Es gibt da zwei weitere Verwerfungen, die will ich kurz benennen. Die Landkreise müssen 60 Prozent ihrer Ausgaben für den Sozialbereich aufbringen. Das sind meist Leistungsgesetze, ohne dass es dort überhaupt Möglichkeiten der Einflussnahme gibt. Nicht einmal mehr 2 Prozent der Ausgaben der Landkreise sind für den sogenannten freiwilligen Bereich. Damit sind natürlich die Gestaltungsmöglichkeiten der Kreistage de facto nicht mehr gegeben. Als 1994 dann auch noch die Ausgleichs
und Ergänzungsfunktion der Landkreise aus der Kommunalordnung gestrichen wurde, haben wir die Landkreise eigentlich zu einer reinen unteren staatlichen Ebene degradiert. Das ist unsere Kritik und deshalb, wenn Sie das schon benennen, muss man also auch darauf abstellen, aber wir hatten überhaupt nicht den Anspruch, das in diesem Gesetz jetzt zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu lösen, denn dazu hatten wir schon andere Vorhaben. Sie können sich aber sicher sein, dass wir das nicht aus dem Auge verlieren und spätestens nach den Landtagswahlen all diese Probleme, die Sie richtigerweise benannt haben, wieder hier im Plenum aufgreifen und dann natürlich in der Position sind, als eine Regierungspartei dementsprechend für die Mehrheit zu sorgen.
Ja, man muss eine Vision haben, Herr Gnauck, Sie leben auch davon, vergessen nur manchmal dann die Realität, wenn Sie nur noch in Visionen leben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch auf den Vorwurf reagieren, dass angeblich einige Gemeinden die Zahlungen öffentlich-rechtlicher Forderungen verweigern, obwohl sie zahlungsfähig sind. Ich bin noch einmal die Liste durchgegangen, gegen die all diese Zulassungsverfügungen erlassen wurden und mir ist hier kein einziger Fall bekannt. Das war das, was ich Frau Holbe fragen wollte, ob sie mir einen Fall nennen kann, bei dem Zulassungsverfügungen des Landesverwaltungsamts zur Zwangsvollstreckung ergangen sind, wo in einem dieser Fälle die Gemeinden leistungsfähig sind und nur aus grundsätzlichen Erwägungen heraus die Zahlung verweigern. Die gleiche Frage wollte ich an Herrn Hey stellen, weil er auch ein vergleichbares Argument hier in die Debatte geworfen hat, dass es Fälle geben könnte. Sie haben zum Glück gesagt, Sie konstruieren es mal, das ist okay. Aber die Realität in Thüringen spricht eine andere Sprache. Bisher war bei den Fällen keine Gemeinde dabei, die aus grundsätzlichen Erwägungen heraus die Zahlung verweigert hat, sondern es waren alles Gemeinden, die sich in einer prekären angespannten Finanzsituation bewegt haben. Deswegen nützt es uns auch hier nichts, irgendwelche Einzelbeispiele zu konstruieren, die irgendwann mal auftreten könnten.
Im Übrigen habe ich darauf verwiesen, dass bei leistungsfähigen Gemeinden die Rechtsaufsichtsbehörden die Möglichkeit haben, durchaus den Bürgermeister zu zwingen, öffentlich-rechtliche Forderungen, wenn sie berechtigt sind, zu begleichen. Da brauche ich das Instrument der Zwangsvollstreckung nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Grünen haben gesagt, die Zwangsvollstreckung ist der falsche Weg. Die Alternative ist nicht so deutlich geworden, aber, wenn ich es mal richtig interpretiere, war Ihre Alternative doch, wir haben uns alle lieb
Etwas anderes fordern wir auch nicht. Wir sagen, die müssen sich einigen, wir können nicht den Weg der Zwangsvollstreckung gehen, sondern wir müssen uns einigen, da stimmen wir den Grünen zu. Wir haben nur gesagt, wir müssen vorher das verbieten, damit der Druck auf die Einigung zunimmt.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Kollege Kuschel, wie wollen Sie denn einen Knoten auflösen, in dem drei Komponenten, nämlich das Land, die Kommune und der Landkreis verwoben sind, die alle aufeinander zeigen können und sagen, gib mir mehr Geld, und alle sagen können, aber du bist schuld? Das ist die reale Situation in allen diesen Konfliktfällen, dass man leicht sagen kann, das Land stattet die Kommunen nicht ausreichend aus, denn sonst wäre ja Geld da, und der Landkreis könnte sagen, ich bin nicht hinreichend ausgestattet, weil die Kommune mir nicht die Umlage gibt. Wie wollen Sie denn da herauskommen außer, wenn sich alle drei an den Tisch setzen und überlegen, wie sie ihre Leistungskraft einsetzen?
Genau dieses Verfahren wollen wir: Dass sie sich an den Tisch setzen und nach Lösungen suchen. Übrigens haben wir ein geordnetes Verfahren, das ist das Verfahren zur Ausreichung von Bedarfszuweisungen. Da erfolgt gerade die Analyse: Sind es hausgemachte Ursachen? Welchen eigenen Konsolidierungsbeitrag kann die Gemeinde leisten? Wo muss das Land über die allgemeinen Regelungen für die Landeszuweisungen noch konkret über Bedarfszuweisungen helfen? Wenn man aber auf diesen Einigungsprozess als Regelfall setzt, dann muss die Drohgebärde der Zwangsvollstreckung weg. Das halten wir für nicht sachdienlich, dass ein solches Einigungsverfahren erschwert wird, weil im Hintergrund die Zwangsvollstreckung droht.
Ich sage es noch einmal, die Gemeinden, die Städte gehören verfassungsrechtlich zum Land. Wir haben eine Patronatsverpflichtung gegenüber der kommunalen Ebene. Da können wir doch nicht zulassen, dass über das Instrument der Zwangsvollstreckung in irgendeiner Art und Weise ein Interessenausgleich erfolgt. Da setzen wir eher auf den Dialog und die Kooperation. Damit will ich auch abschließen. Das Verfassungsgericht hat uns dazu verpflichtet. Das Verfassungsgericht hat 2005 entschieden, die Gemeinden, die Kommunen haben einen Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung. Das schließt ein, dass sie ihre Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen. Das ist alles unstrittig. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Finanzlage des Landes. Diesen Verfassungsgrundsatz wollen wir zur realen Wirklichkeit in diesem Lande werden lassen. Da benötigen wir das Instrument der Zwangsvollstreckung keinesfalls. Danke.
Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe, seitens der Abgeordneten nicht. Für die Landesregierung hat Minister Geibert das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, zutreffend ist, dass in den vergangenen Wochen und Monaten in der Presse immer wieder von einzelnen Kommunen berichtet wurde, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden oder die mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu rechnen haben. Zunächst einmal kann sicherlich dahingestellt bleiben, ob die spezifischen örtlichen finanziellen Verhältnisse einzelner Kommunen dazu taugen, generalisierende Forderungen aufzumachen und Regelungen vorzuschlagen, die alle Kommunen in gleicher Weise betreffen. Im Übrigen sind mit Stand Februar 2014 von den viel zitierten 11 Kommunen, gegen die in 2013 eine Zulassungsverfügung im Rahmen einer Zwangsvollstreckung beantragt wurde, lediglich im Falle von drei Kommunen Zulassungsverfügungen ergangen. Wenn auch der Eindruck erweckt wird, dass die Zwangsvollstreckung gegen Kommunen eine Thüringer Besonderheit sei, ist dies schlicht und ergreifend unzutreffend. Nach den mir zwischenzeitlich vorliegenden Informationen gibt es Fälle in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, in denen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen Kommunen angestrengt werden mussten, weil titulierte Forderungen nicht beglichen wurden. Dabei waren sowohl Private als auch Gläubiger der öffentlichen Hand auf die Einleitung der Zwangsvollstreckung angewiesen. Sachsen-Anhalt meldete
beispielsweise für die vergangenen drei Jahre 14 Anträge auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Auch das Problem rückständiger Kreisumlagen ist kein Thüringer Sonderfall. So sind in Brandenburg vier Fälle bekannt, in denen wegen nicht gezahlter Kreisumlage eine Zulassungsverfügung beantragt werden musste. Ganz gewiss ist aber eine Änderung der Thüringer Kommunalordnung nicht das geeignete Instrument zur Herstellung der Zahlungsfähigkeit, denn unabhängig davon, ob gegen eine Kommune die Zwangsvollstreckung möglich ist oder nicht, sieht sie sich der zugrunde liegenden und durch die Rechtsordnung anerkannten Forderung ausgesetzt. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist im Übrigen auch untauglich, sofern die Vollstreckung gegen Kommunen damit erschwert oder verhindert werden soll.
§ 69 Abs. 2 der Thüringer Kommunalordnung ist eine Schutzvorschrift zugunsten der Kommunen im Falle einer gegen sie gerichteten Zwangsvollstreckung. Die Vorschrift stellt nämlich sicher, dass nicht wahllos in alle zur Verfügung stehenden Vermögensgegenstände der Kommune vollstreckt werden kann. Vielmehr prüft das Landesverwaltungsamt im Rahmen der Zulassungsverfügung vorher, dass alle Vermögensgegenstände, die für die öffentliche Aufgabenerfüllung der Gemeinde unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein erhebliches öffentliches Interesse entgegensteht, von der Vollstreckung ausgenommen sind. Für die Beitreibung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen gilt ohnehin die Spezialnorm des § 40 Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz.
Mit anderen Worten: Wenn sich Kommunen in der Situation befinden, dass sie mit Zwangsvollstreckung rechnen müssen, muss doch vielmehr die Frage gestellt werden, warum es so weit kommen konnte und ggf. wie der Kommune in dieser Situation vom Land geholfen werden kann. Diese Fragen können nicht einfach kaschiert werden, indem eine Schutzvorschrift gestrichen wird. Ganz unabhängig von diesen rechtlichen Erwägungen ist aber ein Hinweis besonders wichtig. Der Freistaat wird die Kommunen, wie bisher auch, zu keinem Zeitpunkt im Stich lassen. Dies hat zuletzt eindrücklich die Verabschiedung des durch die Regierungsfraktionen eingebrachten Gesetzesentwurfs für das kommunale Haushaltssicherungsprogramm gezeigt. Die inhaltlich unzutreffende Streichung einzelner Rechtsvorschriften hingegen ist kein zielführender Beitrag zur Beseitigung von finanziellen Problemen in einzelnen Kommunen. Auch das mit dem kurzfristig eingereichten Änderungsantrag zu Artikel 1 des Gesetzentwurfs vorgesehene Verbot der Zwangsvollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen gegenüber Kommunen im Thüringer Verwaltungszustellungsund Vollstreckungsgesetz geht fehl. Das habe ich bereits im Innenausschuss,
Ich möchte hier nur noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass Gläubiger einer durch die Rechtsordnung anerkannten öffentlich-rechtlichen Geldforderung durch die beabsichtigte Regelung völlig rechtlos gestellt würden. Dies ist schon wegen des grundgesetzlichen Gebots eines effektiven Rechtsschutzes äußerst fragwürdig. Außerdem wäre auch der zur Lösung einer angespannten Haushaltssituation erforderliche Konsolidierungsdruck durch fehlende Sanktionsmöglichkeiten obsolet. Insbesondere im Falle der Nichtzahlung von Kreisumlagen käme es im Ergebnis zu einer Aushöhlung des Kommunalen Finanzausgleichs. Auch nach der Rechtslage in den anderen Flächenländern und des Bundes ist die Zwangsvollstreckung öffentlichrechtlicher Geldforderungen gegen Kommunen möglich, soweit sie an der Erfüllung ihrer öffentlichrechtlichen Aufgaben nicht gehindert werden. Der Freistaat Thüringen würde bei Umsetzung des Gesetzesvorschlags hier einen Sonderweg beschreiten, für den keinerlei Grund ersichtlich ist. Der Gesetzentwurf ist daher abzulehnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Minister. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht. Dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.
Wir stimmen als Erstes über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/7488 ab. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz. Es wird abgestimmt über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/6858 in zweiter Beratung. Wer dem Gesetzentwurf jetzt seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der CDU, der FDP und der SPD. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE abgelehnt. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, nach der Aufdeckung der Mord- und Verbrechensserie der als Nationalsozialistischer Untergrund bekannt gewordenen „Zwickauer Zelle“ sind die Organisationsstrukturen und die Verfahrensabläufe der Sicherheitsbehörden im Allgemeinen und des Verfassungsschutzes im Besonderen sowohl auf Bundesals auch auf Landesebene von verschiedenen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, von den Medien und nicht zuletzt in der Öffentlichkeit kritisch untersucht und diskutiert worden. Die vorliegenden Abschlussberichte der diversen Untersuchungsgremien und ihre Empfehlungen für eine Neuausrichtung der Sicherheitsbehörden haben in deutlicher Weise gezeigt, dass insbesondere im Bereich des Verfassungsschutzes Änderungs- und Optimierungsbedarf in vielen Bereichen besteht. Eine breit angelegte Diskussion zur Frage der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes sowohl im Kreise der Innenminister des Bundes und der Länder als auch im parlamentarischen Raum, in der Fachwelt und der Öffentlichkeit war und ist die Folge der festgestellten Versäumnisse. Die Bandbreite der Beiträge reichte dabei von Forderungen zur kompletten Auflösung der Ämter für Verfassungsschutz bis hin zu einem „Weiter so“. Im Rahmen der Innenministerkonferenz wurden die anstehenden Fragen zur Reform des Verfassungsschutzes intensiv diskutiert und im letzten Mai auf der Frühjahrssitzung in Hannover einvernehmlich die entsprechenden Beschlussempfehlungen für eine Neuausrichtung des Verfassungsschutzes gefasst. Auch im Thüringer Innenministerium hat unmittelbar nach der Aufdeckung der Verbrechensserie eine intensive Analyse der Arbeits- und Verfahrensabläufe im Landesamt für Verfassungsschutz und seiner Verzahnung zu anderen Sicherheitsbehörden stattgefunden. Insbesondere die Ausarbeitung der beiden von mir berufenen Kommissionen um den ehemaligen Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer in seinem „Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des ‚Zwickauer Trios‘“ und der nachfolgenden zusätzlichen Untersuchung, seinem „Gutachten zur Analyse der gegenwärtigen Organisation und Arbeitsweise des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz“, haben vielfältige Hinweise zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Thüringen gegeben. Der dem Thüringer
Landtag vorliegende Gesetzentwurf des Thüringer Innenministeriums enthält nach intensiven Beratungen auch innerhalb der Landesregierung über die künftige Ausgestaltung des Verfassungsschutzes die Quintessenz der geführten Diskussionen und der Handlungsempfehlungen der vorliegenden Abschlussberichte und Gutachten. Lassen Sie mich nachfolgend einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen, die in dem vorliegenden Entwurf enthalten sind, geben.
Der Verfassungsschutz wird als selbstständige Organisationseinheit beim Innenministerium eingegliedert. Effizienzgewinne im Bereich der inneren Verwaltung sowie verkürzte Informationswege sind dafür maßgebend. Es ist daher ein Trend in den letzten Jahren zu beobachten, die selbstständigen Landesämter in ministerielle Strukturen zu überführen. Auch Berlin und Niedersachsen sind diesen Weg gegangen. Zurzeit sind damit bereits acht Verfassungsschutzämter in ministeriellen Strukturen etabliert. Die innerbehördliche Kontrolle des Verfassungsschutzes beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wird durch die gesetzliche Verankerung einer unabhängigen Stabsstelle Controlling gestärkt. Ein solches Controlling bewertet die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Verfassungsschutzes, ohne dabei an Anweisungen und Vorgaben gebunden zu sein. Die Stabsstelle Controlling hat fortlaufend die Rechte und Zweckmäßigkeit insbesondere der nachrichtendienstlichen Maßnahmen zu überprüfen und dem Präsidenten Bericht zu erstatten. Es ist mir besonders wichtig, hier hervorzuheben, dass diese Stabsstelle Controlling personell und organisatorisch von den übrigen Referaten des Amtes für Verfassungsschutz strikt zu trennen ist. Es darf also nicht sein, wie es in der Vergangenheit bereits der Fall war, dass die Stabsstelle Controlling über längere Zeit nicht besetzt war oder dass die Aufgabe des Controllings gar vom Präsidenten selbst wahrgenommen wird. Das Amt des Leiters der Stabsstelle Controlling soll darüber hinaus nur einer Person übertragen werden, die die Befähigung zum Richteramt hat. Dadurch wird sichergestellt, dass nur ein juristisch hinreichend qualifizierter Bediensteter für diese Tätigkeit infrage kommt. Gerade mit der Einführung eines solchen Qualifikationsniveaus wird die Rechtsstaatlichkeit der innerbehördlichen Kontrolle zusätzlich gestärkt. Die Kontrollintensität entspricht damit faktisch einer richterlichen Kontrolle.
Einen letzten Punkt möchte ich zur Stabsstelle Controlling noch ansprechen. Die durch die Stabsstelle Controlling getroffenen Maßnahmen und Bewertungen sind zu dokumentieren. Gerade diese Dokumentationspflicht bewirkt die Nachvollziehbarkeit und damit auch die Transparenz der entsprechenden Prüfungsvorgänge. Der vorliegende Entwurf enthält weiterhin eine gesetzliche Verankerung und Konkretisierung der Vorschriften über die Füh
rung von V-Leuten. Beispielsweise gibt es nunmehr die Regelung, dass Geld- oder Sachzuwendungen für eine solche Person nicht auf Dauer deren überwiegende Lebensgrundlage sein dürfen. Auch soll künftig gesetzlich normiert werden, dass V-Leute nachdrücklich darüber belehrt werden sollen, dass sie im Rahmen ihrer nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz keine Straftaten begehen dürfen und keine Straffreiheit zu erwarten haben. Weiterhin soll zukünftig eine parlamentsgesetzliche Konkretisierung und Erweiterung der Übermittlungspflichten des Verfassungsschutzes an die Staatsanwaltschaft und die Polizeibehörden zum Zwecke der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr erfolgen. Es darf künftig nicht mehr sein, dass der Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen generiert, die auf die Begehung von schweren Straftaten hinweisen und die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften hierüber aus einer falsch verstandenen Notwendigkeit zur Geheimhaltung nicht informiert.
Die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes wäre unvollständig, wenn nicht auch die Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission gestärkt würden. Deshalb enthält der vorliegende Entwurf auch die Verpflichtung der Landesregierung, die Parlamentarische Kontrollkommission im Rahmen einer sogenannten strukturierten Berichterstattung nach gesetzlich bestimmten Kriterien über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes zu informieren. Außerdem dürfen V-Leute zur Informationsbeschaffung in Zukunft nur noch in Beobachtungsobjekten geworben und geführt werden, zu deren Beobachtung mit diesem nachrichtendienstlichen Mittel die PKK ihr Einvernehmen erklärt hat. Die Pflicht der Landesregierung, die Parlamentarische Kontrollkommission über die beabsichtigte Bestellung des Verfassungsschutzpräsidenten zu unterrichten, stärkt ebenfalls die Stellung des Parlaments als Kontrollinstanz. Eine weitere Norm des vorliegenden Entwurfs enthält die Regelung, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission für die Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendige Personalund Sachausstattung zur Verfügung gestellt werden muss. Schließlich soll die PKK künftig durch einen ständigen Geschäftsführer, der von der PKK selbst mit einer Zweidrittelmehrheit bestellt wird, unterstützt werden, um Nachhaltigkeit und Konstanz der Kontrolltätigkeit zu gewährleisten.
Ich möchte abschließend in meinen Ausführungen noch auf diverse Medienberichte der letzten Tage eingehen, weil diese den Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfs im Hinblick auf zwei Aspekte in unzutreffender Weise wiedergeben, ja, den Inhalt geradezu ins Gegenteil verkehren. In diesen Medienmeldungen wurde behauptet, der Verfassungsschutz solle künftig nicht mehr für die Präventionsarbeit zuständig sein und sich auf die Beobachtung von gewaltbereiten, extremistischen Bestrebungen
beschränken. In einem etwas alarmistischen Tonfall wird behauptet, ich zitiere: „Zukünftig soll der Präventionsauftrag des Verfassungsschutzes entfallen.“ Der vorliegende Gesetzentwurf sei deshalb „ein Angriff auf unsere Sicherheitsarchitektur“. Thüringen gefährde mit diesen Plänen die innere Sicherheit und verstoße gegen Beschlüsse der Innenministerkonferenz. Ich stelle fest, diese Behauptungen sind falsch. Wer den Gesetzentwurf sorgfältig liest, kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Präventionstätigkeit in Gestalt der Informationstätigkeit des Verfassungsschutzes durch den vorliegenden Entwurf gestärkt, konkretisiert und ausgeweitet wird. Ich zitiere den vollständigen Titel des neuen Verfassungsschutzgesetzes: „Thüringer Gesetz zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Vorbeugung vor Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung“. Bereits im Gesetzestitel ist also von der Vorbeugung die Rede.
In § 5 des vorliegenden Entwurfs wird dies näher konkretisiert: Es ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes, „durch geeignete Informations- oder Öffentlichkeitsarbeit dem Entstehen von Bestrebungen und Tätigkeiten, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind, vorzubeugen.“ Das Amt für Verfassungsschutz hat nunmehr sogar auf gesetzlicher Grundlage die Aufgabe, die Öffentlichkeit in zusammenfassenden Berichten sowie in Einzelanalysen über Bestrebungen und Tätigkeiten, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, zu unterrichten. Der Verfassungsschutz „tritt (...) Bestrebungen und Tätigkeiten auch durch Angebote zur Information entgegen“, wie es weiter in § 5 heißt. Darüber hinaus wird das Amt für Verfassungsschutz künftig ausdrücklich ermächtigt, der Öffentlichkeit auf einer eigenen Internetseite die entsprechenden Informationen zur Verfügung zu stellen. All dies ist ohne Weiteres im Gesetzentwurf nachzulesen. Es entspricht vollständig den Beschlüssen der Innenministerkonferenz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes, die eine Stärkung der Präventionstätigkeit des Verfassungsschutzes ausdrücklich fordert.
Der zweite Aspekt, der Gegenstand der Kritik an dem vorliegenden Entwurf in den Medien ist, ist die angebliche Beschränkung der Zuständigkeiten des Verfassungsschutzes auf die Beobachtung von gewaltbereiten Bestrebungen. Auch hier sage ich eindeutig und klar, das ist falsch und eher das Gegenteil richtig. In § 1 des vorliegenden Entwurfs wird ausdrücklich formuliert, dass er seine Schwerpunkte beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im Bereich der gewaltorientierten extremistischen Bestrebungen setzt. Dies ist zunächst nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit, da von gewaltorientierten extremistischen Bestrebungen natürlich eine größere Gefahr für die freiheitlich-demokratische
Grundordnung ausgeht als von Bestrebungen, die sich nicht von Gewalt leiten lassen. Der Begriff der Schwerpunktsetzung und seiner Bedeutung wird im Übrigen in der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs noch einmal ausdrücklich klargestellt. Ich darf auch hier noch einmal aus dem vorliegenden Entwurf zitieren: „Der Verfassungsschutz konzentriert sich beim Einsatz seiner nachrichtendienstlichen Mittel auf die gewaltorientierten Bestrebungen und Tätigkeiten. (...) Von diesen gehen die größten Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung aus. Gleichwohl wird die Beobachtung nicht ausschließlich auf diesen Bereich beschränkt. Bei anderen Bestrebungen (...) würde in diesem Fall die Radikalisierung erst erkannt, wenn die Gewaltorientierung nach außen sichtbar wird. Damit bleiben die Bestrebungen, die auch den Nährboden für den gewaltorientierten Bereich bilden, weiterhin in der Beobachtung.“
Ich hoffe, ich konnte mit diesen Klarstellungen eventuellen Missverständnissen über den Inhalt des Gesetzes entgegenwirken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin überzeugt, der vorliegende Entwurf ist mit seinen ausdifferenzierten und abgewogenen Regelungen eine sehr gute Grundlage, den Verfassungsschutz in Thüringen künftig noch stärker in der Mitte der Gesellschaft zu verankern, ihm eine effektivere Wahrnehmung seiner Aufgaben zu ermöglichen und gleichzeitig dabei ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit sowie innerbehördlicher und parlamentarischer Kontrolle zu etablieren. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich eröffne die Aussprache. Als Erster spricht Abgeordneter Kalich von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Zuschauer auf der Zuschauertribüne oder an den Monitoren! Bevor ich in meine Rede einsteige, Herr Minister, möchte ich ganz einfach noch einmal darauf hinweisen, dass die Zwickauer Zelle des NSU Thüringer waren.