Protocol of the Session on May 27, 2010

Damit wird deutlich, meine Damen und Herren, der Schwerpunkt der Reformdiskussion im Bereich Unabhängigkeit der Justiz liegt auf der Frage des Ausbaus der Selbstverwaltung, aber es müssen, so die Meinung meiner Fraktion, in diesen Reformdiskussionen noch weitere Gesichtspunkte mit einbezogen werden. Meine Bitte und meine Forderung an Sie, lassen Sie uns den vorliegenden Antrag nutzen, um in der weiteren Ausschussberatung die Reformdiskussion in Sachen Unabhängigkeit und Selbstverwaltung dem Beispiel Hamburgs folgend auch Thüringen in dieser Frage voranzubringen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hauboldt. Es hat jetzt das Wort Abgeordneter Schröter von der CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegensatz zum Vorredner möchte ich es doch ernsthaft etwas kürzer machen.

(Beifall CDU, FDP)

Zuerst: Mit dem vorgelegten Antrag postulieren Sie, die Einbringer, zunächst, dass es einen aus Ihrer Sicht umfassenden Veränderungsbedarf gibt, die Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz - wie Sie sagen - zu verwirklichen. Sie beziehen sich in Ihrem Antrag, ohne dies zu nennen, auf zwei Diskussionsentwürfe von Standesvereinigungen: den Diskussionsentwurf der Neuen Richtervereinigung mit Stand vom 12.03.2010 mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz“, der den bundesrechtlichen Bereich betrifft, und den Entwurf für ein Landesgesetz zur Selbstverwaltung der Justiz mit Stand vom 01.02.2010, der, wie aus dem Titel erkennbar, sich mit landesrechtlichen Regelungen befasst. In beiden Fällen handelt es sich um die Innenansicht Betroffener. Die beinhalteten Forderungen scheinen von den Einbringern des Antrags kategorisiert zu sein in mögliche Schritte, mit denen sie die bundesrechtlichen Regelungen meinen könnten, und die notwendige Schritte, die offenbar auf die länderrechtlichen Regelungen abzielen. Dass im letzteren Bereich gegebenenfalls auch im bundesrechtlichen Bereich Verfassungsänderungen notwendig wären, beschwert Sie dabei nicht. Sie nehmen im Grunde die unbewerteten Forderungen in Ihrem Antrag auf. Auf eine Außenansicht der Dinge oder eine eigene Bewertung verzichten Sie weitgehend selbst. In Ihrem Antrag sowie auch in den beiden Bezugsmaterialien ist von einer mangelnden Umsetzung europäischer Standards die Rede. Es muss noch einmal an dieser Stelle richtiggestellt werden, dass es diese Standards nicht gibt.

(Beifall SPD)

Es existieren lediglich Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats vom 13.10.1994, wonach der Europarat angeblich als wesentliches Kriterium für ein den Anforderungen der EU entsprechendes System der Rechtspflege allein die Selbstverwaltung der Justiz angesehen habe. Dies ist allerdings eine Halbwahrheit und grob sinnentstellende Verkürzung des Beschlusses. Richtig ist, dass in der Empfehlung verschiedene Prinzipien zum Schutz der richterlichen Unabhängigkeit und der Unabhängigkeit der Justiz empfohlen worden sind. Den Vorrang hat nicht die Unabhängigkeit der Justizverwaltung, sondern allgemeine Prinzipien zum Schutz der Unabhängigkeit der Richter.

(Beifall CDU)

Zum Dritten: In Ihren besonderen Gesichtspunkten für den Inhalt der soeben erfolgten Berichterstattung fordern Sie, die Organisationsstrukturen der Justiz in Deutschland der Praxis anderer Staaten anzupassen. Vorsicht, meine Damen und Herren, wir hoffen, dass Sie nicht wissen, was Sie damit tun. Neh

men wir zum Beispiel zwei Länder, die eine selbstverwaltete Justiz umgesetzt haben; beide spielten als Beispiele schon einmal eine Rolle. Herr Abgeordneter Koppe hat die spanische Situation aus dem Artikel der Stuttgarter Zeitung vom 19.02.2009 erläutert; „langsam“, „gefürchtet“, „nachlässig“ und „parteilich“ waren so die Stichworte, die für dieses Beispiel galten. Ich glaube nicht, dass solche Zustände in Deutschland wünschenswert sind. Das zweite Beispiel: Hier möchte ich die von Frau Marx getätigten Ausführungen noch etwas vertiefen. In Italien hat sich die Justiz zum Staat im Staate entwickelt. Das haben wir gehört. Man muss aber auch mal wissen, Zivilverfahren hatten per Stand Ende 2005 eine durchschnittliche Erledigungsdauer von zehn Jahren. Die erfolgreichen Beschwerden zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen eines Verstoßes gegen Artikel 6 der Menschenrechtskonvention wegen überlanger Verfahrensdauer und Versagen des Justizgewährungsanspruchs eines Menschenrechts lag damals bei einer Zahl von 12.000 - 12.000 erfolgreiche Beschwerden in Italien beim Europäischen Gerichtshof. Auch einen solchen oder ähnlichen Zustand wollen Sie in Deutschland doch hoffentlich nicht.

Zum Vierten: Man soll die Situation in Deutschland auch von außen betrachten. Auch wenn das Wiederholung ist, ich sage an dieser Stelle, das Weltwirtschaftsforum hat in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland den Platz 4 vergeben, für Italien Platz 56, für Spanien Platz 78. Das Weitere hat der Minister dazu schon ausgeführt.

Nach unserer Kenntnis wird in Thüringen zurzeit an der Novelle des Richtergesetzes gearbeitet. Hierbei spielt das Mitspracherecht der Richter eine nicht untergeordnete Rolle. Es ist schon gesagt worden, es findet zurzeit eine vorparlamentarische Anhörung der Berufsverbände statt. Ich glaube, bis zum 31.05. sollten dort die Standpunkte formuliert werden. Diese Möglichkeiten sollte man nicht verstreichen lassen, um seinen eigenen Standpunkt darzustellen.

Zum Fünften: Aus all dem Vorgenannten bezieht die CDU-Fraktion zum Antrag folgenden Standpunkt: Der Bericht ist zu Punkt I gegeben und das Berichtsersuchen unserer Meinung nach erfüllt. Die Punkte II und III sind abzulehnen, da sie keine Verbesserung der derzeitigen Situation zu erwarten geben und nur bedingt als notwendig erachtet werden können. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schröter. Wir haben eine Redemeldung von der Frau Abgeordne

ten Marx.

Nur noch ganz kurz. Verehrter Kollege Hauboldt, so kann das nicht stehen bleiben. Sie haben uns hier quasi der Untätigkeit bezichtigt und gesagt, „wenn Sie jetzt hier nicht nach vorne gehen und mit Ihrem Antrag irgendwie den Antrieb für uns bilden, dann würde hier nichts laufen“. Wir haben es in der Koalitionsvereinbarung doch schon hinreichend beschrieben, dass wir diesen Prozess der Demokratisierung und der stärkeren Mitwirkung der Richter auch wollen. Der Minister hat ausführlich beschrieben, in welchem Diskussionsprozess wir uns befinden, und jetzt gibt es hier zwei nackte Punkte in Ihrem Antrag, nämlich das ist II. - bis zum 30. September 2010 Eckpunkte vorlegen. Das geht nicht, weil der Abstimmungsprozess dem entgegensteht. Deswegen wird der Antrag abgelehnt in Ziffer II.

Und Ziffer III. - Bundesrat und andere Gremien, Bundesebene, notwendige Veränderungen zur Verwirklichung der Unabhängigkeit, Stichwort Grundgesetzänderung - die brauchen wir nicht, bevor wir nicht ein ausführlich erarbeitetes Gesetz und Prinzipien haben, an die wir uns halten wollen. Dann haben Sie auch nichts mehr zum Grundgesetz gesagt, sondern ausgerechnet zu Artikel 89 der Thüringer Landesverfassung. Wir schulden es allen anwesenden und abwesenden Abgeordneten dieses Hauses, dass wir uns die Grundlage unseres Handelns vergegenwärtigen, denn Artikel 89 beinhaltet die verfassungsrechtliche Grundlage für den Richterwahlausschuss, nämlich dass wir hier in diesem Haus - das haben wir ja vor Kurzem erst gemacht - mit Zweidrittelmehrheit acht der Mitglieder des Richterwahlausschusses wählen und dass dieser Richterwahlausschuss dann demokratisch legitimiert über die Volksvertretung die Richter in unserem Land bestimmt. Da haben Sie gesagt, das muss geändert werden. Dass Sie das jetzt schon wissen, das wundert mich. Man soll sich nicht an die Spitze der Bewegung setzen, wenn man sich nicht hinreichend informiert.

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Frau Abgeordnete Marx. Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann frage ich als Erstes: Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I erfüllt ist? Ich sehe keinen Widerspruch.

Des Weiteren habe ich den Antrag auf Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten - vom Herrn Abgeordneten Meyer

und vom Herrn Hauboldt beantragt. Verstehe ich Sie richtig, es geht um die Punkte II und III?

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Überweisung der Nummern II und III an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Gegenstimmen? Das ist die Mehrheit. Damit ist die Überweisung an den Ausschuss abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Nummern II und III des Antrags der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/957. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und wir kommen zum Tagesordnungspunkt 11

Rentengerechtigkeit für Angehö- rige verschiedener Berufsgrup- pen in der DDR Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/958 -

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Ja, das ist so. Das Wort hat die Abgeordnete Stange, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, es gibt wohl wenige Themen, die in den zurückliegenden 20 Jahren hier im Landtag oder auch im Bundestag mit Recht mit so viel Emotionen diskutiert worden sind wie das Thema Rente. Die Überleitung der Alterssicherung aus der DDR in bundesdeutsches Recht war und ist mit vielen Unwegbarkeiten gespickt. Fast 4 Mio. Renten und Versorgungen sowie mehr als 7 Mio. Anwartschaften aus der Alterssicherung mussten überführt werden. Dies war für die meisten Bürgerinnen und Bürger der DDR reibungslos. Jedoch - und dies ist zu betonen - sind mit Inkraftsetzen des RÜG - also des Rentenüberleitungsgesetzes - aus dem Jahr 1991 zahlreiche Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen verbunden, die bis heute nicht ausgeräumt worden sind.

So ist zu verzeichnen, dass rentenrechtliche Lücken, die es gab, weil es für DDR-typische Sachverhalte keine analogen äquivalenten Regelungen im bundesdeutschen Recht gab, keine Entsprechung gab und somit war auch nicht geklärt, dass gemeinsam die Suche nach Lösungen vorangetrieben wurde. Zu erwähnen bei den gerade genannten Lücken sind hier mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft oder bei dem Handwerk, die Zeiten von Aspiranturen oder Sonderstudien. Nicht geklärt ist auch die Nichtüberführung von zusätzlichen Versorgungs

systemen aus der DDR, vor allen Dingen aus den wissenschaftlichen, technischen, medizinischen, aber auch dem künstlerischen Bereich der Intelligenz, für Beschäftigte der Staats- und Sicherheitsapparate oder für die Beschäftigten der Reichsbahn und des mittleren medizinischen Personals. Im Rentenrecht wurden willkürliche Eingriffe in die Rentenformen unternommen und somit wurde Rentenrecht zum Strafrecht. Bis heute, sehr geehrte Damen und Herren, sind die eben angeführten Lücken und Defizite nicht geklärt. Die Fraktion DIE LINKE ist der Auffassung, dass hier eine Nichtanerkennung des gelebten Lebens vorgenommen wird, indem die Lücken nicht geschlossen werden.

(Beifall DIE LINKE)

20 Jahre nach der deutschen Einheit ist Politik also gefordert, schnellstens auf diesem Gebiet Korrekturen durchzuführen. Der Thüringer Landtag hat mit Beschluss vom 9. Mai 2008 sich bereits darauf verständigt, dass die Landesregierung im Bundesrat aktiv wird, um sich gemeinsam mit den jungen Bundesländern dafür einzusetzen, dass die erkennbaren Defizite, die in unserem Antrag formuliert worden sind, abschließend geregelt werden. Mit unserem Antrag, der heute vorliegt in der Drucksache 5/958, wollen wir eine Berichterstattung von der Landesregierung, was sie in den zurückliegenden zwei Jahren unternommen hat, um diese Lücken zu schließen. Gleichzeitig fordern wir Sie noch einmal auf, sich vor allen Dingen aktiv dafür einzusetzen, dass die Nachteile für Geschiedene in der DDR schnellstmöglich beseitigt werden. Verbal habe ich in den zurückliegenden Monaten immer gehört vonseiten der CDU, dass man hier den Änderungsbedarf sieht, aber die wirklichen Aktionen, die wirklichen Inhalte der Änderungen fehlen im Moment noch.

(Beifall DIE LINKE) Der Verein der DDR-Geschiedenen hat letztmalig am 8. März dieses Jahres in Leipzig auf ihre Situation aufmerksam gemacht und es ist, denke ich, nicht länger hinnehmbar, dass vor allen Dingen Frauen mit weniger als 600 € im Monat Rente leben müssen und so oft weit unterhalb der Armutsgrenze liegen. (Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, alle Parteien - und ich habe es bereits erwähnt - haben in den zurückliegenden Wahlkämpfen sich auf die Agenda geschrieben, für Rentengerechtigkeit und für die Angleichung der Renten Ost an West zu kämpfen. Ich denke, es wird Zeit, dies zu tun. Lassen wir keine weitere Zeit verstreichen, die heutige Rentengeneration, aber auch die zukünftige Rentengeneration wird es uns danken. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stange. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort der Ministerin Taubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, mit Ihrem Antrag bitten Sie die Landesregierung zu berichten, wie der Beschluss des Thüringer Landtags vom 9. Mai 2008 in Drucksache 4/4103 bisher umgesetzt wurde. Gleichzeitig bitten Sie zu bestimmten Personengruppen um ergänzende Informationen hinsichtlich des erreichten Sachstandes. Diese Aufzählung ist identisch mit der Aufzählung Ihres Antrags vom 9. April 2008, der bekanntlich abgelehnt wurde. Sie haben sicherlich deshalb dafür Verständnis, dass ich zu den von Ihnen aufgezählten Personengruppen im Einzelnen keine Aussage treffen kann. Der vom Thüringer Landtag getroffene Beschluss lautet: „Die Landesregierung wird gebeten, gemeinsam mit den jungen Ländern im Bundesrat aktiv zu werden, um die erkennbaren Defizite aus der erfolgten Rentenüberleitung nach der Wiedervereinigung Deutschlands abschließend zu regeln.“ Aufgrund dieses Beschlusses wurden die weiteren Maßnahmen durch die Landesregierung in die Wege geleitet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ab 1. Juli 2008 fanden mit allen neuen Bundesländern mehrere Gespräche auf Referentenebene statt. Dabei haben sich die Teilnehmer darauf verständigt, einen Entschließungsantrag im Bundesrat einzubringen, der sich zunächst auf die Angleichung der Renten auf ein einheitliches Rentenniveau konzentriert. Der Antrag wurde bewusst weitgehend ost/west-neutral gehalten, um eine höchstmögliche Akzeptanz auch in den alten Bundesländern zu erreichen. Die anderen Anliegen der sogenannten Restanten der Rentenüberleitung, wie beispielsweise die Bezieher einer Geschiedenenwitwenrente, die Versorgung der Professoren und Hochschullehrer oder die Berücksichtigung eines besonderen Steigerungssatzes für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens wurden zunächst nicht behandelt. Die Teilnehmer der Runde sahen die Gefahr, dass sich für einen derart weitreichenden Antrag keine Mehrheit im Bundesrat finden lassen würden. Im Ergebnis der Beratungen wurde ein Entschließungsantrag von allen neuen Ländern am 6. November 2008 im Bundesrat eingebracht und in der 781. Sitzung des Ausschusses Arbeit- und Sozialpolitik am 12. November 2008 beraten. Der Antrag wurde in

den Ausschüssen vertagt. Die Beratungen wurden bisher nicht abgeschlossen. Allerdings erinnere ich daran, dass im Koalitionsvertrag auf Bundesebene zwischen CDU/CSU und FDP vereinbart wurde, noch in dieser Legislatur das Thema „Einheitlicher Rentenwert in Ost und West“ zu behandeln. Neben den dargestellten generellen Bemühungen zur Verbesserung der Situation der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern möchte ich nicht verschweigen, dass zu speziellen Personengruppen ebenfalls gezielt Aktivitäten unternommen wurden, um berechtigten Interessen gerecht zu werden. Generell lässt sich allerdings feststellen, dass die Überleitung nach dem Einigungsvertrag und insbesondere dem Rentenüberleitungsgesetz gelungen ist. Die meisten Rentnerinnen und Rentner konnten auf einem guten Niveau versorgt werden. Dies war angesichts der unterschiedlichen Sicherungssysteme der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik Deutschland nicht selbstverständlich. Heute müssen wir feststellen, dass es an der einen oder anderen Stelle, wenn auch nur wenige, Überführungslücken gibt, die im Sinne von Rentengerechtigkeit wahrgenommen werden. Als Beispiel sei hier auch die von Ihnen noch einmal ausdrücklich angesprochene Versorgung von nach DDRRecht geschiedenen Frauen genannt. Hier hat die Landesregierung sich mit den Betroffenen darüber verständigt, sich im Rahmen einer Rentenversicherungsreform für den Personenkreis einzusetzen. Als Beispiel dafür, dass nicht allen Personenkreisen geholfen werden kann, nenne ich die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen der ehemaligen DDR. Ich möchte dazu auch noch einwenden: Wir haben in der DDR verschiedene Versorgungssysteme zusätzlich gehabt, weil damals eben die Einkommenslage der Beschäftigten nicht in dem Maße erfüllt werden konnte, wie in anderen Bereichen, wenn Sie zum Beispiel an die chemische Industrie oder an den Maschinenbau denken, wo doch wesentlich höhere Einkommen erzielt werden konnten, deswegen hat man auch damals schon mit den Zusatzsystemen, den Versuch unternommen, Ausgleiche zu schaffen, indem man sich auf die späteren Jahre der Rente kapriziert hat. Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 2003 hierzu festgestellt, dass dem Begehren der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen nach einem besonderen Steigerungsbetrag nicht Rechnung getragen werden kann. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass ich mich, wie bereits meine Vorgängerin, mit vollem Einsatz für die Interessen der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern einsetzen werde. Priorität hat dabei für mich, wie auch für die Landesregierung insgesamt, wie bereits erwähnt, ein einheitlicher Rentenwert in ganz Deutschland. Es ist nach nunmehr 20 Jahren nicht mehr zu vermitteln, dass man in Ost und West unterschiedliche Renten erhält, und wir können es selbst auch in Thüringen nicht vermitteln. Richtig ist aber auch, dass der Prozess ein

schwieriger ist - Sie wissen das -, weil wir nicht die Ungerechtigkeit in andere Altersgruppen verschieben können und verschieben wollen. Deswegen ist dieser Prozess durchaus schwieriger umzusetzen, als wir uns das insgesamt und gemeinsam wünschen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Taubert. Ist Beratung zum Sofortbericht gewünscht? Ja, von der SPD-Fraktion; von allen Fraktionen ist das Verlangen zur Beratung jetzt deutlich signalisiert worden. Ich eröffne hiermit die Beratung und gleichzeitig die Aussprache zu Nummer 2 des Antrags. Das Wort hat die Abgeordnete Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Ministerin, vielen Dank für den Sofortbericht, der einordnet, wo wir uns genau bewegen, was das Land kann und was der Bund uns insbesondere vorgibt. Das Ansinnen, diesen Sofortbericht hier einzufordern, unterstütze ich sehr. Grundsätzlich gibt es aber an verschiedenen Stellen Bedenken, die wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag betreffend gern hier anbringen wollen. Erlauben Sie mir, dass ich am Anfang die Fakten bemühe. Wir haben, wenn wir uns das Rentensystem der DDR anschauen und das der Bundesrepublik Deutschland, zwei völlig diametrale Systeme gehabt mit grundsätzlichen Unterschieden. Wir haben zum einen das bruttolohnbezogene dynamische Rentenversicherungssystem auf der einen Seite, auf der anderen Seite das statische mit Mindestsicherung der DDR. Es gab den großen Bruch, das wissen Sie alle, der am Ende mündete im Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991. Mit diesem Gesetz, das muss man sich immer wieder anschauen, wenn wir darüber reden, sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass das SGB VI zum 1. Januar 1991 auch in den Bundesländern in Kraft treten konnte. Bei aller Kritik am Rentenüberleitungsgesetz muss man auch im Hinterkopf haben, dass auch die Erwerbsbiographien in den alten Bundesländern an der Stelle eine Rolle spielen, wenn wir uns beide Gesellschaftssysteme ansehen. Das ist unser zentraler Punkt. Wir haben durchaus Verständnis dafür und unterstützen das auch, dass an der Stelle Rentner und Rentnerinnen in den jungen Ländern sagen, es gibt nach wie vor diese Altersdiskriminierung. Wir müssen aber auch genau schauen, was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und wie können wir diese ändern. Deswegen, es gibt kein Patentrezept, es gibt grund

legend Kritik von uns auch am Rentenüberleitungsgesetz, aber es gibt auch Einzelgruppen, die wir jetzt näher betrachten müssen. Da komme ich vor allen Dingen zur Gruppe der Geschiedenen. 20 Jahre nach der deutschen Einheit ist es aus unserer Sicht endlich an der Zeit, dass es ein einheitliches Rentenrecht gibt und vor allen Dingen, das betrifft den aktuellen Rentenwert, dass dieser in Ost und West gleich sein muss. Vor allen Dingen der Unterschied bei den Frauen in beiden Teilen, in jungen und alten Ländern, ist immer noch deutlich zu hoch.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund - und das ist wichtig - der ansteigenden Altersarmut in den jungen Ländern und auch in den alten Ländern - ich möchte, dass wir hier so ehrlich sind, wenn wir über den Punkt diskutieren, auch zu schauen, dass Thüringen, so schön, wie das ist, das hier isoliert zu denken, nicht das Einzige ist, worum wir uns beim Thema Rente drehen. Wir müssen auch sehen, dass Altersarmut in den alten Bundesländern genauso steigt wie bei uns - sagen wir, was wir brauchen, ist eine Garantierente, das heißt ein Minimum an Leistungen aus der Rentenversicherung in Ost und West, mit der sichergestellt wird, dass zumindest langjährig Versicherte eine Rente erhalten, die über dem Grundsicherungsniveau liegt. Nach 30 Jahren Versicherungszeit sollten Rentnerinnen und Rentner mindestens 30 Entgeltpunkte haben, mindestens etwa 800 € Rente erhalten. Damit würden wir sowohl den aktuellen als auch den zukünftigen Problemen der Altersarmut gerecht werden und darüber reden wir hier, wenn wir uns die Zahlen ansehen. Jetzt weiß ich, dass DIE LINKE im Bundestag zum Thema aktiv war. Es gab eine Anhörung im Bundestag am 4. Mai 2009. Da wurden auch zahlreiche Sachverständige gehört und auch hier bemühe ich die Details, um den Zusammenhang darzustellen, was da besprochen wurde. Die Sachverständigen, die da angehört wurden, waren neben dem DGB der Deutsche Rentenversicherungsbund, der VDK, der Sozialverband Deutschlands und auch der Landesseniorenbeirat Thüringen, die zum Thema angehört wurden und die überwiegend die Vorschläge der LINKEN bei dieser Anhörung verworfen hatten. Die GRÜNEN hatten am 24. September 2008 im Bundestag beantragt, den Rentenwert in Ost- und Westdeutschland sofort anzugleichen, nämlich ab 1. Januar 2009, die Rentenhöhe für aktuelle Rentnerinnen in Ostdeutschland zu garantieren, war dieser Punkt, in Verbindung mit den alten Ländern. Leider stimmte an dieser Stelle DIE LINKE im Bundestag dagegen. Auch wir sind für eine, wie es in Ihrem Antrag jetzt hier heißt, gerechte Lösung für die rentenrechtliche Situation von in der DDR Geschiedenen. Das ist ein legitimer Punkt, den wir auch unterstützen. Da komme ich wieder zu unserer Initiative auf Bundesebene. Die GRÜNEN haben am

21. Januar 2009 unter Lob vieler Sachverständiger im Bundestag beantragt, die Rentenansprüche ostdeutscher Frauen, die vor 1992 geschieden wurden und wegen Kindererziehung ihre Erwerbsarbeit eingeschränkt hatten, zu verbessern. Jetzt raten Sie, wer dem Antrag nicht zugestimmt hat, es war DIE LINKE, die hat sich enthalten wie übrigens auch die FDP. Vielleicht können Sie das noch mal kurz erklären. Ich freue mich auf eine Debatte dazu im Ausschuss. Insgesamt scheint mir das aber inkonsequent, wenn ich mir ansehe, wie DIE LINKE auf Bundesebene dazu handelt. Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Siegesmund. Habe ich das richtig verstanden, das war jetzt ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und nur Nummern 1 und 2? Nur Nummer 2?

(Zuruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja.)