Protocol of the Session on December 8, 2010

Wenn jetzt bei der Finanzierung es nicht zu einem entsprechenden Umdenken kommt, dann brauchen wir wieder den Druck, dann müssen die Eltern und die Spitzenverbände protestieren, dann werden sie in den nächsten Tagen entsprechende Leser- und Leserinnenbriefe schreiben, dann wird es entsprechende Demonstrationen geben und dann werden Sie vielleicht auf diesen Druck der Betroffenen reagieren müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich muss jetzt mal schauen, wie viel Redezeit es noch gibt. Es gibt noch drei Minuten Redezeit. Herr Abgeordneter Kuschel, drei Minuten haben Sie für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hey, eine Reform kann noch so schön ausgestaltet sein, wenn aber die Kosten andere zu tragen haben, in dem Fall die Kommunen und Eltern, ist sie im Grunde genommen nicht das wert, was wir damit beabsichtigt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Es gab andere Zusagen, es gab andere Versprechen. Dass das Volksbegehren für eine bessere Familiepolitik die Unterschriftensammlung abgebrochen hat, hing mit der Zusage der SPD zusammen, nicht nur das Volksbegehren inhaltlich im Gesetz umzusetzen, sondern auch die Finanzierung so zu gestalten, dass die Mehrkosten daraus ausschließlich das Land trägt.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Beides haben wir gemacht.)

Dies ist nicht geschehen. Dann, Herr Hey, sagen Sie - das ist doch wirklich ein Skandal -, Sie setzen sich für ein neues Finanzausgleichsgesetz ein

(Unruhe CDU, SPD)

und Sie haben ein neues Gesetz eingebracht ohne Neuheiten. Da bleiben alle Regelungen im Wesentlichen unangetastet.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie lügen ganz bewusst.)

Wann wollen Sie es denn machen, wenn nicht jetzt, wo Sie in der Regierung sind. Da gehört es nun mal dazu, wenn ich mich in der Regierung nicht durchsetzen kann, muss ich überlegen, ob es mit dem Partner geht. Es stehen ja andere Partner zur Verfügung.

(Unruhe CDU, SPD)

Da müssen Sie es eben probieren. Es ist doch gar nicht so schwer. Ich würde mich mal freuen; also Herr Fiedler auf der Oppositionsbank - das wäre doch mal ein Ereignis.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das erlebst Du nicht.)

Aber Sie sorgen ja für etwas anderes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt sagt der Generalsekretär der CDU, die Kommunen sollen selbst entscheiden. Worüber sollen sie denn

(Abg. Renner)

entscheiden können? Wir geben ihnen allgemeine Schlüsselzuweisungen und versehen sie mit einer Zweckbindung, nämlich über die Regelung im Gesetz. Da brauchen wir ihnen auch keine allgemeinen Zuweisungen ohne Zweckbindung zur Verfügung zu stellen. Da kommen die sich alle veralbert vor. Alle kommen sich veralbert vor. Sie stocken den Finanzausgleich um 90 Mio. € auf und auf der anderen Seite nehmen Sie die gleiche Summe, 90 Mio. €, weg, indem Sie sagen, die Kommunen sollen mal durch die Hintertür die Steuern erhöhen. Was ist denn das für eine Politik? Dann wundern Sie sich, dass die Kommunen, die Eltern und die Betroffenen nicht verstehen, dass Ihre Finanzierung eben nicht aufgeht. Sie geht nicht auf.

Eine letzte Anmerkung: Wie wollen Sie 2013 eine Spitzabrechnung vornehmen, oder 2012, wenn Sie nahezu 60 Prozent der Zuweisungen über allgemeine steuerkraftabhängige Zuweisungen an die Kommunen ausreichen? Wie soll denn das funktionieren? Dann sagen Sie es ehrlich, es wird keine Spitzabrechnung geben. Das haben Sie nur gemacht, um die Leute jetzt etwas ruhig zu stellen, um zu sagen, habt mal Vertrauen. Ich habe die Bürgermeister so verstanden, die Zeit des Vertrauens ist vorbei. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt schaue ich einmal in Richtung Landesregierung. Herr Innenminister Geibert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Abgeordnete Sojka - sie ist gerade im Abgang -,

(Heiterkeit im Hause)

ich finde es beeindruckend, dass Sie eingestehen, dass Sie die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Voigt nicht verstanden haben. Ich kann Sie beruhigen, die Ausführungen sind zutreffend, und all das, was Sie verbreitet haben an Irritationen, an zusätzlicher vermeintlicher Argumentation, an Gesichtspunkten von einer Gebietsreform bis hin zu einer Länderfusion, hat weder etwas mit dem Thema zu tun, noch ist es zielführend, noch bringt es uns hier in der Diskussion einen Schritt voran.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Das hat etwas mit lebenswerten Kommunen zu tun, die wird es immer geben.)

Die FDP-Fraktion wirft mit ihrem Antrag die Frage auf, ob die Novelle des Thüringer Kindertagesstättengesetzes zu steigenden Elternbeiträgen führt. Wenn damit die Frage gemeint sein sollte, ob der

durch das Kindertagesstättengesetz verursachte Finanzbedarf vollständig im Kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt wurde, so kann die Frage klar mit Ja beantwortet werden.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nein.)

Es wird nicht besser, wenn Sie etwas Falsches dazwischenrufen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie dürfen nicht alles vorlesen, was da drauf- steht, das ist falsch.)

Bei so vielen Irritationen, die heute schon da waren … Herr Abgeordneter Kuschel, ich komme noch dazu, Ihre Irritationen im Kommunalen Finanzausgleich - morgen haben wir zu dem Thema sicherlich noch viel Gelegenheit - auszuräumen und vielleicht das eine oder andere zur Klarstellung zu sagen. Ein bisschen überrascht bin ich natürlich auch, wenn ein befreundeter Innenpolitiker vom Kommunalen Finanzausgleich als Geldhäckselmaschine redet. Ich bringe bei Gelegenheit mal unser Formblatt mit, aus dem sich ergibt, welche Systematik darin steckt. Eine Geldhäckselmaschine ist das nicht, es ist der horizontale und vertikale Finanzausgleich, der zur Stärkung der Schwachen und damit zur Begünstigung dann auch der anderen dienen soll.

(Unruhe im Hause)

Lassen Sie mich zunächst die Frage der Finanzierung des Finanzbedarfs der Kommunen, der ihnen aufgrund der Wahrnehmung der Pflichtaufgaben nach dem Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz entsteht, nochmals erläutern: Wie der Gesetzesbegründung zu § 3 des Finanzausgleichsgesetzes im Einzelnen zu entnehmen ist, wird auch der Finanzbedarf der Kommunen, der durch die Wahrnehmung der Pflichtaufgaben nach dem Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz entsteht, bei der Ermittlung der angemessenen Finanzausstattung der Kommunen berücksichtigt, und zwar - das kann man ausdrücklich erneut betonen - vollständig berücksichtigt. Die Kostenprognose wurde durch das zuständige Fachressort gewissenhaft erstellt. Nach dessen Berechnungen, die selbstverständlich von der übrigen Landesregierung mitgetragen werden, belaufen sich die im Rahmen der Berechnung der angemessenen Finanzausstattung zu berücksichtigenden Gesamtkosten der Kommunen für diesen Aufgabenbereich im Jahr 2011 auf insgesamt rund 529,73 Mio. € - 529,73 Mio. € für diese Aufgabe ist eine gewaltige Leistung für unser Land. Diese Gesamtkosten setzen sich zusammen aus geschätzten rund 525,5 Mio. € für Betriebskosten in Kindertageseinrichtungen und für Kindertagespflege sowie 4,23 Mio. € für Aufgaben nach § 19 Abs. 4 und 7 Kita-Gesetz, die dort normiert sind. Da diesen Gesamtkosten im Jahr 2011 sowohl geschätzte Mittel Dritter in Höhe von 8,7 Mio. € als auch geschätz

(Abg. Kuschel)

te Einnahmen aus Elterngebühren in Höhe von insgesamt rund 78,8 Mio. € gegenüberstehen, galt es, den verbleibenden ungedeckten Finanzbedarf in Höhe von rund 442 Mio. € vollständig bei der Berechnung der angemessenen Finanzausstattung zu berücksichtigen. Im Vergleich zum ungedeckten Finanzbedarf des Jahres 2010 in Höhe von 351,8 Mio. € ist dies im Jahr 2011 ein berücksichtigungsfähiger Mehrbedarf in Höhe von gut 90 Mio. €, der eingestellt wurde.

Nach dem von der Landesregierung eingebrachten Gesetzentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, der im Übrigen auch von meinem Kollegen aus dem Bildungsministerium uneingeschränkt mitgetragen wird, wird der ungedeckte Finanzbedarf im Jahr 2011 - also die 442,23 Mio. € - bereits zu einem großen Teil, nämlich in Höhe von 172,4 Mio. €, als Landespauschale über die Regelung des § 24 Finanzausgleichsgesetz in Verbindung mit § 19 Kita-Gesetz als besondere Ergänzungszuweisung an die Kommunen ausgereicht.

Der Restbetrag in Höhe von knapp 270 Mio. € geht rechnerisch in die Schlüsselmasse ein. So gesehen wird also nicht nur der Mehrbedarf der Kommunen im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2010 in Höhe von rund 90 Mio. €, sondern der gesamte ungedeckte Finanzbedarf des Jahres 2011 in Höhe von rund 442 Mio. € im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs des Jahres 2011 berücksichtigt.

Wie eben ausgeführt, wurden bei der Berechnung des ungedeckten Finanzbedarfs der Kommunen Elternbeiträge in Höhe von rund 78,8 Mio. € berücksichtigt. Die Steigerung zum Jahr 2010, in dem Elternbeiträge in Höhe von 70 Mio. € unterstellt wurden, beruht lediglich auf einer höheren Anzahl von betreuten Kindern und damit natürlich auch Gebührenzahlern und sonst nichts. Bei der Ermittlung des Finanzbedarfs der Kommunen unterstellte und unterstellt die Landesregierung daher, dass die Kommunen die Elternbeiträge eben nicht erhöhen, auch wenn es durchaus denkbar gewesen wäre, hier ähnlich wie bei den Hebesätzen fiktive Mehreinnahmen der Kommunen aus höheren Elternbeiträgen zu unterstellen, was den Alimentationsbedarf der Kommunen durch das Land auch entsprechend reduziert hätte. Es ist aber nicht erfolgt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kostendeckungsgrad der Kindertageseinrichtungen im Landesdurchschnitt in Thüringen aus Elternbeiträgen im bundesweiten Vergleich relativ niedrig ist auch das muss man sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf diese Anrechnungsmöglichkeit zu verzichten, ist ein klares Bekenntnis des Freistaats, dass die Verbesserung der Standards in den Kitas eben nicht zulasten der Eltern gehen soll.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Dafür sollen sie dankbar sein, ja?)

Das ist eine gute Anregung.

Wenn Sie nunmehr einwenden, dass die angemessene Finanzausstattung der Kommunen im Jahr 2011 trotz der Mehrkosten in Höhe von 90 Mio. € für die Umsetzung der Kita-Novelle nur lediglich um 10 Mio. € im Vergleich zum Vorjahr anwächst, ist dies einzig dem Umstand geschuldet, dass bei der Berechnung der angemessenen Finanzausstattung der Kommunen - insoweit abweichend zu den Vorjahren und vielleicht ein bisschen ein Vorgriff auf morgen - weitere Faktoren zu berücksichtigen waren, die die Leistungspflicht des Landes reduzieren. Hierzu zählt insbesondere die Anrechnung fiktiver Mehreinnahmen aus den Realsteuern der Kommunen in Höhe von insgesamt rund 106 Mio. € im Jahr 2011, nachdem lediglich rund 26 Mio. € im Jahr 2010 angerechnet wurden. Die Notwendigkeit, dass die Thüringer Kommunen ihre Einnahmemöglichkeiten stärker als bisher ausschöpfen, wurde seitens der Landesregierung bereits mehrfach im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum FAG erläutert.

Sehr geehrte Damen und Herren, nach der dem Gesetzentwurf innewohnenden Systematik würde die angemessene Finanzausstattung der Kommunen im Jahr 2011 lediglich rund 2,544 Mrd. € statt der jetzt eingestellten rund 2,634 Mrd. € betragen, wenn es keinen Mehrbedarf im Kita-Bereich in Höhe von rund 90 Mio. € geben würde. Mit anderen Worten, der Finanzbedarf der Kommunen, den das Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz verursacht, wird vollständig im Kommunalen Finanzausgleich abgebildet. Wenn nunmehr der eine oder andere Bürgermeister oder Gemeinderat das neue Kindertagesstättengesetz als Argument heranzieht, um Erhöhungen der Elternbeiträge zu begründen, klingt das nach außen vielleicht noch einleuchtend, ist in der Sache jedoch weder zutreffend noch im Ergebnis fair. Ich selbst gehöre einem Kommunalparlament an, in dessen Einrichtungen in dieser Woche die Elternbeiträge schweren Herzens erhöht werden mussten.

Warum erfolgte dies? Zum einen, weil unser freier Träger, der die Hälfte unserer Einrichtungen betreibt, seinen bisherigen Haustarifvertrag anpassen musste und nun zu einer tarifgemäßen Entlohnung wie in unseren anderen kommunalen Einrichtungen auch kommt. Zweitens wurden Sachkostensätze der letzten Jahre angepasst. Drittens wurden die Beiträge wieder auf die ursprüngliche Drittelfinanzierung gehoben. Ich bin sicher, dass in vielen Kommunen ähnliche Gründe für etwaige Erhöhungen ausschlaggebend sind. Herr Bergner hat, denke ich, bewusst von Prozentsätzen gesprochen und relativ überschaubaren Beträgen für sehr große

(Minister Geibert)

Kommunen wie Dachwig, um dies ein wenig zu verschleiern.

Auch die eben propagierte Reduzierung der Schlüsselmasse zugunsten einer Erhöhung der Landespauschalen würde nichts ändern, denn egal welcher Betrag von der Schlüsselmasse in die Landespauschalen für die Kindertagesbetreuung umgeschichtet werden würde, die Kommunen hätten in ihrer Gesamtheit nicht einen einzigen Euro zusätzlich zur Verfügung. Das Geld würde nur anders verteilt, nämlich hin zu den reicheren Kommunen. Den zusätzlichen Einnahmen der Kommunen aus den Landespauschalen würden geringere Schlüsselzuweisungen und höhere Kreisumlagezahlungen gegenüberstehen. Dabei gibt es dann innerhalb der kommunalen Familie durch Verschiebung Gewinner und Verlierer. In der Tendenz wäre es dabei zu einer Verschiebung der Landesleistung hin zu den einnahmestärkeren Gemeinden gekommen, die geringe oder gar keine Schlüsselzuweisungen erhalten sowie zu den kreisfreien Städten, die keine bzw. keine erhöhte Kreisumlage zu zahlen haben.

Egal, ob die Landespauschalen erhöht werden oder nicht, die Städte und Gemeinden sind gehalten, ihre eigenen Einnahmemöglichkeiten insbesondere bei den eigenen Steuereinnahmen, aber auch bei den sonstigen Einnahmen deutlich stärker als bisher auszuschöpfen. Die Kommunen treffen dabei im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung die Entscheidung, in welcher Weise und in welchem Umfang sie den Bürger stärker als bisher an der Finanzierung ihrer Aufgaben und Einrichtungen beteiligen. Dies schließt natürlich auch die Möglichkeit höherer Elterngebühren mit ein. Aber, Frau Abgeordnete Renner, das ist Ihre kommunalpolitische Entscheidung, welche Einnahme Sie erhöhen wollen oder welche Ausgabenseite Sie verringern wollen. Das hat nichts mit diesem Gesetzeswerk zu tun.