Protocol of the Session on September 8, 2010

(Minister Machnig)

relevant, ob jemand 8 oder 14 Jahre länger seiner Aufsichtspflicht nachkommen muss, denn es hat ja Konsequenzen für seine Aufsichtsfunktion. Das ist der Unterschied zu dem, was wir im Jahr 2001 beschlossen haben. Da haben wir die Laufzeiten verkürzt. Das heißt, wir haben Druck von den Ländern genommen. Hier werden nun den Ländern neue Aufgaben zugewiesen, zumindest länger zugewiesen. Da gibt es gute Argumente zu sagen, dann müssen die Länder auch beteiligt werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch ein politisches Argument sagen. Ich kann mich an die Debatten in den 70er- und 80erJahren gut erinnern. Das war ein gesellschaftlicher Großkonflikt in Deutschland.

(Unruhe CDU, FDP)

Jetzt plädiere ich für eines, dass man an dem Konsens, den man gefunden hatte in Deutschland, festhält. Denn die Energiepolitik braucht langfristige Linien, die Energiepolitik braucht Berechenbarkeit, die Energiepolitik braucht auch Konsens mit der Bevölkerung. Da gibt es nun Umfragen - ich könnte jetzt andere zitieren, will dies aber nicht tun -, die etwas anderes signalisieren, als wir es tun. Deshalb ist meine Bitte und wir haben das mal gezeigt an einer Stelle als Landtag. Über Fraktionsgrenzen hinweg haben wir beim Thema „Opel“ gemeinsam eine Position bezogen. Ich habe das sehr begrüßt und habe mich auch sehr dafür eingesetzt.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Genauso setze ich mich dafür ein, dass es vielleicht gelingen könnte, hier in diesem Landtag über die Parteigrenzen einen Grundkonsens zu entwickeln, der lautet: Es ist verantwortbar und sogar richtig, den Ausstiegsbeschluss, den Konsens von 2001, fortzuführen. Wir können darüber den Strukturwandel vorantreiben, wir können dem magischen Dreieck der Energieversorgung, nämlich Versorgungssicherheit, Preisschutz und Klimaschutz, gerecht werden und wir schaffen gesellschaftliche Akzeptanz, weil hier eines richtig ist, und deswegen bin ich auch ausführlich am Anfang meiner Rede darauf eingegangen, was im Energiekonzept der Bundesregierung richtig ist, und weil ich glaube, dass jenseits der Kernenergiefrage ein hohes Maß auch von Konsensen möglich ist, werbe ich für diese Konsense. Das ist mein Grund, dass ich für diese Konsense werbe und sage, lasst uns den Weg gehen, dass wir die Möglichkeit und Chance, die des ökonomischen, ökologischen Umbaus in den nächsten Jahren der Kernenergie -Energie ist eine Schlüsselfrage in diesem Bereich -, nutzen. Denn er ist ein Wachstumstreiber, er ist ein Beschäftigungssektor, er ist ein Innovationstreiber. Ich habe die große Befürchtung, wenn wir diesen Konflikt erneut eingehen, dass Investition und Innovation nicht vorankommen. Ich glaube, das sollten wir uns

nicht leisten. Deswegen sollten wir uns eines leisten, in der Energiepolitik über Parteigrenzen hinweg das zu suchen, was uns verbindet, und Klarheit zu schaffen, was wir langfristig wollen aus Verantwortung für Deutschland, aus Verantwortung für Thüringen und für mehr Zukunftssicherheit. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Wir haben 9 Minuten Redezeit jetzt für die Abgeordneten. Mir liegen zwei Wortmeldungen vor; als Erstes der Abgeordnete Kummer von der Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister Machnig, eine Frage an Sie: War Ihre Ausführung ein persönliches Statement oder war es die Ausführung der Landesregierung zu diesem Punkt der Aktuellen Stunde?

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Gute Frage. Das weiß er auch nicht.)

Ich teile Ihre Ausführungen, die Sie zu der Unnötigkeit einer Brückenfunktion von Atomenergie in der heutigen Zeit getroffen haben, voll und ganz. Ich möchte dazu allerdings aus dem Protokoll der 74. Umweltministerkonferenz vom 11.06. in Bad Schandau etwas vorlesen, und zwar eine Protokollerklärung der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen: „In den kommenden Jahren müssen Energieträger wie Gas, Kohle und Kernenergie ihrer Brückenfunktion gerecht werden und mit schrittweise abnehmender Bedeutung, insbesondere als Regel- und Ausgleichsenergie, zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität beitragen.“ Ein Antrag, eine Protokollerklärung auch des Landes Thüringen. Wir hatten das Thema am Freitag im Umweltausschuss. Da ist diese Haltung der Landesregierung nochmals bekräftigt worden, gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um den Ausstieg.

Meine Damen und Herren, in dieser Landesregierung, wenn denn Herr Minister Machnig eine Rede der Landesregierung gehalten hat, müssen hiermit klare Kompetenzen geklärt werden. Wer ist der verantwortliche Energieminister und wer legt fest, wie Thüringen sich im Bundesrat in Zukunft zu dieser wichtigen Frage verhält?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Minister Machnig)

Wenn es so weitergeht, wenn wir hier Sonntagsreden hören und im Bundesrat anders abgestimmt wird, dann ist es eine Politik der Landesregierung mit gespaltener Zunge und das können wir als Parlament nicht dulden.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Herr Minister Machnig, Ihre Position, die Sie hier vertreten haben, wird sich auch in der Landesregierung durchsetzen und von Thüringen wird ein klares Nein zur Kernenergie ausgehen. Ich möchte nur darauf verweisen, dass wir die größte atomare Altlast Deutschlands in Thüringen mit 5 Mrd. € Aufwand saniert haben - Gelder, wie ich sie auch bei anderen solchen Uranlagerstätten, die in Deutschland genutzt wurden, in Zukunft auf den Steuerzahler wahrscheinlich zukommen sehe. Die Sanierung der Asse spricht hier auch für sich, was Kosten angeht, die auf den Steuerzahler umgelegt werden, die man bei der Rechnung - Herr Heym, Sie hatten vorhin auf die Kosten des Atomstroms hingewiesen - bisher nicht mit drin hat. Das ist auch eine große Gefahr, das verschleiert viel und das müssen wir bedenken. Deshalb hoffe ich, dass die Landesregierung ein klares Nein zu Atomstrom findet. Danke.

(Beifall FDP)

Mir liegen jetzt die Wortmeldungen von Frau König und Herrn Adams vor. Frau König, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mir ist schon klar, warum Herr Barth die Umfrage von Infratest dimap zitiert hat, denn die Umfrage, die die FDP im niedersächsischen Landtag auf ihrer Homepage einstellen ließ zum Thema „Ausstieg aus der Atomkraft“ ist mit einem für die FDP unerfreulichen Ergebnis ausgegangen; 83 Prozent stimmten gegen den Ausstieg aus dem Ausstieg. Das Resultat davon ist, dass die FDP heute verlautbaren lässt, es hätte einen Hackerangriff auf ihre Homepage gegeben.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

So viel zum Demokratie- und Bürgerbeteiligungsverständnis der FDP - das zuerst.

Als Zweites, der Atomstrom oder die Kosten des Atomstroms so, wie sie hier zitiert wurden in der Höhe von viereinhalb Cent - die Summe klammert aus, dass weder die Entsorgungskosten mit einbegriffen sind noch die eigentlichen Versicherungskosten, die die jeweiligen Konzerne zahlen müssten, um bei einem möglichen Reaktorunfall auch den Schaden ableisten zu können. 99,5 Prozent der durch einen Unfall verursachten Kosten würden auf dem Staat, auf dem Steuerzahler, auf den Bür

gern hängenbleiben, und wir reden hier nicht von Millionen, sondern wir reden von Milliarden. Insofern würde ich Sie bitten, Ihre Rechnung noch einmal neu aufzustellen und auch alle Kosten, die in der Konsequenz der Nutzung von Atomstrom entstehen, auch mit aufzugreifen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zuletzt: Der Vorteil von regenerativen Energien ist auch ein weiterer, nämlich die Teilhabe von Bürgern und Bürgerinnen. Während Atomstrom nur von Konzernen genutzt, verkauft und damit auch entsprechend Gewinne gemacht werden können, ist es bei regenerativer Energie möglich, sich als Bürger daran zu beteiligen.

Ein letzter Hinweis von mir: Das eine ist die Demonstration am 18. September dieses Jahres in Berlin, zu der wir natürlich aufrufen. Nichtsdestotrotz, denke ich, wird es auch Zeit, sich auf den Castortransport ins Wendland einzustellen, welcher höchstwahrscheinlich im November stattfinden wird und gegen welchen wir als Fraktion DIE LINKE auch aufrufen werden. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Es verbleiben 4 Minuten Redezeit. Herr Adams hat sich gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Debatte, die für meine Begriffe eine ideologische Rechtfertigungsdebatte seitens der FDP und der CDU war, recht aufmerksam verfolgt und, ich glaube, ein paar Sachen können so gar nicht stehenbleiben. Herr Barth versteigt sich sogar zu der Frage, gäbe es denn jemals Sicherheitsprobleme an deutschen Atomkraftwerken, und fragt unseren heutigen Thüringer Wirtschaftsminister, warum er denn in seiner früheren Zuständigkeit nicht dagegen vorgegangen ist. Herr Barth - er ist jetzt leider nicht da -, liebe FDP-Fraktion, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass das keine Zahl aus dem GRÜNEN Haus ist, wenn jetzt gesagt wird, 50 Mrd. € müssten die Stromkonzerne in ihre AKWs investieren, um überhaupt auf einen Sicherheitsstandard zu kommen, der diese Laufzeitverlängerung rechtfertigen könnte. Nehmen Sie das bitte mal wahr. Wir haben ein Riesenproblem im Bereich der Sicherheit in den Atomkraftwerken und verschließen Sie nicht andauernd die Augen davor.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Abg. Kummer)

Weiterhin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lauert auch in Thüringen Gefahr. Als ich vorhin meine Rede beendet hatte, rief mich unser Thüringer Umweltminister zu sich und sagte, das haben Sie vollkommen falsch verstanden. Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz sei für die Transporte gar nicht zuständig. Ich aber zitiere Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, aus einer Antwort der Landesregierung vom 09.08.2010 - also das ist noch nicht allzu lange her - hier sagt die Landesregierung und das besagte Ministerium: „Atomrechtliche Aufsichtsbehörde für den Transport von Kernbrennstoffen auf der Straße für den Freistaat Thüringen ist das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz.“ Wenn wir die Situation haben, in einer solchen Debatte einen Minister zu haben, der nicht weiß, dass er dafür zuständig ist, dann ist das ein starkes Stück, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das unterstreicht nur, was ich vorhin gesagt habe. Was passiert, wenn mit diesen Transporten Kobalt 60, ähnlich gefährlich wie Plutonium 241, etwas in Thüringen passiert? Gott bewahre, kann man da nur sagen.

Jetzt will ich noch einmal zu den Finanzen kommen. Herr Heym, wir kennen ja diese wunderbaren Zahlen. Atomstrom ist so wunderbar günstig und dieser Photovoltaikstrom so furchtbar teuer. Sie müssen sich aber einmal genau anschauen, was mit den Strompreisen passiert. Sie werden minutengenau in Leipzig an der Strombörse gehandelt und wir haben die Situation, der Hotspot ist heute der warme Sommertag im Sommer. Hier haben Sie eine Belastung: die ganz normale Mittagsspitze plus Klimaanlagen. Genau in dieser Minute speisen wir Photovoltaikstrom in Größenordnungen ein. Wenn Sie sich einmal anschauen, dass der konventionelle Strom um 12.00 Uhr mittags zum Sonnenmittelpunkt an einem Sommertag 2 € kostet, dann ist unsere Photovoltaikinvestition eine ganz wunderbare Investition und sie drückt die Belastung aller Stromnutzer, das gehört zur ganzen Wahrheit dazu. Wir haben nicht mehr die eine Stromquelle, sondern einen Energiemix und dieser ist förderlich für alle Strombezieher, das dürfen Sie nicht aus dem Blick verlieren.

Sie haben weiterhin argumentiert, 14 Mrd. € würden für die erneuerbaren Energien ausgegeben. Schaut man sich an, was durch die Laufzeitverlängerung bei den Atomkraftwerken hängenbleibt, kommt man auf 10 Mrd. € jedes Jahr bei den Atomstromversorgern. Rechnen Sie das einmal für 14 Jahre, da kommen Sie auf eine tolle Zahl, dagegen sind es wieder Peanuts, was hier in die Erneuerbaren gesteckt wird.

Lieber Minister Machnig, auch das darf an dieser Stelle nicht fehlen, wir GRÜNEN freuen uns, Sie als Person an unserer Seite im Kampf gegen diese Laufzeitverlängerung zu wissen. Aber Sie müssen auch im Kabinett von Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht dafür kämpfen, dass diese Laufzeitverlängerung nicht ohne Bundesratsbeteiligung durchgeführt wird. Und Sie müssen in die Diskussion um die zukünftige Energiepolitik endlich aufnehmen, dass wir eine Verstärkung unserer Netze brauchen, aber nicht nur der Transportnetze. Die Lösung ist nicht die 380-kV-Leitung,

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit geht zu Ende.

die Lösung ist ganz einfach ein breites Netz; Ortsnetze, Verteilnetze gehören dazu. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Die Ministerpräsidentin Frau Lieberknecht hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordenten, für mich sind zwei Stichworte maßgebend in der ganzen Debatte - zum einen Nüchternheit und zum anderen Rechtsstaatlichkeit. Nüchternheit deshalb, weil es in der Tat eine fachlich sehr kontrovers zu betrachtende Debatte ist, wo es auch viel Vorlauf gibt. Der Wirtschaftsminister hat von seiner Sozialisation aus den 70er-/80erJahren gesprochen. Wer in der DDR gelebt hat, hat das mitverfolgen können. Die Debatte war wirklich von sehr vielen Demonstrationen, von sehr vielen Auseinandersetzungen, von großer gesellschaftlicher Spaltung und Streit begleitet. Das stimmt, aber das kann nicht der Maßstab sein. Wichtig ist, sich sachlich, nüchtern und tatsächlich mit den sehr komplexen Themen, die da anstehen, mit allen Facetten auseinanderzusetzen. Ich plädiere ausdrücklich dafür, auch in der Sache diese Debatten zu führen, aber nicht mit Angstszenarien, wie sie hier aufgemacht worden sind.

Sehr verehrter Herr Kollege Weber, als ich Sie gehört habe, habe ich gedacht, man kann nur noch aus Deutschland auswandern bei all den Gefahrenszenarien, die Sie hier geschildert haben,

(Beifall CDU, FDP)

aber ich habe mich dann gleich gefragt, wohin? In Thüringen haben wir kein Kernkraftwerk, aber wir

(Abg. Adams)