Protocol of the Session on June 18, 2010

nen, ob wir da eine ungefähre Aussage treffen können, weil es immer vom Einzelfall abhängt.

Zur zweiten Frage: Uns sind keinerlei Versäumnisse bei den Landkreisen bekannt, dass aufgrund von fehlenden Stellenbesetzungen Pflichtaufgaben nicht erfüllt werden können.

Ich sehe keine weiteren Fragen im Plenarsaal. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zur nächsten Frage. Das ist die Frage des Herrn Abgeordneten Kuschel aus der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/1100. Es antwortet für die Landesregierung das Innenministerium.

Danke, Frau Präsidentin.

Geringe Wahlbeteiligung bei den Bürgermeisterwahlen am 6. Juni 2010 Am 6. Juni 2010 wurden in über 680 Gemeinden Bürgermeister gewählt. Mit rund 53 Prozent war die Wahlbeteiligung die niedrigste seit 1990. In 28 Gemeinden gab es zur Wahl keine Bewerber. In der Mehrzahl der Gemeinden gab es nur einen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl. In der „Ostthüringer Zeitung“ vom 7. Juni 2010 wird der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und Bürgermeister von Tröbnitz, Wolfgang Fiedler, zitiert, wonach die Wahlbeteiligung, gemessen am „Superwetter“, als „doch ganz ordentlich“ bewertet werden kann.

Ich frage die Landesregierung:

1. Inwieweit hat nach Auffassung der Landesregierung der Umstand, dass in der Mehrzahl der Gemeinden nur ein Kandidat zur Wahl stand und es in 28 Gemeinden überhaupt keinen Bewerber gab, zur geringen Wahlbeteiligung beigetragen und welche Maßnahmen hält die Landesregierung für geboten, damit sich künftig mehr Bürger als Bewerber für die Bürgermeisterwahlen aufstellen lassen?

2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die sehr eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten auf gemeindlicher Ebene infolge der beschränkten Finanzmittel die Motivation für eine Bürgermeisterkandidatur hemmen, und wie begründet sie ihre Auffassung?

3. Inwieweit ist die zeitliche Trennung der Bürgermeisterwahlen von den Gemeinderats- und Stadtratswahlen aus Sicht der Landesregierung eine Ursache für die geringe Wahlbeteiligung und wie wird dies begründet?

4. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die jetzige Gemeindestruktur mit rund 600 Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern eine Ursache für die geringe Motivation für eine Bürgermeisterkandidatur in diesen Gemeinden ist und wie wird diese Auffassung begründet?

Es antwortet Herr Staatssekretär Geibert für die Landesregierung. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Der Landesdurchschnittswert von 53,2 Prozent Wahlbeteiligung ergibt sich lediglich rechnerisch aus den bei allen 689 einzelnen Bürgermeisterwahlen ermittelten Wahlbeteiligungsquoten im Durchschnitt. Differenziert nach Wahlform betrachtet, mit Bindung bzw. ohne Bindung an Wahlvorschläge, ergibt sich folgendes Bild: Der Landesdurchschnittswert liegt für die Wahlen in Gemeinden mit mindestens zwei Wahlvorschlägen bei 62,9 Prozent, in Gemeinden mit nur einem Wahlvorschlag bei 47 Prozent, in Gemeinden, in denen kein Wahlvorschlag eingereicht worden war, hingegen bei 56,7 Prozent. Die Wahlbeteiligungsquoten für die Wahlen in den einzelnen Gemeinden differieren allerdings stark. In den Landesdurchschnittswert von 53,2 Prozent flossen Wahlbeteiligungsquoten von 19,9 bis 97,9 Prozent für alle 689 durchgeführten Wahlen ein. Sowohl in der Gemeinde mit dem niedrigsten als auch in der Gemeinde mit dem höchsten Wahlbeteiligungswert wurde die Wahl ohne Bindung an Wahlvorschläge durchgeführt. Die Motivation der Wahlberechtigten, die an der Wahl teilgenommen oder nicht teilgenommen haben, ist allein durch Betrachtung der Zahlenwerte nicht zu ermitteln. Der Landesregierung liegen keine Untersuchungen darüber vor, ob und in welcher Weise sich die Anzahl der Bewerber auf die Höhe der Wahlbeteiligung auswirkt.

Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen keine Informationen über die Motivation von Bürgermeisterkandidaten vor. Die in der Frage enthaltene Behauptung ist pure Spekulation.

Zu Frage 3: Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, setzt sich der rechnerische Gesamtlandesdurchschnittswert aus den Einzelwerten der Gemeinden zusammen, die stark voneinander abweichen. Die Vorteile in der persönlichen Amtszeit der Bürgermeister überwiegen aus Sicht der Landesregie

rung mögliche negative Effekte für die Wahlbeteiligung.

Zu Frage 4: Der Landesregierung liegen keine Informationen über die Motivation von Bürgermeisterkandidaten vor. Für die in der Frage enthaltenen „Behauptungen“ sind Anhaltspunkte nicht erkennbar.

Es gibt eine Nachfrage.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, Sie haben in Beantwortung zur Frage 1 gesagt, es gäbe keine belastbaren Zahlen, inwieweit die Anzahl der Bewerber und die Wahlbeteiligung in einem kausalen Zusammenhang stehen. Sie haben aber selbst gesagt, das darf ich noch einmal wiederholen: Bei Wahlen mit mindestens zwei Bewerbern 62,9 Prozent, nur ein Bewerber 47 Prozent, kein Bewerber 56,7 Prozent. Insofern ist doch daraus eine Tendenz erkennbar, dass offenbar dort, wo Menschen eine Auswahl zwischen mindestens zwei Bewerbern haben, die Wahlbeteiligung tendenziell höher ist. Deshalb also noch mal meine Frage: Wieso sagen Sie, es liegen keine belastbaren Zahlen vor, wenn aber die Statistik doch hier eine eindeutige Tendenz vorgibt?

Es ist leider nicht so, dass die Statistik eine eindeutige Tendenz vorgeben würde. Wenn man sich die unterschiedlichen Gruppen differenzierter betrachtet, sieht man, dass bei den Wahlbeteiligungsquoten, wo keine Bindung an Wahlvorschläge war, die Differenz zwischen 19,9 und 97,9 Prozent liegt, also eine Differenz von knapp 80 Prozent.

Es gibt eine weitere Nachfrage.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, werden Sie zumindest auch die Entwicklung, dass bei den Bürgermeisterwahlen nur noch in Ausnahmefällen Frauen gewählt wurden, zum Anlass nehmen, sich noch mal mit der Problematik zu beschäftigen? Im Ilm-Kreis gibt es von den ganzen Bürgermeistern nur noch eine einzige Frau, das ist Frau Enders, die stand nicht zur Wahl. Es wurde keine Frau mehr gewählt. Ist das vielleicht Anlass für die Landesregierung, darüber nachzudenken, ob man wirklich so umgehen kann, und wie Sie die Sache sehen, sagen, wir lassen das alles, oder müssen wir nicht als Politik

viel mehr dafür Sorge tragen, dass möglichst auch das gesamte Spektrum der Bürger sich in den Kandidaturen widerspiegelt?

Zunächst unterstelle ich, dass keine signifikanten Unterschiede in der Geschlechterbeteiligung bei dieser und bei vorangegangenen Wahlen waren, jedenfalls nicht in der von Ihnen dargelegten Tendenz. Darüber hinaus liegen unter Gendergesichtspunkten uns keine Erkenntnisse vor.

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zur Frage der Abgeordneten Jung aus der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/1106. Es antwortet für die Landesregierung das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit.

Danke.

Gemeinsame Erklärung zum 3. Thüringer Sozialgipfel am 10. Juni 2010

Die Sozialverbände Volkssolidarität, Bund der Ruheständler, Rentner und Hinterbliebenen (BRH), VdK Hessen-Thüringen, Landesseniorenvertretung Thüringen und Sozialverband Deutschland (SoVD) haben auf dem 3. Sozialgipfel eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die vier Punkte enthält.

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung die soziokulturelle Arbeit fördern, um die Teilhabe der Menschen trotz Krise und Kürzungen im Sozial- und Arbeitsmarktbereich sicherzustellen?

2. Beabsichtigt die Landesregierung die Verabschiedung eines Seniorenmitwirkungsgesetzes sowie eines Ehrenamtsgesetzes, um die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement in Thüringen zu verbessern und wenn ja, wann?

3. Wie gedenkt die Landesregierung die Altersversorgung von Menschen in Thüringen nachhaltig zu sichern bzw. zu verbessern, falls die Bundesratsaktivitäten zur Angleichung der Rentenwerte Ost an West scheitern?

4. Beabsichtigt die Landesregierung die Beibehaltung einer eigenständigen Sozialgerichtsbarkeit mit ihren spezifischen verfahrensrechtlichen Besonderheiten wie z.B. der grundsätzlichen Gebührenfreiheit

und wenn nein, was soll geändert werden und warum?

Danke. Herr Staatssekretär Dr. Schubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ich beantworte namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jung wie folgt:

Frage 1: Die Thüringer Landesregierung ist sich der Anforderungen bewusst, die aktuell und in den nächsten Jahren erforderlich sind, das bestehende engmaschige soziale Netz in Thüringen zukunftssicher zu gestalten. Bereits der Landeshaushalt 2010 wurde vor diesem Hintergrund erstellt. Trotz der engen Vorgaben soll die Förderung im Bereich der Wohlfahrtspflege und des Landessportbunds verlässlich auf ein tragfähiges Niveau gestellt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Regierungskoalition wurde bereits eingebracht und befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Ein ganz anderer Bereich soziokultureller Arbeit wird durch die Jugendpauschale sichergestellt. Damit werden Angebote der örtlichen Jugendförderung und des Kinderschutzes, aber auch für zielgerichtete Angebote zur Gewährleistung von Teilhabe benachteiligter Kinder und Jugendlicher bereitgestellt. In diesem Zusammenhang darf das Programm „TIZIAN“ nicht fehlen. Unter dem Dach der Thüringer Initiative zur Integration, Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit wurden Integrationsprojekte für Bedarfsgemeinschaften nach dem II. Sozialgesetzbuch mit Kindern in Zusammenarbeit mit den Trägern der Grundsicherung entwickelt. Ich denke, dies veranschaulicht beispielhaft, wie die Thüringer Landesregierung zum einen die Teilhabe derer fördert, die sich selbst einbringen, als auch derer, die diese Angebote wahrnehmen.

Zu Frage 2: Die Landesregierung beabsichtigt die Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Seniorenmitbestimmung in den Landtag noch in diesem Jahr. Die Landesregierung plant derzeit kein Gesetzgebungsverfahren zu einem Ehrenamtsgesetz. Wie gut das bürgerliche Engagement im Bereich des Ehrenamtes funktioniert, konnte in der 7. Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit am 10. Juni 2010 dargestellt werden - Stichwort Ehrenamtsstiftung. Insofern bedarf es aus unserer Sicht hierzu keiner gesetzlichen Regelung.

Zu Frage 3: Nach Aussage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales soll die Vorbereitung zur Rentenangleichung noch in diesem Jahr beginnen. Mit dem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren ist

im Jahre 2011 zu rechnen. Die Landesregierung wird sich im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens für die Interessen der Thüringerinnen und Thüringer einsetzen.

Zu Frage 4: Die Landesregierung hat sich zu dieser Thematik noch keine abschließende Meinung gebildet. Hinsichtlich der vielfältigen Gesichtspunkte, die es vor einer entsprechenden Entscheidung zu berücksichtigen gilt, verweise ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Herrn Hauboldt „Zusammenlegung der Sozialgerichtsbarkeit mit anderen Gerichtszweigen? - aktueller Stand der Diskussion“. Die Drucksachennummer war 5/795. Die im Rahmen der Beantwortung dargestellten Überlegungen sind weiterhin aktuell und zutreffend. In der Justizministerkonferenz vom 22. und 23. Juni 2010 in Hamburg wird die Thematik eine weitere Erörterung zwischen den Ländern erfahren. Das ist schon nächste Woche. Thüringen steht den Gesprächen offen gegenüber. Die Entscheidung wird in Anbetracht ihrer Bedeutung und gerade im Hinblick auf verfahrensrechtliche Besonderheiten der Sozialgerichtsbarkeit nicht vorschnell getroffen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Es gibt den Wunsch auf eine Nachfrage.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, in Frage 1 haben Sie sich ein bisschen um die Ziele des Sozialgipfels rumgemogelt. Ich frage Sie jetzt noch einmal direkt: Beabsichtigt die Landesregierung die Förderung von Seniorenbegegnungsstätten und Seniorenbüros?

Dazu haben wir uns noch keine abschließende Meinung gebildet. Das wird im Rahmen der Haushaltsdiskussion 2011 eine Rolle spielen.

Ich sehe keine weitere Nachfrage. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir sind an dieser Stelle am Ende der Fragestunde. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 16

Stoppsignal gegen die Aufkün- digung des Sozialstaats - für ein Umsteuern hin zu guter Arbeit und fairen Löhnen in Thüringen Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1097 -

Die Fraktion DIE LINKE wünscht das Wort zur Begründung. Das Wort hat Abgeordneter Korschewsky.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Sozialstaat ist ein Staat, der in seinem Handeln soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit anstrebt, um die Teilnahme aller an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu gewährleisten. Es bezeichnet konkret auch die Gesamtheit staatlicher Einrichtungen, Steuerungsmaßnahmen und Normen, um das Ziel zu erreichen, Lebensrisiken und soziale Folgewirkungen abzufedern. Der Staat verpflichtet sich in Gesetzgebung und Verwaltung, für einen sozialen Ausgleich der Gesellschaft zu sorgen. Dies ist eine klare Ansage oder Aussage, die aus Wikipedia genommen ist. Die gelb-schwarze Bundesregierung ist wie die Vorgängerregierung auf dem besten Wege, sich von diesem Sozialstaatsprinzip Schritt für Schritt zu verabschieden. Die Auswirkungen werden auch in Thüringen gravierend sein, darüber haben wir unter anderem auch schon in der Aktuellen Stunde gesprochen, und nicht nur da, sondern in den vergangenen Tagen waren auch aus Medien viele dieser Dinge zu hören.

Nach dem Willen von Union und FDP sollen bis zum Jahr 2014 rund 80 Mrd. € bei den Ausgaben, rund 30 Mrd. € im Sozialbereich gekürzt werden. Das trifft nicht nur Arbeitslose, Alleinerziehende, Familien und Rentner, das trifft all diejenigen, die auf einen Sozialstaat angewiesen sind. Das trifft ebenso Geringverdienende, Leiharbeiter, Benachteiligte und Behinderte, junge und alte Menschen, also alle, die in diesem Lande hier leben. Bei Hartz-IV beziehenden Arbeitslosen und Familien soll rigoros gespart werden. Reiche und Profiteure der Finanz- und Wirtschaftskrise werden wiederum verschont. Erwerbslose und Familien lässt man ausbluten und werden zukünftig immer weiter ausgeblutet. Alles bleibt wie immer, die am wenigsten haben, müssen die Last und die Auswirkungen der Krise am schwersten tragen. Spekulanten und hoch Verdienende, Vermögende und die Profiteure der Finanzkrise kommen dagegen ungeschoren davon.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube und ich hoffe, dass wir hier zu einem hoffentlich möglichst einheitlichen Bild kommen. So darf und kann