Protocol of the Session on October 8, 2010

(Beifall CDU)

Nicht zuletzt deshalb, weil es auch sehr kurzfristig war, dass sich der Thüringer Landtag entschieden hat, die Debatte so früh zu führen. Umso beachtenswerter ist es, dass sie, Frau Ministerpräsidentin, so klar zum Antrag der Linksfraktion heute Stellung genommen haben. Ich möchte mich auch bei meiner linken Herzkammer, bei Uwe Höhn, für seine Stellungnahme der SPD-Fraktion bedanken. Ich will das unterstützen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Da gibt es Kammerflimmern.)

Da gibt es kein Kammerflimmern, da gibt es gemeinsamen Herzschlag. Du hast uns in vielen Dingen nach dem Sinne gesprochen. Vielen Dank für den Beitrag.

(Beifall CDU)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, das hat auch einen Grund. Der 3. Oktober, der am Wochenende gefeiert wurde und in der Woche danach wir uns jetzt befinden, ist tatsächlich ein Tag der Freude und ein Tag der Freiheit, wegen der Wiedervereinigung unseres deutschen Vaterlands, aber auch wegen der Wiederbegründung unseres Freistaats Thüringen, was mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 geschehen ist.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, der Weg dahin, dass diese deutsche Einheit gelingen konnte, den will ich kurz vorher beschreiben. Weil am Anfang der

4. September 1989 in Leipzig steht. Mit der ersten friedlichen Montagsdemo von Bürgerinnen und Bürgern aus der DDR, was sich am 7. Oktober in Plauen fortgesetzt hat, kurz vorher in Dresden und dann in vielen anderen Städten und kleinen Gemeinden in ganz Ostdeutschland. Und weil es der Mut der Bürgerinnen und Bürger der alten DDR war, wurde der Weg zur deutschen Wiedervereinigung begründet und wir können dankbar sein, dass unsere Bürgerinnen und Bürger so mutig waren im Herbst 1989.

(Beifall CDU, SPD)

Ich will gleich zu Beginn sagen, weil ich auch einen Vorschlag in meiner Heimatstadt Apolda gemacht habe und wir am 6. November dort eine Gedenktafel für die erste Montagsdemo, die wir dort gemeinsam organisiert haben, anbringen wollen. Ich will sehr gern den Vorschlag von Uwe Höhn aufgreifen, für eine Gedenkstätte, für einen Erinnerungsort für die friedliche Revolution im Thüringen des Herbstes 1989. Wir werden gemeinsam da initiativ werden. Der Vorschlag ist sehr gut. Wir als CDU-Fraktion unterstützen ihn ausdrücklich.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Natürlich meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Bürgerinnen und Bürger im Herbst 1989 so mutig waren, das lag daran, dass es davor ganz beherzte Bürgerrechtler gegeben hat, die sich engagiert haben in der Initiative Frieden und Menschenrechte, in Demokratie Jetzt, beim Neuen Forum und dann später auch bei den neu gegründeten demokratischen Parteien, in der Grünen Partei in der DDR, bei der SDP, beim Demokratischen Aufbruch und bei all den Gründungen von Bürgerrechtsbewegungen und Parteien, die dann im Herbst 1989 stattgefunden haben. Aber liebe Frau Siegesmund, die kleine Anmerkung sei mir gestattet: Es war auf alle Fälle im Herbst 1989 nicht das BÜNDNIS 90, sondern es waren grüne Aktivisten, die sehr wohl als Bürgerrechtler gearbeitet haben, aber das BÜNDNIS 90 war es jedenfalls nicht, das weiß ich aus historischer eigener Erfahrung sehr wohl.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Block-CDU war es auch nicht.)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sei ja auch nur richtigerweise erwähnt. Nichtsdestotrotz zählen viele, die bei BÜNDNIS 90 später engagiert und bis heute auch dort geblieben sind, zu denen, die als Bürgerrechtler auch ihren Beitrag zur friedlichen Revolution geleistet haben, das ist doch unbestritten.

(Beifall CDU)

Es ging mir auch und nur um den Begriff, deswegen wollte ich das an der Stelle noch einmal sagen.

(Abg. Höhn)

20 Jahre deutsche Einheit und 20 Jahre Thüringen, das ist natürlich - und das sagt ja auch der Antrag der Fraktion DIE LINKE aus - ein Moment für das historische Jubiläum, wo Kritiker und Mahner auf den Plan gerufen werden, weil sie Fehler im Einigungsprozess bemängeln und auf bestehende Defizite beim Angleichungsprozess verweisen. Ich denke, bei allen Abstrichen, die man dazu sagen kann die deutsche Einheit ist allen Problemen zum Trotz ein großer historischer Erfolg, und er ist auch nicht kleinzureden.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich sind im Vereinigungsprozess auch Fehler gemacht worden. Richtig ist auch, dass die jungen Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auch zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung noch nicht vollständig auf dem wirtschaftlichen Niveau der alten Bundesrepublik angekommen sind. Dennoch bleibt nach zwei Jahrzehnten Wiedervereinigung festzuhalten: Ostdeutschland ist im wahrsten Sinne des Wortes auferstanden aus Ruinen, und das war unser Engagement der letzten 20 Jahre, der Bürgerinnen und Bürger und der politisch Verantwortlichen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, es ist ein stürmischer Angleichungsprozess, wie ihn wahrscheinlich die Welt noch nicht gesehen hat, in den letzten zwei Jahrzehnten passiert. Ich denke, meine Damen und Herren, es bleibt also bei dem Antrag der LINKEN, auch heute ein Stück darüber zu sprechen, was haben wir gewonnen und wie sind wir vorangekommen.

Ich will deshalb eines an erster Stelle nennen: Wir haben anstelle einer kommunistischen Parteidiktatur eine parlamentarische Demokratie gewonnen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, es war die SED, die den hybriden Anspruch hatte, Staat, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft auf der Basis eines ideologisch begründeten Wahrheitsanspruchs zu lenken. Sie schaltete dazu alle politischen und sonstigen Konkurrenten systematisch aus. Alles hatte der Umsetzung ihrer Politik zu dienen. Elementare politische Grundrechte wurden den Menschen vorenthalten. Erst mit der friedlichen Revolution des Herbstes 1989 wurden diese Sphären von Gesellschaft, von Wirtschaft, von Kultur und Staat wieder getrennt. Der Staat wurde gewaltenteilig und demokratisch neu organisiert. Parteienpluralismus, Wahl und Abstimmung und politische Grundrechte wurden wieder in Kraft gesetzt.

Meine Damen und Herren, weil ich zu diesem Kapitel der Gleichschaltung der politischen und sonsti

gen Konkurrenten auch gesprochen habe, will ich gern noch einmal einen Hinweis der Abgeordneten Siegesmund aufgreifen, wo sie fragt: Wie steht es um die Rolle der CDU in der DDR? Da will ich ganz klar und deutlich sagen, meine Damen und Herren, es gibt nach meinem Wissen keinen weiteren Landesverband der CDU in Ostdeutschland, der sich so klar und deutlich in seiner eigenen Programmatik zu seiner eigenen Geschichte auch in der DDR bekannt hat. Wer es nicht glaubt, der schaut in unser Grundsatzprogramm unseres Landesverbandes. Dazu gehören aber auch zwei Facetten. Deswegen will ich - es sei mir erlaubt - diesen einen Absatz aus dem Programm noch einmal vortragen, weil ich denke, dass es wichtig ist, dass dann ein für allemal dieser dauernde Vorwurf von anderen an die CDU aufhört, die CDU müsse ihre Rolle in der DDR noch einmal überdenken. Unser Landesverband der CDU in Thüringen hat sich klar und abschließend zu seiner Rolle in der DDR bekannt, zu den Widrigkeiten, zu den Notwendigkeiten, aber auch zu den eigenen Opfern, die wir, die unsere Mitglieder bringen mussten und sogar mit dem Tode bezahlen mussten - das gehört dazu und muss immer wieder gesagt sein.

(Beifall CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, will ich aus dem Grundsatzprogramm zitieren: „Bereits kurz nach ihrer Gründung war die CDU in Thüringen schweren Repressalien ausgesetzt. Etliche Mitglieder mussten ihr Bekenntnis zu unserer Partei sogar mit dem Leben bezahlen. Wie in allen Ländern der sowjetischen Besatzungszone, aus der dann die DDR entstand, wurde die CDU von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als führende Partei zwangsweise gleichgeschaltet. Viele aufrechte Freunde hielten die Idee der christlichen Demokratie auch in den Zeiten der Diktatur wach. Sie versuchten in Nischen zu wirken und konnten so einen Beitrag zur friedlichen Revolution leisten. Gleichwohl hat die CDU in den drei Bezirken, in die Thüringen in der Zeit der SED-Diktatur aufgeteilt war, in diesem totalitären System mitgewirkt. Gerade deshalb stellt sich die CDU der besonderen Verantwortung, nie wieder zuzulassen, dass extremistisches Denken und totalitäre Strukturen die Menschen manipulieren und ihrer Freiheit berauben.“

(Beifall CDU)

Wir sind dafür auch in der nationalen Presse sehr gelobt worden, für diese Klarheit und diese historische Aufarbeitung. Deshalb müssen wir uns nicht dauernd neu belehren lassen. Deshalb ist es wichtig, auch zu konstatieren: Was haben wir noch gewonnen in diesen 20 Jahren Freiheit, in diesen 20 Jahren Wiedervereinigung? Dazu gehört zweitens, dass wir aus geistiger Bevormundung in geistige Freiheit eintreten konnten. Die SED hatte das Ziel, neue Menschen zu schaffen, deren Bewusst

sein durch die Produktionsverhältnisse bestimmt sein sollte. Dafür sollten sie aus alten Bindungen und Traditionen herausgelöst werden, sofern diese dieser eindimensionalen Logik widersprachen. Von der Wiege bis zu Bahre waren sie der Erziehungsdiktatur der beständigen Agitation und Propaganda ausgesetzt. Was der Ideologie grundsätzlich widersprach, wurde unterdrückt. Dieses Treiben verdichtete sich in der Schule, in der buchstäblich zum Klassenhass erzogen werden sollte. Es war 1989/1990 - und das wird zu oft vergessen - deshalb zuallererst auch eine geistige Befreiung von diesen ideologischen Zumutungen. Meinungs- und Informationsfreiheit, freie Medien und die Freiheit der Debatte werden als Früchte der friedlichen Revolution des Herbstes 1989 übersehen und doch sind sie ganz entscheidende Freiheiten, die wir im Herbst 1989 neu dazugewinnen konnten.

(Beifall CDU)

Drittens, meine Damen und Herren, aus einem Unrechtsstaat ist ein Rechtsstaat geworden. Ich schließe mich vollumfänglich - weil wir das auch hier schon mehrmals getan haben - den Ausführungen von Uwe Höhn an, der genau dazu gesprochen hat, warum die DDR ein Unrechtsstaat war; nicht zuletzt deshalb, weil das Verhältnis der Menschen zum Staat nicht war wie das von Bürgern, sondern wie das von Untertanen. Es konnten Eingaben geschrieben werden, aber keine Rechte durchgesetzt werden.

(Beifall CDU, SPD)

Wer in der DDR etwas erreichen wollte, das weiß doch jeder aus Familiengeschichten und viele von Ihnen aus eigenem Erleben, der musste kurz vor den Wahlen - die keine richtigen Wahlen waren Eingaben machen. Dann konnte er vielleicht erreichen, eine neue Wohnung zu bekommen, da konnte er erreichen, dass der Handwerker vielleicht zu ihm gekommen war, aber er konnte diese Rechte nicht gerichtlich einklagen und er konnte seine Rechte nicht durchsetzen. All diese Fragen, die einen demokratischen Rechtsstaat ausmachen, die haben an den Merkmalen in der DDR gefehlt. Deshalb ist es richtig, dass wir gemeinsam das auch so beurteilen und nicht im Nachhinein die Geschichte verklären.

(Beifall CDU, FDP)

Es gab keine Gewaltenteilung, keine unabhängige Justiz, kein demokratisch legitimiertes Parlament als Gesetzgeber und keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg gegen Partei und Staat zu wehren; fehlende Verfassungsgerichtsbarkeit spricht dafür letztendlich Bände, ebenso das Fehlen selbst elementarster Grundrechte, ein politisches Strafrecht, politische Gefangene in großer Zahl und Beschlüsse einer demokratisch nicht legitimierten Staatspartei als Auslegungsmaxime. Der Charakter eines

Rechtsstaates erweist sich nicht darin, dass alltägliche Rechtskonflikte nach Gesetzen gelöst werden, sondern in den Konfliktzonen zwischen dem Staat und seinen Bürgern, weil da die Spielregeln klar geregelt sind.

Heute haben wir einen Rechtsstaat mit einem in der Verfassung verankerten Instanzenweg, in dem die Bürger sich auch gegen den Staat wehren können, selbst über diesen Staat hinaus, wenn wir an die europäischen Institutionen denken. Ist es das nicht wert, sich darüber zu freuen, dass diese Rechte so legitimiert und unumstößlich sind? Ich denke schon.

(Beifall CDU, FDP)

Viertens, meine Damen und Herren, aus einer ineffizienten Zentralverwaltungswirtschaft ist soziale Marktwirtschaft geworden. Wenn man heute die Bürger auch in den neuen Ländern fragt, wie haltet ihr es um die deutsche Einheit und wie haltet ihr es um die soziale Marktwirtschaft, dann sagen 84 Prozent, dass sie zufrieden sind und froh sind, dass sie in Einheit und in sozialer Marktwirtschaft leben und arbeiten können. Wer hätte das gedacht, dass sich das so stark in unserer Gesellschaft fest manifestiert hat und die Leute um den Mehrwert wissen, auch um die besondere Verantwortung, die die soziale Marktwirtschaft mit sich bringt, aber auch um das soziale Netz, was es immer wieder auch neu zu spannen gilt und neu ausjustiert werden muss, aber sie wissen, sie werden vom Staat nicht alleinegelassen und fallen nicht ins Bodenlose und können ihre Chancen nutzen, in der Freiheit auch nach vorn zu kommen.

Meine Damen und Herren, das Wirtschaftssystem der DDR hat die Menschen dagegen um die Früchte ihrer Arbeit geprellt, vielfach Schindluder mit ihrer Gesundheit getrieben, Raubbau an der Natur und an den Ressourcen betrieben und systematisch unternehmerischen Geist erstickt und außerhalb des Ostblocks war die Wirtschaft nicht konkurrenzfähig.

(Beifall CDU, FDP)

Wer das alles nicht glaubt, der erinnert sich: Anfang der 70er-Jahre, als die Menschen um ihr Eigentum gebracht wurden und manche fast 30 Jahre warten mussten, bis sie alles wiederbekommen haben und Familienvermögen wieder neu aufbauen konnten,

(Beifall FDP)

all das gehört dazu und gehört auch an diesem Tag erzählt. Wichtig dabei ist eins, dass die Lebensleistung der Menschen nicht als persönliches Versagen ausgelegt werden darf, nur weil das DDR-Wirtschaftssystem als Misserfolg gekrönt war. Das bleibt immer wieder festzuhalten, es lag nicht an den Menschen, aber es waren die Umstände des Systems, die den Menschen nicht die Freiheit ermöglicht haben, auch den Lohn ihrer eigenen Arbeit zu bekommen und auch zu behalten, sondern dass