Protocol of the Session on October 8, 2010

(Beifall CDU)

einschließlich des Ehrenamts, einschließlich der vielen Initiativen, ich sage bewusst, auch einschließlich der inneren Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Auch das ist eine Erfolgsgeschichte im Freistaat Thüringen, sicherstes Land im letzten Ranking der Länder gewesen zu sein. Lieber Innenminister, wir haben einen großartigen Stand erreicht und wir wissen auch um die Verpflichtung gerade in diesem Bereich für die Zukunft.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind auch ein Land von Weltoffenheit - ich sage es ganz bewusst -, wo wir im Blick auf die Integration Leitlinien, Handlungsempfehlungen zur Integration von Zuwanderern vorgelegt haben mit den Schwerpunkten Sprache, Bildung, Ausbildung, berufliche Integration, soziale Integration. All das findet hier auch statt mit einem Landesintegrationsbeirat, der eingerichtet wird, um auch da einer pluraler gewordenen Gesellschaft Rechnung zu tragen. Das alles geht Hand in Hand in einem Gesamtsystem, in einem Denken, das sowohl die Situation vor Ort als auch unsere Verantwortung im Land einbezieht. Dass Menschen gern zu uns kommen, das wollen wir auch noch weiter ausbauen, dafür stehen auch unsere ländlichen Räume, blühende Landschaften im ländlichen Bereich, wo neben Tourismus aber, und das sage ich auch ganz bewusst, auch aktiv gearbeitet wird, unsere Bäuerinnen und Bauern, wir

haben das Landeserntedankfest, da waren ja auch Kollegen aus allen Fraktionen zugegen, sich wieder präsentiert haben, wo sie aber auch von ihren Nöten gesprochen haben, weil es Menschen gibt in diesem Land, die haben nicht so sichere Verhältnisse wie wir und nicht so sichere Verhältnisse wie in unseren Verwaltungen, sondern sie sind halt angewiesen auf Sonne und auf Regen, auf natürliche Bedingungen. Aber dass dort in einer Selbstverständlichkeit Tag für Tag Arbeit getan wird, die auch zum Erblühen unseres Landes beigetragen hat, auch das verdient die Würdigung und auch dafür stehen wir mit unserer Politik über zwei Jahrzehnte. Unsere Bauern, unser ländlicher Raum gehören elementar zu Thüringen und dies prägt dieses Land.

(Beifall CDU)

Eng verbunden mit unseren Landwirten ist der Bereich der Umwelt, dass wir wieder vom Grünen Herzen Deutschlands sprechen, wenn wir an Thüringen denken. Und ich will nur kurz in Erinnerung rufen: Welche ökologischen Altlasten waren zu bewältigen? Stichwort Rositz, Stichwort die Flüsse, in denen kein Fisch mehr schwimmen konnte, Stichwort Wismut. Spätestens bei der Wismut haben wir eine Region erlebt, in der im wahrsten Sinn des Wortes nicht nur blühende Landschaften entstanden sind, sondern sogar Berge versetzt wurden die sprichwörtlichen Berge. Die Bundesgartenschau 2007 war dafür ein eindrücklicher Beweis.

(Beifall CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir auch wichtig, weil es hier im Haus immer eine große Rolle gespielt hat, und zwar zu Recht, dass wir eine zukunftsfähige Umweltpolitik vor allen Dingen auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sehen, dass wir ein Abkommen haben zwischen der Thüringer Wirtschaft und der Landesregierung, ein Nachhaltigkeitsabkommen Thüringen und dass wir uns in der vergangenen Legislaturperiode hier in diesem Hohen Haus auf die Dekade der Bildung für Nachhaltigkeit eingestellt haben, wo jetzt auch Zwischenbilanz gezogen worden ist, dass wir den Global Marshall Plan in unserem Haus ganz bewusst für uns als Verpflichtung gesehen haben, weil wir sagen, wir sind in Thüringen, aber lasst uns gerade aus Thüringen auch über den Tellerrand hinausschauen in die Welt, weil uns genau dieses nicht egal ist, sondern weil wir auch hier Verantwortung spüren, weil es auch hier gilt, an das Bewusstsein nicht nur von uns, aber auch im Blick auf die Bürgerinnen und Bürger zu appellieren. All das gehört zu einer zukunftsfähigen Entwicklung, zu einem zukunftsfähigen Bekenntnis, was uns verpflichtet, auch in der Regierungsverantwortung zu stehen und wofür wir weiter stehen.

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordneten, das Bild - Sie merken es, es ließe sich ausweiten. Es gibt alle Nachschlagewerke, es gibt ungezählte Reden, die gehalten worden sind zu diesen einzelnen Facetten. Ich will das nicht weiter ausdehnen, nachdem ich das skizzenhaft jetzt für einige Bereiche wirklich deutlich gemacht habe. Ich will nur noch einmal festhalten, so vielleicht, wie wir es auch auf der Kabinettssitzung mit Hessen und Thüringen gemacht haben, wo sehr viele Facetten unserer innerdeutschen Geschichte zum Tragen kamen, wo wir eben festgestellt haben: Wir haben heute die Freiheit, über all das nicht nur frei zu reden, sondern es zu tun, weil uns Freiheit und Verantwortung wichtig sind. Es hatte aber eine Voraussetzung und vor allem hatte es auch viele Menschen, die wir nicht vergessen dürfen. Menschen, die sich über Jahre, manchmal Jahrzehnte dafür eingesetzt haben und leider auch nicht alle das Glück hatten, noch diesen Zustand in Freiheit zu erleben. Menschen 1953, damals mit dem Aufstand gegen das damalige Regime. Menschen, die nichts anderes wollten als die Freiheit und zu den Tausenden von Toten gehören, die an der Mauer, die bei Stacheldraht an der innerdeutschen Grenze ihr Leben gelassen haben, weil man ihnen die Freiheit nicht gegeben hat, nicht ermöglicht hat. Menschen, die aber auch nach wie vor unter uns sind mit allen Schäden, mit allen Folgen des SED-Unrechts, das sie erfahren haben, und für die wir immer eingestanden haben hier im Thüringer Landtag, für die wir eingestanden haben als Landesregierung im Bundesrat mit unseren Bundestagsabgeordneten, um wenigstens anzuerkennen und ein bisschen auch materielle Linderung dieses Unrechts immer wieder einzufordern.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da waren wir auch erfolgreich und auch dieses Kapitel darf nicht zu Ende sein. Ob und wann dieses Kapitel jemals zu Ende sein wird, das können nur die bestimmen, die darunter gelitten haben. Das können die Opfer sagen, aber nicht wir und schon gar nicht die Täter - auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall im Hause)

In Anbetracht dieser Geschichte, zu der auch Jugendliche ein stärker wahrzunehmendes Interesse entwickeln, das haben uns auch die Schüler aus Pößneck und Wiesbaden bestätigt, nach dieser Geschichte der Teilung, nach dieser Geschichte auch von vielen, vielen Beschwernissen, von all den Absurditäten, die zu durchleben waren über 40 Jahre oder, wenn man das gesamte 20. Jahrhundert nimmt, zwei Diktaturen, jetzt nach 20 Jahren deutscher Einheit bei allen Schwierigkeiten, die es auch da gegeben hat, sagen junge Menschen, und ich zitiere auch das noch einmal nach einer gemeinsamen Projektwoche: „Es ist, als wären wir in einer

Klasse.“ Als wären wir in einer Klasse - junge Menschen, die es nicht mehr interessiert, ist hier Ost oder ist hier West, sondern die gemeinsam sehen, sie haben eine Zukunft, die gemeinsam sehen, sie haben Aufgaben, sie haben Möglichkeiten und wo wir auch letztlich in den Blick nehmen müssen, was sind unsere Probleme, was sind unsere Aufgaben heute - Aufgaben, die anders sind, und zwar deutlich anders als vor 20 Jahren, wenn wir an die Aufgaben in einer globalisierten Welt denken, wenn wir an die Aufgaben in einer immer schneller werdenden Kommunikationsgesellschaft denken, wenn wir unsere demographische Entwicklung in den Blick nehmen, wenn wir die Bedarfe, die wir heute im Blick auf wirtschaftlich-technologische Entwicklungen haben, in den Blick nehmen - all das, wo wir sagen, wir haben gemeinsame Aufgaben und daran werden wir gemessen, wie wir sie meistern und welchen Beitrag wir aus Thüringen heraus dafür im Konzert der deutschen Länder leisten, dafür als Region in Europa leisten mit all unseren Partnerregionen, mit denen wir verbunden sind, wo ich ganz besonders auch das Weimarer Dreieck nennen möchte stellvertretend auch für etwas, was wir hier in Weimar, was wir in Thüringen für die nationale Ebene immer wieder auch mitbewegen, da, wo die Menschen vor Ort sind. Das alles gehört dazu.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, es sind 20 Jahre einer tatsächlich erfolgreichen Wiedergründung des Freistaats Thüringen. Ich kann nur hoffen und ich trete dafür mit allem, was ich dazu beitragen kann, und die Landesregierung tut es mit allem, was wir dazu beitragen können, dass dieser erfolgreichen Entwicklung weiter viele Jahre und Jahrzehnte folgen. Die Menschen haben Thüringen nicht wieder gewollt, damit wir es in Kürze oder wie auch immer wieder aufgeben, sondern wir stehen hier für eine Entwicklung, die wir für die Menschen im Freistaat Thüringen weiter voranbringen wollen, dazu die richtigen Entscheidungen weiter zu treffen, auch mithilfe dieses Hohen Hauses. Darauf stelle ich mich gern ein, darauf freue ich mich. Herzlichen Dank und jetzt noch eine gute Debatte.

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion erhält die Abgeordnete Hitzing das Wort. Frau Hitzing, ich muss noch ein Versäumnis meinerseits klären. Das war ein Sofortbericht. Wird die Aussprache zum Sofortbericht gewünscht? Bestätigen das alle Fraktionen? Das ist so. Danke. Frau Hitzing, jetzt Sie zum Sofortbericht.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, 20 Jahre Neubildung des Freistaats Thüringen, die Landesprobleme und Per

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

spektiven. Zu Beginn möchte ich Ihnen sagen, ich bin der Fraktion DIE LINKE an der Stelle schon in einer gewissen Weise dankbar, dass das Thema aufs Tableau gekommen ist des heutigen Tages, dass wir darüber reden und Revue passieren lassen, was in den letzten 20 Jahren passiert ist. Ich finde es richtig, dass der Landtag als gewählte Vertretung der Thüringer Bevölkerung hier in einer offenen Debatte über genau diese 20 Jahren spricht, zwei Jahrzehnte seiner Existenz, der Existenz des Freistaats Thüringen.

Gestatten Sie mir, dass ich als Erstes die letzten Sätze der Frau Ministerpräsidentin aufnehme, die gerade sagte: Die jungen Leute sehen überhaupt keinen Unterschied mehr und sagen, es ist als wären wir in einer Klasse. Ich möchte das gern aus meinem Erfahrungsschatz untermauern. Meine Tochter ist 22 Jahre und für sie war das nie wirklich ein Thema, also kein bewusst erlebtes Thema. 20 Jahre haben wir die veränderte Bundesrepublik Deutschland, wir haben die Neubildung des Freistaats Thüringen. Für meine Tochter sind diese 20 Jahre, also sie kann das überhaupt nicht nachvollziehen, was da so vor den 20 Jahren war. Sie ist ganz normal als Kind groß geworden mit anderen Kindern, die, egal wo sie herkamen, aus Hessen, Niedersachen, was weiß ich wo, also es gab da nie irgendwie ein Thema und es gab kein Ost und West, es sei denn, wir als Eltern haben ihr davon erzählt. Das ist auch wichtig so. Es gibt genauso gut für sie auch das Thema Nord und Süd. Sie ist im Ausbildungsbereich momentan unterwegs und für sie ist viel interessanter die unterschiedliche Sprache zwischen Thüringen und Bayern zum Beispiel.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das gibt es doch gar nicht.)

Das sind Dinge, worüber sich die jungen Leute vielleicht lustig machen, aber dieser Unterschied ist für sie nie richtig wahrgenommen worden, aber an einer Stelle hat sie es sehr, sehr doll wahrgenommen. Ich war mit ihr vor zwei Jahren in Berlin und u.a. haben wir uns dort das Stasigefängnis Hohenschönhausen angesehen und haben eine Führung von einem Herrn genießen können - wenn man das Wort hier überhaupt so gebrauchen darf -, der selbst dort Insasse war. Was uns dort erzählt wurde und wie man dort mit den Leuten umgegangen ist und die Hintergründe der Geschichte, das hat sie so schockiert, dass sie an irgendeiner Stelle nicht mehr gesprochen hat. Da gibt es in Hohenschönhausen eine Zelle, die ist ausgepolstert mit schwarzem Leder - so eine schwarze Dunkelzelle -, sie hat da mal hingeschaut, dann war sie aber fertig. Also ich muss sagen, sie war da so ein bisschen selber mit sich und der Welt fertig und so etwas von schockiert, dass wir da eine ganze Weile darüber reden mussten hinterher, denn es kommt selten vor, dass meine Tochter sprachlos ist, die hat da

ein bisschen etwas von mir geerbt, aber an der Stelle musste ich ihr wirklich in einem langen und einfühlsamen Gespräch vieles erklären. Das sind die Stellen, die sind ganz wichtig, da müssen wir reden mit unseren jungen Leuten und das ist mir damals als Mutter sehr bewusst geworden.

(Beifall FDP)

Gerade die offene Debatte und damit die Chance, seine eigene Meinung ohne Angst vor Repressalien zu formulieren, ist eine - wenn nicht „die“ - Errungenschaft, für die die mutigen Bürger der DDR im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind.

(Beifall CDU, DIE LINKE, FDP)

Das Recht zur freien Meinungsäußerung und damit auch die Möglichkeit, kritische Worte öffentlich und nicht bloß im Kreis der Familie sagen zu dürfen, ohne Angst aussprechen zu können, ist von ganz grundlegendem Stellenwert.

(Beifall FDP)

Dieses Recht ist Zeichen unserer demokratischen Gesinnung und ein elementarer Baustein unserer freiheitlichen Gesellschaft, sehr verehrte Damen und Herren. Wir Liberale sind dafür bekannt und von einigen Seiten auch dafür berüchtigt, den Wert der individuellen Freiheit besonders zu betonen. Freiheit bedeutet für uns, dass wir es jedem Menschen selbst überlassen, wie er sein Leben gestaltet, auf welchem Weg er sich in Schule, Ausbildung, Beruf und Familie entscheidet. Wir verstehen Freiheit als individuellen Raum des Ermöglichens und als Raum der Entfaltung. Dass nicht per se allen persönlichen Wünschen und Vorhaben natürlich auch eine Realität folgt und dass nicht jeder Wunsch wahr werden kann, das gehört selbstverständlich dazu. Bei allem Drang zur Verwirklichung der individuellen Freiheit müssen wir natürlich auch die Freiheit unserer Mitmenschen akzeptieren und beachten und auch beachten, dass das Recht auf Freiheit einhergeht mit der Bereitschaft zur Verantwortlichkeit, und zwar zur Verantwortlichkeit dem Gemeinwesen und auch dem eigenen Leben.

(Beifall FDP)

In diesen Wochen und Monaten ist überall über den Aufholprozess zwischen Ost und West geredet worden, geschrieben worden und ich möchte in der heutigen Debatte nicht auf einen Vergleich zwischen z.B. Erfurt und Mainz, Hessen und Thüringen, Jena und Erlangen eingehen, sondern genau, wie das, denke ich, sein muss, einen Blick wagen auf die Zeit vor November 1989 und die Zeit nach dem 9. November 1989.

Sehr verehrte Damen und Herren, der 9. November 1989 ist in die Geschichte eingegangen als Symbol für den Zusammenbruch des Sozialismus in der DDR und als Symbol für den Sieg des friedlichen Strebens nach Freiheit. Das ist ganz wichtig. Der

9. November 1989 ist also der Todestag des real existierenden Sozialismus und zugleich die Geburtsstunde des Postsozialistischen, der freiheitlichen Zeitrechnung.

(Beifall CDU, FDP)

Aus den Anstrichen des ersten Punktes des vorliegenden Antrags habe ich mir zwei Bereiche für einen Vergleich exemplarisch ausgewählt, weil es doch sehr umfänglich ist. Lassen Sie mich bitte, auch wenn wir das heute schon mehrfach im Fokus hatten, das Bildungswesen heranziehen, weil es ganz einfach am besten zu mir passt. Mein eigener Lebensweg erlaubt es mir, das System DDR und das System im Freistaat Thüringen einzuschätzen. Und ich warne ganz entschieden und mit Nachdruck davor - ich nenne es mal Volksbildung -, die Volksbildung in der DDR im Nachhinein zu verklären nach dem Motto, in der DDR lief das besser.

(Beifall CDU, FDP)

Hier müssen wir sehr kritisch mit der Debatte umgehen und u.a. ist die Verantwortung für den individuellen Bildungsfortschritt der Kinder und Jugendlichen im DDR-System oft nicht nur über die Hände der Eltern gelaufen. Eigentlich nie, sondern es war eine Schule die sich kümmerte. Sie und damit in letzter Konsequenz der SED-Staat, trafen die Entscheidung über Wohl und Wehe der Ausbildung, etwa über die Eignung zum Besuch der Erweiterten Oberschule. Dass diese Entscheidungen stets politisch motiviert waren, lässt sich übrigens auch daran festmachen, dass ein Besuch der damals EOS meist nur den Schülern ermöglicht wurde, die auch die Jugendweihe gemacht haben.

(Beifall FDP)

Der Besuch einer Universität oder Hochschule war ebenfalls bestimmt von politisch motivierten Handlungsmustern. Das traf ganz besonders die Jungen. Denn drei Jahre NVA waren doch schon die Regel, um an ein Universitätsstudium zu kommen. Das wurde nie so deutlich gesagt, aber suggeriert wurde es dann schon

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das wurde aber ziemlich deutlich gesagt.)

oder schriftlich nicht festgehalten. Über Jahrzehnte hinweg war den Eltern der DDR die Verantwortung über den Ausbildungsweg ihrer Kinder weitestgehend entzogen oder aber abgenommen worden und die Folgen dessen haben wir dann nach 1989 ab 1990 erleben können, denn da trugen die Eltern plötzlich neue und mehr Mitverantwortung für den Bildungsweg ihrer Kinder. Plötzlich konnten Eltern mitbestimmen, ob Regelschule, ob Gymnasium und sie konnten sich über das Votum der Schule hinwegsetzen. Das war auf der einen Seite ein nicht zu verleugnender Gewinn, aber auf der anderen Seite natürlich auch ein Sprung. Denn diese indivi

duelle Entscheidungsfreiheit der Eltern musste erst erlernt werden. Und auch das finde ich besonders bemerkenswert. Auch auf der Ebene des gemeinsamen Gestaltens von Lernen und des Schulalltages näherten sich die Schulen und Eltern vor allem in den letzten Jahren an und gründeten Foren der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternschaft. Ich nenne hier gern eine Vielzahl von Aktivitäten wie zum Beispiel Elternstammtische, die an vielen Schulen arbeiten. Und das Herausragende und der qualitative Unterschied zwischen den Elternstammtischen und den früher bestehenden und bekannten Elternaktiven in der DDR ist der, dass das eine ganz freiwillige Entscheidung ist. Eltern entscheiden sich ganz freiwillig, dass sie in einem Elternstammtisch zusammentreffen wollen und über die Schule, die Entwicklung der Schule und ihre Kinder reden. Im Idealfall laden sie dazu den Klassenlehrer ein.

Schule und Eltern tragen heute also mehr denn je Verantwortung, und zwar eine gemeinsame Verantwortung für die Ausbildung ihrer Kinder, und das freiwillig und das finde ich sehr beachtenswert und das ist ein sehr wichtiges Ergebnis der Entwicklung der letzten 20 Jahre.

Ein weiteres Thema ist das Thema Umwelt. Auch auf diesem Gebiet hat sich die Entwicklung der neuen Länder sehr bemerkbar gemacht und wenn wir uns heute die Qualität ansehen, eventuell die Qualität der Atemluft, aber auch die Qualität der Thüringer Flüsse und Seen, den Artenreichtum von Flora und Fauna betrachten, dann stellen wir fest, es ist in Sachen Umweltschutz verdammt viel passiert in den letzten Jahren.

(Beifall CDU)

Ich bin auch wirklich erleichtert, dass die Umweltexzesse, die es ja offiziell nicht gab aus DDR-Zeiten, ein Ende haben. Es ist viel geschafft worden, viel Geld in die Hand genommen und viel in den Umweltschutz investiert worden. Ich erinnere daran, dass die gesamte Wasser- und Abwasserinfrastruktur seit 1990 erneuert worden ist. Das war nötig und auch überfällig, denn zum Beispiel war das Leitungsnetz für Trinkwasser so marode, dass manches Mal nur 10 Prozent von dem durchgeleiteten Wasser tatsächlich am Ende ankam, weil die Leitungen an sich so marode waren wie ein Schweizer Käse und der Leistungsverlust immens.

Deshalb war es absolut richtig, dass am Anfang der 90er-Jahre investiert wurde. Das Land und die Thüringer Kommunen haben große finanzielle Belastungen auf sich genommen und in Einzelfällen - das muss man auch der Wahrheit entsprechend sagen - waren Investitionen vielleicht zu groß, zu überdimensioniert. Aber wir sind natürlich nach 20 Jahren schlauer als vor 20 Jahren. Das ist eine ganz logische Sache. Wir haben das heute schon einmal gehört. Keiner kann in die Zukunft schauen. Es ist

auch so, dass solche Rieseninvestitionen, die zum Teil wirklich zu groß waren, bis heute Kommunen noch schwer zu schaffen machen. Deshalb ist natürlich die Frage immer erlaubt, ob im Einzelfall bedarfsgerecht geplant worden ist und aus welchen Gründen Kläranlagen zum Beispiel zu groß und zu teuer gebaut wurden.

Diese Probleme bei der Durchführung ändern aber nichts daran, dass die Investitionen begleitet wurden mit einem steten Werben für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Es hat - und das ist unbestritten - ein Prozess des Umdenkens stattgefunden. Dieser Denk- und Lernprozess ist heute nicht abgeschlossen und wird es auch morgen und übermorgen nicht sein. Aber er hat bereits zu einem ganz wichtigen Ergebnis geführt, zu einem gesellschaftlichen Konsens darüber, dass die Notwendigkeit besteht, mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen bewusst und überlegt umzugehen.