Protocol of the Session on July 17, 2014

Ich will zum dritten Argument kommen, nämlich der Frage der Finanzierung. Auch da ändert sich nichts. Das, was man 2002 als Entscheidungsgrundlage genommen hatte, ist der pure Neoliberalismus - Privat vor Staat. Man hat gesagt, wir geben das an die Träger und die machen das für uns. Ich hatte gerade schon den Leitsatz 147 des Urteils zitiert. Selbst wenn man akzeptiert, dass fiskalische Einsparungen oder fiskalische Mehrwerte für die öffentliche Hand ein Argument dafür sein könnten, den Maßregelvollzug zu privatisieren, selbst die werden ja nicht eingehalten. Wenn man sich vor Augen führt, 2014 haben wir insgesamt über 30 Mio. € in den Maßregelvollzug hineingesteckt. Wenn man sich anschaut, wie sich die Kosten entwickelt haben, Frau Taubert, wir sind 1995 bei 6,6 Mio. € gewesen und im Jahr 2014 sind wir schon bei 36,3 Mio. € nach Plan gewesen. Wenn man sich allein die Summen mal vor Augen führt, die von 2002, also dem Beginn der Privatisierung, bis 2014 gezahlt worden sind, sind es 354 Mio. € und für diese 354 Mio. € hätte ich Ihnen auch drei Kliniken gebaut und einen Haufen Personal bezahlt. Das heißt also, auch diese Kostenargumente sind nicht zum Tragen gekommen.

Insgesamt muss ich sagen für die Fraktion: Dem Argument des Funktionsvorbehalts haben Sie nichts entgegenzubringen. An der Privatisierung wird festgehalten und die Finanzierung ist weiterhin ungeklärt.

(Unruhe CDU)

Für uns als Linke ist dieser Gesetzentwurf nicht zustimmungsfähig. Alle Hürden und alle Forderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat auch hinsichtlich der Privatisierung, werden von Ihnen nicht erfüllt.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Das fasse ich nicht.)

Deshalb können wir diesem Gesetz nicht zustimmen, Frau Taubert. Ein kleiner Tipp von mir noch.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Frau Präsidentin?

Ja, Sie müssten zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist leider um.

Ja, ich werde zum Schluss kommen, Frau Präsidentin. Ein kleiner Tipp von mir als dienstältester jüngster Abgeordneter hier im Hohen Haus.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Ich bin also jetzt schon zehn Jahre lang jüngster Abgeordneter. Erstens, Herr Hartung, ja, dieser Landtag ist ein Kontrollgremium, kein Vertrauensgremium. Wenn wir den Verträgen einfach so vertrauen wollen

(Beifall DIE LINKE)

wir müssen hier das Geld beschließen mit dem Haushalt für Leistungen, für Verträge, die wir nicht kennen. Das ist, glaube ich, ein ganz großes Demokratieproblem.

(Zwischenruf Abg. Gumprecht, CDU: Sie ha- ben es nur nicht eingesehen.)

Sie müssten wirklich zum Schluss kommen.

Und Ihnen, Frau Taubert, möchte ich nur sagen: Dieses Gesetz bitte besser bleiben lassen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Herr Bärwolff. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Doch, es gibt eine weitere Wortmeldung aus der CDU-Fraktion, und zwar vom Abgeordneten Fiedler. Sie haben noch zweieinhalb Minuten Redezeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden sich wundern, ich möchte für mich persönlich sprechen. Ich kann diesem Gesetz nicht zustimmen, weil ich nicht davon überzeugt bin, dass die Beleihung und die Interventionsbeauftragten in der Praxis funktionieren.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Bärwolff)

Sie müssen sich einmal vorstellen, es gibt im Land drei bis fünf Interventionsbeauftragte. Diese sollen für drei Kliniken, für 300 und soundso viele - Sie haben das Wort Insassen, ich nehme es auf - Insassen rund um die Uhr und feiertags und so weiter tätig werden. Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich stehe seit vielen Jahren im Klinikum Stadtroda mit den Trägern und mit den Mitarbeitern in engstem Kontakt. Ich kann nur sagen, so sehr ich Prof. Würtenberger schätze, aber Würtenberger ist ein Verfassungsrechtler, Kammeier ist ein ausgewiesener Mann, der sich wie auf dem Gebiet der Forensik etc. auskennt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mir ist es einfach nicht nur unverständlich, dass der vorliegende Gesetzentwurf die originäre Beleihung des hoheitlichen Handelns an das Personal, beispielsweise die Chefärzte und ihrer Stellvertreter, nicht einmal als eine Option vorsieht. Ich könnte noch viele Dinge aufführen, was hier alles ist. Es ist die Quadratur des Kreises, die hier versucht wird. Diese Quadratur wird nicht gelingen. Ich will aber eines auch hinzufügen. Ich könnte noch viele Dinge hier anfügen, ich habe sie alle vor mir liegen. Es geht unter anderem auch darum, dass man mit einem privaten Träger oder mit privaten Trägern Verträge über 30 Jahre abgeschlossen hat. Denn, Herr Bärwolff, da haben Sie nicht recht, wir hätten nämlich die entsprechenden Einrichtungen überhaupt nicht bauen können, weil wir das Geld nicht gehabt hätten. Deswegen ist es im Grundsatz richtig. Wer sich intensiv damit beschäftigt: Es hat sich bewährt, dass Private das Ganze durchsetzen. Denn es hat sich die Quote deutlich verkürzt, dass die Leute also eher wieder rausgekommen sind, spart Kosten und Geld, was alles nicht berechnet wird. Aber ich will nur eins noch anmerken, weil, meine Zeit läuft davon, dieser Gesetzentwurf ist so etwas von unausgegoren, dass ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Er ist zu schnell über die Runden gebracht worden. Er hat viele Dinge drin, wo also entsprechend nur noch Befehlsempfänger sind. Ich habe es angesprochen, mit den Interventionsbeauftragten, das funktioniert nicht. Ich persönlich kann dem und werde dem nicht zustimmen.

Vielen herzlichen Dank, Herr Fiedler. Es gibt jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Für die Landesregierung, möchte die Ministerin das Wort haben? Ja. Frau Taubert, Sie haben jetzt die Gelegenheit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist in der Tat so, dass wir eine sehr intensive Diskussion zu diesem Gesetz hatten, sowohl im Thüringer Landtag, in den Beratungen, in der Anhörung, nach der Anhörung als auch natürlich schon davor. Weil es mir persönlich ein besonderes Bedürfnis war, nicht erst einen Entwurf aus dem Kabinett in den Thüringer Landtag zu bringen, der von all den Diskussionen, die mir notwendig erschienen, freigestellt worden ist, deswegen haben wir uns beizeiten mit den Kliniken zu dieser Thematik beschäftigt, das heißt, wir reden mittlerweile fast drei Jahre, auch mit den Klinikbetreibern, über die Notwendigkeit, wie wir mit dem uns zur Verfügung stehenden mildesten Mittel genau die grundgesetzlichen Fragen regeln. Ich kann verstehen, warum Rednerinnen und Redner aus unterschiedlichen Gründen hier am Tisch so gesprochen haben, gleichwohl bleibt: Es ist richtig, was Herr Fiedler gesagt hat, wir sind im Vertragsverhältnis, wir können vom Grundsatz sagen, ich will das auch noch einmal wiederholen, dass die Kliniken im psychiatrischen Bereich, also außerhalb des Maßregelvollzugs, eine gute Arbeit leisten, dass wir auch überlegt haben, Herr Bärwolff, ob wir den Maßregelvollzug wieder zurücknehmen sollten. Da gibt es einen entscheidenden Punkt, den wir bedenken müssen, wenn es einmal so weit wäre, dass Verträge änderbar oder auflösbar sind oder zu Ende sind. Was passiert dann mit der Möglichkeit des variablen Personaleinsatzes zwischen der „normalen“ Psychiatrie und dem Maßregelvollzug? Und aus dem Grunde oder aus den Ergebnissen, die wir aus Hessen zur Beurteilung der Frage, wie muss ich Grundrechtseingriffe auch absichern und die, die diesen Grundrechtseingriff durchführen müssen, wie muss ich auch den absichern, haben wir uns an die Empfehlungen von Herrn Prof. Dr. Würtenberger gehalten. Natürlich ist es richtig - das haben wir im Ausschuss auch besprochen -, es geht um die verfassungsrechtlichen Fragen dieses besonderen Grundrechtseingriffs. Es geht nicht darum, dass viele andere Entscheidungen, die Ärztinnen und Ärzte im Maßregelvollzug treffen, die tagtäglich getroffen werden, unter dieser besonderen Kontrolle stehen müssen. Deswegen, Herr Fiedler, ich will Ihnen an der Stelle gern widersprechen. Es geht nicht darum, alle Maßnahmen, die da täglich stattfinden, zu überwachen, sondern es geht nur um bestimmte, grundrechtsrelevante Eingriffe, die wir überwachen müssen.

Wir haben all die Dinge, die heute angeführt wurden und von denen auch behauptet wurde, wir hätten sie nicht diskutiert, natürlich gemeinsam diskutiert und wir haben manche Fragen auch wieder anders entschieden. Wir haben mit den Beleihungsverträgen jetzt in dem neuen Gesetz stehen - das

(Abg. Fiedler)

ist auch völlig unstrittig mit den Kliniken -, dass die Chefärzte und deren Stellvertreter nur im Einvernehmen mit dem zuständigen Ministerium eingestellt werden können. Das heißt, wir haben ein erhöhtes Maß an Möglichkeiten zu schauen, ist diese Person geeignet, um aus medizinisch-qualitativer, therapeutischer Sicht zunächst einmal festzustellen, ob ein Eingriff notwendig ist, und die Form zu wählen, inwieweit ein Eingriff stattzufinden hat. Das sollen Ärztinnen und Ärzte auch in Zukunft weiter durchführen dürfen und auch durchführen müssen.

Ich will zur Frage des Geldes noch ein Wort sagen, Herr Bärwolff. Sie haben das so schön gesagt, aber Ihrer Jugend sei es zugestanden

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Hin- ter Ihnen.)

ach, er sitzt hinter mir, okay, er kann mich ja auch so sehen -, es ist so Pi mal Daumen, Pi mal Daumen hätte es preiswerter sein können. So können wir es nicht machen, sondern wir müssen es berechnen. Sie kennen meine Aussagen aus früheren Zeiten. Ich fand das auch außerordentlich teuer, deswegen haben wir im Ministerium - der zuständige Beamte ist auch hier im Raum - natürlich geschaut, wie können wir mit den Kliniken in Verhandlung treten, um diese Kosten für die Zukunft stabil zu halten, die Aufwüchse nicht mehr zu haben und am Ende da trotzdem eine gemeinsame Lösung hinzubekommen. Da haben wir mit einem Teil der Kliniken auch Einverständnis und Einvernehmen erzielen können, mit anderen nicht. Das ist Verhandlung, das will ich gar nicht beanstanden, sondern das ist einfach die Aufgabe, die wir auch als Ministerium haben.

Dann ist die Frage: Was machen wir? Für uns ist tatsächlich das Mittel der Interventionsbeauftragten das geeignete Mittel, genau in dem Bereich, wo wir das wollen, tätig werden zu können; das heißt, dem Chefarzt quasi einen an die Hand zu geben, der beurteilt, ob dieser Eingriff, dieser Grundrechtseingriff auch grundrechtskonform ist. Etwas anderes darf der Interventionsbeauftragte nicht machen. Der kann sich zwar mit dem Arzt unterhalten, kann sagen, du, das hat sich nicht bewährt, wir wollen zukünftig etwas anderes machen, das schon, aber er kann die medizinische Frage an der Stelle nicht außer Kraft setzen oder die medizinische Entscheidung des Arztes nicht so außer Kraft setzen, dass er jetzt eine andere in Kraft setzen kann, sondern sie können nur entscheiden, ist das richtig oder war das richtig und muss es auch jetzt oder in Zukunft anders gemacht werden.

Damit sind wir der Überzeugung, dass wir genau den Knackpunkt, den wir in der jetzigen Gesetzgebung haben, nämlich dass wir keine Möglichkeit haben, diese Entscheidung grundrechtskonform zu treffen, diese Entscheidung jetzt in Zukunft mit dem Gesetz, mit der Gesetzesänderung, mit den Inter

ventionsbeauftragten, die beim Landesverwaltungsamt sein sollen, weil da schon Fachkompetenz vorhanden ist, treffen können.

Ich werbe trotz alledem für die Zustimmung von allen, weil ich glaube, es ist wichtig, dass das Gesetz eine lange Zeit Gültigkeit hat. Das war gut geübte Praxis und deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich noch einmal um Zustimmung zu dem Gesetz. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Taubert. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor und somit kommen wir zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in Drucksache 5/8040.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Geschäfts- ordnungsantrag!)

Es gibt einen Geschäftsordnungsantrag von Herrn Emde für die CDU-Fraktion.

Ich möchte zu dem Gesetzentwurf namentliche Abstimmung beantragen.

Sie beantragen namentliche Abstimmung, aber zum Gesetzentwurf?

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Weil die Opposition gerade die Mehrheit hat.)

Gut, vielen herzlichen Dank. Wir stimmen jetzt trotzdem erst ab über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD in Drucksache 5/8040. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Abgeordneten der CDU- und der SPD-Fraktion. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gibt es Stimmenthaltungen? Die Fraktion der FDP enthält sich. Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich angenommen.

Jetzt stimmen wir ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit in Drucksache 5/8032 unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung soeben. Wer dieser folgen möchte, den bitte ich jetzt

(Ministerin Taubert)

um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen der CDU und der SPD. Jetzt frage ich nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage nach den Stimmenthaltungen. Das sind die Stimmen der FDP-Fraktion. Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 5/7580 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung zur Beschlussempfehlung in Drucksache 5/8032. Hier wurde namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne hiermit die Abstimmung.