Protocol of the Session on April 9, 2014

Es ist historisch mit Sicherheit interessant und bedeutend, Frau Siegesmund, da gebe ich Ihnen sogar recht. Aber wenn Sie an einer tatsächlichen Aufklärung interessiert wären, hätten Sie einen Antrag im Ausschuss gestellt. Viele Fragen, denke ich, die Sie auch hier in den Raum gestellt haben, sind unbeantwortet. Die lassen sich auch nicht so einfach beantworten. Von den 28 Fällen, die in der Studie erwähnt sind - wie viele sind denn da heute überhaupt noch offen und wie viele sind inzwischen durch hier schon von den Vorrednern mehrfach erwähnte privatrechtliche Klärungsmöglichkeiten geklärt, die auch in den letzten Jahren, Jahrzehnten existieren und in rechtssichere Methoden münden?

Ich darf noch mal darauf hinweisen, dass sich Brandenburg im Rahmen einer Enquetekommission generell mit dem SED-Unrecht beschäftigt. Ich hoffe doch durchaus, dass sich mehr als die Linken im Landwirtschaftsausschuss dort mit dem Thema des SED-Unrechts beschäftigen werden. Da bin ich recht frohgemut.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Fragen Sie mal nach in Branden- burg!)

Wie gesagt, wichtig ist eine historische Aufarbeitung. Wichtig ist für mich auch die Frage, die ich an die Landesregierung weitergebe: Welche Möglichkeiten haben wir denn, sage ich mal so ganz deutlich, noch mal zu recherchieren, wie viele von den 28 rechtlich unwirksamen Fällen sind denn im Jahre 2013 tatsächlich überhaupt noch offen? Welche Möglichkeiten der Unterstützungshilfe würde es denn geben? Ich sehe keine vonseiten des Freistaats Thüringen. Aber das sind Fragen, die uns vielleicht die Landesregierung beantworten kann, diesbezüglich ein wichtiger historischer Komplex. Ich bin froh, dass es uns gelungen ist. Ich sage hier auch deutlich: Ich bin froh, dass dieser Umwandlungsprozess nicht bei der Treuhand gelandet ist.

(Abg. Dr. Scheringer-Wright)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Das wäre rechtlich auch gar nicht gegangen.)

Ich freue mich auf die Ausführungen des Staatssekretärs. Danke.

(Beifall SPD)

Danke schön. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Richwien.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, kurz ein paar Informationen zur Geschichte. Nach § 69 Landwirtschaftsanpassungsgesetz mussten sich LPGen bis spätestens 31.12.1991 in eine eingetragene Genossenschaft, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft umgewandelt haben, andernfalls galten sie kraft Gesetzes als aufgelöst. Diese Umwandlung war ein höchst komplexer Prozess, in dem es galt, nicht nur formal-juristische Anforderungen einzuhalten. Die Überführung des DDR-Gebildes LPG in eine bürgerliche Rechtsform nach bundesdeutschem Recht ging auch einher mit der Wiederherstellung des privaten Eigentums, der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern und der LPG bzw. dessen Rechtsnachfolger, dem gleichberechtigten Aufbau einzelbetrieblicher, familiengeführter Landwirtschaftsbetriebe, damals Wiedereinrichter genannt, und damit verbunden einer Konkurrenz um das Produktionskapital der Landwirtschaft, den Boden. Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Erfahrung, dass ehemals zwangskollektivierte Familien der LPG-Umwandlung als Akt der geschichtlichen Aufbereitung von erlittenem Leid und Unrecht betrachteten. Im Gegensatz zur Privatisierung in den anderen Wirtschaftszweigen wollte die letzte Volkskammer der DDR die Umgestaltung der sozialistischen Landwirtschaft nicht über die Treuhandanstalt abwickeln. Sie legte mit dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom 20. Juli 1990 diesen Prozess in die eigene und alleinige Verantwortung der LPG-Betriebe und deren Mitglieder. Hierbei handelt es sich um eine komplexe Materie. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um rein privatrechtliche Vorgänge handelte, sind seit Anfang der 90er-Jahre folgerichtig eine Vielzahl von Gerichtsverfahren zu allen Bereichen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes geführt worden. So wurden aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung seit 1995 die Fallgruppen identifiziert, in denen von einer unwirksamen oder gescheiterten Umwandlung auszugehen ist. Rechtswissenschaftlich wurde die Thematik der gescheiterten Umwandlungen unter der Leitung von Prof. Dr. Walter Bayer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena untersucht. Die

Ergebnisse des Forschungsprojektes „Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern“ sind 2003 veröffentlicht worden.

Für Thüringen wurden durch Prof. Bayer insgesamt 28 - das ist schon erwähnt worden - von 344 Umwandlungen als unwirksam eingestuft. Das entspricht einer Quote von 8,1 Prozent. Für die neuen Bundesländer wurde ein Wert von 11 Prozent ermittelt. Man könnte mit Sicherheit intensiv darüber streiten, ob die festgestellte Fehlerquote von 8,1 Prozent durchschnittlich, bedenklich oder gar mit kriminellem Hintergrund versehen ist. Ich halte diese Zahl, meine Damen und Herren, angesichts der damalig vorherrschenden Unwissenheit vieler Akteure für eine realistische und normale Fehlerrate. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Erfahrungen aus Verfahren von gerichtlich festgestellten, fehlgeschlagenen Umwandlungen vorliegen. Danach existieren mittlerweile rechtssichere Methoden und werden auch angewendet, die eine nachträgliche Übertragung des LPG-Vermögens auf den Scheinrechtsnachfolger bewirken. Insofern gehe ich davon aus, meine Damen und Herren, dass der eigentliche Wille der jeweiligen LPG-Mitglieder zur Umwandlung der LPG in eine Rechtsform nach bundesdeutschem Recht gegebenenfalls auch nachträglich und dann rechtsfehlerfrei vollzogen wird.

Meine Damen und Herren, von Anfang an bestand von verschiedener Seite Interesse an der Veröffentlichung der Namen der 28 Betriebe, die durch Prof. Bayer als gescheiterte Umwandlung klassifiziert wurden. Eine Prüfung des Thüringer Landesdatenschutzbeauftragten ergab jedoch, dass eine entsprechende Veröffentlichung einschließlich einer Nennung der Betriebsnamen datenschutzrechtlich nicht möglich ist. Das muss man dann auch einmal zur Kenntnis nehmen.

Nun könnten Insider fragen, warum Thüringen nicht den sächsischen Weg gegangen ist. Auch dort ist aus datenschutzrechtlichen Erwägungen heraus eine Veröffentlichung der Klarnamen nicht möglich gewesen. Allerdings hat das dortige Landwirtschaftsministerium durch eigene Prüfungen versucht, die Feststellungen der Universität Jena nachzuvollziehen. Auch diese Variante ist im Ministerium durch die frühere Hausleitung geprüft worden. Letztendlich kamen jedoch die Entscheidungsträger zu der Auffassung, dass die endgültige Feststellung einer gescheiterten Umwandlung nur den Registergerichten vorbehalten bleibt. Diesbezügliche amtsinterne Ermittlungen und darauf basierende Verwaltungsentscheidungen, meine Damen und Herren, zum Beispiel Verweigerung von Förderungen, sind nicht rechtens. Darüber hinaus könnten für den Fall, dass eine verwaltungsseitig identifizierte fehlgeschlagene Umwandlung durch einen Regi

(Abg. Mühlbauer)

sterrichter anders gesehen wird, Schadensersatzansprüche entstehen.

Meine Damen und Herren, der Landesregierung liegen keine Informationen seitens der Gerichte vor, welche LPG-Umwandlung aufgrund einer entsprechenden Klage als gescheitert eingestuft wurde. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass Betroffene, die sich ungerecht behandelt fühlten, den einzig richtigen Weg, nämlich den ordentlichen Gerichtsweg bestritten haben. Insofern halte ich ein „Aufrollen“ seitens der Legislative oder der Landesregierung für unnötig. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke schön. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und komme zum dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Müssen Bürger von Immenrode ihr Land verlassen, weil sie bezüglich einer geplanten weiteren Schweinemastanlage in ihrem Ort anderer Meinung sind als der Thüringer Landwirtschaftsminister? Sind dessen der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Äußerungen so zu verstehen, dass die Thüringer Landesregierung in Anlehnung eines Ausspruchs aus vergangenen Zeiten diesen Bürgern keine Träne nachweint?“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/7602

Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat das Wort Abgeordneter Bodo Ramelow von der Fraktion DIE LINKE.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich sehe, der Minister ist auch von der Pressekonferenz zurückgekehrt, auf der er interessante Einblicke zur Weiterbearbeitung der Kali-Verträge gemacht hat.

Zum Thema der Aktuelle Stunde habe ich zwischenzeitlich gelesen, dass sich Herr Minister Reinholz für seine Worte entschuldigt hat oder um Entschuldigung gebeten hat, also mitgeteilt hat, dass es ihm im Eifer des Gefechts herausgerutscht sei. Es bleibt aber die Feststellung, dass es ihm herausgerutscht ist, denn nur was man im Kopf hat, kann

man herausrutschen lassen. Dann bleibt die Frage: Wie gehen wir eigentlich in Thüringen mit Menschen um, die sich in einem Gemeinderat, in einem Kreistag, in einer Gemeindeverwaltung über eine Regionalentwicklung Gedanken machen und dann ein Minister sagt, Menschen, die anderer Meinung sind, sollten doch am besten in die Karibik gehen? Nichts gegen die Karibik, aber, lieber Herr Minister Reinholz, ich wäre doch schon daran interessiert, dass die Menschen hier blieben und dass wir sie einladen, hier zu bleiben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vor allen Dingen wäre ich sehr daran interessiert, dass wir noch mehr Menschen einladen, hierher zu kommen, um hier zu bleiben. Es sind immerhin 35 Menschen, die jeden Tag netto dieses Land verlassen haben und wir können auch auf keinen Bürger aus Immelborn, Immenrode verzichten. Immelborn ist eine andere Geschichte, darum könnten Sie sich auf dieser Seite noch mal kümmern, da gibt es einen anderen Minister, der sich den Realitäten verweigern will. Dem rutscht dann auch mal irgendwas heraus.

(Beifall DIE LINKE)

Aber ich bleibe dabei, der Anlass einer Schweinemastanlage führt dazu, dass in den Regionen die Bürger mittlerweile aufgeschreckt sind. Der Ort Immenrode ist schon mit zwei großen Anlagen ausgestattet und die Bürger fragen sich: Ist es wirklich richtig und adäquat, dass eine dritte oder vierte dort noch angesiedelt wird? Das ist eine Diskussion, die die Bürger dort führen. Ich finde, wir sollten Respekt vor den Bürgern haben, die sich darüber Gedanken machen.

Es gibt eine zweite Nachricht, die uns aus dem Nachbarbundesland ereilt, das ist in Sachsen-Anhalt, wo in Bernburg ein italienischer Investor einen Großschlachthof plant, bei dem offizielle Zahlen sagen, 15.000 Schweine am Tag, 365 Tage durch. Die internen Zahlen sagen derzeit 28.000 Schweine pro Tag, auf 365 Tage sind das über 10 Millionen Tiere. Kollege Primas, wenn Sie dann so machen - ich als gelernter Lebensmittelkaufmann sage: Es ist ein Punkt erreicht, bei dem wir über Kreatürlichkeit und über natürliches Leben in der gesamten Kette endlich anfangen müssen zu reden. Wenn nämlich die Form der Verarbeitung immer größere Zuchtanlagen auslöst, wenn die Frage der Millisekunden zur Verarbeitung all dieser Tiere von der Geburt an bis zum Schlachten immer mehr unter Effizienzgesichtspunkten betrachtet wird und wenn in dieser Kette in den deutschen Schlachthöfen mittlerweile sklavenartige Arbeitsverhältnisse von rumänischen und bulgarischen Zeitarbeitnehmern stattfinden, dann geht hier etwas gründlich schief.

(Staatssekretär Richwien)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann muss man diese Fragen wirklich miteinander stellen und mit den Bürgern zusammen erörtern.

Dass Sie sich noch lustig machen, Herr Gnauck, finde ich erbärmlich. Dass Sie in dem Zusammenhang von Roma reden, finde ich einfach erbärmlich,

(Beifall DIE LINKE)

aber das passt einfach zu dem, wie Sie sich verhalten. Ich rede von Menschen, die in Schlachthöfen ausgebeutet werden und der Schlachtindustrie, die mittlerweile immer größere Dimensionen einnimmt und die uns dazu bringt, dass der Lebensmittelpreis, der Fleischpreis in keiner Relation mehr dazu steht, was an Werten dahinter in der gesamten Kette eigentlich zu beachten ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen bin ich bei einem gewissen Maß skeptisch, wenn die Zuchtanlagen immer größer werden, selbst wenn ich weiß, dass in vielen dieser Anlagen ordentlich gearbeitet wird. Nicht jeder Großviehbestand ist automatisch eine riesige Fleischmaschine. Den Unterschied weiß ich schon, indem ich ab und zu mal hineingehe und mit den Produzenten rede, weiß ich auch wie die Bedingungen sind. Wenn aber die Bedingungen einseitig immer weiter verändert werden und wenn ein solcher Massenbetrieb, wie der in Bernburg geplante, dazu führt, dass die Nachgeordneten ihre Bedingungen immer weiter reduzieren müssen, dann sollten wir darüber reden, ob der Fleischkonsum in unserem Land nicht ein viel zu teurer Preis ist. Das ist nicht nur eine Frage, die Vegetarier angeht, sondern uns alle, vom sozialpolitisch denkenden Menschen angefangen bis zum regionalpolitisch aktiven Menschen, ob alles, was möglich ist, wirklich zulässig sein sollte.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass sich die Bürger von Immenrode Gedanken darüber machen, ob dieser Entwicklungsprozess richtig ist.

(Unruhe FDP)

Deswegen, werte Kolleginnen und Kollegen, finde ich es erstaunlich, dass dem Minister ein solcher Satz herausgerutscht ist. Selbst wenn er für den konkreten Satz um Entschuldigung gebeten hat, finde ich es inakzeptabel, Bürgern zu sagen, sie sollen in die Karibik gehen, wenn sie anderer Meinung sind. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Egon Primas das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir befinden uns gerade in einer Aktuellen Stunde, die statt des albernen Titels auch hätte heißen können „Öffentliche Demontage und Beschädigung von Jürgen Reinholz“.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?! Das hat er doch selbst ge- sagt.)

Das ist das Ziel.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren der Linken und Herr Ramelow, das ist Ihr Stil hier im Landtag. Das gilt für diese Schweinezuchtanlage genauso wie bei Kali+Salz. Das gilt bei der Diskussion, Ihrer Pressekampagne gegen den Abteilungsleiter.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wer hat denn gesagt, er hätte zwei Elefanten schießen sollen?)

Habe ich gar nicht. Ich habe den Bericht im Fernsehen gesehen. Da hatten Sie richtig Schaum vorm Mund. Da habe ich mich gefragt, welche Trophäe er denn jetzt will. Sie werden die Trophäe Reinholz nicht bekommen, das werden wir nicht mitmachen. Ich sage Ihnen das nur so.