Protocol of the Session on April 10, 2014

und dafür zu sorgen, dass der Maßregelvollzug in Gänze wieder zurück in Landesverantwortung geht. Diese Aufgabe muss rückübertragen werden.

Zurück zum Gesetz und zur Beurteilung: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011 bzw. 2013 muss angepasst werden. Wir wissen es, wir haben das auch durch die verschiedenen, durch den Petitionsausschuss an uns herangetragenen Probleme mehrfach diskutiert. Das Bundesverwaltungsgericht fordert Änderungen im Bereich Funktionsvorbehalt, beim Demokratisierungsprinzip. Das heißt, dass privatrechtliche Unterbringung, die Beleihung der medizinischen Zwangsbehandlung in Thüringen, dass diese anders geregelt werden muss. Das ist ohne Zweifel die wichtige Grundlage für die Beratung und vor allen Dingen hat das Gutachten von Prof. Dr. Würtenberger hier eine gute Grundlage gegeben. Die Wichtigkeit dieses Gesetzes und der Bedarf eines besonders sensiblen Umgangs mit dem Thema Maßregelvollzug haben wir im Sozialausschuss immer wieder betont. Ich möchte hier auch noch mal verweisen, weil ich es gut finde, wie wir uns da als Ausschussmitglieder fraktionsübergreifend geäußert haben, auf die Vorlage 5/4396, wo diverse Punkte, die im Petitionsausschuss diskutiert wurden, als da wären Drogentests bei Besuchern von Patienten des Maßregelvollzugs oder Nachteinschluss von Patienten auf der Abbrecherstation oder Abbrüche im Maßregelvollzug allgemein bzw. die Postkontrolle - all jenes ist in den Ausschüssen in der Beratung gewesen und wir haben uns dazu ganz klar auf zweieinhalb Seiten positioniert und auch Regelungslücken benannt. Umso mehr teile ich ausdrücklich die Einschätzung von Kollegen Bärwolff, dass ausgerechnet bei der Frage der Drogentests datenschutzrechtliche Bedenken und die Frage, inwieweit stichprobenartige Kontrollen oder Anhaltspunkte für Kontakte zu Angehörigen des sogenannten Drogenmilieus, wie es heißt, tatsächlich noch Regelungsbedarf haben. Den gibt es, das haben wir festgestellt, und Sie lassen das im Gesetz

(Abg. Koppe)

leider außen vor. Das ist schlecht, das muss nachgebessert werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lösung der Landesregierung auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil soll sein: Aufsicht und Mitsprache bei der Einstellung von Chefärzten in den forensischen Kliniken und die Einführung der sogenannten Interventionsbeauftragten. Unsere Frage ist hier, darüber muss man diskutieren: Sind drei Interventionsbeauftragte im höheren und gehobenen Dienst, die beim Landesverwaltungsamt ihren Sitz haben, Ihre Antwort auf eine Verbesserung des Maßregelvollzugs? Was können diejenigen leisten, insbesondere angesichts der territorialen Verteilung der einzelnen Kliniken, und wie stellt sich das Ministerium eigentlich die Arbeit derjenigen praktisch vor? Das müssen wir klären, das sind operative Fragen, aber die stehen auch im Mittelpunkt der Debatte, wenn es darum geht zu sagen, dieses Gesetz sei eine Verbesserung. Wir befürchten im Übrigen auch, dass es zu einer Kollision der Aufgaben des Interventionsbeauftragten kommt, wenn es zum einen um die Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen der Patientinnen und Patienten geht und derjenige zeitgleich oder diejenige vertrauensvoller Ansprechpartner für Beschwerden sein soll. Das ist, glaube ich, eine schwere Rolle, die diejenigen ausführen müssen, darüber müssen wir sprechen, ob das überhaupt in einer Person funktionieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, drei Punkte sind uns in der Beratung wichtig: erstens die professionelle und adäquate Umsetzung der Konvention, zweitens die Stärkung der Selbstbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten durch eine differenzierte Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahmen - ich sprach es gerade an, die Interventionsbeauftragten haben da eine schwierige Rolle - und drittens Angebote von möglichst früh ansetzenden und individuell abgestimmten Hilfen im Maßregelvollzug, denn darum geht es.

Ein Punkt zum Schluss: Das Ministerium erwartet eine Kostenerstattung von ca. 300.000 €, die auf Patientinnen und Patienten bzw. Sozialhilfeträger umgelegt werden sollen. Es wird im Gesetzentwurf nicht klar, wie der Betrag errechnet wurde. Zusätzlich werden Sozialhilfeträger, das heißt die Kommunen, gegebenenfalls herangezogen, darüber muss man sprechen, vor allen Dingen weil es darum geht, für einen relativ langen Zeitraum in Vorleistung zu gehen. Es kann nicht sein, dass das eine entsprechende Belastung nach sich zieht. Darüber müssen wir im Ausschuss reden, ich glaube, es geht um eine gute Balance zu finden zwischen dem Schutz der Menschen, die sich in den einzelnen Einrichtungen befinden, ihnen zu helfen, dass sie die Betreuung bekommen, die sie brauchen, aber vor allen Dingen die Lücken, die wir bereits in den

Debatten identifiziert haben, die wir vorher geführt haben, dass wir diese schließen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Siegesmund. Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Hartung für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Siegesmund, Sie haben mir sehr viele wichtige Punkte praktisch vorweggenommen, die brauche ich jetzt alle nicht zu wiederholen, wofür ich doch sehr dankbar bin. Aber eines möchte ich noch einmal ausdrücklich wiederholen: Die Privatisierung des Maßregelvollzugs 2002 war ein Fehler. Das war aus der Überzeugung heraus geboren, Private können alles immer billiger machen als der Staat und das ohne Qualitätsverlust und alles wird gut. Aus dieser Überzeugung heraus ist das damals gemacht worden. Aus unserer heutigen Sicht, das ist jetzt 12 Jahre her, müssen wir sagen, es war ein Fehler. Es steht aber auch, das hatten Sie gesagt, gar nicht zur Debatte, das jetzt sofort alles rückgängig zu machen, rückabzuwickeln, erstens, weil das Millionen kosten würde, und zweitens, weil das Prinzip, die Ministerin hat es erwähnt, pacta sunt servanda auch in Fällen gelten muss, die uns nicht gefallen. Das ist das Prinzip. Es ist eine Frage der Ehrlichkeit und der Zuverlässigkeit, dass man Verträge, die einem nicht passen, auch nach einer Wahl weiterhin einhält.

Die Frage, wie man mit solchen Fehlern umgeht, setzt aber voraus, dass wir uns doch kurz die Zeit nehmen, diese Fehler einfach zu analysieren und zu schauen, was ist denn damals schiefgelaufen. Da muss ich sagen, als jemand, der durchaus hin und wieder mit Zwangsmaßnahmen bei psychisch Kranken zu tun hatte, in meiner Funktion als Notarzt, schüttele ich manchmal mit dem Kopf, wenn ich das lese, wenn ich die Maßgaben sehe, warum man mit der Privatisierung nicht ein Maßregelvollzugsgesetz auf den Weg gebracht hat. Heutzutage weiß doch jeder, der damit befasst ist, ich kann in einem Altenheim nicht mal ein Bettgitter anbringen, ohne dass das legitimiert ist. Ich kann einen Patienten im normalen Leben keiner Zwangsbehandlung zuführen, ohne dass das entweder der sozialpsychiatrische Dienst oder ein entsprechender Richter legitimiert. Und hier ist eine staatliche Aufgabe privatisiert worden, ohne für diese Fälle eine staatliche Kontrolle zu implementieren. Das ist ein Fehler gewesen, den kann ich jetzt ex post überhaupt nicht nachvollziehen. Deswegen, das muss ich so sagen, habe ich auch ein bisschen den Eindruck, das ist damals mit der heißen Nadel genäht worden und da gilt es jetzt nachzusteuern. Da ist das Gesetz

(Abg. Siegesmund)

nicht, wie der Herr Bärwolff gesagt hat, eine Krücke, sondern es ist eine notwendige Nachjustierung, um die Zeit, in der die Verträge gelten, so zu gestalten, dass alles rechtskonform ist und um uns eventuell die Option zu erhalten, wenn dann die Entscheidungen anstehen, tatsächlich offen und ehrlich darüber zu diskutieren und diese Aufgabe an den Staat zurückzunehmen, was ich bevorzugen würde, oder dort unter anderen rechtlichen Bedingungen zu belassen.

Nun haben wir gehört, wenn diese gesetzlichen Änderungen greifen sollten, dann grummeln die Träger. Einige haben auch schon gesagt, wenn sie es gewusst hätten, hätten sie damals die Beleihung nicht übernommen und sie denken darüber nach, das nicht mehr machen zu wollen. Aber auch für die Träger gilt - bitte schön - pacta sunt servanda. Wenn wir jetzt die notwendigen Anpassungen an den gesetzlichen Rahmen vornehmen müssen, dann gilt dieses Gesetz natürlich auch für die Träger, die stehen nicht im rechtsfreien Raum, nur weil sie mal eine Beleihung übernommen haben. Die Gesetzlichkeiten müssen eingehalten werden. Dazu schaffen wir jetzt die Basis.

Ich finde, ein ganz wesentlicher Punkt neben den Interventionsbeauftragten ist die demokratische Legitimation von Ärzten, das ist etwas ganz, ganz Wichtiges, weil wir am Ende den Ärzten mehr oder weniger die Entscheidung zum Beispiel über den Fortgang, über die Fortschritte dieser Maßnahmen überlassen. Es muss klar sein, dass das wirtschaftliche Interesse der Ärzte nicht über das staatliche Interesse, also dieser Beleihung gerecht zu werden, obsiegen kann. Ich will das keinem unterstellen, aber so ist es über die Zweifel erhaben.

Letztlich möchte ich noch was zu Herrn Koppe sagen. Sie haben gesagt, also wenn da jetzt irgendetwas passiert, da müsste man erst den Interventionsbeauftragten nach einer Zwangsmaßnahme fragen - so ähnlich haben Sie es ausgedrückt.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Nein, nicht mal so ähnlich.)

Doch haben Sie, ich habe es hier fast mitnotiert, dann haben Sie sich versprochen, schauen Sie nachher im Protokoll. Fakt ist, auch heute, in jedem ähnlich gelagerten Fall, nicht nur im Maßregelvollzug, sondern auch draußen in der richtigen freien Welt ist es so, wenn ich jetzt zum Beispiel psychisch auffällig werde und irgendein Arzt sagt, ich bin eine Gefahr für mich und meine Umwelt, dann kann er sich zwar umgehend zum Beispiel Amtshilfe verschaffen und über die Polizei eine Zwangsmaßnahme einleiten, aber die muss sofort über einen Richter oder über den sozialpsychiatrischen Dienst kontrolliert werden. Ich habe das als Notarzt mehr als einmal erlebt, dass wirklich psychisch auffällige Personen von mir mittels Polizei in eine Klinik gebracht worden sind und ich war noch nicht

fertig mit dem Ausfüllen der Papiere, da kam der Anruf vom Richter: Lass den mal wieder laufen, das ist nicht so schlimm, wie ihr das denkt. Ganz klar, das ist immer so gewesen und es gibt überhaupt keinen Grund, warum es eine solche Instanz nicht auch im Maßregelvollzug geben kann und geben muss. Die muss es geben und deswegen ist dieses Gesetz wichtig. Ich freue mich darüber, dass da jetzt eine Anhörung stattfinden wird. Ich unterstütze ausdrücklich die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Sozial- und an den Justizausschuss und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Hartung. Es liegt mir keine weitere Wortmeldung vor. Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Es wurde beantragt, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen, dahin übrigens federführend. Wer sich dieser Überweisung anschließt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Danke. Gibt es Gegenstimmen? Die sehe ich nicht. Gibt es Stimmenthaltungen? Die sehe ich auch nicht. Vielen Dank.

Des Weiteren soll der Antrag überwiesen werden an den Justiz- und Verfassungsausschuss. Wer sich dem anschließt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Nein. Gibt es Stimmenthaltungen? Die sehe ich auch nicht.

Noch einmal zur Klärung: Es wurde federführend der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragt. Gehe ich da recht, dass das Ihre Zustimmung findet oder regt sich Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Dann ist der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit der federführende Ausschuss.

Vielen Dank. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

Transatlantisches Freihandelsabkommen darf Umwelt- und Verbraucherschutzstandards der Europäischen Union nicht aufweichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/7289 - Neufassung dazu: Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/7509

(Abg. Dr. Hartung)

Wünscht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zur Begründung? Das ist der Fall. Herr Abgeordneter Dr. Augsten, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte unseren Antrag mit drei Stichworten begründen. Ich fange mit jemandem an, der es wissen muss, Karel De Gucht, EU-Handelskommissar, hat kürzlich davon gesprochen, dass es sich bei diesem Freihandelsabkommen um einen Gegenstand von beispiellosem öffentlichen Interesse handelt. Er hat damit sicher darauf reagiert, dass es in der Öffentlichkeit sehr viel Unbehagen gab angesichts des Umstandes, dass die EU-Kommission viele Monate lang mit den USA geheim verhandelt hat und selbst der Berichterstatter im Europäischen Parlament nicht an die Dokumente herangekommen ist, um überhaupt seine Arbeit machen zu können. Also, beispielloses öffentliches Interesse, das trifft es sehr gut.

Der zweite Punkt: Ich glaube, die Tatsache, dass CDU und SPD einen inhaltsgleichen Antrag vorgelegt haben, Alternativantrag, zeigt, dass auch die beiden Regierungsfraktionen das Thema für so wichtig befinden, damit wir hier diskutieren und vor allen Dingen zu einem Abschluss kommen und sie tun gut daran, denn - das ist der dritte Punkt - in fast allen anderen deutschen Parlamenten ist die Diskussion gelaufen und es gab im Prinzip Parlamentsbeschlüsse. Mit Blick auf die SPD kann ich mir den kleinen Seitenhieb nicht ersparen, dass, wenn man die SPD-Anträge in anderen Ländern anschaut, die SPD dann viel näher an unserem Antrag dran ist als bei ihren eigenen, aber das können die Kolleginnen und Kollegen der SPD dann sicher erklären.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also selbst in Bayern, wo die SPD ohne Beteiligung der Grünen oder anderer Partner das ganz alleine eingebracht hat, wird ziemlich harsch formuliert, also sehr deutlich in der Überschrift „Hände weg von unseren Standards“. Wenn ich dann hier in dem Antrag der CDU und der SPD lese, dass man doch bitte die Standards beachten möge, liegen doch sicher Welten dazwischen.

Meine Damen und Herren, angesichts der sehr intensiven Berichterstattung der letzten Monate möchte ich, auch wenn ich aus dem Agrarbereich komme und mir das sicher in die Hände spielt, trotzdem darauf hinweisen, dass es dabei nicht nur um Chlorhähnchen und Klonfleisch und genmanipulierte Lebensmittel geht, sondern dass leider viel zu wenig darüber gesprochen wird, dass viele andere Dinge dort verhandelt werden. Gerade Arbeitnehmerinnenrechte, Datenschutzdienstleistungen werden dort ebenso verhandelt. Das spielt in der

Medienberichterstattung leider zu wenig eine Rolle, darauf muss man achten, denn wenn man einmal die Diskussion in den USA verfolgt, gerade die Gewerkschaften, die naturgemäß sehr nahe bei Präsident Obama stehen, kritisieren auch mit Blick auf das, was gerade zwischen USA und Europa verhandelt wird, kritisieren sehr stark, dass genau diese Arbeitnehmerinnenrechte immer wieder zur Disposition gestellt werden. Sie führen als Beispiel Freihandelsabkommen USA mit Mexiko und Kanada an, wo die Gewerkschaften in den USA einschätzen, dass aufgrund der Senkung der Standards bei den Arbeitnehmerinnenrechten ungefähr 700.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Also man sieht schon, wenn man sich vergleichbare Handelsabkommen vornimmt und die anschaut, dann scheint es einen Trend zu geben, sich immer an dem auszurichten, der die niedrigeren Standards mit in die Gespräche einbringt. Das ist wichtig für die Verhandlungen EU und USA. Also das ist etwas, was wir unbedingt im Auge behalten müssen. Es geht nicht nur um Lebensmittel, sondern es geht um weitaus mehr.

Meine Damen und Herren, da sind wir uns aber mit den Anträgen einig, der große Streitpunkt, ziemlich komplizierte Materie, aber ein ganz wichtiger Punkt, das sind diese Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanismen - klingt schon sehr kompliziert -, also einfach die Tatsache, dass die USA dort etwas vorhaben, was in der EU bisher undenkbar wäre, nämlich dass man außerhalb des bestehenden Rechtssystems Private beauftragt, Streitschlichtungen zwischen Staaten und großen Konzernen vorzunehmen. Dass es von einer großen Relevanz ist, zeigt allein die Tatsache, dass global, das ist die Zahl von 2012, 514 solcher Streitschlichtungen 2012 anhängig waren. Das ist tatsächlich eine Größenordung, die uns zu denken geben muss. Auch Deutschland ist da betroffen. Vattenfall hat die deutsche Bundesregierung im Nachgang von Fukushima auf 3,4 Mrd. € verklagt, weil wir die Kernkraftwerke oder Atomkraftwerke stilllegen wollen, und den entgangenen Profit möchte sich Vattenfall von der deutschen Bundesregierung auszahlen lassen. Gerade die USA haben viele Erfahrungen gemacht, auch Kanada im Bereich Fracking, wo Frackingfirmen klagen, weil sie durch Umweltauflagen in ihrem Profit geschmälert werden. Also das sind Dinge, die wir ernst zu nehmen haben, da muss man sich ein bisschen in das Rechtssystem der USA einzuarbeiten versuchen, um überhaupt zu verstehen, was da auf uns zukommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, meine Damen und Herren, eine ganze Menge Dinge, die wir hier zu beraten haben, und ich freue mich auf die Aussprache. Vielen Dank.

(Vizepräsidentin Hitzing)

Vielen Dank, Herr Dr. Augsten. Möchte die CDU, SPD einbringen, begründen?

(Zuruf Abg. Heym, CDU: Nein.)

Nein. Gut, dann geht es weiter. Die Landesregierung erstattet einen gemeinsamen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags und zu Nummer II.1 des Alternativantrags. Das Wort hat Frau Ministerin Taubert, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN strebt eine Aussetzung der laufenden Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den USA über ein Freihandelsabkommen an. Auch der Alternativantrag von der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion beinhaltet eine ablehnende Grundhaltung zum geplanten TTIP, dem Transatlantic Trade and Investment Partnership.

Auf die berechtigten Bedenken möchte ich gerne eingehen.

Sicherlich beinhaltet das geplante Handelsabkommen für Europa, Deutschland und auch Thüringen Chancen. Mit dem geplanten Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA würde der größte Freihandelsmarkt der Welt entstehen. Bereits heute werden Waren im Wert von über 2 Mrd. € täglich zwischen den Wirtschaftsräumen gehandelt. Der Wegfall von Zollschranken kann sicher Wirtschaftswachstum, aber auch Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks steigern. Doch bei aller Euphorie über die möglichen Auswirkungen eines solchen Abkommens muss es ganz klare Grenzen für ein Abkommen geben. Das fordern Sie zu Recht in Ihren Anträgen und ich bin guter Hoffnung, dass dies gelingen wird. Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und den Vereinigten Staaten haben im Juli letzten Jahres begonnen. Die nächste Verhandlungsrunde wird noch vor der Sommerpause im Juli in Washington stattfinden. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass das Abkommen dieses Jahr unterzeichnet wird, zumal noch wichtige Bedenken auszuräumen sind. Sie sind auch in den heute zu diskutierenden Anträgen dargelegt. Und, meine Damen und Herren, die Landesregierung teilt diese Bedenken ausdrücklich.

(Beifall SPD)

Zu Ihren inhaltlichen Bedenken zum geplanten Freihandelsabkommen möchte ich Folgendes anmerken: Im Zuge der Verhandlungen werden Zollerleichterungen nur eine untergeordnete Rolle spielen, da bereits heute kaum noch Zölle im Warenverkehr zwischen den USA und Europa erhoben wer

den. Viel wichtiger werden die Gespräche zu angestrebten Harmonisierungen von Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an Produkte, Produktionsweisen und Dienstleistungen sein. Die Harmonisierung von Standards bietet ein Potenzial für Kostenersparnis, die auch unseren kleinen und mittleren Unternehmen in Thüringen zugute kommen könnte. Die angestrebte Harmonisierung von Standards sollte aber auf keinen Fall dazu führen, dass die in Europa momentan vorhandenen Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucherschutz- und Arbeitsstandards herabgesetzt oder aufgeweicht werden.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

In diesem Punkt, meine Damen und Herren Abgeordneten, unterstütze ich die in den Anträgen zum Ausdruck gebrachte Zielstellung ausdrücklich. Die EU-Kommission sieht das übrigens ganz ähnlich. Wenn es um Umwelt- und Verbraucherschutz geht, wird die EU am Verhandlungstisch keine Kompromisse machen, Hormonfleisch zum Beispiel ist in der EU nicht zugelassen und nach unserem Kenntnisstand hat die Europäische Union auch nicht vor, dieses Verbot anzutasten. Nur, wenn die bisherigen EU-Standards nicht zur Disposition gestellt werden, ergeben sich weder für die Verbraucher noch für die Landwirtschaft in Thüringen durch das Freihandelsabkommen zusätzliche Risiken. Das muss die klare Orientierung für die weiteren Verhandlungen sein.