Protocol of the Session on November 19, 2009

Meine Damen und Herren, wir wollen uns den Schwerpunkten widmen, die sich vor allen Dingen in Bildungsfragen festmachen. Thüringen ist das Bildungsland Nummer eins und wir wollen dieses Bildungsland weiter ausbauen.

(Beifall CDU)

Dafür haben wir im Koalitionsvertrag die Weichen gestellt. Unser umfassender Bildungsbegriff heißt, dass Bildung nicht nur dazu da ist, die Menschen auf den Arbeitsmarkt auszurichten, sondern zielt auf den ganzen Menschen, an seinen sozialen, an seinen kulturellen und an seinen wirtschaftlichen Bedürfnissen ausgerichtet. Weltweit beachtete bildungspolitische Traditionen in Thüringen haben dort ihre Grundlage gefunden und zu Recht wurde das von mehreren Rednern gesagt; Thüringen ist die Heimstätte von Fröbel, von Salzmann, von Petersen, von Lietz und von GutsMuths. Alle PISA-Tests haben gezeigt, dass wir gute Weichenstellungen in der Thüringer Bildungspolitik gewürdigt haben und die Dreigliedrigkeit ist deshalb für uns ein wichtiger Maßstab. All denen, die jetzt darüber diskutieren auch in anderen Bundesländern, diese Mehrgliedrigkeit des Thüringer Bildungssystems infrage zu stellen, denen empfehle ich auch ein Nachschauen der aktuellen bildungspolitischen Diskussion in Hamburg. Dort haben fast 200.000 Hamburgerinnen und Hamburger in einem Volksbegehren sich dagegen gewehrt, dass die Mehrgliedrigkeit des Bildungssystems abgeschafft wird. Es macht Sinn, manchmal über die Landesgrenzen hinauszuschauen, wenn man bildungspolitische Debatten verfolgen will. Wir wissen, Bildungspolitik ist eine besondere Länderkompetenz im föderalen Deutschland, aber es macht Sinn, wenn man gemeinsame Debatten führt, zu schauen. Man muss nicht in dem einen Land etwas

zerschlagen, was sich im anderen Land gut bewährt hat. Deshalb ist es wichtig, dass der Koalitionsvertrag hier die richtigen Weichen gestellt hat. Unser Ziel bleibt, ein erfolgreiches Schulsystem weiter auszubauen, die Abbrecherquoten in der Schule zu senken, die geringste soziale Selektivität deutschlandweit weiter zu sichern und zu schauen, dass wir mit Eigenverantwortung der Schule und Qualitätssicherung wichtige Ziele erfüllen. Deshalb ist unser Bildungsplan von 1 bis 10, der dafür die Grundlagen gelegt hat, wichtiger Maßstab. Unsere Aufgabe muss es jetzt sein, die qualitativen Voraussetzungen so zu untersetzen, dass dieser Bildungsplan in dieser Wahlperiode umgesetzt wird.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, dass das alles gelingt, dafür braucht es Wirtschaft als Grundlage unseres Wohlstands und am Ende auch als Voraussetzung des sozialen Ausgleichs. Arbeitsplätze sind und bleiben ein entscheidender Gradmesser für den Erfolg unserer Wirtschaftspolitik. Zu Recht will ich noch einmal an dieser Stelle für uns auch deutlich sagen: Die CDU in Thüringen hat nie und wird auch nie eine Niedriglohnstrategie verfolgen. Es bleibt für uns dabei, für das, was ich vorhin gesagt habe, für gute Arbeit muss es guten Lohn geben, aber nicht der Staat ist der Regler des Lohns in der Lohntüte, sondern der Arbeitgeber und die Wirtschaft. Wir müssen die guten Rahmenbedingungen setzen, dass die Wirtschaft diese Aufgabe erfüllen kann.

(Beifall CDU, FDP)

Meine Damen und Herren, zu diesen Rahmenbedingungen gehört aber auch, dass wir in Zeiten der schwierigen Wirtschafts- und Finanzkrise auch dafür Sorge tragen, dass unser Mittelstand, unsere Handwerksbetriebe Rückgrat unseres Wirtschaftswachstums bleiben. Deshalb müssen wir bei den Clustern, aber auch bei den kleinen Handwerks- und Mittelstandsbetrieben schauen, dass wir sie unterstützen können und durch diese schwierigen Fahrwasser der Krise führen können. Deshalb gehört auch dazu, im Besonderen beim Thema Opel zu schauen, was passiert mit Opel in Eisenach, aber auch nicht die Zulieferbetriebe in Thüringen zu vergessen, weil wir wissen, dass vor allen Dingen die Zulieferindustrie in Thüringen ein besonderer Ort dafür ist, dass sich Arbeitsplätze finden und dass die Menschen mit ihrer eigenen Arbeit auch ihre Familie ernähren können. Deshalb gehört beim Blick zu Opel immer auch der zur Zulieferindustrie. Deshalb ist es richtig, dass wir gemeinsam mit der Landesregierung sagen, wenn ein tragfähiges Gesamtkonzept vorliegt, dann wollen wir auch weiter schauen, welche Unterstützung können wir aus dem kleinen Freistaat Thüringen heraus leisten. Aber wichtig ist

vor allen Dingen, dass sich Verlässlichkeit dadurch auszeichnet, dass Politik auch glaubwürdig in der Ausdrucksweise bleibt. Ich will daran erinnern, wenn ich mir die Rede von Herrn Ramelow heute angehört habe, heute hat er kritisiert, dass GM Hilfen bekommen soll, wenn ein tragfähiges Konzept vorliegt. Noch im letzten Plenum mit der Drucksache 5/54 hat die PDS gefordert, dass wir dafür Sorge tragen sollen, dass es keine weiteren Zusagen an General Motors hinsichtlich Bürgschaft und Kredite geben soll. Heute wurde genau das Gegenteil gefordert. Ich glaube, für die Beschäftigten im Automotive-Cluster in Thüringen ist es wichtig, dass sich Verlässlichkeit auch auszeichnet, dass man dasselbe, was man bei Demonstrationen sagt, auch hier im Parlament wiederholt. Wir stehen für diese Verlässlichkeit in Eisenach ein.

(Beifall CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, damit diese attraktiven Lebensbedingungen auch am Ende geschaffen werden können, braucht es vor allen Dingen einen ländlichen Raum und städtische Regionen, die miteinander gut funktionieren und wo ein gutes Gleichgewicht geschaffen wird. Deshalb ist es wichtig, dass wir den ländlichen Raum stärken in seiner Vielfalt, in seiner Eigenständigkeit und in seiner Integrationskraft, weil viele Bürgerinnen und Bürger in Thüringen dort ihre Heimat gefunden haben und dort auch verbleiben wollen. Deswegen müssen wir auch dem ländlichen Raum eine Garantie geben. Die Garantie macht sich fest in Infrakstrukturmaßnahmen, sie macht sich fest in dem weiteren Ausbau und der Unterstützung der Sanierung unserer dörflichen Kerne und sie macht sich auch fest in den weiteren Aufgaben in Abwasserinvestitionen. Ihre Äußerung von vorhin, Herr Ramelow - zu sagen, Sie fordern einen Stopp der Ausgaben bei Abwasserinvestitionen -, heißt, den ländlichen Raum veröden zu lassen und der Perspektive zu überlassen, wie Sie es in 40 Jahren DDR getan haben. Wir wollen das ausdrücklich nicht.

(Beifall CDU)

Deshalb soll die Dorferneuerung zur Dorfentwicklung ausgebaut werden. Wir wollen keine abgesiedelten Dörfer. Wir wollen eine positive Antwort auf die demographische Entwicklung. Die kann nicht lauten, dass ganze Landstriche aufgegeben werden. Wir brauchen überall eine Perspektive in Thüringen, aber wir brauchen sie auch und insbesondere im ländlichen Raum.

(Beifall CDU)

Deshalb ist für uns wichtig, dass wir auch die Strukturen des Zusammenlebens beachten. Deshalb sagt

der Koalitionsvertrag, dass wir noch einmal gutachterlich prüfen werden, ob die Strukturen, in denen wir leben, vernünftig sind, ob sie finanzierbar sind und ob sie eine Veränderung der Struktureinsparpotenziale aufzeigen. Aber für die CDU-Fraktion will ich hier deutlich sagen, wir wollen uns dieser Begutachtung vorbehaltlos stellen. Wir wollen schauen, welche Chancen sich aus dem Gutachten ergeben. Aber ich will ganz deutlich sagen, wir finden, dass die Strukturen vor allen Dingen auf Kreisebene, wie wir sie vorfinden, zukunftsgerecht sind und dass es sich lohnt, in diesen Strukturen die Verwaltung so weiterzuentwickeln, dass wir uns diese Verwaltung als Raum der Verantwortung auch leisten können.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, entscheidend ist für uns, dass es keine Experimente gibt. Wir wollen weder einen sinnlosen Umbau der Landesverwaltung, noch wollen wir der Zweistufigkeit der Verwaltung das Wort reden. Die Enquetekommission hat festgestellt, dass Zweistufigkeit gerade keine Verbesserung bringen würde. Wir wollen deshalb an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich etwas zum Landesverwaltungsamt sagen: Zu Recht hat die Ministerpräsidentin den Beschäftigten im öffentlichen Dienst gedankt. Wir wollen ausdrücklich auch für die gute und wertvolle Arbeit den Mitarbeitern des Landesverwaltungsamts Dank sagen. Wir denken, dass die Behörde so ausgebaut werden kann, dass sie als wichtiges Bindeglied zwischen unserer kommunalen Familie und der Landesverwaltung steht, und darauf wollen wir uns im Ergebnis dieser Arbeit in dieser Wahlperiode konzentrieren.

Meine Damen und Herren, damit das alles am Ende gelingt, damit die Wirtschaft sich entfalten kann, damit Bildungschancen ermöglicht werden können, damit die attraktiven Lebensbedingungen geschaffen werden können, braucht es nachhaltige Politik und nicht zuletzt braucht es eine nachhaltige Finanzpolitik. Es gilt für uns als Christdemokraten insbesondere, was wir darunter verstehen: Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern wir haben sie quasi von den Kindern geborgt. Für politisch Verantwortliche heißt das, dass man nicht auf Kosten der kommenden Generationen leben kann. Das gilt natürlich selbstredend für Natur und Umwelt, das gilt für unsere Ressourcen, das gilt für das Klima, das gilt für die kulturellen Bestände, aber es gilt auch für die Finanzpolitik. Das Denken in Generationen muss für uns quasi verpflichtend sein - jetzt in dieser Wahlperiode und vor allen Dingen darüber hinaus. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Begriff der Nachhaltigkeit auch für unsere Finanzpolitik so verstehen, dass sie einen entscheidenden Beitrag zur Generationengerechtigkeit leisten muss, weil die finanzielle Lage tatsächlich ernst ist. Wir sind

noch nicht angekommen im Aufholprozess zwischen Ost und West. Die Schere ist noch nicht geschlossen. Wir sind ausdrücklich dankbar, dass in den letzten 19 Jahren wir so eine große solidarische Hilfe aus ganz Deutschland bekommen haben über den Länderfinanzausgleich, über den Solidarpakt, über Bundesergänzungszuweisungen. Wir wollen an dieser Stelle - 20 Jahre nach der friedlichen Revolution - noch einmal Danke sagen für die große solidarische Unterstützung, die wir als junges Bundesland bekommen haben.

(Beifall CDU)

Aber die Wirtschafts- und Finanzkrise macht auch vor den Einnahmen in Thüringen nicht Halt. Deshalb werden im Ist die Einnahmen im nächsten Jahr 314 Mio. € unter dem Niveau von 2009 liegen. Dramatisch sind die Zahlen - das hat die Ministerpräsidentin genannt -, wenn man die Steuerschätzungszahlen miteinander vergleicht. Ich will mich aber orientieren an den tatsächlichen Einnahmen in diesem Jahr und nächstem Jahr. Zu den 314 Mio. € Mindereinnahmen im nächsten Jahr kommen auch Mehrausgaben durch Tarifsteigerungen und Besoldungsanpassungen von ca. 200 Mio. €, und die Einnahmen werden sinken beim Aufbau Ost, beim Länderfinanzausgleich und bei der EU-Förderung. Deshalb gilt - und das muss gelten für nachhaltige Finanzpolitik und es muss Maßstab unserer Politik sein -, immer dann, wenn es geht, wenn nicht außergewöhnliche Situationen wie die, in der wir uns gerade befinden, uns ereilen, dann müssen wir uns verpflichten, Haushalte aufzustellen ohne neue Schulden. Der Haushalt braucht in Krisenzeiten Luft zum Atmen. Er darf die Konjunktur nicht abwürgen. Aber es muss deshalb gelten, Schulden sind kurzfristig vertretbar, aber langfristig nicht tragbar.

(Beifall CDU)

Wir haben uns deshalb als Christdemokraten vorgenommen, mit diesem Koalitionsvertrag dazu beizutragen, dass das Ausgabenniveau bis 2014 unter dem des Jahres 2009 geführt wird. Das ist kein leichter Weg, es wird uns auch Zumutungen abverlangen. Wir sind deshalb vor allen Dingen auch als Politiker gewählt vom Volk, um diese Zumutungen zu verantworten. Sie müssen ausgewogen sein, Chancen eröffnen, Bildungsmöglichkeiten eröffnen, unsere Zukunftsstrukturen sichern. Wir müssen Forschung und Innovation zulassen. Wir müssen die Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft schaffen, aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass das alles sich in ein Nichts auflöst, wenn wir uns diese Ausgaben in der Zukunft nicht mehr leisten können. Deshalb ist eine konsequente Ausgabenkritik unumgänglich und auch ein damit einhergehender Abbau von Landespersonal. Wenn sich die demographische Ent

wicklung in Thüringen fortsetzt, wenn wir weniger Einwohner im Jahr 2020 haben werden als 1990, dann müssen wir auch unsere Strukturen in der Landesverwaltung an diese demographische Entwicklung anpassen. Wir sind auch aus einem ganz anderen Grund dazu gezwungen, weil auch die Zuweisung durch Dritte im Rahmen des Länderfinanzausgleichs davon abhängig ist, wie viele Einwohner wir in Thüringen haben. Sinkt diese Einwohnerzahl, dann sinkt aus diesem Grund auch unsere Zuweisung im Länderfinanzausgleich. Wenn weniger Geld vorhanden ist, muss man die Strukturen daran anpassen. Deshalb sind wir dankbar, dass CDU und SPD vereinbart haben, dass die Mehrausgaben im Koalitionsvertrag unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen und trotzdem ermöglichen, dass unter dem Blickwinkel des Abbaus von Personal wir auch sicherstellen, dass ein Einstellungskorridor für junge Leute, die im Lehrer-, Erzieherberuf oder bei der Polizei tätig werden wollen, garantiert wird. Das ist wichtig, weil er die Perspektiven schafft.

(Beifall CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, dazu gehört, wenn wir das auf den Weg bringen, dass uns dann nicht bange sein muss vor einer guten Zukunft in diesem Freistaat Thüringen.

Ich habe zu Beginn gesagt, wir haben in dieser Koalitionsvereinbarung ein neues Kapitel Thüringer Erfolgsgeschichte aufgeschlagen und wir sind überzeugt, dass es ein erfolgreiches Kapitel wird. Dafür haben die letzten Landtage seit 1990 und alle Regierungen ein solides Fundament gelegt. Mit dem Koalitionsvertrag haben wir wichtige, neue Impulse gesetzt. Uns verbindet der Wille, gemeinsam etwas für Thüringen zu bewegen. Wir wollen mehr bewegen. Wir wollen ein starkes Thüringen. Wir wollen ein Thüringen, das innovativ ist. Wir wollen ein Thüringen, das nachhaltig ist, das sich sozial und weltoffen den Bürgern gegenüber zeigt. Daran wollen wir die nächsten fünf Jahre arbeiten. Wenn wir nach fünf Jahren, am Ende dieser Wahlperiode sagen können, dass Thüringen noch besser dasteht als heute, dann hat sich diese Arbeit gelohnt. Wir haben als CDU-Fraktion den Ehrgeiz, dazu unser Bestes beizutragen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Siegesmund zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wollen wir leben, wie soll Thüringen in Zukunft aufgestellt sein, wie spricht man über uns in Hamburg, Wien und Lissabon? Wo ist also der große Wurf, wo die Vision, die uns hier glänzen lässt? Ich sage Ihnen, es gibt sie nicht, weil sie, die Regierungskoalition, nicht mutig ist, weil sich die SPD hinter der CDU versteckt und weil diese Koalition kleine Trippelschritte macht, statt echte Reformen anzupacken. Das ist in etwa so, als starte der Tiger zum Sprung und lande dann gleich als Bettvorleger.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ach, der Vergleich ist alt.)

Das ist zögerlich, unentschlossen und ziemlich halbherzig. Vor allen Dingen ist es eine verpasste Chance, eine, die meinerseits die Freude darüber trübt, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN endlich wieder im Landtag sind. Wir haben darauf lange gewartet und lange darauf hingearbeitet. Wir wünschen uns eine neue politische Kultur, hoffen auch, dass die zustande kommt, und ich freue mich ausdrücklich auch auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen hier in diesem Hohen Haus. Ich kann Ihnen versichern, dass es uns nicht an Impulsen mangelt und dass wir den Mut zum Aufbruch auch haben.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wir auch.)

Wir wollen Zukunft in Thüringen gestalten, wir wollen Thüringen zukunftsfähig machen und das geht aus unserer Sicht vor allen Dingen, wenn drei Punkte im Mittelpunkt stehen: Eine Energiewende muss im Mittelpunkt stehen, eine konsequente Bildungsreform und eine solide Haushaltspolitik. Unser Kurs ist konstruktive Opposition. Wir hoffen, dass wir einen Stil finden, einen Stil des Miteinander, einen Stil des politischen Zuhörens, der dies genau befördert.

Lassen Sie mich mit dem Punkt Bildung und Kultur beginnen. Es ist schon reichlich mutig, wozu die Sozialdemokraten sich jetzt entschlossen haben. Sie gehen zusammen mit einer Partei in eine Koalition, die jahrelang selbstherrlich das dreigliedrige Schulsystem gelobt hat, die beratungsresistent in der frühkindlichen Bildung war und die mal eben Thüringens Kulturlandschaft so zusammenstutzen wollte, dass bis heute in Hamburg und anderswo über uns der Kopf geschüttelt wird, ob wir eigentlich wissen, was wir tun. Es ist noch gar nicht so lange her, dass in diesem Hohen Hause Worte gefallen sind wie „die

CDU macht vieles, aber wenig richtig“ - und die kamen von den Sozialdemokraten; die haben bis heute auch recht. Die Familienoffensive hat uns nichts genutzt in Thüringen, sie hat uns geschadet und das muss jetzt wiedergutgemacht werden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das muss gutgemacht werden mit dem neuen KitaGesetz und da muss die SPD jetzt die Suppe auslöffeln, die die CDU in der vergangenen Legislatur angerichtet hat. Guten Appetit, frohes Schaffen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie waren der CDU, liebe Sozialdemokraten, an der Stelle schon ein gutes Stück voraus. Es gibt die gemeinsame Vorlage dieses Gesetzentwurfs mit der LINKEN und mit uns - der wird nun heute ohne Sie eingebracht. Ich bin sehr gespannt, wie wir auch in Zukunft auf Sie zukommen können und welches Herz sich am Ende bei Ihnen durchsetzt - das inhaltliche oder das koalitionäre - und wie am Ende Kopf, Herz und Hand da gemeinsam arbeiten. Wenn Sie sich bildungspolitisch treu bleiben wollen, wird es für Sie hier nicht einfach. Da muss man sich nur den Koalitionsvertrag ansehen. Die Ministerpräsidentin hat vorhin gesagt, Bildung ist die Schicksalsfrage unseres Landes und das ist völlig richtig. Nur, statt endlich umzusteuern hin zum längeren gemeinsamen Lernen mit individueller Förderung, preisen Sie im Koalitionsvertrag die Gemeinschaftsschule als weitere Möglichkeit neben der bisherigen Gliedrigkeit. Das klang im Wahlprogramm der SPD übrigens ganz anders. Jetzt wird das Hohelied auf die Beliebigkeit gesungen und einen klaren Schnitt gibt es nicht. Was bleibt, ist Konfusion; wer will, der kann, wer nicht kann, hat Pech. Das ist bitter.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fragen Sie den Landeselternverband, fragen Sie den Lehrerverband in Thüringen - alle sagen, die Selektion nach der vierten Klasse ist zu früh und Sie wissen das auch. Gerade angesichts der sozialen Frage, bei der Kinder aus sozial benachteiligten Familien oft hinten runterfallen, muss hier anders agiert werden. Hier regiert nun das Prinzip Hoffnung. Wenn die Kommunen ohne Landesunterstützung ihre Haushalte aufstellen - dazu komme ich gleich noch - und sich freiwillig so ein bisschen Gebietsreform verordnet haben, dann können sie sich jetzt auch noch um die Bildungspolitik kümmern und um die Kommunalisierung ihrer Schulen. Das ist ganz prima. Wenn wir noch mehr Kompetenzen abgeben, haben wir hier bald gar nicht mehr viel, über was wir reden müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stichwort freie Schulen: Hier hatten wir immer wieder gleiche Rahmenbedingungen gefordert. SchwarzRot schweigt gänzlich zu dieser Frage, wie wir auf eine Ebene kommen. Frau Lieberknecht hat vorhin gesagt, alle Kinder müssen uns gleich viel wert sein. Die Kinder in freien Schulen sind diesem Land aber nicht gleich viel wert. Vielmehr ist es so, dass es viele reformpädagogische Konzepte gibt nebeneinander und dass freie Schulen sehr wohl ihre Türen öffnen, dass sie aber finanziell nicht gleichgestellt sind. Es kann auch nicht Ihr Ernst sein, dass wir in Städten wie Jena, in denen wir seit Jahren zahlreiche Schulkonzepte nebeneinander haben und wir erprobt haben, was gut ist, was funktioniert und was nicht, dass wir das jetzt noch länger erproben müssen. Da sind wir schon einen Schritt weiter, das muss nicht sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist übrigens ein Spiel auf Zeit und die haben unsere Kinder und Jugendlichen eigentlich nicht. „Zukunft nennt sich Kinder“ hieß es vorhin in der Regierungserklärung völlig richtig, aber auf Zeit spielen, ist an der Stelle einfach falsch.

Wenn wir uns an die Spitze der ostdeutschen Länder stellen wollen - und ich gehe einmal davon aus, dass wir das hier alle wollen -, dann muss gerade im Bereich Bildung deutlich mehr passieren. Nehmen Sie die frühkindliche Bildung ernst, stellen Sie genügend Erzieherinnen ein, schaffen Sie die Gliedrigkeit des Schulsystems ab und stellen Sie die freien Schulen gleich. Die vier Punkte - und wir haben ein großes Stück geschafft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kümmern Sie sich vor allem - ganz wichtig, wir haben Bildungsstreik - um die Universitäten. Die Audimaxe in Jena und in Erfurt sind besetzt. Ich war gestern an der Universität Erfurt und habe mit den Studierenden diskutiert. Ich kann Ihnen versichern, sie wollen Qualität, sie scheuen keine Strukturdebatte, sie wollen gute Lehre, sie wollen Mitspracherechte und sie wollen mitgestalten. Man muss sie nur lassen und dafür haben wir hier die Handhabe. Deswegen sollten wir uns auch darum kümmern, auf sie zuzugehen. Ich wünsche mir, dass wir hochschulpolitisch schnell in Vorhand kommen, sonst ist der Campus Thüringen schneller ausgedünnt, als wir Abwanderung buchstabieren können.