Protocol of the Session on July 16, 2014

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, gerade die Debatte, wie sie vorhin verlaufen ist, zeigt, dass unsere Bedenken zum Umgang mit dem Untersuchungsausschuss mehr als berechtigt waren, wenn ich mir vorstelle, wie dieses Wahlkampfgetöse heute schon stattgefunden hat.

(Beifall FDP)

Aber zur Sache: Die Themen Verfassungsschutz und Sicherheitsbehörden haben uns wie keine anderen in dieser Legislaturperiode aufgeregt, erschrocken und nachdenklich gemacht. Es gibt viele Dinge, die immer noch nicht aufgeklärt sind oder niemals aufgeklärt werden können. Nicht nur das Versagen der Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit, sondern auch das Handeln der NSA, des BND usw. in der Gegenwart werfen eine Menge Fragen auf, meine Damen und Herren. Sind wir überhaupt in der Lage, die Bespitzelung von ausländischen Nachrichtendiensten zu unterbinden? Das wird sich zeigen. Auf jeden Fall müssen wir auf diejenigen Einfluss nehmen, die wir kontrollieren,

und genau das soll mit den heute vorliegenden Gesetzentwürfen versucht werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will zu Beginn auf den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen. Zum Anfang will ich aus eigener Erfahrung sagen und ausdrücklich anerkennen, dass es für eine kleine Fraktion eine beachtliche Leistung ist, einen so umfangreichen Gesetzentwurf vorzulegen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf hat aber nach unserer Auffassung ein großes Problem, nämlich, dass er mit dem eigentlichen Ziel der Grünen nicht im Einklang steht. Die Begründung des Gesetzentwurfs geht ganz klar von der Abschaffung des Verfassungsschutzes aus. Der Gesetzentwurf soll nur einen Zwischenschritt für eine nachrichtendienstfreie Gesellschaft darstellen. Gleichzeitig regelt man aber alle möglichen nachrichtendienstlichen Mittel bzw. will sie nur teilweise abschaffen. Diese Unausgeglichenheit zwischen Ziel und Regelungsinhalt merkt man dem Gesetzentwurf an.

Der nun vorliegende Änderungsantrag schafft, soweit ich es in der Kürze überblicken konnte, zwar teilweise Abhilfe, gerade was das Problem des Arbeitsverbots für ehemalige Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz angeht, eine abschließende Bewertung des Änderungsantrags konnte ich allerdings in der Kürze gerade bei den umfangreichen Änderungen im Bereich der Informationsübermittlungen auch der Verfassungsschutzbehörde leider nicht vornehmen, meine Damen und Herren. Der Änderungsantrag hat heute zu Beginn des Plenums vorgelegen, das ist dann doch etwas sehr kurzfristig.

(Beifall FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir können auf dem Gebiet, bei dem es um das Erkennen, um die Abwehr von Extremismus und Terrorismus geht, nicht einfach so herumexperimentieren und schauen, ob es gut geht oder nicht. Wenn wir den Verfassungsschutz neu aufstellen wollen, dann muss es Hand und Fuß haben und das sehe ich leider bei dem Gesetzentwurf der Grünen nicht.

(Beifall FDP)

Ich will nur ein Beispiel nennen: Man will die V-Leute abschaffen, aber gleichzeitig soll evaluiert werden, ob man sie gebraucht hätte.

(Beifall FDP)

Ich weiß nicht, wie man den Nutzen von etwas evaluieren will, wenn es gar keine V-Leute mehr gibt, wenn es das, was man evaluieren will, nicht mehr gibt. Zu den V-Leuten, meine Damen und Herren, kann man natürlich stehen, wie man will. Das sind ganz bestimmt, zumindest in den meisten Fällen,

(Abg. Gentzel)

keine Ehrenleute. So etwas wie einen Ehrenkodex kennen sie wahrscheinlich nicht einmal. Ich glaube, dass jeder hier im Hohen Haus die V-Leute gern abschaffen würde, wenn wir davon überzeugt wären, dass wir sie nicht bräuchten, um die Sicherheit der Bürger und des Landes zu gewährleisten. Das heißt, entweder ist man der Meinung, wir brauchen sie nicht, dann sollte der Gesetzentwurf auch so konsequent sein und dies durchziehen, oder man lässt V-Leute zu, dann muss aber auch klar geregelt sein, wer V-Mann sein darf, wie er zu führen ist und wann er abzuschalten ist.

(Beifall FDP)

Solche Vorkommnisse, wie sie damals bei Brandt und Trinkaus gelaufen sind, dürfen sich nicht wiederholen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Ein „Wir schaffen sie mal ab und überprüfen, ob wir sie gebraucht hätten“ lässt für mich die Frage offen, was die Grünen machen, wenn ein Anschlag erfolgt und wir feststellen, dass wir das mit V-Leuten vielleicht hätten verhindern können. Wie schon gesagt, meine Damen und Herren, meines Erachtens gibt es hier nur zwei klare Möglichkeiten: Entweder Ja oder Nein und dann auch mit vollem Bewusstsein, welche Konsequenzen es haben kann.

Ich will nun auf den Gesetzentwurf der Landesregierung eingehen. Der hat einige gute Punkte, die will ich auch nicht in Abrede stellen. Ich will mich sogar aus dem Fenster lehnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, und behaupten, dass einige Regelungen der Kontrolle des Verfassungsschutzes dienlich sein können. Zum einen wird eine Stabsstelle Controlling zur Überprüfung der Rechtund Zweckmäßigkeit des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel vorgesehen. Wir hatten auch vorher immer schon Kontrollstellen. Ich hoffe, dass die Stabsstelle dies nun besser macht. Das wird sich aber erst in der Praxis zeigen und es ist auf jeden Fall so, dass es dort auch in ganz besonderem Maße auf den Faktor Mensch ankommt. Denn gerade da, wo die Grenzen des Rechts gelegentlich scheinbar verschwimmen, braucht man Menschen, die sich der Grenzen des Rechts ganz besonders bewusst sind.

(Beifall FDP)

Die PKK wird in ihren Rechten gestärkt. Ich glaube, das ist einer der wichtigsten Punkte des neuen Verfassungsschutzgesetzes. Natürlich, und das will ich an dieser Stelle nicht verhehlen, hätte ich mir gewünscht, dass alle hier im Landtag vertretenen Fraktionen auch Mitglieder der PKK werden, aber das ist nicht gewollt. Wir haben den Vorstoß in dieser Legislaturperiode bereits einmal gemacht.

Weiterhin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist zu begrüßen, dass man die Führung

von V-Leuten nun gesetzlich fixiert. Dieses Vorgehen ist ein überfälliges Resultat aus beiden Untersuchungsausschüssen. Es war teilweise absurd und unfassbar, was wir durch die Untersuchungsausschüsse mitbekommen mussten, wie und was für V-Leute teilweise geführt worden sind. Ich hoffe, dass wir so nun wirklich einen Weg gefunden haben, die Führung von V-Leuten zu verbessern.

Eines muss uns aber bewusst sein, egal wie viel Kontrolle und Dokumentationspflichten man in ein Gesetz schreibt, der Faktor Mensch wird immer eine Rolle spielen und der lässt sich nicht durch noch so strikte Gesetze kontrollieren, meine Damen und Herren. Es hatte damals viel mit Schlamperei zu tun, dass Posten nicht besetzt wurden oder jemand gleich drei Posten, nämlich des Abteilungsleiters Auswertung, des Abteilungsleiters Beschaffung und des Vizepräsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, innehatte. Da ist natürlich die Frage, wer hier wen kontrolliert hat und wie es sein konnte, dass sich Dienstposten selbst kontrollieren durften.

(Beifall FDP)

So etwas hätte nicht passieren dürfen; so etwas hätte auch in der alten Struktur nicht passieren dürfen. Hier hat die Aufsicht völlig versagt und deswegen sind und bleiben wir weiterhin skeptisch. Es kommt darauf an, wie umgesetzt wird, was wir hier auf dem Papier stehen haben.

(Beifall FDP)

Ich will noch einige Punkte nennen, warum wir dem Gesetzentwurf trotz teilweise guter Ansätze nicht zustimmen werden, meine Damen und Herren. Nach unserer Auffassung und auch nach der einiger Stellungnahmen gibt es bei einigen Paragrafen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verfassungsrechtliche Probleme. Das betrifft beispielsweise die Informationsund Auswertungszentrale in § 4 Abs. 4. Hier ist überhaupt nicht klar, welche Informationen von welchen Behörden in der sogenannten Informations- und Auswertungszentrale zusammengeführt werden. Man schreibt etwas in das Gesetz, wo aber völlig unklar bleibt, was das für eine Zentrale sein soll. Gesetze, die Eingriffe in Grundrechte darstellen, meine Damen und Herren, müssen normenklar und hinreichend bestimmt sein, und das sehe ich hier leider nicht.

(Beifall FDP)

§ 14, in dem die Verbunddatei geregelt ist, könnte nach unserer Auffassung gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes verstoßen. Der Bund hat mit § 22 a abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Das Land kann hier selbst also gar keine eigene Regelung treffen.

§ 11 - das ist mir besonders wichtig - enthält nach unserer Auffassung eine gravierende Vermischung

von Vorfeldmaßnahmen und Gefahrenabwehr. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was es für einen Fall geben soll, dass eine gegenwärtige gemeine Gefahr vorliegt, wo die Polizei nicht rechtzeitig eintrifft, um einzuschreiten, aber zum Glück der Verfassungsschutz den Wohnraum akustisch überwachen darf, um dadurch die gegenwärtige gemeine Gefahr abzuwehren. Das, meine Damen und Herren, kann nicht ernsthaft gewollt sein und das ist auch eine wirklich unschöne Vorstellung.

(Beifall FDP)

Die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr durch nachrichtendienstliche Mittel ist bestimmt nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes. Oder soll der Verfassungsschutz bei der Wohnraumüberwachung auf einmal als eine Art Ersatzpolizei für die Gefahrenabwehr tätig werden? Ich habe hier erhebliche Zweifel, ob das rechtlich zulässig ist. Auf jeden Fall ist es nicht erstrebenswert.

(Beifall FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe weitere Probleme, die den Kernbereichsschutz angehen, was die Unterlassung der Benachrichtigung eines Betroffenen angeht. Das sind elementare Rechte, meine Damen und Herren, elementare Rechte von Betroffenen von nachrichtendienstlichen Mitteln, um sich überhaupt gegen solche Maßnahmen zumindest im Nachhinein wehren zu können. Diese Benachrichtigungspflicht wurde aber genauso wie im Polizeiaufgabengesetz nicht hinreichend ausgestaltet.

Es gibt noch weitere Punkte, meine Damen und Herren, die nicht unproblematisch sind, wie die abschließende Aufzählung nachrichtendienstlicher Mittel sowie der darin enthaltene Staatstrojaner im Gesetz oder die Übermittlungspflichten an andere Behörden in den §§ 21 und 22.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, einem Gesetz mit so vielen rechtlichen Problemen können und wollen wir nicht zustimmen. Es gibt einige Verbesserungen, was die Kontrolle anbelangt, aber beim Kernbereichsschutz und der Benachrichtigungspflicht bleiben Sie nach unserer Auffassung weit hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen zurück. Somit ist dieses Gesetz für uns nicht zustimmungsfähig. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Fiedler von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass ich nach

längerer Abwesenheit wieder im Hohen Haus mitwirken kann,

(Beifall im Hause)

und möchte mich bei allen bedanken, das muss man auch einmal machen dürfen, wenn man mal länger krank ist, dass auch viele an denjenigen denken, auch über Grenzen der politischen Ebene hinweg.

Meine Damen und Herren der Grünen, ich habe extra die grüne Tasche mitgebracht, die habe ich mir natürlich mühsam gekauft. In Deutschland gab es so etwas nicht, aber ich war mal in Südtirol, um zu zeigen, dass auch die Grünen gut eines Mitgefühls fähig sind, vielen Dank, auch anderen. Ich könnte jetzt noch einen Nachsatz machen, aber da werde ich von den eigenen so sehr geprügelt, deswegen verkneife ich mir das, dass die anderen manchmal etwas eifriger sind als die eigenen. Was sein muss, muss sein.

Jetzt komme ich aber zum Gesetzentwurf. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe manchmal den Eindruck, dass wir alle oder zumindest große Teile von uns vergessen, warum wir eigentlich einen Verfassungsschutz brauchen. Dass die Linke den schon immer ablehnt, das ist klar, darüber rede ich gar nicht mehr.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wir praktizieren den Verfassungsschutz!)

Bitte, Frau Kollegin? Ich habe es nicht gehört, schade. Ich habe 30 Minuten Zeit. Ich will noch mal darauf verweisen, dass die Linken immer den Verfassungsschutz ablehnen, ist ganz klar, darüber brauchen wir gar nicht mehr zu reden. Herr Kollege Kalich, Sie haben einige Dinge genannt, Sie haben sich die von Prof. Bull rausgepickt, Gesinnungsschnüffelei etc. Er war übrigens derjenige, der von der SPD benannt wurde. Aber, wie der Kollege Gentzel zu Recht gesagt hat - jetzt ist er schon wieder weg, ihr wechselt dauernd, ihr wollt mich verwirren, dass ich dann sage, „Herr Präsident“ und es sitzt schon wieder eine Präsidentin oben, aber gut. Sie sehen, ich habe Entzugserscheinungen, meine Damen und Herren.

Der Verfassungsschutz ist nicht zum Selbstzweck da. Ich will Sie alle daran erinnern, die Übrigen, außer die Linken, dass es, so schlimm das alles war und ist mit NSU, hier von dem Platz aus habe ich mich dazu entschuldigt, habe gesagt, dass viele Dinge passiert sind, die nie hätten passieren dürfen und, und, und. Das müssen wir uns nicht das zehnte Mal um die Ohren hauen. Das wissen wir alle, dass dort schlimme Dinge passiert sind, und wir sind an ein Gesetz rangegangen, um Dinge zu verändern, von denen wir meinen, dass sie notwendig sind. Aber, meine Damen und Herren, neben NSU gibt es auch ISIS, wenn Sie Zeitung lesen sollten und alle Kommentare dazu. ISIS ist eine Muslim