Protocol of the Session on June 17, 2010

Ich denke, meine Damen und Herren, Kollege Adams, Sie hatten noch mal das mit Sachsen gebracht. Es gab mal Zeiten, auch in meiner Fraktion, da haben wir uns mit Bayern identifiziert. Da haben wir gesagt, wir wollen Bayern nachfolgen. Aber ich muss Ihnen sagen, das Bild hat sich gewandelt. Bayern hat eine ganze Landesbank vergeigt und was da alles noch so drum und dran hängt. Man muss ja nicht dem nachfolgen, wo man merkt, dass das Bild vielleicht nicht das richtige war. Auch wenn es unsere Freunde der CSU sind, aber wenn sie Fehler machen, muss man dem ja nicht nachrennen. Wir wollten mal Bayernpartei werden - wo ist der Generalsekretär, er sitzt hier oben - wir wollen natürlich, dass wir die Menschen mitnehmen, das ist das Entscheidende. Da bin ich mir ganz sicher, dass wir dort in gemeinsamen Dingen nach vorn kommen. In Sachsen, ich kann Ihnen sagen, gehen Sie mal und reden Sie mal mit den Menschen vor Ort, dort werden Sie feststellen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, dass viele sehr, sehr unzufrieden sind mit diesen riesenhaften Einheiten, die dort geschaffen sind. Reden Sie mal mit Altländern, die schon lange solche großen Strukturen haben, auch in Hessen, wenn es auch unsere Nachbarn sind, die sind heute noch unzufrieden mit solchen riesenhaften Kreisen, 300.000, 400.000 Seelen, das ist im Saarland fast das ganze Land, da weiß keiner mehr, was dort los ist. Ich weiß nicht, ich schweife ein bisschen ab, Herr Präsident, aber die anderen haben es heute auch getan. Anhand dieser Beispiele, ich denke, dem muss man nicht folgen. Erinnern Sie sich mal an MecklenburgVorpommern, dort hat das Gericht entschieden, dass diese Kreisgebietsreform nicht rechtens war. Auch das müssen Sie mit bedenken. Denn auch der Gesetzgeber ist nicht ganz frei in seinen Entscheidungen. Er muss auch das Gemeinwohl im Blick haben, er muss Vergleichbarkeit im Blick haben. Ich habe zwei Gebietsreformen schon mitgemacht. Eines kann ich Ihnen sagen, das A und O ist, dass die Menschen mitgenommen werden. Wenn man es denn machen muss - wir mussten es ja damals machen, wir hatten Landkreise von 30.000 Seelen, das hat die meisten doch überzeugt, dass das unter schweren Geburten aber dann zusammengeschlossen wurde -, muss man darauf achten, dass man nicht die Gerichtsbarkeit damit hervorlockt und das Verfassungsgericht oder Oberverwaltungsgericht u.ä. etwas anderes entscheiden. Da sind wir gefordert als Gesetzgeber, dass wir uns da nicht so einfach aus der Hütte locken lassen. Deswegen lege ich auch großen Wert darauf, wir werden sicher morgen versuchen, Kollege Hey, wenn wir unsere Sondersitzung haben, ob wir den Gesetzentwurf der Landesregierung noch drauf bekommen - er ist ja nicht drauf - und wenn die anderen Fraktionen nicht widersprechen, werden wir sicher auch das Anhörungsverfahren in Gang setzen. Wenn dem nicht so ist, werden wir es am 13. August in Bewegung setzen. Denn eines ist wichtig: Wir müssen

aufpassen, dass wir verfassungskonform sind. Ich glaube, da muss ich dem Innenminister als ausgewiesenem Verfassungsrechtler nicht etwas erklären, das weiß er selber am besten. Ich bin ja nicht der Herr Kollege Kaiser, der heute nicht da ist, dass ich ihm da immer was vorerzählen will. Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, dass wir den Gesetzentwurf der Landesregierung überweisen an den Innenausschuss. Wir werden das zügig beraten, wenn es geht auch schon morgen die Anhörung in Bewegung zu setzen.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Meyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat um das Wort gebeten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, keine Sorge, so polemisch will ich es gar nicht machen. Aber, Herr Fiedler, ich vermute mal ganz stark, wenn ich als Parlamentsneuling mich mal ganz tief in die Archive vergrabe in das Jahr 1993, bekomme ich dieselbe Rede von Ihnen zu hören, nur mit anderen Zahlen, mit derselben Verve vorgetragen wie - Landkreise sind heilig gewesen und sie dürfen nicht zusammengelegt werden, dann geht das Abendland unter.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Lesen Sie doch mal nach.)

Ich bin lange genug in Thüringen, seit 1991, um Ihre wortreiche „Rede“ von 1993 noch zu rekapitulieren und die haben Sie und die CDU damals natürlich auch gesagt. Sie haben eben gerade das Beispiel gebracht, 30.000 Einwohner große Landkreise waren nicht mehr tragbar.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Ja, Sie haben die 50.000 und 60.000 wohlweislich nicht genannt, weil Sie dann schon ein Problem hätten, mit bestehenden Landkreisen zu argumentieren. Das wissen Sie so gut wie ich.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU)

Nein, das haben Sie nicht gesagt. Das weiß ich ja. Deswegen erzähle ich Ihnen das auch. Das muss ich ja.

(Zwischenrufe aus der Fraktion der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rednerliste füllt sich langsam. Das Thema nimmt an Fahrt auf. Es hat jeder die Möglichkeit, sich zusätzlich noch in diese Rednerliste eintragen zu lassen. Ansonsten bitte ich darum, den Redner hier vorn einigermaßen im Redefluss zu lassen.

Danke. Ich versuche das einmal in einer etwas komplexeren Art und Weise. Herr Fiedler bringt gerade das Thema hoch, dass die alten DDR-Bezirke, die zufälligerweise jetzt IHK-Bezirke sind, schon zu klein sind, um vernünftige Wirtschaftspolitik zu machen zum Wohle der kleinen und mittleren Unternehmen. Das nehme ich einmal so zur Kenntnis. Das nehmen wir alle zur Kenntnis, wenn es um die Frage geht, wie groß müssen bestimmte Bezirke sein. Wir haben vor nicht ganz zwei Stunden hier eine Debatte geführt über Berufsschulstandorte und die Tatsache, dass mittlerweile gezwungenerweise mehrere Kreise zusammenarbeiten müssen, das müssen sie in Sachsen nicht mehr. Das ist ein Kreis, der einen sinnvollen Berufsschulstandortbezirk hat.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was ist denn schlecht an Zusammenarbeit?)

Genau, vollständig nennt man diese Zusammenarbeit dann Fusion oder Eingemeindung. Genau das meine ich. Genau deshalb ist überhaupt nichts Schlechtes an Zusammenarbeit. Völlig richtig. Das haben übrigens die Ortsteile der großen Städte seit 15 Jahren auch erkannt, nachdem sie sich von Leuten wie Ihnen haben aufwiegeln lassen nach dem Motto, alles wird schlechter. Sie können sich heute einmal die Ortsteile in Erfurt, Jena, Gera oder Weimar anschauen, ob die heute noch selbständig sein möchten oder nicht. Das wage ich zu bezweifeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ha- ben wir doch damals gemacht.)

Ja, das sage ich ja gerade. Aber mit denselben Bemerkungen dazu, das Abendland geht unter, wenn wir hier etwas zusammentun. Heiligenstadt und Worbis, meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieses Thema kann ich mich noch mit Begeisterung erinnern, wie selbst Eichsfelder in der Lage gewesen sind zu behaupten, dass das Obereichsfeld noch doppelt geteilt sein müsste, weil man nicht zusammenarbeiten könnte.

Herr Abgeordneter, lassen Sie die Frage zu?

Ja, bitte.

Herr Meyer, Sie sagten gerade, dass die Ortsteile alle glücklich sind, die in große Städte eingemeindet wurden. Ist Ihnen denn bekannt, dass mittlerweile zwei Ortsteile von Gera den Antrag gestellt haben, von Gera wieder in den Landkreis Greiz zu wechseln?

Das ist mir nicht bekannt. Das wundert mich, mit Verlaub gesagt, aber bei der Geraer Kommunalpolitik auch nicht wirklich.

Dritte Bemerkung: Sie haben selbst gestern eine Aktuelle Stunde präsentiert, in der Sie das RagnitzGutachten thematisieren wollten. Was steht da drin? Es braucht größere Einheiten, damit die Bürger vernünftige Leistungen bekommen können. Sie haben - nebenbei bemerkt, Herr Fiedler - gerade eine ganze Sparte eines Ministeriums für überflüssig, dumm und den Menschen gegenüber falsch deklariert. Die Regionalplanung nämlich. Wenn Sie glauben, dass freiwillige Zusammenschlüsse...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Solche Worte, wie Sie sie in den Mund nehmen, Sie sind doch ein Oberlehrer hoch drei.)

Na gut, Herr Fiedler. Das mit dem Oberlehrer nehme ich ja gern an, aber nicht von Ihnen. Das hätten Sie einmal hören müssen, was Sie gerade hier vorn gemacht haben.

Moment einmal. Herr Abgeordneter Fiedler, Sie haben vorhin in Ihrer Rede von einer Keule gesprochen. Ich will die Keule nicht herausholen. Aber es ist die Bedingung dafür, dass wir hier wenigstens einigermaßen vernünftig miteinander umgehen. Ich bitte jetzt zum wiederholten Male - sonst hole ich sie heraus -, den Redner hier vorn ausreden zu lassen. Es gibt genug Möglichkeiten, sich hier noch zu Wort zu melden und zu reden. Danke.

Die Regionalplanung in Thüringen und die Landesplanung haben Kriterien aufgestellt dafür, wie die optimale Verwaltungsarbeit in den Gemeinden organisiert werden muss. Unstreitig ist, dass dafür allein freiwillige Zusammenschlüsse nicht der geeignete Weg sein können. Das können wir uns aus der Vergangenheit anschauen und auch gern in der Gegenwart. Da bin ich bereit, mit Ihnen jede Art von Debatte zu machen in jedem Ausschuss, den Sie wollen.

Eine letzte Bemerkung von mir hier vorn, es gibt ja noch andere Redner: Wenn Sie eine dauerhafte Größe von mindestens 4.000 Einwohnern in einer Gemeinde haben wollen, dann müssen Sie auch den Mut haben, in Thüringen zu differenzieren. Freiwillige Zusammenschlüsse zwischen, sagen wir einmal Gotha und Gera, von Gemeinden in den Kreisen dort können mit jetzt 4.000 bis 4.500 Einwohnern dauerhaft bestehen. Aber für das Altenburger Land, für den Landkreis Kyffhäuser und für Sonneberg müssen Sie dann schon den Mut haben und sagen, wer jetzt nicht 6.000 Einwohner freiwillig zusammenbringt, wird dauerhaft nicht bestehen können. Denn dazu können Sie sich gern den Thüringen-Monitor anschauen oder sich das Ganze morgen von der Frau Ministerpräsidentin vorlesen lassen, dann wissen Sie, wo das Problem liegt.

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch auf eine weitere Zwischenfrage.

Aber ja, immer her damit.

Herr Meyer, meine Frage: Haben Sie Ihre Kommunalvertreter Ihrer Partei oder Ihre Bürgermeister einmal richtig gefragt, wie die über das ganze Thema denken?

Ich bin selbst seit 25 Jahren kommunalpolitischer Vertreter gewesen. Ich habe dazu sogar eine eigene Meinung. Aber ich frage auch unsere eigenen Vertreter, übrigens auch welche von der FDP, das ist kein Problem, die denken sehr ähnlich. Es ist doch bezeichnend, Herr Untermann, dass man mittlerweile Zeitungsartikel liest, in denen sich CDU-Bürgermeister zusammenschließen in Ostthüringen und sagen,

wir fordern größere Strukturen, weil unsere Partei nicht in der Lage ist, das im Land durchzusetzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das finde ich sehr bezeichnend, wenn es um die Frage geht, wer will was.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Hauboldt von der Fraktion DIE LINKE.

(Unruhe im Hause)

Ich weiß nicht, was heute los ist. Wahrscheinlich liegt das daran, dass in 24 Stunden die Nationalmannschaft spielt. Aber ich sage Ihnen, es gibt keinen Grund, so unruhig zu sein deshalb. Ich bitte noch mal um etwas mehr Ruhe.

Danke, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will das Thema auch nicht unnötig in die Länge ziehen und ich denke, die Debatte gehört, um sie im Detail zu führen, in den Innenausschuss und ich bin mir auch sicher, dass dort sehr vehement um die Einzelpositionen gestritten wird. Ich möchte aber trotzdem noch mal erwidern auf die Fragen oder Anwürfe, die in Richtung meines Beitrags gegangen sind, weil ich denke, so kann man sie nicht im Raum stehen lassen. Ich bin auch dem Herrn Kollegen Meyer sehr dankbar, denn er hat noch mal in seinen Darlegungen einiges aufklären und richtigstellen können. Darauf muss ich im Einzelnen nicht noch mal Bezug nehmen.

Aber, Herr Fiedler, ich wünsche Ihnen gern, das wissen Sie, dass Sie 100 Jahre und älter werden, aber selbst dann würden Sie den Tag X, so wie Sie ihn beschrieben haben - mit der Entscheidungsfreudigkeit, sich genau in die eine oder andere Richtung zu entwickeln -, mit Sicherheit mit dieser heutigen Methodik nicht erleben, selbst wenn Sie 100 Jahre und älter würden. Sie müssen sich mal politisch durchringen, die Methodik zu ändern. Vorhin haben Sie bei der Nachfrage meines Kollegen Huster auch noch mal gesagt: na ja, diese Legislaturperiode, wir wissen es noch nicht so richtig. Es wird keine Alternative dazu sein und geben.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Seid ihr taub oder was?)

(Beifall DIE LINKE)

Herr Innenminister, ich gestehe Ihnen zu, Sie mögen Thüringen bewerten. Das ist vollkommen legitim. Aber Sie lehnen sich sehr weit aus dem Fenster, wenn Sie sagen - unterschwellig - Sachsen-Anhalt und Sachsen, dort hat die Gebietsreform stattgefunden und ich weiß und kenne die Diskussion auch im Vorfeld hier in Thüringen. Man hat immer gesagt, wir sind mal sehr reserviert in unseren Anstrengungen und warten mal ab, was in anderen Bundesländern passiert, denn die Fehler, die dort passiert sind, müsse man ja nicht in Thüringen machen. Ich habe die erhitzte Debatte eben erlebt mit Blick auf Sachsen-Anhalt und Sachsen: Die Menschen sind nicht ausgewandert, die sind auch nicht relativ unzufrieden, weil gesagt worden ist, die gehen nicht zur Wahl, es haben auch die Kommunalwahlen dort stattgefunden und die waren prozentual nicht unter den Werten, die hier in Thüringen waren zur Kommunalwahl. Es gab eine Riesenkritik der Verbände auf Landkreisebene, die sich sehr massiv dagegen ausgesprochen haben, hier ist der Begriff gefallen, das Abendland war nicht in Gefahr und ist es auch nicht. Insofern kann man wohlgemut in Richtung Sachsen-Anhalt und Sachsen schauen, was die dort schon produziert haben. Ich denke, das macht deutlich, dass wir hier in Thüringen noch ein weites Stück hinterher sind. Herr Fiedler, vorhin ist es unterschwellig angekommen: Sie dürfen nicht immer nur den Vergleich in Richtung DDR-Zeit machen, immer wieder diese alte Geschichte vorzukramen, wir leben im Jetzt und Heute.

(Unruhe CDU)

Wir müssen uns doch den realen Bedingungen stellen und den Erfordernissen, die die Zeit ganz einfach mit sich bringt. Da sage ich doch mit Fug und Recht: 1994 sind doch keine undemokratischen Entscheidungen getroffen worden, als die damalige Gebietsreform umgesetzt worden ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich war damals noch nicht hier in diesem Haus, aber ich kenne die Entscheidung und weiß auch um das Ziehen und Ringen eines jeden Abgeordneten für seine Region. Die Nachwehen haben sich teilweise bis heute noch nicht ganz gelegt, aber es war doch keine undemokratische Entscheidung, nur weil dieses Haus genau über diese Struktur entschieden hat - auch mit einer reichlichen Diskussion unter Einbeziehung der Bürger.

Noch eine Bemerkung, Herr Fiedler: Das fand ich natürlich sehr interessant, Sie haben in einem Nebensatz erwähnt, als es um die Frage der IHK ging, ich habe noch wohlwollend im Ohr, als Sie gesagt