Protocol of the Session on May 27, 2010

Meine Damen und Herren, in den Punkten II. und III. des vorliegenden Antrags geht es um Aufforderungen an die Landesregierung, dass sie in bestimmten Bereichen tätig werden soll. Erstaunlicherweise steht vieles davon im Koalitionsvertrag von CDU und SPD, was die Wirtschaftspolitik angeht, dass diese ausgerichtet werden soll auf stärkeres Wachstum, dass sie Beschäftigung sichern soll, dass sie Investitionen fördern soll, dass sie die Binnenkaufkraft unterstützt. Die Koalition, die Landesregierung und insbesondere der federführende Wirtschaftsminister Matthias Machnig arbeiten seit Beginn der Legislaturperiode konsequent an der Umsetzung. Wir sehen, welche Dinge dort in Bewegung sind, wie die Förderpolitik ausgerichtet werden soll auf die Zukunft des Freistaats, dass dieser gestärkt aus der Krise hervorgeht. Als Beispiele will ich nennen, dass wir die Potenziale unter anderem im Bereich der grünen Technologien nutzen und Thüringen zu einem der attraktivsten und besten Greentech-Standorte in Deutschland ausbauen, die Aktivitäten im Bereich der erneuerbaren Energien, das Beispiel der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die im Koalitionsvertrag vereinbart und im Haushalt 2010 untersetzt ist und entsprechend angegangen wird. Die Landesregierung macht ihre Hausaufgaben und deshalb sage ich an dieser Stelle noch mal: Ihr Antrag ist ein reiner Schaufensterantrag. Hier geht es darum, Diskussionen in Gang zu setzen, die vielleicht auf anderer Ebene, zum Beispiel auf Parteiebene, notwendig sind, hier im Thüringer Landtag brauchen wir sie nicht. Ich sehe keinen Grund, diesem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat Abgeordneter Recknagel von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, Finanzmärkte regulieren, Demokratie und Binnenwirtschaft stärken - das ist schon ein toller Titel. Finanzmärkte regulieren, das ist in aller Munde, das ist populär, da hauen wir jetzt mal drauf, da wollen wir auch dabei sein, das ist so der Leitgedanke, der diesem Antrag zugrunde liegt, und vor allem den bösen Spekulanten das Handwerk legen. Darum geht es.

(Beifall DIE LINKE)

Ganz gruselig, die Wetten am Kapitalmarkt endlich abwürgen, das kann ja gar nicht sein, Casinokapitalismus habe ich da gehört - ganz schlimm.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Abwürgen haben wir nicht ge- sagt.)

Da habe ich mal überlegt, was denn Spekulation ist. Ich denke, man muss hier auch mal ein bisschen Sachlichkeit reinbringen.

(Beifall FDP)

Der Reifenhändler, der im Herbst Winterreifen einlagert - böser Kerl -, der spekuliert auf schlechtes Wetter.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der hat natürlich Verluste, wenn es dann doch nicht schneit. Aber möglicherweise geht er davon aus, dass wirklich Schnee fällt und jeder braucht Winterreifen. Dann ist er noch so böse und erhöht möglicherweise die Preise, sobald die Straßen schneebedeckt sind - der Verkehrsminister nickt. Die Gemeinde, die ein Freibad renoviert, auch die spekuliert, nämlich auf gutes Wetter, weil die Renovierung des Freibades lohnt sich gar nicht, wenn es nachher regnet den ganzen Sommer über. Der Bauer, der Getreide anbaut, noch viel schlimmer, der spekuliert sogar auf weltweiten Hunger, denn sonst würde er sein Getreide gar nicht loswerden. Gehen wir mal nicht so weit, der Bauer, der im Frühjahr Getreide per Termin auf Herbst verkauft, der spekuliert ganz sicher, der kauft Getreideoptionen, der spekuliert auf Preisverfall am Getreidemarkt. Dann ist er echt böse. Möglicherweise will er einfach auch nur eine Sicherheit haben für die Investition in seinen neuen Mähdrescher. Denn wenn er den bezahlen will, dann muss er sicher sein über seinen Getreidepreis und den Getreideerlös. Dann merkt man, das mit der Spekulation ist so eine Sache. So einfach kann man sich das nicht machen.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist wohl wahr, da gebe ich Ihnen ausnahmsweise recht.)

Danke schön. Wir sind ja bei Devisenspekulationen. Das Maschinenbauunternehmen, auch in Thüringen, das seine Maschine in den Nicht-Euro-Raum exportiert, kauft Devisenoptionen, nämlich deswegen, um sich Erlöse abzusichern gegen schwankende Devisenkurse. Diese Exporterlöse abzusichern, bedeutet auch, Arbeitsplätze sichern.

Meine Damen und Herren, darüber sollten Sie auch nachdenken, wenn wir über Spekulationen sprechen.

Märkte müssen funktionieren für eine gesicherte Realwirtschaft. Dazu gehört auch ein gewisses Maß an Spekulation. Das ist nämlich das, was wir unternehmerisches Risiko nennen. Für funktionierende Märkte braucht es eine hohe Liquidität und ziemlich wenig Verbote. Kein Spekulant hätte eine Chance gehabt, wenn die öffentlichen Haushalte in Griechenland und anderswo in Ordnung gewesen wären.

(Beifall FDP)

Kein Spekulant hätte eine Chance gehabt, wenn die Haushalte in Ordnung gewesen wären und wir sollten uns das auch in Thüringen ganz gehörig hinter die Ohren schreiben. Wir sollten uns dabei an die eigene Nase fassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, Sie zeigen wieder mal, Sie haben das mit der Marktwirtschaft einfach nicht kapiert.

(Beifall FDP)

Ihr Antrag ist eine ziemlich seltsame Mixtur von irgendwelchen sozialistischen Irrwegen. Da gibt es ganz viele Themen, die da plötzlich auftauchen, wo ich mich ernsthaft frage, was haben die darin zu suchen. Finanzmärkte, das war das eine aus der Überschrift, dann tauchen da Rüstungsexporte auf. Offensichtlich hat das etwas damit zu tun. Autarkiebestrebungen - Kollege Meyer hat schon darüber spekuliert, was denn mit dieser Autarkie gemeint sein könnte -, Binnenmarkt. Wie groß ist denn der Binnenmarkt? Mit diesen Autarkiebestrebungen haben die Nazis oder die Kommunisten schon zweimal unser Land ruiniert.

(Beifall FDP)

Mindestlohn, auch das ist plötzlich ein Spekulationsthema. Steuererhöhung immer gern gesehen, das wird immer wieder von Ihnen gebracht. Erneuerbare Energien - da gibt es auch Spekulationen auf Wind.

Ich habe gehört, es gibt sogar Versicherungen gegen Wetterschäden, wenn in so eine Windkraftanlage der Blitz einschlägt. Auch das ist eine Versicherung, auch das ist im Grunde genommen eine Spekulation auf ein Schadenereignis.

Was ich in dem Antrag eigentlich vermisst habe, sind noch Aspekte zur Geschlechtergerechtigkeit und zum Tierschutz. Das gehört da eigentlich auch noch mit rein. Seltsam, sehr seltsam.

Frau Keller, Sie haben eine abgestimmte Wirtschaftspolitik auf EU-Ebene gefordert. Das hört sich ganz zahm an. Aber sagen Sie es doch einfach mal klar, was Sie fordern ist in Wirklichkeit Planwirtschaft.

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage.

Nein.

In dem Antrag steht drin, die Credit Default Swaps wollen Sie verbieten. Da gibt es dieses schöne Beispiel, ich glaube, im Europäischen Parlament ist das auch schon mal gebracht worden, mit der Feuerversicherung. Da versichert man das Haus des Nachbarn und freut sich, wenn es dann brennt. Das ist immer ein schöner Vergleich, sehr griffig. Tatsächlich müsste man sich mal fragen, wie solche Märkte funktionieren, auch die Märkte mit Versicherungen, mit Absicherungen. Märkte decken Gefahren auf. Das tun die ganz unerbittlich. Wenn man sich anschließend darüber ärgert, dass die diese Gefahren aufdecken, dann will man die Märkte regulieren. Ich glaube, um bei dem Beispiel mit der Feuerversicherung zu bleiben, das Verbot von Feuermeldern kann da nicht der richtige Weg sein.

Man darf, Frau Lehmann, hatten Sie gesagt, Handel in Credit Default Swaps nur zulassen, wenn man auch die Papiere selbst besitzt. Na ja, da frage ich mich ernsthaft, wie denn da ein liquider Markt entstehen soll.

Finanztransaktionssteuer - Tobin Tax: Für mich kommt das ein bisschen vor wie weiße Salbe für die Sanierung der Haushalte. Dazu wird das sicher beitragen, aber ob es da insgesamt nützliche Wirkungen gibt, das bleibt allenfalls zu hoffen. Wir hatten so

etwas schon einmal in Deutschland, es nannte sich Börsenumsatzsteuer, das hat eine lange Geschichte, ist 1991 abgeschafft worden. Trotzdem wir das hatten, gab es vor 1991 Spekulationsblasen. Denken Sie mal darüber nach, so richtig wirksam kann das nicht gewesen sein.

Herr Meyer, Sie haben eben zugestanden, dass die Finanzmärkte auch von Ihnen und von mir möglicherweise nicht vollständig durchschaut werden, aber eins kann ich Ihnen sagen, DIE LINKE ist des Sachverstands da völlig unverdächtig. Das sind die falschen Adressaten dabei. Finanztransaktionssteuern sind offensichtlich in der Diskussion im Augenblick ziemlich beliebt, gleichwohl sind sie schädlich. Sie wären fatal für ein Exportland wie Deutschland das ist. Jeder Rohstoffeinkauf im Ausland bedeutet Devisenbeschaffung. All das bedeutet Börsenhandel und Finanztransaktion. Jeder Autoexport, von dem wir leben in Deutschland, jeder Maschinenexport, jede Medizinlieferung, jeder Textileinkauf im Ausland, internationaler Handel bedeutet Finanztransaktion und die wollen Sie besteuern. Sie verkennen völlig, dass der Freihandel allen nutzt, allen auf der Welt, insbesondere nutzt er auch den armen Ländern, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Das sehen wir gerade.)

Die Bankenabgabe, so wie sie hier in dem Antrag erwähnt ist, ist völlig wirkungslos, wenn alle sie zahlen müssen, denn - auch da muss ich Frau Lehmann widersprechen - sie führt eben doch zu einer Überwälzung auf die Anleger. Anleger, das sind nicht irgendwelche anonymen, bösen Spekulanten, das sind Sparer wie du und ich, das sind diejenigen, die für ihre Altersversorgung vorsorgen.

Auch Versicherungen - in Ihrem Antrag ist davon die Rede - sollen diese Abgabe zahlen. Was machen die denn? Die legen doch das Geld der Versicherten an. Wenn man sich mal ganz einfach - der eine oder andere wird es verstehen - eine Kapitallebensversicherung anschaut; im Auftrag der Sparer, derjenigen, die sich da absichern, legt die Versicherung das Geld an. Das ist an sich nichts Böses.

(Beifall FDP)

Wenn Sie Sparkassen und Genossenschaftsbanken ausnehmen, dann ist das auch eine interessante Geschichte. Sparkassen, das sind ja die netten Leute von nebenan - ich habe selbst mein Konto bei der Sparkasse -, Genossenschaftsbanken ganz genauso. Interessant ist aber die Frage: Warum sind die denn in Wirklichkeit weniger schuld? Warum muss man die ausnehmen? Man sollte mal einen Blick wer

fen, wer denn die Gesellschafter zum einen von WestLB gewesen sind oder immer noch sind und wer zum anderen Gesellschafter solcher Banken wie der Helaba sind. Wer sind denn die? Welchen Einfluss haben die denn da nutzbringend oder schadbringend genommen? Warum muss man die tatsächlich ausnehmen, wenn man so etwas schon macht?

Sonderabgaben auf Bonuszahlungen: Hau drauf, Strafe für diejenigen, die Gewinne erwirtschaften wollen. Aber ist denn das Bestreben, Gewinne erwirtschaften zu wollen für die Anleger, für die Sparer, für diejenigen, die sich um ihre Altersvorsorge kümmern, tatsächlich an sich etwas Schlechtes? Warum sollte man das machen?

(Beifall FDP)

Dass Sie dann auch noch Reiche enteignen wollen, also zugestanden, darüber braucht man sich gar nicht mehr aufregen, weil, das ist eh klar, dass das von Ihnen kommt. Das gehört eigentlich in jeden Ihrer Anträge rein. Wie gesagt, nur das mit der Geschlechtergerechtigkeit und dem Tierschutz hat mir gefehlt.

Funktionierende Märkte sind wichtig; da muss es eine Aufsicht geben, aber es darf keine Überregulierung geben. Auch wenn wir im Augenblick große Probleme vor der Brust haben, man darf es nicht übertreiben. Die vorliegenden Vorschläge gehen an den Ursachen der Krise vorbei. Wir führen Scheindiskussionen hier im Haus und anderswo.

Herr Abgeordneter, es gibt einen weiteren Wunsch auf eine Zwischenfrage.

Auch diese nicht, danke schön. Diejenigen, die spekulieren, diejenigen, die Geld anlegen, die Risiken eingehen, die wird man nur auf eine einzige Art und Weise disziplinieren können und in vernünftige Bahnen lenken können, nämlich indem man ihnen die Konsequenzen ihres Handelns auferlegt. Diese müssen die Konsequenzen ihres Handels selber tragen und daran fehlt es.

(Beifall FDP)

Daran hat es in der Vergangenheit gefehlt. Ich erinnere mich sehr gut. Da muss die SPD ja eigentlich ziemlich ruhig sein, Herr Dr. Pidde, die Aufweichung des EU-Stabilitätspakts haben Sie mitgemacht, Hedgefonds zugelassen. An diese Dinge sollte man gelegentlich noch mal denken. Erinnern wir uns an die Subprime-Krise. Es darf nicht sein, dass ein Geldinstitut zu groß ist, um zu scheitern - „Too

big, to fail“, wie die Amerikaner sagen. Dass es systemrelevante Risiken gibt, die dann eben nicht von den Anlegern, nicht von den Gesellschaftern, nicht von denjenigen, von den Vorständen, die dort entscheiden, getragen werden, das darf nicht sein.

(Beifall FDP)

Also was hat uns gefehlt und was fehlt uns immer noch und was spielt in der Diskussion überhaupt keine Rolle? Ein geordnetes Insolvenzverfahren, welches auch bei Banken funktioniert. Darüber redet niemand; es ist viel leichter, auf die bösen Spekulanten zu schimpfen und am Kern des Problems vorbeizudiskutieren.