Ich habe alle Redner so verstanden, es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir dort, wo immer wir Einfluss darauf nehmen könnten, alles tun müssen, dass dort Frieden herrscht. Aber - und da will ich auf die sogenannte Friedenspolitik der DDR zu sprechen kommen, und das ist der Schlüssel auch für die Bewertung Ihres Antrags - mit Ihrem Antrag erreicht man das eben gerade nicht. Mit dem Anspruch auf Frieden wurden in der DDR alle anderen Probleme in der Gesellschaft zugekleistert. Die Friedensbekenntnisse waren allgegenwärtig und am Ende war das Friedensargument letztlich ein Todschlagsargument. Wer sich nicht für Frieden nach DDR-Muster bekannte, der war für Krieg, so wurden wir diszipliniert. Unbequeme Bürger haben selbstredend den Bonner Ultras und den westdeutschen Kriegstreibern in die Hände gearbeitet. Diese Bürger waren nach offizieller Lesart damit unweigerlich für Krieg und nicht für Frieden. Und am Ende hat der Schlosser für den Frieden gefeilt, die Verkäuferin hat für den Frieden verkauft und der Maurer für den Frieden gebaut, 1961 sogar Mauern und Stacheldraht an der Grenze. Und mit ihrer sogenannten Friedenspolitik haben die DDR-Mächtigen alles gerechtfertigt, sogar das Schießen auf wehrlose, friedliche Menschen an der Mauer. Die zentrale Botschaft war damals, Hauptsache Frieden, alles andere ist nicht mehr so ganz schlimm.
Nein, meine Damen und Herren, so einfach ist es eben gerade nicht. Ein Staat, der die Menschenrechte seinen Bürgern vorenthält, der die Achtung der Würde des Einzelnen nicht an erste Stelle in seinem Handeln stellt, und der die Freiheitsrechte seiner Bürger missachtet, der kann nicht gleichzeitig Friedensstaat sein.
Meine Damen und Herren, und wenn wir deshalb auch über Erziehung und Friedenserziehung heute an den Schulen reden, dann, und das ist unsere Erfahrung aus der DDR, ist damit untrennbar auch die Forderung verbunden, gleichrangig Demokratieerziehung zu pflegen. Dazu gehört die Vermittlung, dass Menschenrechte unteilbar sind, dass insbesondere die Freiheitsrechte in einen Rechtsstaat gehören. Dieser Zusammenhang wird in dem Antrag der LINKEN vollständig ausgeblendet. Deshalb sage ich, dieser Antrag folgt im Kern genau der falschen Logik, die da lautet, Hauptsache Frieden, das andere ist dann wohl nicht mehr ganz so wichtig.
Es gibt viele Gründe den Antrag der LINKEN abzulehnen, auch wegen dieser falschen Logik. Ich will aber auf einige Punkte dennoch hinweisen, nicht auf alle. Wenn Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlich
keit zusammengehören, dann kommen wir nicht daran vorbei, auch über Fragen der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates zu reden. Wir müssen uns die Fragen stellen, wie schützen wir unsere Demokratie, welche Aufgaben haben Armeen in demokratischen Rechtsstaaten, wie lautet der Auftrag, den unsere Bundeswehr hat? Ich denke, gerade diese Fragen gehören in die Schulen und die öffentlichen Debatten und gehören nicht ausgeblendet. Das fördert erst die Mündigkeit unserer Jugendlichen und unserer Bürger, über Krieg und Frieden nachzudenken. Also unsere Demokratie braucht den Schutz. Sie muss wehrhaft sein. Sie kennen alle den Spruch, den wir an verschiedenen Stellen, auch in der DDR, gepflegt haben, Frieden schaffen, ohne Waffen. Wer sehnte sich denn nicht nach dieser Konsequenz, Frieden schaffen, ohne Waffen? Das zeigt eben historische Erfahrung und der Blick über die Welt, dass dies eine unerfüllte Sehnsucht bleiben wird. Wir brauchen die Bundeswehr, damit wir nicht erpressbar sind.
Meine Damen und Herren, gestern war in der PointAlpha-Stiftung eine sehr bemerkenswerte Preisverleihung an Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Der Vater des sogenannten NATO-Doppelbeschlusses hatte genau diese Erkenntnis umgesetzt. Verhandlungen aus einer Position der Schwäche hätten die Russen nie veranlasst, ihre SS-20 aus der DDR abzuziehen. Erst nachdem die Pershings und Cruise Missiles dann auch stationiert wurden, waren die Sowjets zur Abrüstung bereit. Das mag schizophren klingen, aber so war es und das erst hat die Abrüstung ermöglicht. Ich will übrigens an dieser Stelle noch auf ein anderes Ereignis hinweisen, das in der Nähe vom Point Alpha stattgefunden hat. DIE LINKE aus Thüringen und Hessen hatten dort zu einem Friedensfest eingeladen, bei dem symbolisch Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet wurden, gedacht als Kontrapunkt gegen die Preisverleihung.
Ich will hier den Kommentator der „Südthüringer Zeitung“ zu Wort kommen lassen. Er hat es auf den Punkt gebracht. Unter dem Stichwort „Klartext“ ist am 16.06.2010 Folgendes zu lesen. Ich zitiere: „Schwerter zu Pflugscharen, das war das Symbol der überwiegend christlich geprägten Friedensbewegung in der DDR, die später auch in der Freiheitsbewegung aufging, die zum Fall der Mauer und zu einer Revolution führte, die wirklich friedlich verlief. Wer in der DDR dieses Symbol trug, der wurde von der SED drangsaliert und verfolgt, wurde von der Schule geworfen, strafversetzt, nicht zum Abitur oder Studium zugelassen oder erfuhr, was die Diktatur sonst noch so alles an Widerwärtigkeiten zu bieten hatte.“ Zitat im ersten Teil zu Ende. Er schlussfolgert dann weiter: „Jede andere Partei hätte eine solche Veranstaltung machen können, aber nicht DIE LINKE als Nachfolgepartei der SED.“ Weiter heißt es im Text:
„Das ist eine bodenlose Verhöhnung derer, die sich für Frieden und Freiheit einsetzten und dafür die Brutalität der Diktatur zu spüren bekamen.“
Meine Damen und Herren, dem muss ich nichts hinzufügen. Ich will kurz noch einmal zurückkommen auf die Bundeswehr, denn sie ist seit ihrer Gründung den Grundwerten unserer Verfassung verpflichtet; Herr Gentzel hat den Artikel aus der Verfassung zitiert. Sie ist in der Gesellschaft verankert und ihre Angehörigen sind Staatsbürger unserer Republik. Es sind keine Legionäre, sie gehören nicht in eine Schmuddelecke, über die man lieber schweigt, wie es in Ihrem Antrag so ähnlich gefordert wird. Selbstverständnis und Einsatz der Bundeswehr sind im Kontext mit der im Grundgesetz verpflichtenden Friedenspolitik zu sehen. In der zentralen Dienstvorschrift der Bundeswehr heißt es in Punkt 106, ich zitiere: „Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erfüllen ihren Auftrag, wenn sie aus innerer Überzeugung für Menschenwürde, Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität und Demokratie als den leitenden Werten unseres Staates aktiv eintreten.“
Deswegen sagen wir, die Union, die Bundeswehr ist Teil der deutschen Friedenspolitik und über internationale Einsätze entscheidet der Bundestag. Übrigens genau hierin unterscheidet sich die Bundeswehr von den sogenannten Bewaffneten Organen der DDR. Die SED als eine Partei beanspruchte die totale Verfügungsgewalt über diese Armee, die sie im Zweifel auch gegen die eigene Bevölkerung einsetzen konnte. Was das heißt, haben wir im Herbst 1989 in Dresden und Leipzig erlebt, als die Armee prügelnd gegen friedliche Demonstranten vorgegangen ist.
Meine Damen und Herren, zur Bundeswehr gehört auch, dass sie militärisches Gerät hat, das den heutigen Anforderungen an eine moderne Verteidigung genügt; deshalb können wir leider nicht die Forschung und Entwicklung in diesem Sektor der Wirtschaft einstellen. Es ist übrigens sehr bemerkenswert, dass die Bundeswehr in ganz Deutschland über weniger Soldatinnen und Soldaten verfügt als die NVA-Einheiten der ehemaligen DDR.
Meine Damen und Herren, noch etwas, dass DIE LINKE in diesem Antrag wiederum die Einführung der Finanztransaktionssteuer fordert, ist nur reine Politrhetorik. Überall und an jeder Stelle müssen sie ihre Feindbilder pflegen. Dazu gehören wohl offenbar auch die Finanzmärkte. Denn ihre Logik ist, Finanzmärkte sind böse, sie sind natürlich an allem
schuld. Am Ende sind sie wahrscheinlich die Kriegstreiber unserer Zeit. Nein, meine Damen und Herren, diese profane Logik erinnert mich sehr an die DDR, sie stimmt eben nicht.
Ein Letztes: Eine Formulierung in Ihrem Antrag hat mich dann doch etwas aufgebracht, ich zitiere: „Alle parlamentarischen Vorhaben müssen darauf gerichtet sein, Entscheidungen auszuschließen, die kriegerische und gewaltsame Auseinandersetzung hervorrufen und fördern.“ Ja, glauben Sie denn, irgendeiner hätte jemals schon irgendwann einmal die Absicht gehabt, mit seinen Entscheidungen kriegerische und gewaltsame Auseinandersetzungen hervorzurufen und zu fördern? Ich bitte Sie, dieser Appell ist so überflüssig wie der ganze Antrag und deshalb empfehle ich diesem Hohen Haus die Ablehnung dieses Antrags der Fraktion DIE LINKE. Vielen Dank.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich halte es schon für einen relativ einmaligen Vorgang, mit Hinweis auf den Antragsteller die Diskussion zu den Einzelpunkten im Grunde zu verweigern.
Sie haben gesagt, das sei Agitation und Propaganda und wir ständen im Grunde in der direkten Linie der militaristischen Politik der DDR.
Ich frage mich ganz ehrlich: Wann hat sich irgendjemand von den Abgeordneten, die jetzt auch gerade trommeln, wirklich mal an DIE LINKE gewandt und gefragt, habt ihr euch mit diesen Facetten auseinandergesetzt, mit dem Militarismus und Autoritarismus in der DDR? Wie ist eure Haltung heute dazu? Ich kann mich an so etwas nicht erinnern. Da Sie nicht gefragt haben, will ich ihnen sagen,
was ich dazu zu sagen habe. Ich bin Referentin im Themenfeld Rechtsextremismus und oft werde ich bei Vorträgen gefragt, welche Ursachen es gibt für das Erstarken des Neofaschismus gerade hier in Ostdeutschland. Da verweise ich darauf, dass es neben vielen sozialen und auch anderen Ursachen natürlich auch eine Quelle gibt, die in der Geringschätzung von Toleranz und Weltoffenheit in der DDR liegt und gerade durch die Einstellung zum Militarismus und Autoritarismus hat sich auch heute diese Geringschätzung hier in Thüringen, was die Bereiche Toleranz und Weltoffenheit angeht, weiter verschärft. Da tragen wir Verantwortung und deswegen sind wir so engagiert darin und sagen, wir müssen diese Einstellungen in der Bevölkerung zurückdrängen.
Ich weiß von vielen in meiner Fraktion und Partei, dass es zum Teil auch schmerzliche biografische Auseinandersetzungen sind, die in der Beschäftigung gerade mit diesen Aspekten geführt werden mussten.
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, Kinder und Jugendliche beim Exerzieren, Fahnenappell und Panzer fahren, das ist absolut untragbar, unmenschlich, das ist gegenüber den Kindern und Jugendlichen ein nicht wieder gut zu machendes Missverhalten der Pädagogen, der Gesellschaft. Das Schlimmste daran ist, dass dabei Alltäglichkeit vermittelt wird, wenn Kindern so etwas beigebracht wird, dass es normal ist, Soldat zu sein, dass es normal ist, in den Krieg zu ziehen.
Das akzeptieren wir nicht. Ich möchte Sie bitten, einfach, wenn Sie uns grundsätzlich die Behandlung dieser Themen absprechen, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass wir eine neue Partei sind, dass es viele junge Mitglieder,
- doch, das müssen Sie sich anhören - dass es Abgeordnete mit unterschiedlichen Biografien gibt, auch unterschiedlichen Biografien aus der DDR und dass es auch Menschen in dieser Partei wie mich gibt, die schon mit 16 Jahren auf einem Ostermarsch waren und damals nicht nur gegen Pershing, sondern auch SS 20 demonstriert haben.
Mit Hinweis allein auf die Vergangenheit kann man doch keinem Antragsteller grundsätzlich die Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit absprechen. Wenn wir so weit kommen, dann will ich auch ein Beispiel aufmachen, dann machen wir es auch in Zukunft so, dann sage ich, dann nehme ich in Zukunft jegliches Anliegen von SPD oder CDU im Themenfeld „humane Flüchtlingspolitik“ nicht mehr ernst nach der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl.
Soweit wollen wir aber nicht kommen, dass wir Fehler aus der Vergangenheit dazu nutzen, Leuten heute ein ernsthaftes politisches Interesse oder ein ernsthaftes politisches Anliegen abzusprechen.
Ich möchte auf einige Gegenargumente zu den Einzelpunkten eingehen. Natürlich geht es uns nicht darum, im Bereich der Rüstungsproduktion und Rüstungstechnikforschung jegliche Technik, die auch in einem militärtechnischen Gerät eingesetzt werden kann, zu bannen. Aber wenn zum Beispiel optische Linsen, die in Thüringen hergestellt werden, ganz wesentlich in der Zielerfassung von Geschützen eingebaut werden und diese Geschütze dann Zivilisten töten, dann müssen wir uns schon der Verantwortung stellen, dass diese Wehrtechnik im Grunde destruktiv ist und Menschen tötet und wir nicht wollen, dass Fördermittel in diesen Bereich fließen.
Ich glaube, es ist auch keine Lösung zu sagen, es ist eine Gewissensentscheidung der Eltern, ob sie ihre Kinder an Ausflügen zur Bundeswehr, auf Informationsveranstaltungen, etc. teilnehmen lassen. Denn was ist mit den Kindern, deren Eltern nicht sensibilisiert sind? Auch da müssen wir uns generell fragen, ob Schule und Militär...