Ich war neulich im Sozialministerium bei einer Tagung. Dort gibt es inzwischen Besucherinnenkarten. Frau Taubert, ich danke Ihnen ausdrücklich, dass es so etwas gibt. Das ist aber leider nach wie vor nicht die Normalität. Deswegen - auch wenn ich es Ihnen nicht ersparen kann, Frau Tasch -, ich fände es durchaus angemessen, auch und gerade angesichts der Tatsachen,
dass wir eine Ministerpräsidentin haben, dass wir eine Präsidentin des Landtags haben, dass wir endlich auch in der Geschäftsordnung männliche und weibliche Formen verwenden.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wer hätte gedacht, dass eine Debatte zur Geschäftsordnung so ungeheuer lebendig werden könnte. Das freut mich ja überaus. Wir reden aber nicht nur über die Geschäftsordnung und über die Verfassung, sondern wir reden - das hat meine Vorrednerin, Frau Rothe-Beinlich, schon gesagt - über gelebte politische Kultur. Ich will Ihnen kurz begründen, warum wir als GRÜNE so viel Wert darauf legen, dass wir heute auch eine ausführliche Debatte zur Geschäftsordnung führen und zu unseren Änderungsanträgen, weil wir ja nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zahlreiche Vorschläge entwickelt haben, und wir haben Ihnen viel Arbeit gemacht, aber damit müssen Sie sich jetzt auseinandersetzen.
Sie alle wissen, dass die Entwicklung der Parteienlandschaft auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist. Die Gesellschaft wird komplexer, die
Themen werden komplexer und deswegen muss man auch die Normen, die wir uns gegeben haben, und dazu gehören Geschäftsordnungen, dem Ganzen anpassen. Der Historiker Paul Nolte hat unlängst gesagt, das Fünf-Parteien-System ist nicht das Ende der Volksparteien - ich verstehe manchmal die Furcht, die es in einigen Reihen hier gibt -, sondern einfach die Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen. Ich frage Sie ernsthaft, warum verschließen Sie sich hier der ernsthaften Debatte darüber, wie wir an bestimmten Stellen kleine und große Räder drehen können? Ich frage es übrigens auch in Richtung der FDP, viele Parteien beleben das Geschäft, den Wettbewerb, das müsste ja das sein, was Sie auch immer als Initialzündung sonst zu Aktivismus animiert.
Deswegen - Frau Rothe-Beinlich hat die Änderungsanträge bereits vorgestellt - haben wir viel Wert darauf gelegt, sorgfältig in diese Debatte hier zu gehen, nicht nur hier in diese Debatte, wir haben vorher auch sorgfältig viele Gespräche miteinander geführt und sind auch einen Schritt und manchmal sogar zwei Schritte weitergekommen, in der Regel aber wieder einen zurück. Das hat uns einfach massiv geärgert und glauben Sie uns, das werden wir auch nicht so schnell vergessen. Das eine, wenn wir über Geschäftsordnungsdebatten reden, sind ausreichende Beteiligungsmöglichkeiten, mehr Transparenz und so weiter. Das andere ist, dass wir darüber reden müssen, wie wir dem gerecht werden, dass hier fünf Parteien vertreten sind. Das wird auch so bleiben, das versichere ich Ihnen. Mindestens vier werden sicher in vier Jahren wieder einziehen. Deswegen ist es mir auch wichtig, darüber zu sprechen, wie wir das Zielverfahren bei bestimmten Gremienbesetzungen anlegen.
Es ist uns vor ein paar Monaten ein Gutachten des Juristischen Dienstes des Landtags zugegangen, in dem steht, dass es überhaupt keinen Grund gibt, die nächsten zehn, zwanzig, fünfzig Jahre - ich interpretiere es mal sehr frei - an d’Hondt festzuhalten; d’Hondt ist ein Zählverfahren, an dem dieser Landtag festhält. Und ich verstehe nicht, warum.
Ich verstehe es maximal deswegen, weil d’Hondt rechnerisch die große Fraktion bevorzugt und natürlich kann man sagen, passt euch bitte schön den Mehrheitsverhältnissen an. Ich bin die Letzte als Politikwissenschaftlerin, die nicht weiß, wie man sich Mehrheitsverhältnissen anpassen muss, aber ich sage Ihnen auch, es gibt so was wie d’Hondt 20, und das Ganze heißt Schepers, das ist die Weiterentwicklung des Verfahrens.
- das freut mich - dann lassen Sie uns doch mal darüber reden, ob man nicht, wie viele andere Landtage - Brandenburg, Hamburg, Hessen und viele andere haben das bereits eingeführt - sich auch tatsächlich gesellschaftlichen Veränderungen und der Tatsache, dass mehr Parteien im Landtag sitzen, anpassen. Sie wollten die ernsthafte Debatte darüber nicht führen, ich will Ihnen noch sagen, wo Schepers angewandt wird, nämlich im Bundestag und dort bereits seit geraumer Zeit. Ich versichere Ihnen, dass im Bundestag es sicherlich nicht so ist, dass die großen Parteien der Ansicht sind, die Mehrheitsverhältnisse werden nicht gewahrt.
Sehr geehrte Damen und Herren, die parlamentarische Opposition ist grundlegender Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Damit das heute auch noch mal alle mit nach Hause nehmen, tragen wir Ihnen das heute plakativ vor. Vielen Dank.
Meine Bitte an die Abgeordneten der GRÜNEN: Ich habe die ganze Zeit erwartet, was passiert denn noch. Wenn Sie bitte Ihre Jacken wieder überziehen würden. Sie haben jetzt die Rede Ihrer Fraktionsvorsitzenden nonverbal unterstützt. Bitte ziehen Sie die Jacken wieder über. Ich möchte Ihnen ungern einen Ordnungsruf erteilen. Jetzt tun Sie das nicht. Damit erteile ich den Abgeordneten Siegesmund, Rothe-Beinlich, Dr. Augsten, Schubert, Adams und Meyer einen Ordnungsruf für das Zeigen nonverbaler Zeichen im Plenarsaal.
(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte der Opposition ste- hen in der Verfassung.)
Ich möchte jetzt feststellen, dass mir keine weiteren Redeanmeldungen mehr vorliegen. Das bleibt auch so.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, dass die Gesetze zur Änderung der Verfassung, der gemeinsame Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung sowie die Änderungsanträge alle miteinander an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten
überwiesen werden sollen. Wenn sich kein Widerspruch dagegen erhebt, dass wir das im Block tun, das gesamte Paket an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen, würde ich das jetzt tun. Es erhebt sich kein Widerspruch.
Die vorhin von mir benannten Gesetze zur Änderung der Verfassung, der gemeinsame Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung sowie die Änderungsanträge sollen gemeinsam an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen werden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Es gibt keine Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt keine Stimmenthaltungen. Damit ist das einstimmig geschehen.
Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 7 in seinen Teilen a), b) und c). Der Abgeordnete Fiedler hat einen Geschäftsordnungsantrag.
Frau amtierende Präsidentin, ich bitte Sie, Ihr Amt wahrzunehmen als Präsidentin und die Ordnung im Hause wiederherzustellen.
Ich nehme jetzt den Geschäftsordnungsantrag nicht als Geschäftsordnungsantrag. Ich könnte ihn auch anders interpretieren. Die Ordnung im Hause ist insofern wiederhergestellt. Herr Abgeordneter Meyer, vielleicht ziehen Sie Ihre Jacke auch noch drüber.
Dann erhalten Sie einen weiteren Ordnungsruf von mir und mit diesem drohe ich Ihnen an, dass Sie den Saal verlassen müssen. Eine Redemeldung gibt es jetzt nicht mehr.
Herr Abgeordneter Meyer, Sie zwingen mich jetzt dazu mit dem Ankündigen des dritten Ordnungsrufes, weil Sie den Anweisungen der Präsidentin nicht folgen, dass ich Sie aus dem Saal verweisen muss.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir jetzt vereinbart haben, dass wir den nächsten Tagesordnungspunkt, der auch aus zwei Teilen besteht - Entlastung der Landesregierung für das Haushaltsjahr 2007 und Entlastung des Rechnungshofs -, nicht vor der Mittagspause aufrufen. Wir gehen jetzt in die Mittagspause und diese wird um 13.40 Uhr beendet. Dann beginnt die Fragestunde.
Als Erstes rufe ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Blechschmidt auf, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/1295. Herr Abgeordneter Blechschmidt, Sie haben das Wort.
Medienberichten zufolge muss der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) bis zum Jahr 2016 rund 115 Mio. € einsparen. Angesichts dieser immensen Summe ist davon auszugehen, dass auch das Landesfunkhaus Thüringen von drastischen Kürzungen betroffen sein wird.
Zugleich laufen derzeit die Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten der Länder über einen neuen Rundfunkgebührenstaatsvertrag, mit dem der Gebühreneinzug für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf eine Haushaltspauschale umgestellt werden soll. Damit soll erreicht werden, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf eine zeitgemäße Grundlage gestellt wird.