Protocol of the Session on March 25, 2010

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Satz 2, auf den die Abgeordnete Berninger Bezug nimmt, heißt: „Hierbei sind bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften das öffentliche Interesse als auch Belange des Ausländers zu berücksichtigen“.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es versteht sich von selbst, dass bei der Ausübung des Ermessens die kollidierenden Interessen zu berücksichtigen sind.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wird aber nicht …)

Ich werde Ihnen auch gleich darlegen, Frau Abgeordnete Berninger, dass dies sowohl im Verwaltungsvollzug, also auch nach der rechtlichen Regelung bei uns der Fall ist. Nach dem geltenden Recht haben die Landkreise und kreisfreien Städte nämlich einen Ermessensspielraum, bei dem sie diese beiden Belange - das öffentliche Interesse und das Interesse der Asylbewerber - berücksichtigen müssen. Die Zahlen belegen, dass die zuständigen Behörden dieses Ermessen durchaus im Sinne der Interessen der Asylsuchenden nutzen, Ihr zweiter Belang. Es waren nämlich im Januar 2020 1.175 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht. Das entspricht einem Anteil von 44 Prozent der in Thüringen lebenden Flüchtlinge. Eine solche, oder eine noch weitergehende Unterbringung in Einzelunterkünften erscheint mir demgegenüber nicht möglich, weil sonst der Satz 1 …

Herr Minister Huber, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Kuschel?

Bitte.

Danke Frau Präsidentin, danke Herr Minister, können Sie das noch mal wiederholen? Ich habe jetzt von Ihnen verstanden, Sie haben 2020 als Jahreszahl benannt und dann die Zahl der Unterbringung in Wohnungen. Sie haben 2020 gesagt. Vielleicht liegt da ein Irrtum vor, dass Sie noch mal korrigieren, auf welches Jahr Sie Ihre Statistik jetzt beziehen. Danke.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuschel, es soll natürlich keine Unklarheit verbleiben. Ich habe den Januar 2010 gemeint. Der liegt, glaube ich, hinter uns. Für den haben wir auch statistische Zahlen vorrätig und die belegen, dass 1.175 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht sind, 44 Prozent.

Eine noch weitergehende Unterbringung in einzelnen Unterkünften erscheint demgegenüber nicht möglich, da sonst der Regelsatz des Satzes 1, Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, leerlaufen und unterlaufen würde. Nach Artikel 31 des Grundgesetzes bricht Bundesrecht Landesrecht nach wie vor. Insofern, glaube ich, können wir hier nicht weitergehen.

Über eine Unterkunft hinaus erhalten in Thüringen lebende ausländische Flüchtlinge selbstverständlich auch die zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendigen Leistungen einschließlich einer ausreichenden Krankenversorgung. Das Existenzminimum, die Menschenwürde, die unsere Verfassung jedem, unabhängig davon, ob er deutscher oder ausländischer Staatsangehöriger ist, zuerkennt, wird dadurch gewahrt. Der Umstand, dass die dem Asylbegehrenden zustehenden Leistungen grundsätzlich in Form von Wertgutscheinen ausgegeben werden, wurde zwar immer wieder kritisiert. Natürlich wäre es für manche Flüchtlinge - für die meisten wahrscheinlich - angenehmer, generell Bargeld zu erhalten. Das wäre, wie Sie richtig gesagt haben, Frau Berninger, auch für das Land mit geringeren Kosten verbunden. Das ist uns klar. Nur ist die Auszahlung von Bargeld, darauf hat der Abgeordnete Günther hingewiesen, kein Königsweg, sondern es bedarf hier differenzierender Regelungen. Deswegen macht es auch Sinn, in Einzelfällen eben von der Auszahlung von Bargeld abzusehen. Auch die Wahl zwischen Bargeld und Wertgutscheinen ist durch das Asylbewerberleistungsgesetz, wie Sie wissen, versperrt. Die Auslegung nach dem Duden, die Sie vorgenommen haben, entspricht nicht der juristischen Methodenlehre. Ich würde Ihnen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung auch nach der Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes nach wie vor plausibel belegen können in einer ruhigen Minute, dass es an diesem Vorrang nach wie vor nichts zu rütteln gibt. Danach erhalten die Asylbewerber zunächst Sachleistungen und an zweiter Stelle

Gutscheine und erst an dritter Stelle das Bargeld. Diese Reihenfolge ist nach der Auffassung der Landesregierung ebenfalls bundesrechtlich vorgegeben. Die Ausreichung von Bargeld kommt damit nur ausnahmsweise in Betracht.

Ein weiteres Ziel des Gesetzentwurfs ist es, bei der Kostenerstattung an die Landkreise und kreisfreien Städte von der pauschalen Erstattung abzurücken und die tatsächlich anfallenden Kosten zu erstatten. Dem Grunde nach wird die Spitzabrechnung gefordert, wie sie bis 1999 schon einmal bestanden hat. Dass damals die Versorgung der ausländischen Flüchtlinge besser gewesen wäre als heute, werden Sie vermutlich nicht behaupten wollen. Die Landesregierung will deshalb an der Pauschalierung festhalten. Sie beabsichtigt aber, wie es im Koalitionsvertrag heißt, zur Verbesserung der Unterbringung und der sozialen Betreuung eine Verordnung über Mindeststandards zu erlassen, diese befindet sich zurzeit in der Ressortabstimmung. Darüber hinaus werden wir auch die Residenzpflicht lockern, Frau Berninger, im Rahmen des bundesgesetzlich Möglichen. Ich kann Ihnen heute schon sagen, eine Erstreckung auf den gesamten Freistaat Thüringen steht nach unserer Auffassung im Widerspruch zu den Vorgaben des Bundesrechts, aber es wird eine Lockerung geben.

Letztlich, glaube ich, kommt es darauf an, dass wir die dem Land zustehenden begrenzten Möglichkeiten zur Integration der Flüchtlinge nutzen und diese Integration so gut wie möglich, so intensiv wie möglich gestalten. Wir beginnen bei den Kindern, die eine Erziehung erhalten müssen und auf diese Weise unproblematisch und frühzeitig integriert werden in unsere Gesellschaft, gehen über die Familien bis hin zu den einzelnen erwachsenen Asylbewerbern. Was möglich ist, wird die Landesregierung tun, aber in Rechtstreue zur bundesrechtlichen Rechtsordnung. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank Herr Minister. Ich sehe eine weitere Wortmeldung, nochmals Frau Abgeordnete Berninger. Wortmeldung? Wer möchte jetzt sprechen, Frau Berninger? Gut.

Sehr geehrter Herr Innenminister, mir ist bekannt, dass es andere Auslegungsmethoden gibt juristischer Art, als die nach dem Duden. Aber ich habe u.a. auch eine der juristischen Auslegungsmethoden benannt, nämlich die nach der Entstehungsgeschichte. Ich glaube, da brauchen wir keine ruhige Minute, damit Sie mir die juristischen Auslegungsmethoden

erläutern können, wenn Sie sich mal die Mühe machen, die vergangenen Protokolle aus der letzten Legislatur zu lesen, dann werden Sie sehen, dass ich auch über andere Auslegungsmethoden schon gesprochen habe. Sie sagen, Thüringen hätte überhaupt keinerlei Entscheidungskompetenz, was die Unterbringung angeht. Sie hätten recht, wenn Sie meinten, dass unser Antrag das Asylverfahrensgesetz ändern wollte, was ein Bundesgesetz ist. Das wollen wir aber nicht. Wir beantragen nicht, dass das Asylverfahrensgesetz in § 53 geändert oder das gesamte Gesetz abgeschafft wird. Wir wollen nur, dass es rechtskonform angewendet wird, dass auch der Satz 2 in Absatz 1 in Thüringen eine Rolle spielt und in die Verwaltungsvorschriften Eingang findet. Thüringen hat Entscheidungskompetenz, was beispielsweise die Verwaltungsvorschrift angeht, was zum Beispiel die Thüringer Kostenerstattungsverordnung angeht, das sind alles, genau wie das Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz, Instrumente, mit denen dieses Bundesgesetz umgesetzt wird. Dazu sind unsere Vorschläge, die wir mit dem Gesetzentwurf zur Dritten Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes machen. Nichts anderes wollen wir und dafür bitten wir um eine sachliche Debatte in den von mir genannten Ausschüssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache in der ersten Beratung und es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer der Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nach den Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Die Ausschussüberweisung ist abgelehnt worden.

Es ist Ausschussüberweisung an den Innenausschuss beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nun nach den Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Mit Mehrheit ist die Ausschussüberweisung an den Innenausschuss abgelehnt worden.

Es ist weiterhin beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage

nach den Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Auch diese Ausschussüberweisung ist abgelehnt worden.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 2 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 3. Wir waren übereingekommen, in erster und zweiter Beratung diesen Gesetzentwurf zu beraten.

Thüringer Gesetz zu dem Staats- vertrag über die Einrichtung eines nationalen Mechanismus aller Län- der nach Artikel 3 des Fakultativ- protokolls vom 18. Dezember 2002 zu dem Übereinkommen der Verein- ten Nationen gegen Folter und an- dere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/625 - ERSTE und ZWEITE BERATUNG

Für die Landesregierung bringt diesen Gesetzentwurf der Justizminister, Herr Dr. Poppenhäger, ein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte Ihnen jetzt ein Gesetz mit einem eher etwas sperrigen Namen vorstellen, von dem die „Thüringer Allgemeine“ heute Morgen geschrieben hat, es handele sich um eine sprachliche Grausamkeit. Das würde aber den Ernst des Gesetzentwurfs verkennen, denn er dient dazu, reale Grausamkeiten zu verhindern, und zwar nicht nur in Thüringen und in Deutschland, sondern möglichst weltweit.

Das von der Präsidentin bereits genannte Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag über die Einrichtung eines nationalen Mechanismus aller Länder nach Artikel 3 des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe soll die verfassungsrechtlich erforderliche gesetzliche Grundlage für die Aufgabenerledigung der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter schaffen.

Bereits im Dezember 1984 wurde ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe verabschiedet, das in Deutschland bereits im Oktober 1990 in Kraft getreten ist.

Im Dezember 2002 wurde hierzu ein Fakultativprotokoll errichtet, dessen Ziel es ist, durch einen präventiven Ansatz den Schutz vor Folter weltweit zu verbessern. Zu diesem Zweck sieht es neben der Errichtung eines internationalen Präventionsmecha

nismus die Verpflichtung zur Einrichtung entsprechender nationaler Präventionsmechanismen vor. Diese sind als unabhängige Gremien einzurichten und müssen das Recht haben, Besuche an allen Orten durchzuführen, in denen freiheitsentziehende Maßnahmen vorgenommen werden, Mängel zu beanstanden und Empfehlungen abzugeben.

Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Fakultativprogramm im September 2006 in New York unterzeichnet. Das Gesetz zu dem Protokoll ist am 3. September 2008 in Kraft getreten. Gewahrsamseinrichtungen unterstehen in Deutschland sowohl dem Bund als auch den Ländern, also uns. Insoweit haben Bund und Länder entsprechende Stellen als nationale Präventionsmechanismen einzurichten. Artikel 2 des entsprechenden Bundesgesetzes bestimmt, dass die Aufgaben des nationalen Präventionsmechanismus im Zuständigkeitsbereich der Länder durch eine von diesen einzurichtende Kommission wahrgenommen werden.

Neben der bereits im Jahr 2008 eingerichteten Bundesstelle haben die Justizressorts der Länder beschlossen, mithilfe des vorliegenden Staatsvertrags eine länderübergreifende gemeinsame Kommission zu schaffen, welche als nationaler Präventionsmechanismus tätig wird. Der Staatsvertrag wurde von den Justizressorts der Länder am 25. Juni 2009 unterzeichnet. Dem ging eine Unterrichtung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des Hohen Hauses bereits im Jahr 2009 gemäß Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfassung voraus. Gemäß den Vorgaben des Protokolls sieht der Staatsvertrag vor, dass durch die Kommission freiheitsentziehende Einrichtungen, die in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen, wie z.B. Justizvollzug, aber auch der Maßregelvollzug, Polizeigewahrsam und geschlossene psychiatrische Einrichtungen aufgesucht werden dürfen, um auf eventuelle Missstände aufmerksam zu machen und um auch Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Umsetzung dieser völkerrechtlichen Verpflichtung durch ein abgestimmtes Verhalten der Länder und der Einrichtung einer gemeinsamen Kommission der deutschen Länder ist nicht nur zweckmäßig und gegenüber jeweils eigenständigen Gremien bzw. Beauftragten eines jeden Landes zu bevorzugen, sie hat auch den Vorteil, dass sie gegenüber dem Bund und den Vereinten Nationen einheitlich auftreten kann. Die Länderkommission soll mit der Bundesstelle zur Verhütung von Folter eng zusammenarbeiten, ein gemeinsames Sekretariat benutzen, welches bei der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden angesiedelt ist. Das Sekretariat kann auf die Infrastruktur der Kriminologischen Zentralstelle zurückgreifen, Personal und Sachmittel kön

nen gemeinsam von der Bundes- und Länderkommission genutzt werden. Es wird damit eine kostengünstige Verwaltung geschaffen, die gemeinsam von Bund und Ländern finanziert wird. Die Aufteilung der Länderanteile erfolgt nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Für Thüringen ergibt sich daraus ein jährlicher Betrag von etwa 5.800 €. Der Entwurf des Staatsvertrags beinhaltet im Wesentlichen die folgenden Punkte:

- die Einrichtung einer gemeinsamen Kommission der Länder als nationaler Mechanismus im Sinne des Fakultativprogrammprotokolls,

- die Aufgaben und Befugnisse der Länderkommission in Artikel 2,

- die Anzahl, Ernennung, Abberufung und Qualifikation der Kommissionsmitglieder in Artikel 4,

- die Zusammenarbeit der Kommission mit der Bundesstelle und auch die Regelung der Finanzierung, die ich Ihnen eben bereits geschildert habe.

Die Länderkommission wird gemeinsam mit der Bundesstelle Jahresberichte erstellen, die der Bundesregierung, den Landesregierungen, dem Bundestag, aber auch den Länderparlamenten zugeleitet werden. Sie wird im Interesse der Personen, denen die Freiheit entzogen ist, tätig und wirkt präventiv, um den Schutz dieser Personen vor Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlungen oder Strafe zu stärken und die volle Achtung der Menschenwürde so zu gewährleisten. Das Ihnen hier im Hause nunmehr vorliegende Gesetz soll den Staatsvertrag in Landesrecht umsetzen. Ich bitte für die Landesregierung daher um Ihre Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf und rufe für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Hauboldt auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich denke, der Inhalt des Gesetzes ist zu wichtig, um es wortlos hier zu behandeln - Herr Minister, ich bin da gern bei Ihnen - und ich denke, es ist unverzichtbar, dass Deutschland auch seinen Verpflichtungen aus UN-Menschenrechtsabkommen wie dem UNÜbereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe nachkommt. Auch wenn es den einen oder anderen Kritikpunkt am UN-Abkommen selbst gibt,

ist es ein wichtiges Dokument zur konkreten Verwirklichung und Gewährleistung der Menschenrechte und der Menschenwürde. Zu den Kritikpunkten des UN-Abkommens gehört zum Beispiel - das will ich gern an dieser Stelle betonen -, dass die Formen unmenschlicher, grausamer und entwürdigender Strafe ausgenommen sind, wenn sie in dem jeweiligen Land durch Gesetze verhängt werden. Von Staats wegen verübte Unmenschlichkeiten und Grausamkeiten werden nicht dadurch gerechtfertigt, dass sie mit dem Stempel „legal“ versehen werden. Es bleibt zumindest unsere Hoffnung, dass die noch bestehenden Problempunkte des Abkommens in naher Zukunft beseitigt werden.

Um solche Abkommen in der Praxis auch tatsächlich umsetzbar und wirksam zu machen, müssen auch Organisationsstrukturen, Gremien und Anlaufstellen auf der jeweiligen nationalen Ebene geschaffen werden. Vor allem muss es Mechanismen und Arbeitsstrukturen geben, die sich um die Umsetzung und Einhaltung des Übereinkommens kümmern. Dem dient der vorliegende Gesetzentwurf, der auch den Beitrag Thüringens zu diesen Kontrollmechanismen der nationalen deutschen Ebene sicherstellen soll. Es ist daher sehr wichtig, dass die Mitglieder der Kommission unabhängig und an keine Weisung gebunden sind, nur so können sie ihre Kontrollaufgaben tatsächlich wirksam versehen. Allerdings scheint die Zahl von vier Mitgliedern sehr gering zu sein, bezogen auch auf den weit gesteckten nationalen Aktionsrahmen. Daher ist zu begrüßen, dass die Mitgliederzahl der Kommission aufgestockt werden kann. Die Kommission muss logistisch in die Lage versetzt werden, dass sie ihre Untersuchungs- und nötigenfalls Beanstandungsarbeit auch tatsächlich ausführen kann. Mit Blick auf wirksame Beanstandungsrechte wäre eine klare Formulierung im Staatsvertrag wünschenswert gewesen, jetzt bewegt es sich doch sehr im Bereich der aus meiner Sicht diplomatischen unverbindlichen Empfehlung. Hier sollte eine zukünftige Nachbesserung, insbesondere des Artikels 2 des Staatsvertrags durchaus im Auge behalten werden.

Hinsichtlich des ebenfalls in Artikel 2 festgeschriebenen Jahresberichts, der auch den Länderparlamenten zugeht, ist zu hoffen, dass dies auch im Thüringer Landtag entsprechend ernsthaft beraten wird. Jetzt können Sie, meine Damen und Herren, werte Kollegen, vielleicht einwenden, die Materie des UN-Übereinkommens und des Staatsvertrags ist zum Glück für Thüringen nicht sonderlich relevant, aber - ich will an der Stelle betonen - leider kann ich nicht ganz in dieser Frage Entwarnung geben, denn auch in Thüringer Behörden und Einrichtungen gab es in der Vergangenheit schon Kritik wegen unmenschlicher und entwürdigender Behandlung.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals an den Besuch der Kommission des Europarats zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung oder Strafe - kurz CBT - im Jahr 2005 in den Jugendstrafanstalten Ichtershausen bzw. der Zweigstelle Weimar erinnern und an den doch sehr kritischen Bericht aus dem Jahr 2006. Die CBT hatte sozusagen das europäische regionale Pendant zur UN an die Folterkommission. Der Bericht - und darauf möchte ich kurz eingehen - führte zum Beispiel aus, dass Insassen davon berichtet haben, dass einzelne Bedienstete des Justizvollzugs rüdes Benehmen und entwürdigende Sprache, Formulierungen ihnen gegenüber an den Tag gelegt haben. Außerdem konnte die Delegation selbst bei ihrem Besuch als Ergebnis von persönlichen Gesprächen mit Insassen und Bediensteten erkennen, dass es in Weimar eine - das ist nicht nur in Weimar der Fall - starke Hierarchisierung unter den Gefangenen gibt, die auch rassistische Untertöne und Aspekte beinhalten. Die Delegation geht nach ihren Beobachtungen von einer hohen Gefahr bzw. Wahrscheinlichkeit aus, Opfer von Bedrohung, psychischer Misshandlung oder gar körperlicher Gewalt oder sexuellen Missbrauchs zu werden. Insbesondere sehr junge und körperlich schwächere Gefangene sind eben dieser Gefahr ausgesetzt. Der Delegation wurde bei ihrem Besuch auch ein schwerer Fall von körperlicher Gewalt und sexuellem Missbrauch bekannt gegeben, der sich erst wenige Tage vor diesem Delegationsbesuch ereignet hatte. Der Arzt hatte damals bei der Untersuchung des Opfers unter anderem z.B. Blutergüsse festgestellt, die die Aussagen des Opfers über den Vorfall bestätigen. Zahlreiche Gefangene waren über den Vorfall so verängstigt, dass sie nicht mehr ihre Zellen verlassen wollten, auch nicht zum täglichen Freigang.

Meine Damen und Herren, die Delegation kritisierte in ihrem Bericht neben der Zellenbelegung auch den Personalmangel an den Wochenenden, die unter anderem dazu geführt hätten, dass Freizeit und soziale Aktivitäten nicht mehr stattfinden konnten. Die Europaratskommission verlangt weitgehende Maßnahmen, die über die Veränderung der Zellenbelegung hinausgehen, vor allem im Bereich der therapeutischen und sozialarbeiterischen Betreuung und Unterstützungsarbeit. Vor allem müssen die Verantwortlichen der Einrichtungen sich entsprechend intensiv um gruppendynamische Prozesse und deren Auswirkungen unter den Gefangenen kümmern. Die Bediensteten müssen auf alle wichtigen Anzeichen, die auf Probleme hindeuten, frühzeitig achten und müssen auch entsprechend qualifiziert ausgebildet werden. Darüber hinaus hat die Delegation eine angemessene personelle Besetzung in den einzelnen Arbeitsschichten gefordert - darauf hatte ich kurz abgehoben -, unabhängig ob Tag- oder Nachtschicht. Thüringen wird auch aufgefordert, bessere Möglich

keiten für Freizeitgestaltung, Aus- und Weiterbildung und Arbeit zu schaffen.

Die Kommission, meine Damen und Herren, fordert die Verantwortlichen auch auf, entsprechend dieser Fakten und Hinweise Strategien zur Lösung dieser Probleme zu entwickeln und umzusetzen, insbesondere im Hinblick auf das Problem der Einschüchterung, Gewalt und Repression unter den Gefangenen. Was die Unterbringungsbedingungen angeht, werden die Verantwortlichen aufgefordert, diese umfassend auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. Insbesondere die Zellengröße von teilweise weniger als acht Quadratmetern in Weimar bzw. Ichtershausen sowie die Versorgung der Räume mit Tageslicht wird von der Delegation kritisiert.