGB-II-Klagen beim Sozialgericht in Meiningen 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 6,1 Prozent zurückging, stieg die Zahl der SGB-II-Klagen beim Sozialgericht Altenburg um 14,9 Prozent, beim Sozialgericht in Gotha um 38,7 Prozent und beim Sozialgericht in Nordhausen um 94,8 Prozent an. Im Kalenderjahr 2010 konnten insgesamt 21.771 Klageverfahren bei den vier Thüringer Sozialgerichten erledigt werden. Die Erledigungsleistung stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um 30,9 Prozent. Ein durch Urteil erledigtes Klageverfahren in 1. Instanz dauerte 2010 durchschnittlich 24,4 Monate. Im Bereich der Eilverfahren vor den Sozialgerichten kam es im Kalenderjahr 2010 kaum zu Veränderungen. Insgesamt gingen 1.807 Eilsachen neu ein. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Rückgang um 1,3 Prozent.

Nun noch einige wenige Anmerkungen zum Thüringer Landessozialgericht: Dort gingen im Kalenderjahr 2010 insgesamt 1.049 Berufungen neu ein. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg um 8 Prozent. Unter den Neueingängen waren 281 Berufungen in Angelegenheiten nach dem SGB II. Das Thüringer Landessozialgericht erledigte 935 Berufungen; zum Jahresende 2010 blieben 2.145 unerledigte Berufungen anhängig. Der Bestand stieg damit um 5,1 Prozent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme nunmehr zum zweiten Teil meiner Ausführungen: Mögliche gesetzgeberische Initiativen und Aktivitäten, die zu einer Entlastung der Sozialgerichte beitragen könnten. In Betracht kommen hier Änderungen des Sozialrechts, insbesondere des SGB II, des Sozialverfahrensrechts und des Sozialgerichtsgesetzes und damit, das betone ich noch einmal, sämtlich Materien, die in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen, was für uns die Arbeit ja nicht gerade erleichtert, wie Sie wissen.

Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit der Situation bei den Sozialgerichten beschäftigt. Die Konferenz hat bereits 2008 festgestellt, dass angesichts der Verfahrensflut vor den Sozialgerichten Initiativen entwickelt werden müssen, um die Belastung der Sozialgerichte zu verringern und ihre Effizienz weiter zu steigern. Zu diesem Zweck richteten die Länder unter Federführung Berlins eine

Arbeitsgruppe ein mit dem Titel „Maßnahmen zur Verminderung der Belastung und zur Effizienzsteigerung der Sozialgerichte“. Diese sollte insbesondere Empfehlungen zu Änderungen des Prozessrechts und des materiellen Rechts vor allem des SGB II entwickeln.

Die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat im November 2009 beschlossen, die Empfehlungen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zur Kenntnis zu geben; in der Folge wurde eine gemeinsame Kommission auf Staatssekretärsebene gebildet, in der jeweils sechs Mitglieder beteiligt waren. Diese Kommission hat ihre Arbeit Ende Oktober 2010 abgeschlossen und abgestimmte Vorschläge gegenüber dem Bundesgesetzgeber für eine verbesserte Verwaltungspraxis vorgelegt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales war beratend an den Sitzungen der Kommission beteiligt und hat einzelne Vorschläge bereits in den aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch aufgenommen. Diese Verfahrensweise ist einerseits im Beschleunigungsinteresse zu begrüßen; andererseits ist natürlich nicht ausgeblieben, dass nicht alle Vorschläge der Kommission von der Bundesregierung aufgegriffen worden sind.

Wie Sie wissen, meine Damen und Herren Abgeordneten, befindet sich der Entwurf derzeit im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, insofern bleibt abzuwarten, wie die Verhandlungen dort ausgehen, mit welchem konkreten Inhalt das Gesetz letztlich in Kraft tritt.

Damit komme ich abschließend zu den Maßnahmen, die wir in Thüringen ergriffen haben, um die Personalausstattung bei den Sozialgerichten zu verbessern. Ich möchte hier noch einmal hervorheben, dass die beschriebene Situation alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialgerichtsbarkeit nach wie vor bis an die Grenzen der Belastbarkeit beansprucht. Auf die dargestellte Entwicklung hat das Thüringer Justizministerium auch im Laufe des Jahres 2010 dadurch reagiert, dass es fortwährend erhebliche Anstrengungen unternommen hat, die personelle Ausstattung der Sozialgerichte weiter zu verbessern. So wurden insgesamt in allen Diensten 51 einzelne Personalmaßnahmen ausgesprochen. Hierzu zählen Neueinstellungen ebenso wie Abordnungen, Versetzungen und die Erteilung von Dienstleistungsaufträgen etwa an Proberichter oder auch an Richter kraft Auftrags. Die Mitglieder des Richterwahlausschusses wissen, wovon ich spreche. Allein im richterlichen Dienst hat das Thüringer Justizministerium im Jahr 2010 20 Personalmaßnahmen vollzogen. Im Einzelnen wurden zehn Aufträge zur Dienstleistung erteilt, neun davon gingen an Proberichterinnen und Proberichter, einer an einen weiteren Richter kraft Auftrags. Zusätzlich wurden neun Versetzungen von Richterinnen und

(Minister Dr. Poppenhäger)

Richtern ausgesprochen, die zu einer dauerhaften Verstärkung der Personalsituation bei der Sozialgerichtsbarkeit führen werden. Schließlich konnte ein weiterer Verwaltungsrichter für eine Abordnung an ein Sozialgericht gewonnen werden.

Aber auch im Bereich des nichtrichterlichen Dienstes ist es gelungen, für weitere personelle Verstärkung Sorge zu tragen. Hier haben wir insgesamt im Jahr 2010 31 Personalmaßnahmen durchgeführt. Es sind zunächst zwölf Neueinstellungen zu nennen, darüber hinaus zehn Abordnungen, neun Versetzungen, die zu einer dauerhaften Verstärkung der Sozialgerichtsbarkeit führen werden. Bei den genannten Verstärkungen haben wir darauf geachtet, dass sie sowohl dem gehobenen, dem mittleren als auch dem einfachen Justizdienst zugute kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die eingangs aufgezeigte Entwicklung des Geschäftsanfalls erfordert auch künftig ein tatkräftiges Handeln. Zu diesem Zweck haben wir im Haushaltsplan 2011 mit der erneuten Umsetzung von 17 Planstellen und Stellen aus anderen Geschäftsbereichen der Justiz selbst, ich möchte das noch einmal betonen, den Grundstein hierfür gelegt. Im Einzelnen wurden drei Planstellen für Richter und nunmehr 14 Planstellen und Stellen des nichtrichterlichen Dienstes, auch das ist besonders wichtig, in die Sozialgerichtsbarkeit umgesetzt. Das belegt, dass wir auch hier in beachtlichem Umfang Umschichtungen aus weniger belasteten Bereichen vorgenommen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sozialgerichtsbarkeit wird auch weiterhin im Zentrum der Bemühungen des Thüringer Justizministeriums stehen, ja, stehen müssen angesichts der Zahlen, die wir gehört haben. Unverändertes Ziel ist es, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel das an den Gerichten tätige Personal weiter zu entlasten und auch natürlich den Verfahrensbeteiligten weiterhin sach- und zeitgerecht Rechtsschutz zu gewährleisten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Es gibt eine weitere Redeanmeldung. Wir haben übrigens noch über zehn Minuten Redezeit. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Leukefeld.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst erst einmal dem Justizminister danke schön für die Berichterstattung. Ich glaube, ich kann hier ganz klar im Namen meiner Fraktion sagen, unsere Aktuelle Stunde ist nicht dem geschuldet, dass wir kritisieren wollen, wie hier in Thüringen Richterin

nen und Richter versuchen, dem gerecht zu werden, was einer verfehlten Bundespolitik

(Beifall DIE LINKE)

geschuldet ist. Ich kann sagen, dass ich gerade auch angesichts der aktuellen Entwicklung wenig Vertrauen habe in die Tatsache, dass in Kürze mehr Klarheit und Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Hartz-IV-Reform, bei der Veränderung des SGB II eintreten wird - im Gegenteil, das ist hier schon gesagt worden. Um es noch einmal deutlich zu machen, es hat seit Inkrafttreten von Hartz IV - und das geht jetzt in das sechste Jahr - 42 Gesetzesnovellen gegeben mit mehr als 50 Änderungen. Viele sagen, da blickt kein Mensch mehr durch und Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit hat von einem Hindernisparcours gesprochen. Deswegen muss ich schon ehrlich sagen, wenn man den Spieß jetzt umdreht und eigentlich das Recht, was Betroffene haben, zu klagen, Widerspruch einzulegen und sich für eine gerechte Umsetzung einzusetzen, dass das hier doch zynisch zum Teil auch zerredet wurde, das finde ich schon sehr schade. Herr Schröter, Sie haben ja nach Aktualität und nach der kausalen Kette gefragt. Ich finde das schon sehr zynisch, auch die Tatsache, dass die Prozesskostenhilfe ja nur in Anspruch genommen werden kann, wenn auch das Gericht Aussicht auf Erfolg verspricht, das sollte man hier auf jeden Fall erwähnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jeder Rückstau von Klagen, jeder Widerspruch, jede Veränderung auch des Gesetzes führt zwangsläufig zu neuen Klagen. Deswegen muss man beim Gesetz anfangen und man muss dafür sorgen, dass immer weniger Menschen im Hartz-IV-Bezug sind, wenn wir schon nicht jetzt Hartz IV wegkriegen, jedenfalls nicht im Moment. Unsere Forderung ist das und wir haben da auch Alternativen gebracht.

Im Übrigen ist es schon so, dass Hartz IV tatsächlich eine einzige große Entwürdigung von Menschen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will das hier noch einmal deutlich sagen. Mir haben viele gesagt, wenn ich wenigstens mir selber noch in das Gesicht schauen will, wenn ich meine Würde wiederhaben will, dann muss ich Widerspruch einlegen, dann muss ich klagen, dann muss ich für mein Recht eintreten und selber kämpfen. Insofern, finde ich, sind Klagen auch eine Form des Protestes, und sie sollten auch nicht unterschätzt werden.

Hartz IV muss weg, das habe ich gerade gesagt. Das wird so leicht nicht zu machen sein, auch wenn wir dafür eintreten. Aber man könnte auch auf Lan

(Minister Dr. Poppenhäger)

desebene etwas machen. Ich will Ihnen zumindest ein Beispiel sagen. Es gibt ein Landesarbeitsmarktprogramm, Herr Minister, das ist darauf gerichtet, Menschen in Arbeit zu bringen, und das ist gut so. Das haben wir auch unterstützt und dabei bleibt es auch. Jetzt müssen wir nur ernsthaft dafür sorgen, dass Menschen nicht nur in Arbeit kommen und sich die Zahl der Aufstocker erhöht, sondern dass sie tatsächlich aus dem Hartz-IV-Bezug herauskommen, wenn sie in Arbeit kommen. Das ist meine große Forderung und meine große Bitte.

(Beifall DIE LINKE)