Protocol of the Session on September 10, 2010

Meine Damen und Herren, was den würdigen Übergang in die Rente betrifft, so muss ich hier sagen, dass das nicht vorrangige Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik sein kann. Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik ist vorrangig die Integration in den regulären Arbeitsmarkt - davon rücke ich auch nicht ab, das muss unser Ziel sein -, weil das ein würdiger Übergang in die Rente ist. Wir betrachten daher auch den Punkt 3 als erledigt bzw. nicht umsetzbar.

Dem Berichtsersuchen stimmen wir zu. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

(Abg. Kemmerich)

Vielen herzlichen Dank, Herr Baumann. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Leukefeld für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch ich bedanke mich für das Berichtsersuchen, für den Sofortbericht und auch für die Diskussion, die doch gezeigt hat, dass es ein Thema ist, dem wir uns stellen müssen. Wir bewegen uns in dem Spannungsfeld, einerseits Fachkräfte zu brauchen, andererseits erleben wir aber auch, dass ältere Arbeitnehmer immer früher in Rente geschickt werden und auf der anderen Seite soll das Rentenalter auch hochgesetzt werden.

Wir haben ganz aktuell den Bericht, diese Ergebnisse der dritten Welle des Deutschen Altersberichts zur Kenntnis genommen. Der DGB hat dort gesagt, dass die Zahlen des Bundesfamilienministeriums zum Renteneintrittsalter als Schönfärberei bezeichnet werden müssen. Fakt ist - und ich will nur die eine Zahl hier noch mal wiederholen -, dass nur ein Viertel der 60- bis 65-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und dass sich die Zahl derjenigen, die mit Abschlägen in Rente gehen, in den letzten Jahren auf das 30-fache, nämlich auf 46,6 Prozent, erhöht hat. Die durchschnittliche Höhe der Abschläge beträgt 115 € und das ist nahezu eine Verdopplung. Wenn das gesetzliche Rentenalter hochgehoben werden würde, dann würde es natürlich noch höhere Abschläge geben und höhere Abschläge heißt schlicht und ergreifend Rentenkürzung. Deshalb, auch das wollten wir heute hier noch einmal so deutlich sagen, muss die Rente mit 67 weg.

(Beifall DIE LINKE)

Wir bitten auch und fordern ganz klar die SPD auf, sich dem zu stellen und dem Erkenntnisprozess, der ja offensichtlich vonstatten geht, auch Taten folgen zu lassen. Ein Trend ist auch noch festzustellen und dieser Punkt ist noch nicht angesprochen worden, deshalb möchte ich das hier noch einmal tun, denn je länger Menschen arbeiten - und viele, das wissen wir, sind in prekärer Beschäftigung -, umso weniger Rente bekommt man, ob man nun früher in Rente geht oder nicht, auch wenn man bis zum gesetzlichen Rentenalter noch tätig ist. Ich will das an einem Beispiel sagen. Ich habe neulich eine gute Bekannte getroffen, mein Alter, war zur Wende knapp über 30, die hat in einem Betrieb gearbeitet bis 1999 noch und dann so das klassische Beispiel, Verlust der Arbeit und sich über mehrere Geringverdienerjobs durchgeschlagen. Sie bekommt ja jedes Jahr den Rentenbescheid zugeschickt mit dem zu erwartenden Rentenanspruch. Da wird deutlich, dass allein in den letzten zehn Jahren dieser Rentenanspruch um 156 € gesunken ist. Wenn

dieser Prozess sich fortsetzt, setzt eben auch persönlicher Abschwung sich fort und so geht es vielen, besonders Frauen. Ich glaube, das sollte man einfach mit zur Kenntnis nehmen. Deswegen muss man hier auch ganz klar sagen, prekäre Beschäftigung gerade auch der Älteren schafft letztendlich Altersarmut. Ich will auch hier noch einmal die Forderung ganz klar sagen: Tarifgerechte Entlohnung und flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn könnten dem entgegensteuern.

(Beifall DIE LINKE)

Einerseits zielt unser Antrag individuell auf gute Arbeit für den Einzelnen und andererseits - die Zahl ist genannt worden

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wie immer.)

brauchen wir Fachkräfte, weil wir bis zum Jahr 2030 ein Drittel des vorhandenen Fachkräftepotenzials verlieren, 80.000 bis 2015, die Zahl hat der Staatssekretär genannt. Instrumente, was man da tun kann, die gibt es in Thüringen. Das ist nicht die Frage, aber die Frage ist - und darüber muss wirklich diskutiert werden -, wie die besser genutzt werden beispielsweise mit dem schon angesprochenen Bundesprogramm „Perspektive 50 Plus“. Meine Kollegin Karola Stange hatte kürzlich eine Kleine Anfrage genau zu diesem Thema gestellt. Das, was dort als Antwort rüberkam, das war nichtssagend. Auch mit dem hier mehrfach zitierten „Aktionsprogramm Fachkräftesicherung und Qualifizierung“, meine Damen und Herren, sind wir so in dieser Formulierung nicht einverstanden, weil es halbherzig und viel zu allgemein ist. Ich glaube, Allgemeinplätze helfen uns nicht,

(Beifall DIE LINKE)

denn die Realität sieht anders aus, wenn man sich die Weiterbildung in den Unternehmen in den letzten Jahren anschaut und übrigens auch die Chance für Weiterbildung gerade auch im Rahmen der Kurzarbeit in Krisenzeiten. Dort hat nur ein Drittel der Unternehmen überhaupt diese Weiterbildungsmöglichkeiten genutzt und in dem IAB-Betriebspanel, in der Untersuchung, steht ganz konkret drin, dass die Weiterbildungsquote der Beschäftigten in Thüringer Unternehmen sich verringert hat, nämlich von 33 Prozent in 2008 auf 26 Prozent in 2009. Das zeugt eigentlich davon, dass man dem nicht Rechnung trägt. Unsere Aufforderung geht hier an dieser Stelle auch insbesondere an die Thüringer Wirtschaft. Wer Fachkräfte braucht, muss sie ausbilden bzw. die Fachleute, die da sind, entsprechend qualifizieren und weiterbilden. Herr Kemmerich hat hier gesagt, es wird alles getan. Aber ich glaube, die Realität sieht ein bisschen anders aus. Richtig ist auch - und das stellen wir ja auch nicht in Abrede -, dass natürlich mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigkeit von Menschen nachlässt. Das be

trifft uns alle. Das rechtfertigt aber immer noch keine Altersdiskriminierung. Es ist heute auch bekannt, dass es für viele Beschäftigungsgruppen unter den gegenwärtig herrschenden Arbeitsbedingungen gar nicht möglich ist, bis zum 65., geschweige denn bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten. Hinzu kommt die Tatsache, dass von vornherein die Nachfrage nach älteren Arbeitskräften oder Menschen mit Handicaps sehr gering ist. Bei den noch aktiven abhängig Beschäftigten ist ca. ein Drittel der Meinung, in der derzeitigen Tätigkeit angesichts der Arbeitsbedingungen und auch ihres Gesundheitszustands nicht mehr bis zum Rentenalter durchhalten zu können. Angst - das kann man heute auch in der Presse nachlesen, denn da gibt es eine Studie zu Zukunftsängsten - steht bei vielen ganz oben. Klar ist auch, dass natürlich die Fragen nach den Arbeitsbedingungen und dem Gesundheitsschutz hier verbessert werden müssen.

Wenn gesagt wird, man weiß die Gründe nicht so genau, die dazu führen, die letzte Tätigkeit vorzeitig zu beenden und in Rente zu gehen, dann ist das nicht ganz richtig. Der 3. Monitoringbericht des Netzwerkes für eine gerechte Rente hat ganz konkret benannt, dass gesundheitliche Gründe 23 Prozent umfassen, Entlassungen immerhin 21 Prozent, Vorruhestandsreglungen und derzeitiger Renteneintritt nach Arbeitslosigkeit jeweils 15 Prozent und Betreuungsverpflichtung in der Familie 13 Prozent.

Ich komme zu einem letzten Punkt, den ich hier noch einmal ansprechen möchte. Sie haben gesagt, dass insbesondere auch der Punkt 3 im Grunde genommen mit dieser Situation gar nichts zu tun hat, also Arbeitsprogramme. Ich glaube schon, dass arbeitsmarktpolitische Instrumente hier eine Rolle spielen. Ich will das noch einmal an einer Zahl deutlich machen. Der Abgeordnete Baumann hat gesagt, dass der Anteil arbeitsloser Älterer deutlich gesunken ist. Herr Baumann, das stimmt ganz sicher, aber immerhin sind in Thüringen im August 2010 37.970, also fast 38.000 Personen im Alter über 50 Jahre arbeitslos. Das sind 35 Prozent der Arbeitslosen. 35 Prozent sind älter als 50! Von denen wiederum sind über 20.000 in Hartz IV. Jetzt sage ich, wenn wir das Landesarbeitsmarktprogramm nehmen mit 3.500 zu schaffenden Arbeitsplätzen, von denen 1.000 in das Programm „Familie“ gehören, dann ist das Verhältnis zu 20.000 älteren Arbeitslosen zu beachten. Ich weiß, es ist auch eine Frage des Geldes, und sage nicht, dass wir es aufstocken müssen. Ich sage, dass wir das nutzen müssen. Wenn ich dann von der FDP und der Industrie- und Handelskammer in Südthüringen höre, das brauchen wir alles nicht mehr, dass können wir streichen, dann muss ich Ihnen an der Stelle sagen, insbesondere im Namen der Langzeitarbeitslosen und vor allem auch der älteren Arbeitnehmer: Hände weg von diesem Landesarbeitsprogramm!

(Beifall DIE LINKE)

Also, wenn Sie das in der Haushaltsdiskussion zur Disposition stellen, meine Damen und Herren …

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Machen wir, darauf können Sie sich verlassen.)

Das haben Sie schon gesagt und ich zweifle überhaupt nicht daran. Aber dann sparen Sie sich ihre scheinheiligen Worte

(Beifall DIE LINKE)

vom würdigen Übergang in Rente und dass die bis zum Schluss arbeiten sollen. Das hat was damit zu tun. Die Leute sind alle raus, die haben panische Angst, wenn sie mit Mitte 50, in dem Alter, in dem sich hier viele - auch ich - befinden, einfach nur noch eine Perspektive zu haben, die Hartz IV heißt. Das kann nicht sein und ich glaube, dem kann man gegensteuern, dem muss man hier auch gegensteuern. Wir hätten natürlich gern auch noch ein bisschen mehr, aber das ist nicht die Frage. Wir sagen, wenigstens das, was hier aufgenommen wurde, was jetzt gerade anfängt in den Landkreisen umgesetzt zu werden, das muss man nutzen. Da kann man nicht schon wieder sagen, das gehört abgeschafft. Das ist unsere Position dazu. Ansonsten, denke ich, kann man nach der Diskussion das heute hier abstimmen. Das Berichtsersuchen betrachten wir auch als erfüllt. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Leukefeld. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer 1 des Antrags erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Das ist auch nicht der Fall. Damit ist das Berichtsersuchen erfüllt.

Dann kommen wir zur Abstimmung zu den Nummern 2 und 3 des Antrags. Wird Ausschussüberweisung beantragt? Das ist nicht der Fall. Es war vorhin geäußert worden, dass es unterstützt wird, aber es ist nicht beantragt. Ich frage jetzt noch: Wird Einzelabstimmung zu den Punkten beantragt, weil vorhin differenziertes Abstimmungsverhalten signalisiert wurde? Das heißt, die Punkte werden einzeln abgestimmt.

Es wurde also keine Ausschussüberweisung beantragt, dann kommen wir jetzt zur direkten Abstimmung über die Drucksache 5/1415 und wir stimmen zunächst über Punkt 2 dieses Antrags ab. Wer Punkt 2 des Antrags die Zustimmung erteilt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Fraktionen der CDU, SPD und der FDP. Gibt es Enthaltungen? Nein, das ist nicht der Fall. Damit ist Punkt 2 des Antrags abgelehnt.

(Abg. Leukefeld)

Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 3 des Antrags. Wer Punkt 3 dieses Antrags folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist die Fraktion DIE LINKE. Vielen herzlichen Dank. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist der Punkt 3 dieses Antrags auch abgelehnt und ich bedanke mich.

Ich darf jetzt darauf hinweisen, dass aufgrund einer Vereinbarung im Ältestenrat nach 18.00 Uhr heute kein weiterer Tagesordnungspunkt aufgerufen wird.

Die Tagesordnungspunkte 19 bis 21 werden damit auf die nächsten Plenarsitzungen verschoben, die vom 6. bis 8. Oktober hier im Hohen Hause stattfinden. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Feierabend und ein gutes Wochenende.

E n d e d e r S i t z u n g: 18.30 Uhr