Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, grundsätzlich habe ich zu dem Gesetz bei der Einbringung schon einiges gesagt, ich möchte mich deswegen zunächst noch einmal kurz auf die drei fachlichen Änderungen, die wir als Koalitionsfraktion eingebracht haben, beziehen. Die hat Herr Gumprecht mir dankenswerterweise überlassen. Das eine ist die Stellung von Patienten oder Insassen des Maßregelvollzuges, die nicht aus eigenem Willen, sondern auf Intention der Klinik aus dem Maßregelvollzug entlassen werden sollen. Hier war es bislang so, dass diese Leute sofort keine Thera
pie mehr bekamen, dass sie in eine Abbrecherstation verlegt wurden. Diese Abbrecherstation hatte schon so einen gewissen Strafhaftcharakter und dort sind diese Menschen untergebracht worden. Es war nicht einmal klar, ob die Zeit, die sie dort verbracht haben, tatsächlich zum Beispiel auf ihre Haftdauer angerechnet wurde. Da gibt es entsprechende Fälle und hier gab es eine Rechtsunsicherheit und deswegen waren dort neue Regelungen zu treffen. Die haben wir in zweierlei Hinsicht getroffen. Das eine: Wir haben ganz klargestellt, dass der Anspruch auf eine medizinische Behandlung erst dann erlischt, wenn diese Person, die nicht aus eigenem Antrieb die Behandlung abbricht, rechtsgültig aus dem Maßregelvollzug in die Strafhaft oder in die Freiheit entlassen wird. Das heißt, nicht die Klinik kann entscheiden, wir entziehen dem jetzt die medizinische Behandlung, sondern erst, wenn tatsächlich festgestellt wird, der Maßregelvollzug wird beendet, dann ist es so, dass hier eine medizinische Behandlung auch beendet werden kann. Gleichzeitig möchten wir aber auch, dass in diesen Fällen des Therapieabbruchs, also wenn es nicht auf den Insassen zurückgeht, dass diese Therapie beendet wird, vor Verlegung auf diese sogenannte Abbrecherstation ein externes Gutachten eingeholt wird, und dieses Einholen des Gutachtens soll der Interventionsbeauftragte einleiten und er soll dann im Prinzip in diese Entscheidung direkt mit einbezogen werden. Damit stärken wir die Position der Insassen des Maßregelvollzugs deutlich. Wir schließen aus, dass Kliniken quasi in eigener Regie Patienten an diese Abbrecherstation übergeben und ihnen die Behandlung ihrer Krankheit vorenthalten und damit gegebenenfalls einen Zustand herbeiführen, der eine nachträgliche Begutachtung dieser Menschen schwieriger macht, weil der Zustand in der Abbrecherstation in der Regel nicht demselben Zustand entspricht, der vorher bestanden hat, als sie noch therapiert worden sind. Ich halte das für eine ganz, ganz wichtige Ergänzung und deswegen haben wir das auch so eingebracht.
Die zweite ganz wichtige Ergänzung ist - das hat Frau Siegesmund angesprochen, worauf auch Herr Heym uns hingewiesen hat - die Frage, wie ist mit Besuchern im Maßregelvollzug umzugehen. Da haben sich diverse Praktiken eingeschliffen. Das fing damit an, dass Besucher sich teilweise einer qualifizierten Durchsuchung durch das Klinikpersonal bis hin zur Entkleidung unterziehen mussten. Das geht so überhaupt nicht aus unserer Sicht. Gleichzeitig sollte bei bestimmten Besuchern ein Besuch davon abhängig gemacht werden, ob sie einem Drogenscreening zustimmen, entweder durch einen Urintest oder einen Speicheltest oder etwas Ähnliches. Auch das ist durch einen privaten Träger so nicht hinnehmbar und deswegen haben wir Veränderungen herbeigeführt, und zwar Folgendes: Der Besucher kann dann - wie das in jeder dieser Einrichtungen üblich ist - durchsucht werden, ohne Entklei
dung, ohne Körperhöhlendurchsuchung und Ähnliches, und in dem Moment, in dem die Betreiber oder in dem das Personal des Maßregelvollzugs einen Anhalt hat, dass dort jemand unerlaubte Substanzen oder Ähnliches einschmuggeln möchte, dann ist die Polizei einzuschalten, die natürlich dann diese Straftat entsprechend aufklären und verfolgen kann. Ein Besuch darf nicht mehr davon abhängig gemacht werden, ob ein Besucher bereit ist, ein Drogenscreening, einen Alkoholtest oder etwas Ähnliches durchzuführen, weil ich es unerträglich finde, dass Menschen dann eventuell in irgendeiner Weise diskriminiert werden, nur weil sie vielleicht anders aussehen, weil sie einem Umfeld angehören, das nicht das der Angestellten des Maßregelvollzugs ist. Das einzige Mittel, das einzige Sanktionsmittel, das wir übriglassen, ist die Möglichkeit, einer Person, die offenkundig berauscht ist oder die Rauschzeichen zeigt, den Besuch in diesem Moment zu verwehren. Diese Verwehrung muss schriftlich begründet werden, es muss ein Protokoll angefertigt werden, das umgehend dem Besucher ausgehändigt werden muss, damit dieser auch die Möglichkeit hat, sich gegen genau diese Entscheidung zur Wehr zu setzen. Damit ist aus unserer Sicht eine Stärkung der Rechte des Besuchers zu verzeichnen. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Anregung, die vom Petitionsausschuss bzw. von der Strafvollzugskommission an uns herangetragen worden ist. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir das aufgegriffen haben.
Die dritte Änderung will ich nur kurz erwähnen. Es geht da um einen möglicherweise missverständlichen Satz, der im Prinzip Zwangsmaßnahmen - ich verkürze das jetzt mal - auch dadurch rechtfertigt, dass das Behandlungsziel durch denjenigen, der im Maßregelvollzug einsitzt, gefährdet wird. Wir haben diesen Satz als missverständlich erachtet und deswegen aus dem Gesetzestext gestrichen. Auch das ist, glaube ich, eine Klarstellung, die an dieser Stelle notwendig war.
Ich möchte jetzt noch zwei, drei Sachen zu den allgemeinen Vorwürfen, auch von Frau Siegesmund geäußert, sagen: Ja, Frau Siegesmund, ich wäre auch mit einer anderen Situation glücklicher, gebe ich völlig unumwunden zu. Der entscheidende Fehler in diesem ganzen Verfahren ist die Privatisierung des Maßregelvollzugs. Das ist das Problem, an dem alles andere krankt. Gäbe es eine Möglichkeit, dass man den Schalter umlegt und das Ganze zurücknimmt, wäre das hundertmal besser als dieses Gesetz, gebe ich Ihnen völlig unumwunden zu. Wir müssen uns aber mit der Situation auseinandersetzen, dass das im Moment so nicht geht. Ich habe das eingangs hier gesagt: Pacta sunt servanda - Verträge müssen eingehalten werden. Das gilt für uns, das gilt auch für die Betreiber. Deswegen brauchen wir ein Maßregelvollzugsgesetz, das im Prinzip zumindest die Verfassungsmäßigkeit der
Durchführung sicherstellt. Alle Juristen, die wir jetzt noch einbezogen hatten, sei es im Justizministerium, sei es von der Landtagsverwaltung, haben uns diese Verfassungsmäßigkeit bestätigt. Ich bin da bei Herrn Gumprecht, ich glaube, da kann man vertrauen. Es ist aber nun mal so, wenn man fünf Juristen fragt, hat man ungefähr sechs Meinungen. Am Ende bleibt Ihnen natürlich der Klageweg. Sie können gegen das Gesetz, Sie können im Prinzip klagen und können das überprüfen. Möglicherweise führt das zu einer gänzlich anderen Sicht auf die Privatisierung des Maßregelvollzugs, auch das ist möglich, das ist eine Konsequenz. Das muss man machen, wenn man meint, dass das alles nicht in Ordnung ist.
Danke, Kollege Dr. Hartung. Meine Frage geht dahin: Frau Siegesmund hat auf die zwei unterschiedlichen Meinungen der Rechtsgutachter in der Anhörung hingewiesen. Es geht um den Interventionsbeauftragten. Es wurde aufgezeigt, dass es außer der Möglichkeit des Interventionsbeauftragten auch die Möglichkeit der Beleihung der Chefärzte durch das Land gegeben hätte. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Ich glaube, die Interventionsbeauftragten - meine persönliche Meinung - sind die bessere Lösung. Wir haben aber glücklicherweise da eine Evaluierung eingebaut und können eventuell in zwei Jahren zu einer anderen Haltung kommen. Ich bleibe trotzdem dabei, die Privatisierung des Maßregelvollzugs war der Fehler und es ist - das möchte ich noch mal ganz klar sagen - ein handwerkliches Unding, bei dieser Privatisierung keinerlei gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht mal im PsychKG irgendeine Anpassung vorzunehmen, keinen Paragrafen einzufügen, handwerklich derart unsauber, dass man jetzt im Prinzip den Realitäten hinterherläuft und im Moment gar nichts anderes machen kann, als hier zu handeln.
Ich bin gleich fertig. Dass Ihnen das nicht so gefällt, kann ich nachvollziehen. Ich bin trotzdem der Über
zeugung, dass das zumindest den Zeitraum überbrücken kann bis zur ersten Evaluierung und dann bis eventuell andere Tatsachen geschaffen werden können und wir den Maßregelvollzug dahin bringen, wo er hingehört, nämlich wieder in öffentliche Hand. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Hartung. Als Nächste hat jetzt das Wort die Abgeordnete Giesela Sparmberg für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf wurde sich intensiv auseinandergesetzt. Ich kann festhalten, dass nahezu jede vorgelegte Regelung in der Bewertung durch die Anzuhörenden unterschiedlich betrachtet wurde. Frau Siegesmund hat das deutlich dargestellt. Genau das muss eben wirklich stutzig machen. Ich möchte aber nur auf zwei Schwerpunkte eingehen.
Grundsätzlich muss erst einmal festgestellt werden, dass Thüringen im Bereich des Maßregelvollzugs gut aufgestellt ist. Auch wenn wir sonst mit Kostenfaktoren als FDP immer kritisch umgehen, hier lohnt sich jeder investierte Euro.
Im 3. Psychiatriebericht des TMSFG aus dem Jahr 2012 kann man nachlesen, dass Thüringen eine überdurchschnittliche Personalausstattung, bezogen auf Ärzte/Ärztinnen, Psychologinnen/Psychologen sowie sonstige Therapeutinnen und Therapeuten sowie bei den Pflegekräften der Maßregelvollzugseinrichtungen im Freistaat, hat. Und, wissen Sie was, das ist auch gut so, denn auf derselben Seite steht auch, dass man gerade durch die guten Bedingungen in Thüringen beim Therapieerfolg ganz weit vorn ist. Unsere Einrichtungen sind vorbildlich sowohl bei den Leistungsmerkmalen, Lockerungen je 100 Fälle sowie bei der Anzahl der Entweichungen je 100 Fälle. Das heißt konkret, bei uns werden erstens die Patienten schneller erfolgreich therapiert und zweitens flüchten sie auch weit weniger aus dem Maßregelvollzug als in anderen Bundesländern. Der Zusammenhang zwischen Personalbestand, Therapiemöglichkeiten und Therapieerfolg ist also evident. Deshalb kann ich nur hoffen, dass die Personalengpässe, die die Ursache einiger Petitionen der letzten Jahre waren, Ausnahmen waren und bleiben.
Umso unverständlicher ist die Änderung in § 32 „Kosten der Unterbringung“. Hier haben die Praktiker im Maßregelvollzug Befürchtungen geäußert, dass es künftig zu massiven Einschnitten kommen
wird. Ich zitiere, Frau Präsidentin, Sie erlauben: „In der Funktion als Mitarbeitervertretung“ - hier die Vertretung des ökumenischen Hainichklinikums in Mühlhausen - „setzen wir uns im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen für unsere Kollegen im MRV ein. Mit Fokus auf § 32 ist aus Sicht der Mitarbeitervertretung zu befürchten, dass mit den hier geschaffenen Regelungen Möglichkeiten geschaffen werden, um Einsparungen für das Land als Kostenträger zu generieren. Die Gefahr, den damit in den letzten Jahren begonnenen positiven Weg des Maßregelvollzugs in Thüringen in Lähmung, Stagnation bzw. Rückschritt zu versetzen, würde sich in weitreichender und vielfältiger Weise negativ auswirken. Davon betroffen wären insbesondere die Mitarbeiter, die Patienten, aber auch letztlich die Allgemeinheit.“ Dem ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen, denn man muss sich klarmachen, worüber wir hier reden und über welchen Personenkreis.
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Gruppen, zum einen jene, die nach § 63 Strafgesetzbuch in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Diese Unterbringungsform bezieht sich auf schuldunfähige oder vermindert schuldfähige Straftäter, die aufgrund ihrer Erkrankung als für die Allgemeinheit gefährlich gelten und von denen weitere erhebliche Straftaten wie Gewaltdelikte, aber auch Sexualdelikte zu erwarten sind. Diese Maßregel ist unbefristet, zum anderen jene, die nach § 64 Strafgesetzbuch der Unterbringung in der Entziehungsanstalt anheim fallen. Dies bezieht sich auf suchtkranke Straftäter. Diese Maßregel ist grundsätzlich auf zwei Jahre befristet, wobei sich die Aufenthaltsdauer in der Maßregel durch entsprechende Höchstfristberechnungen verschieben bzw. verlängern kann.
Die Personen, die gerichtlich angeordnet nach §§ 63 bzw. 64 Strafgesetzbuch unterzubringen sind, sind grundsätzlich weiterhin dauerhaft gefährlich, anders als solche, die für eine Straftat in den JVAs untergebracht sind. Genau deshalb muss der Freistaat angemessene Finanzierungen des Maßregelvollzugs sicherstellen, damit sich ein nachhaltiger Behandlungserfolg überhaupt einstellen kann. Kurzfristige Einsparungen könnten hier langfristig teuer werden für den Freistaat und die Gesellschaft im Ganzen.
Ein weiterer Aspekt ist die Rechnung der Landesregierung, dass sich rund 300.000 € über Selbstbeteiligung der Untergebrachten selbst erwirtschaften lassen. Da bleiben auch wir skeptisch, denn viele Betroffene leben in sozial schwierigen Verhältnissen.
Aber die Hauptfrage der bisherigen Diskussion bezog sich fast in Gänze auf die Frage, ob die Interventionsbeauftragten das richtige Mittel sind, um erstens dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zu
entsprechen, und zweitens es sich um eine in der Praxis auch umsetzbare Lösung handelt. Auch bei dieser Bewertung liegen die Meinungen weit auseinander. Bei der Frage der Rechtmäßigkeit hat das Gutachten der Landesverwaltung unsere Bedenken zunächst zerstreuen können. Bei der Frage der Praktikabilität sind wir uns jedoch nicht sicher. Hier ist es dringend geboten, die Praxistauglichkeit abzuwarten und gegebenenfalls bei etwaigen Einwänden der Ärzte und Mitarbeiter im Maßregelvollzug nachzusteuern. Insofern werden wir als FDP dem geänderten Gesetzentwurf nicht zustimmen können, da nicht alle unsere Bedenken ausgeräumt werden können. Wir werden uns aber enthalten.
Vielen herzlichen Dank, Frau Sparmberg. Als Nächster hat jetzt das Wort der Abgeordnete Matthias Bärwolff für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, als ich den Kollegen jetzt zugehört habe, da habe ich mich so ein wenig gefragt, ob sie wirklich wissen, worum es eigentlich geht, denn wir mussten kein neues Maßregelvollzugsgesetz machen, damit wir die Drogenkontrollen beim Einlass infrage stellen und neu regeln, wir mussten kein neues Gesetz machen, um die Therapieabbrüche neu zu regeln, und wir mussten auch kein Gesetz machen, um den Rechtsanspruch auf die Therapie festzulegen. Nein, das ist gar nicht das Thema. Das ist gut, dass wir darüber gesprochen haben im Sozialausschuss und auch im Justizausschuss, aber das Thema ist eigentlich ein ganz anderes. Das Thema ist nämlich, dass das Bundesverfassungsgericht feststellt, dass der Maßregelvollzug nur unter ganz, ganz engen Bedingungen privatisiert werden kann. Darum geht es heute eigentlich. Es geht um die Frage: Wie gehen wir mit der Privatisierung des Maßregelvollzugs um? Da gibt es drei Punkte, auf die ich gerne eingehen möchte. Das ist zum einen der Funktionsvorbehalt nach Artikel 33 Grundgesetz. Zum Zweiten geht es aus meiner Sicht um die Frage der Privatisierung an sich und es geht zum Dritten um die Finanzierung. Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz lautet, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: „Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“ - also Beamte. Das bekommen wir mit dem heutigen Gesetz nicht so richtig geregelt, denn das Verfassungsgericht sagt, dieser Funktionsvorbehalt gilt, Grundrechtseingriffe darf nur der Staat vornehmen. Das Bundesverfassungsgericht argumentiert mit der sogenannten durchgehenden Legitimations
und Kontrollkette. Das bedeutet, dass diese Grundrechtseingriffe - so haben sie es formuliert, ich zitiere - „bis in die Tiefe des ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Handelns“, muss diese Legitimationskette gewährleistet sein. Meine Kollegin Stange beispielsweise hatte vor Kurzem einen Brief an einen Insassen in der Maßregelvollzugseinrichtung in Mühlhausen geschrieben. Gestern gab es einen Anruf von dem entsprechenden Empfänger des Briefes und er durfte den Brief öffnen, aber nur im Beisein eines Pflegers, der den Inhalt gleich kontrolliert hat. Das ist die Tiefe des ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Handelns. Bis dahin geht der Grundrechtseingriff und bis dahin muss also auch eine Demokratie- und Legitimationskette gewährleistet werden. Das erreichen Sie aber mit diesem Gesetz nicht. In der Praxis ist es also nicht angekommen. Die Verantwortung für die Grundrechtseingriffe wird also de facto auch mit diesem Gesetz weiterhin auf den Ärzten und Pflegern und Therapeuten belassen und der Interventionsbeauftragte, den die Frau Ministerin ins Gesetz reingeschrieben hat, ist aus unserer Sicht nur eine Hilfskonstruktion, denn der Interventionsbeauftragte sitzt in Weimar, weit weg von den Maßregelvollzugseinrichtungen, und ist nicht an die Praxis angeschlossen, sondern sitzt in Weimar, weit weg von der Praxis.
Hinzu kommt, dass im gesamten Gesetz nichts, überhaupt nichts von Intervention steht, sondern nur, dass der Interventionsbeauftragte dieses und jenes zu genehmigen hat, und wenn er gerade nicht da ist oder gerade nicht genehmigen kann, dann wird es nachträglich genehmigt oder man muss zum Richter und zum Gericht gehen. Von Intervention lese ich an dieser Stelle leider nichts. Ein Grund, warum die Linke diesem Gesetz nicht zustimmen kann, denn den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aufgestellt hat, genügt der Interventionsbeauftragte aus unserer Sicht nicht.
Auch die Frage, ob man die Chefärzte in den Maßregelvollzugseinrichtungen beleiht, heilt dieses Problem nicht, denn auch die Chefärzte sind nicht 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche in den Einrichtungen vorhanden. Die Tiefe des pflegerischen, ärztlichen und therapeutischen Handelns, das ist der Maßstab, worauf es aus unserer Sicht ankommt, diese zu garantieren.
Ich will auf den zweiten Punkt eingehen, die Frage der Privatisierung. An dieser halten Sie fest, Frau Taubert, mit dem Gesetzentwurf halten Sie an der Privatisierung fest. Das Bundesverfassungsgericht hat hohe Hürden aufgesetzt, um die Privatisierung solcher hoheitlichen Aufgaben zu ermöglichen. Da gibt es die Leitsätze des Bundesverfassungsgerich
tes, die will ich Ihnen kurz zitieren, Frau Präsidentin: „1. Art. 33 Abs. 4 GG gilt auch für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in privatrechtlicher Organisationsform.“, sprich einem privatisierten Maßregelvollzug. „2. Abweichungen vom Grundsatz des Funktionsvorbehalts bedürfen der Rechtfertigung durch einen spezifischen, dem Sinn der Ausnahmemöglichkeit entsprechenden Ausnahmegrund.“ Das zielt ab auf die Qualität, die dort im Maßregelvollzug geleistet werden kann. Der dritte Leitsatz des Urteils: „Die Übertragung von Aufgaben des Maßregelvollzuges auf formell privatisierte Träger kann mit Art. 33 Abs. 4 GG sowie mit dem Demokratieprinzip und den Grundrechten der Untergebrachten vereinbar sein.“ - kann vereinbar sein beim formell privatisierten Maßregelvollzug.
Unser Maßregelvollzug ist nicht nur formell privatisiert, er ist vollinhaltlich privatisiert. Sie haben nicht nur 75 Prozent verkauft, Sie haben alles verkauft.
Der Freistaat Thüringen, Sie sind die Landesregierung, Herr Höhn, und allem Anschein nach haben Sie das gemacht. Sie machen die Gesetze, nicht ich. Also Sie setzen sie um, die Gesetze machen wir hier.
Das heißt also, den Leitsätzen, die das Bundesverfassungsgericht aufstellt, genügen Sie nach Sicht der Linken leider nicht. Private kommen also dann nur infrage, wie das Bundesverfassungsgericht sagt, für solche hoheitlichen Eingriffe, wenn sie die geforderte Qualität besser erbringen können als die öffentliche Hand. Da machen wir ein großes Fragezeichen dahinter, denn bis 2002 hatte die öffentliche Hand genau die Verantwortung für den Maßregelvollzug und es hat funktioniert. Es ging auch.
Der Leitsatz 147 aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, den möchte ich Ihnen auch mitteilen, denn der ist für die Privatisierung ganz, ganz wichtig. Da sagt nämlich das Bundesverfassungsgericht: „Ausnahmen vom Funktionsvorbehalt können danach nicht allein mit dem rein fiskalischen Gesichtspunkt begründet werden, dass eine Aufgabenwahrnehmung durch Nichtbeamte - sei es auch nur durch Ersparnisse, die der Aufgabenwahrnehmung anderweitig zugute kommen...“ Das heißt also, fiskalische Argumente dürfen nicht die Hauptrolle spielen, aber genau das haben Sie getan. Genau das hat bei der Privatisierung eine Rolle gespielt. Auch heute wird wieder mit den fiskalischen Argumenten argumentiert und das Bundesverfassungsgericht hat dazu eindeutig gesagt: Gewinninteressen dürfen bei denjenigen, die die Leistung erbrin
gen, nicht im Fokus stehen. Aber genau das passiert ja, denn die Gewinninteressen sind vorhanden, ausweislich der Anhörung im Sozialausschuss, das, was die drei Träger dort gesagt haben, ausweislich der Berichte des Landesrechnungshofs, die genau diese Thematik immer wieder in den Fokus gestellt haben, ausweislich diverser Zeitungsartikel, ausweislich der Aktionärsversammlung der Rhön-Klinikum AG. Das sind aus unserer Sicht die Argumente, die an dieser Stelle gegen die Privatisierung sprechen.
Ich will zum dritten Argument kommen, nämlich der Frage der Finanzierung. Auch da ändert sich nichts. Das, was man 2002 als Entscheidungsgrundlage genommen hatte, ist der pure Neoliberalismus - Privat vor Staat. Man hat gesagt, wir geben das an die Träger und die machen das für uns. Ich hatte gerade schon den Leitsatz 147 des Urteils zitiert. Selbst wenn man akzeptiert, dass fiskalische Einsparungen oder fiskalische Mehrwerte für die öffentliche Hand ein Argument dafür sein könnten, den Maßregelvollzug zu privatisieren, selbst die werden ja nicht eingehalten. Wenn man sich vor Augen führt, 2014 haben wir insgesamt über 30 Mio. € in den Maßregelvollzug hineingesteckt. Wenn man sich anschaut, wie sich die Kosten entwickelt haben, Frau Taubert, wir sind 1995 bei 6,6 Mio. € gewesen und im Jahr 2014 sind wir schon bei 36,3 Mio. € nach Plan gewesen. Wenn man sich allein die Summen mal vor Augen führt, die von 2002, also dem Beginn der Privatisierung, bis 2014 gezahlt worden sind, sind es 354 Mio. € und für diese 354 Mio. € hätte ich Ihnen auch drei Kliniken gebaut und einen Haufen Personal bezahlt. Das heißt also, auch diese Kostenargumente sind nicht zum Tragen gekommen.