Protocol of the Session on September 9, 2010

Sie haben eben gesagt, dass man sich an die Einkommensentwicklung auch von Hartz-IV-Empfängern, von Aufstockern, von abhängig Beschäftigten anpassen muss, also an die wirkliche Lebenswelt in Thüringen. Meine Frage dazu: Gehört zu dieser

wirklichen Lebenswelt auch die Gewinnentwicklung privater Unternehmen, müssen wir uns in der Indexierung dann nach Ihren Vorstellungen auch an der Einkommensentwicklung höherer Einkommensstufen orientieren?

Werter Herr Kollege Recknagel, wenn diese Gewinnentwicklung mit abgeschöpft werden würde, um diesen Staat zu finanzieren, und zwar dann der ganze deutsche Rechts- und Sozialstaat,

(Beifall DIE LINKE)

bin ich sehr dafür und auf der Einnahmenseite müssten wir es thematisieren. Wenn wir auf der Einnahmenseite den Mut hätten, wie Sie es gerade gefragt haben, Vermögenssteuer, Börsenumsatzsteuer, Kapitalertragssteuer und all die Steuerarten, wo wir in Deutschland Billigsteuerland im europäischen Maßstab sind, müssten wir über die Millionenkürzungen, von denen gerade die Rede war, gar nicht debattieren, dann hätte dieser Staat genügend Geld,

(Beifall DIE LINKE)

dann würden wir nämlich tatsächlich alles bezahlen können.

(Beifall DIE LINKE)

Eine zweite Bemerkung: Wenn kleine und mittelständische Betriebe Verluste machen und der Verlustvortrag steuermindernd eingesetzt werden kann für eine Zeit, in der Gewinne entstehen, ist das ein von mir sehr akzeptiertes Verfahren. Ich möchte aber, dass jeder einzelne Mensch in diesem Land in die Sozialversicherungskassen einzahlt und ich möchte, dass die Sozialversicherungskassen für uns alle zusammen ein stabiles Fundament unserer gesellschaftlichen Entwicklung ist. Solange Sie alles nur privatisieren wollen, solange Sie immer nur vom Gewinn dann reden, wenn auch Verluste entstehen, über deren Verwendung Sie dann nicht mehr reden, solange ist das nicht ganz glaubwürdig oder nicht ganz stimmig. Ich bin sehr dafür,

(Beifall DIE LINKE)

auch die Lebenswelt von kleinen und mittelständischen Betrieben zu bedenken. Ich bin sehr dafür, auch die Freiberufler einzubeziehen in eine moderne, soziale Versicherungsarchitektur. Das ist etwas völlig anderes als die Kopfpauschale, gegen die wir uns strikt wenden, weil wir sagen, das privatisiert nur das Risiko auf Kosten der Menschen, die Geringverdiener sind, und das halten wir für den Weg in die falsche Richtung. Deswegen, meine Damen und Herren, bin ich für guten Lohn bei guter Arbeit. Ich bin für geregelte Tarifverträge, ich bin für gesetzliche Mindestlöhne, die nach unten endlich einen Schlussstrich ziehen und eben 5,40 € Lebenswelt am Thüringer Landtag nicht mehr zulässig

sind. Und die, die mir hier Unwahrheit vorwerfen, sollen doch bitte mal rausgehen und den Wachleuten die Hand geben und sich bedanken für die tolle Arbeit, die hier tagtäglich gemacht wird, aber so miserabel entlohnt wird.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen, sage ich, stehen wir alle zusammen in der Verantwortung. Ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre sehr gespannt, Herr Meyer, wenn wir diese Diskussion wirklich auf diese Punkte konzentrieren.

Was ich nicht in Ordnung fand - und das will ich Ihnen sagen von dieser Stelle -, dass Sie die Gelder der Fraktionen in den Zusammenhang stellen und dann sagen, wir seien deshalb nicht berechtigt, so einen Antrag zu stellen, weil wir der Erhöhung der Fraktionen zugestimmt haben. Ich finde das unverschämt, Herr Meyer. Ich finde das deswegen unverschämt, weil Sie uns das Recht absprechen, Anträge zu stellen, und weil Sie behaupten, das sei Populismus, wenn wir über den Index reden, weil wir vorher die Konsequenz eines Fünf-Parteien-Parlaments gemeinsam erörtert haben und dass die Arbeit einer Fraktion so organisiert sein muss, damit wir Ministerien wenigstens halbwegs gegenübertreten können. Das ist der Grund, warum Fraktionen Geld bekommen und nicht, dass Abgeordnete sich dieses Geld in die Tasche stecken. Das sind Unwahrheiten und Halbwahrheiten, wenn man das eine mit dem anderen verbindet. Ich finde, dass die Fraktionen im Thüringer Landtag einen Anspruch darauf haben, so ausgestattet zu sein, dass sie gleichberechtigt Anträge stellen können, Gesetze erarbeiten können, mit Ministerien reden können, Anfragen stellen können - so funktioniert parlamentarische Demokratie, und das funktioniert nicht, indem wir sagen, aber wir sparen uns zuerst einmal die Fraktionsarbeit ein, das stellt doch die Sache völlig auf den Kopf. Und dass die Konsequenz aus drei Fraktionen fünf Fraktionen, was ich sehr begrüße, Sie kennen offenkundig die Regeln nicht, wie das mit der Grundverteilung von Mitarbeiterstellen war, die auf drei Fraktionen vorher verteilt waren, die mussten auf fünf verteilt werden und das führte dazu, dass wir trotz der deutlich höheren Wählerzustimmung, die wir haben, anschließend hätten Personal abbauen müssen bzw. nicht mit dem Personal arbeiten können, um als erfolgreiche Fraktion arbeiten zu können. Dass Sie das jetzt einfach da mit reingerührt haben, das finde ich nicht akzeptabel. Das ist für mich eine Form von Populismus, die ich nicht in Ordnung finde.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen sage ich, meine Damen und Herren,...

(Unruhe FDP)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD:... sehr be- merkenswert.)

Aber Entschuldigung, dazu habe ich öffentlich gestanden, als Herr Mohring und Herr Höhn mich gefragt haben, haben die Fraktionsvorsitzenden sich zusammengesetzt. Die abweichenden Meinungen sind von den anderen beiden Fraktionen benannt worden, da will ich auch bei der konsequenten Wahrheit bleiben, auch sagen, dass es abgelehnt worden ist, aber ich habe begründet, warum ich der Meinung bin, dass die Ausstattung der Fraktionen eine Grundlage bilden, damit parlamentarische Arbeit geleistet werden kann und warum ich für die Zuweisung der erhöhten Gelder auch eingetreten bin und auch dafür das Risiko auf mich nehme, dass man sich dafür auf einmal solchen seltsamen Anwürfe aussetzen muss.

Meine Damen und Herren, es ist auch gekommen, weil wir gefordert haben, dass die europäischen Vorlagen alle durch die Parlamente sollen. Ich bin gespannt, wie Sie das dann alles hinbekommen würden, wenn wir mit dem reduzierten Entgelt der Fraktionsarbeit die Fraktionen so organisieren. Deswegen sage ich, das eine gehört für mich mit dem anderen nicht zusammen. Bei dem Index würde ich gern über die Lebenswelt der Menschen reden, deswegen unser Antrag, lediglich ein Jahr aussetzen und deswegen unser Antrag, ihn an den Justizausschuss zu überweisen und dort könnten dann die Argumente gewichtet und gewertet werden. Wenn dann Halbwahrheiten dabei sind, dann lasse ich sie mir gern erklären. Aber es nicht mal an den Ausschuss zu überweisen und dann aber von Halbwahrheiten zu sprechen, das heißt, die fachliche Debatte gar nicht zu führen, das heißt, uns wieder in der Öffentlichkeit vorzuführen. Lieber Gustav Bergemann, dann werden wir Jahr für Jahr den gleichen Antrag stellen. Mir wäre es lieber, wir würden mal viel gründlicher über die Entlohnungsprinzipien von Abgeordneten reden und über die Entlohnungsform. Mir wäre es viel lieber, wir hätten Entgelte, die Brutto wären mit all den Konsequenzen. Mir wäre es lieber, ich würde so gestellt werden wie ein Arbeitnehmer und nicht in einer besonderen Form, bei der ich nicht Beamter, aber auch nicht mehr Arbeitnehmer bin. Das ist das, was uns jedes Mal dem Vorwurf, dass wir raffgierig seien, aussetzt, und zwar uns alle zusammen. Deswegen werbe ich für Transparenz und werbe für eine Überweisung an den Justizausschuss und dann können wir doch mal in Ruhe gemeinsam über eine bessere Regelung reden.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Dr. Pidde das Wort.

(Abg. Ramelow)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit schöner Regelmäßigkeit sorgt die Fraktion DIE LINKE dafür, dass wir das Thema hier jedes Mal wieder behandeln müssen,

(Beifall DIE LINKE)

und mit schöner Regelmäßigkeit werden die gleichen Positionen hier ausgetauscht. DIE LINKE möchte, dass die Diäten nicht automatisch angepasst werden und die Fraktion weiß ganz genau, dass sie dafür mit Lob überschüttet wird; mit Lob aus der Bevölkerung, mit Lob von den Medien, mit Lob an den Stammtischen. Deshalb machen sie das Ganze.

(Beifall CDU, SPD)

So, wie Sie sonst auch jedem alles versprechen, egal, wie es bezahlt werden soll, bei Ihnen bekommt jeder recht und jeder wird gutgestellt. Genau in dieses Schema passt auch der vorliegende Antrag. Sie sind die Gutmenschen, die den geraden Weg ins Paradies wissen

(Beifall CDU, SPD)

und deshalb stellen Sie regelmäßig diesen Antrag. Als ich diesen Gesetzentwurf gelesen habe, habe ich gedacht, das ist der übliche Populismus. Der Redebeitrag vom Fraktionsvorsitzenden Kollegen Ramelow hat mich darin nur noch einmal bestätigt.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das glaube ich.)

Wenn ich in der Begründung gelesen habe - und da beißt es sich eigentlich schon -, Sie schreiben, das muss beschlossen werden, weil Thüringen seit Jahren ein Niedriglohnland ist.

(Beifall DIE LINKE)

In welche Richtung diskutieren wir denn; Schraube noch weiter nach unten?

(Heiterkeit und Unruhe DIE LINKE)

Es geht doch darum, dass wir uns starkmachen für Mindestlöhne, das ist doch der richtige Weg. Wir unterstützen die Gewerkschaften, damit die Arbeitnehmer bei den Tarifverhandlungen auch ein entsprechendes Stück vom Kuchen abbekommen, den die Wirtschaft eingefahren hat. Das ist doch der richtige Weg. Dann steht in Ihrer Begründung im Gesetzentwurf, die Aussetzung, die Sie jetzt beantragen, soll ja nur der Einstieg in eine grundlegende Reform des Abgeordnetenrechts sein. Sie möchten, dass die Gesamtdiät erhöht wird und dass die Abgeordneten sich entsprechend selbst versichern und in die Rentenversicherung einzahlen. Wenn Sie das wollen, dann frage ich mich, warum machen Sie dann dieses kleine Schrittchen vorneweg. Sie bekommen immerhin Oppositionszuschlag, sind finanziell gut ausgestattet.

(Beifall CDU, SPD)

Legen Sie doch einen ordentlichen Gesetzentwurf vor, dann können wir auch darüber beraten. Sie brauchen diesen gar nicht einmal neu zu erfinden, Sie können ihn abschreiben.

(Unruhe DIE LINKE)

In Nordrhein-Westfalen - es ist hier schon gesagt worden - ist dieser Weg gegangen worden. Inzwischen ist aber dort auch die Einsicht gereift, dass das politisch und psychologisch gar nicht sonderlich gut war, weil es einfach der Bevölkerung nicht vermittelbar ist und es brachte in Nordrhein-Westfalen erhebliche Mehrkosten für die Landeskasse. Deshalb sollte DIE LINKE diese Grundposition noch einmal überdenken.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion ist prinzipiell anderer Meinung als Sie das vorschlagen. Wir sehen, dass sich die Indexregelung bewährt hat; die Abgeordneten beschließen nicht ihre Diäten selbst, wie sie es für gut befinden. Das ist der richtige Weg. Die Abgeordnetendiäten sind abhängig von objektiven Faktoren. Wenn Sie jedes Mal kritisieren, dass die Datenbasis nicht in Ordnung ist, weil nicht die Gesamtbevölkerung eingeschlossen ist, weil in diesen Index nicht die Entwicklung der Renten einbezogen ist und weil die Arbeitslosen die haben wir ja über ALG II inzwischen mit drin dort nicht einbezogen sind, dann frage ich, womit wollen Sie uns denn vergleichen? Nicht mit den abhängig Beschäftigten, mit dem arbeitenden Teil der Gesellschaft? Ich denke, da muss man eigentlich hin.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich habe ja ein bisschen dazu gesagt, aber Sie hatten da leider die Ohren zu.)

Meine Damen und Herren, die Indexregelung hat sich bewährt. Ich sage, man kann sie auch mal aussetzen, aber ständiges, wiederholtes, dauerhaftes Aussetzen, wie Sie das vorschlagen, das stellt natürlich die Gesamtregelung infrage. Das wollen Sie, aber das wollen wir nicht.

(Beifall CDU, SPD)

Man kann über Details reden, man kann auch den Index modifizieren - das ist alles schon einmal gemacht worden -, aber grundsätzlich stellen wir das nicht infrage.

Thüringen war das erste Land, welches diese Indexregelung eingeführt hat, andere Bundesländer machen es inzwischen auch. In Hessen gibt es diese Indexregelung, in Bayern, in Niedersachsen. In weiteren Bundesländern steht es zur Diskussion. In Brandenburg ist sie übrigens seit 2006 eingeführt mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU, SPD und - man höre und staune - LINKE. Dort ist der Index gekoppelt an die Einkommensentwicklung der erwerbstätigen Bevölkerung. Und auch da

muss ich Ihnen widersprechen, Kollege Ramelow, einmal ist der Index dort sogar schon gefallen, weil nämlich die Lohnentwicklung der Bevölkerung zurückgegangen war, gingen auch die Diäten um 0,2 Prozent zurück. Diesen Automatismus haben wir in Thüringen ganz genauso. Dann ist natürlich stark, wenn in Brandenburg DIE LINKE die jährliche automatische Anpassung an die durchschnittliche Einkommensentwicklung lobt, DIE LINKE in Thüringen genau das Gegenteil von sich gibt. Insofern wäre es schön, wenn DIE LINKE erst einmal Klarheit in ihren eigenen Reihen schaffen würde,

(Beifall CDU, SPD)

wenn sie erst einmal ein einheitliches Handeln hätte und

(Unruhe DIE LINKE)