Protocol of the Session on March 19, 2014

hat, dass er davon nichts weiß, dass er keine kennt oder dass es keine gäbe. War das bei Ihren Recherchen bislang jemals schon mal von Interesse?

Herr Kollege Heym, ich werde Ihre zweite Frage zuerst beantworten: Herr Minister Höhn hat eben nicht geantwortet, dass er keine Kenntnis von Unterlagen hat, sondern dass er keine verwertbaren Unterlagen hat - das ist im Übrigen Konsens hier im Haus, auch von Herrn Kollegen Ramelow -, es sind nun mal aus juristischen Gründen keine verwertbaren Unterlagen, erstens.

Zweitens, lieber Kollege Heym, für die Menschen in Bischofferode, für die Steuerzahler, die am Ende immer noch die Lasten, für das, was vereinbart wurde, tragen, spielt überhaupt keine Rolle, wo der Vertrag herkommt, sondern was im Vertrag drinsteht. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen kleinen Moment, Herr Weber. Der Abgeordnete Ramelow würde Ihnen auch noch eine Frage stellen. Sie hatten ja schon Blickkontakt aufgenommen. Gestatten Sie das?

Ich dachte, er wollte mir nur zustimmen.

Bitte, Herr Ramelow.

Ich habe ja schon applaudiert. Ich habe eine Frage im Anschluss an den Kollegen Heym. Denn die Frage, die Kollege Heym gestellt, hatte vorher schon der Kollege Barth an die Landesregierung gestellt und Herr Gnauck hat darauf geantwortet, dass er nicht antworten will. Jetzt würde ich gerne in dem Kontext die Frage stellen: Wie könnte denn der Kollege Minister Höhn überhaupt antworten, wenn die Landesregierung die Annahme meiner Akte verweigert, um das Material mit den Unterlagen vom Kollegen Höhn überhaupt abzugleichen?

Gibt es im parlamentarischen Verfahren so etwas wie selbstbeantwortende Fragen? Dann war das eine.

(Beifall SPD)

Für die FDP-Fraktion hat Abgeordnete Hitzing das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kollegen, nach der letzten Rede, nach dem gerade eben gehaltenen Redebeitrag erklären sich für mich die 20 Minuten Auszeit von vorhin.

(Beifall FDP)

Wir sind in meiner Fraktion gerade zu dem Schluss gekommen, dass das mit der Großen Koalition doch sehr ominös zugeht hier im Thüringer Landtag. Das haben wir gerade gut verstanden.

Lieber Herr Ramelow, weil Sie sich gerade so nett in den Mittelpunkt gespielt haben: Es ist nicht leicht, als letzter Redner zu so einem Thema zu reden, bei dem jeder Redner natürlich sehr lange debattiert. Aber wichtig ist schon - und Herr Kollege Primas hat das vorhin auch noch mal angemahnt -, dass wir natürlich hier in einer relativ ruhigen und sachlichen Atmosphäre diskutieren müssen. Ich bin aber sehr begeistert über Ihre schauspielerischen Fähigkeiten, Herr Kollege Ramelow. Das war schon bühnenreif vorhin.

(Beifall FDP)

Ich denke, Diskussion ist ganz wichtig, denn Politik - Frau Kollegin Abgeordnete Siegesmund hat vorhin auch über Politik gesprochen, was sie empfindet, wenn sie den Begriff „Politik“ definieren sollte oder erklären sollte -, mit der Politik ist es eben wie im wahren Leben: Eine Krankheit kann man nicht dadurch heilen, indem man das Fieberthermometer versteckt. Man muss einfach reden und diskutieren.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, es ging uns ähnlich, wie das meine Vorredner auch dargestellt haben. Wir waren am Montagnachmittag doch auch ziemlich irritiert bzw. überrascht über diese Unterlagen, diesen dicken Ordner, den wir da plötzlich in der Fraktion hatten mit seinen 279 Seiten und dem ganz am Ende platzierten ominösen Fusionsvertrag von Mai 1993. Ob das der echte Vertrag ist, erschließt sich uns nicht, das können wir überhaupt nicht kontrollieren und über die Quellen kann man eigentlich nicht mal mutmaßen. Man weiß nicht, wo er herkommt. Nach den Berichten der „Thüringer Allgemeinen“ allerdings handelt es sich um die Zusammenstellung von Unterlagen, die der ehemalige Wirtschaftsminister im letzten Sommer beschafft hatte, und zwar am 23.07., und dann innerhalb das sprachliche Bild wurde schon mal benutzt vorhin - wie heiße Kartoffeln hin- und hergeschickt

wurden. Herr Minister Reinholz hat das alles ziemlich genau beschrieben mit Datum und Uhrzeit.

Meine Damen und Herren, sehr verehrte Kollegen, der eigentliche Skandal an dieser ganzen Auflistung von Terminen ist doch aber, dass der Landtag - wir, Sie und auch ich als Parlamentarier - davon einfach nicht informiert worden ist. Der Landtag ist der oberste Souverän, wir sind die Vertreter der Bürgerinnen und Bürger hier im Land und wir wurden eben nicht durch die Landesregierung im vergangenen Jahr informiert, dass es Unterlagen gibt.

(Beifall SPD)

Da gibt es doch meines Erachtens - also das ist eine unausgesprochene Vertrauensbasis, die doch zwischen Landesregierung und Parlament funktionieren muss. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, seit 2011 debattieren wir im Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz unter anderem über das Thema der ökologischen Altlasten. Während dieser ganzen Debatte - Herr Kollege Primas, Sie haben das vorhin sehr schön ausgeführt - ist man dann im Ausschuss zu dem Schluss gekommen, wir wollen nicht nur über den Generalvertrag reden, das war dann recht bald geklärt, wir brauchen auch den Fusionsvertrag. Es gab einen gemeinsamen Beschluss - auch das wissen wir bereits -, am 16. Dezember 2011 ist dieser Beschluss einstimmig von allen Fraktionen hier gefasst worden. Damals haben sich einige Minister ein bisschen ominös verhalten aus heutiger Sicht, so möchte ich das mal beschreiben. Sie als Abgeordnete haben dieser ganzen Sache zugestimmt und als Minister dann wurde das mit der Aufklärung plötzlich verweigert. Das kennen wir ja. Wie sah denn da nun die Antwort der Landesregierung aus? Das Umweltministerium hatte dann schon eingeräumt, im Besitz von Auszügen des Vertrags zu sein, zu Artikel 16, zur Umweltaltlastenfreistellung, von der hier auch schon gesprochen worden ist. Eine Einsichtnahme für die Abgeordneten war ausdrücklich ausgeschlossen. Ich habe das letzte Woche schon einmal gesagt, es war wirklich so wie früher in der DDR: Haben wir nicht, kriegen wir nicht, kriegen wir nicht rein, gibt es nicht - fertig. Immer wieder wurde darauf verwiesen, dass aufgrund dieser Geheimhaltungsklausel da nichts geht, die Weitergabe oder Veröffentlichung des Vertrags ohne Zustimmung dieser Vertragspartner ausgeschlossen ist. Herr Minister, Sie haben das alles aufgedröselt, wunderbar. Ich frage jetzt auch noch mal, weil Sie wissen, „Wiederholung ist die Mutter der Pädagogik“ ist mein Lieblingsspruch: Wo ist denn dieser ganze Unterlagenwust im Juli 2013 hergekommen, woher, wie kam es denn? Die zweite für mich ganz wichtige Frage: Warum wurde 2013, von mir aus im Juli, dann nicht wenigstens der Fachausschuss darüber informiert, da gibt es etwas in den Schränken? Das war doch Intention 2011. Wir wollten diesen Vertrag, Herr Primas sagt,

wir wollen alle den Originalvertrag. Richtig, aber wenn doch in den Ministerien eineinhalb Jahre später irgendetwas plötzlich auftaucht, dann ist es verdammt noch mal ein Gebot der Fairness gegenüber dem Parlament. Ich sage es noch einmal: Parlament macht Gesetz, macht Politik für das Land. Dem Parlament mitzuteilen, Leute, es gibt etwas, wir haben etwas in den Ministerien.

(Beifall FDP)

Das ist eine nicht vorhandene Zusammenarbeit Parlament - Regierung. Da klafft eine Lücke und man hat den Eindruck - ich kann mich diesem Eindruck nicht verwehren -, dass die Regierung an dieser Stelle sagt, die beruhigen wir, aber eigentlich müssen die auch nicht alles wissen. Das gefällt mir nicht. Das muss ich Ihnen ausdrücklich sagen.

(Beifall FDP)

Jetzt sind wir bei diesem ganzen Prozedere gewesen, aber die ganz wichtige und spannende Frage, die sich nun am heutigen Tage stellt, in dieser Debatte, die übrigens wirklich wichtig ist, auch, sehr verehrter Herr Kollege Primas, wenn Sie sagen, wir kommen hier vielleicht zu keinem Ergebnis, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, aber die Debatte ist wichtig, dass sich das Parlament mit der Thematik auseinandersetzt und die spannende Frage ist doch, handelt es sich bei diesem Kali-Fusionsvertrag um einen Vertrag zulasten Dritter?

(Beifall FDP)

Die Definition, was zulasten Dritter bedeutet, hat dankenswerterweise Herr Minister Gnauck übernommen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Sie sind der Jurist und das war sicherlich so, dass das alle verstanden haben. Das stimmt so auch.

Zwar hat die Treuhandanstalt die Freistellung von sämtlichen Altlasten übernommen, aber der bereits erwähnte Artikel 16.7, da wird ja auf die Rechte gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung hingewiesen zu den ökologischen Altlasten vom 22. Oktober 1992. Demnach könnte der Bund eine Kostenbeteiligung der Länder und damit auch, logische Folge, des Freistaats Thüringen einfordern.

Herr Ramelow, Sie haben vorhin an einer Stelle in Ihrem Beitrag gesagt, bei der Wismut war das ganz anders. Da hat der Bund das Ding 100 Prozent bezahlt. Das stimmt so nicht, weil alles, was vor ‘62 war, der Bund nicht übernommen hat. Das weiß ich deshalb, weil mein Kollege Herr Barth viele Jahre die Wismutsanierung mitgemacht hat und ausdrücklich da richtig gut bescheid weiß und er mich gleich darauf hingewiesen hat. So, das war der Werbeblock für meinen Kollegen Herrn Barth. Das können Sie dann gleich noch einmal bereden.

Jetzt kommen wir zu den Jahren ‘98 und ‘99. Das war also alles durch. Nun kam der Generalvertrag zu den Altlasten mit der Treuhandnachfolgerin BvS.

In diesem Vertrag hat das Land fortwährende finanzielle Verpflichtungen übernommen. Das ist uns alles bekannt, aber spannend ist jetzt wieder die Frage, ob der Landtag als Haushaltsgesetzgeber auch die entscheidenden Grundlagen hatte, das entscheidende Grundlagenwissen, um dieses Gesetz überhaupt so zu formulieren und dem so zuzustimmen, wie es dann letztendlich auch passierte, nämlich die Frage nach der Altlastenregelung im Kalifusionsvertrag, der 1993 schon geschlossen worden ist. Das wusste niemand. Also damit wurde dem Parlament natürlich verwehrt, seine Rechte richtig wahrzunehmen, weil hier eine Wissenslücke war, die konnte man '98/'99 deshalb so gar nicht erfüllen.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist auch die Begründung dafür, warum es berechtigt ist, auch vom Generalvertrag im Zusammenhang mit dieser Debatte und dem Fusionsvertrag zu reden. Es ist berechtigt und es ist dann immer wieder gesagt worden, das wissen wir nicht und das können wir nicht beantworten, aber hier liegt des Pudels Kern. Aktuell sind wir in der Altlastenfinanzierung, der Rechtsstreit wurde benannt und wir haben erhebliche finanzielle Belastungen für das Land bereits gehabt, wir haben sie aktuell und sie sind zu erwarten. Die Zahl 2 Mrd. wurde schon einmal benannt. Der Generalvertrag, der dann '98 und '99 geschlossen wurde, ist doch mit bestem Wissen gemacht worden oder mit besten Gedanken, aber das grundlegende Wissen hat einfach gefehlt, die Lücke war da und das hätte man aus dem Fusionsvertrag herausfinden müssen und nun ist der … Das ist noch schlimmer, wenn es da war.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das haben die heute schon zehnmal erzählt.)

Dann wäre es ja noch schlimmer. Herr Kollege Primas, Sie sagen, dass der Generalvertrag hier nicht mit rein darf. Natürlich darf der mit rein. Das ist ganz wichtig. Jetzt gucken wir uns doch mal an, wie der Generalvertrag geschlossen worden ist, das ist doch das Problem, was im unmittelbaren Zusammenhang steht. Wir haben heute zu zahlen, zu zahlen, zu zahlen. Man hat damals sicherlich auch lange darüber nachgedacht, wie man das macht. Die mehr als 443 Mio. €, dieser Fonds vom Bund ist genommen worden von Thüringen, weil man dachte, es reicht und mit dem Rest könnte man noch gewinnbringend Geld anlegen. Leider ist das Ding nach hinten losgegangen. Es hat nicht gereicht. Wir müssen draufzahlen und das ganz maßgeblich im Bereich Kali.

Die Verhandlungsführung des Landes ist die eine Seite. Viel schwerer wiegt doch aber die Frage, ob hier Verpflichtungen übernommen wurden, ohne das Wesentliche, die Informationen zu haben, die man brauchte.

(Beifall FDP)

Deshalb sind wir der Meinung, wir brauchen eine rechtliche Prüfung des Fusionsvertrags und wir müssen auch klären: Handelt es sich wirklich um einen Vertrag zulasten Dritter? Und folgernd: Sind das die Ursachen dafür, dass wir jetzt diese gigantischen Verpflichtungen des Landes haben?

Nächste Frage: In welchem Umfang sind Zahlungen für Schäden zu leisten, die gar nicht mehr so als Altlasten zu definieren sind, sondern die nach 1990 erst eingetreten sind? Das können wir überhaupt nicht überprüfen. Auch das ist zu klären.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das ist doch Unsinn.)

Herr Primas, das weißt du auch nicht, du bist auch kein Bergmann. Wir erwarten jetzt zu diesen Fragen Antworten. Die Fragen werden gestellt und wir möchten Antworten haben, egal ob das jetzt der eine oder andere als Unsinn bezeichnet oder nicht. Fragen zu stellen ist erstens legitim, zweitens gewollt und nur so funktioniert Demokratie, wenn wir uns alle einig wären, könnten wir die Bude hier auch zumachen.

(Beifall FDP)

Die Fragen sind folgende: Was hat das Wirtschaftsministerium nach Erhalt der Unterlagen im Juli 2013 eigentlich veranlasst? Woher kamen die Unterlagen? Wann wurden die Unterlagen weitergeleitet, umgeleitet usw.? Das haben wir heute schon einmal gehört. Aber warum wurde in diesem ganzen Wust der Landtag nicht umgehend informiert? Die Frage muss ich wieder formulieren. Liegen eventuell weitere Unterlagen vor, die nicht in diesen anonymen Ordnern enthalten sind? Dann möchte ich gern wissen: Wie ist eigentlich die Aussage zu werten, die ich heute aus der Presse entnommen habe, von Ihnen, Herr Minister Gnauck, die Unterlagen seien unvollständig? Muss ich jetzt daraus schlussfolgern, dass Sie doch die kompletten Unterlagen und die Vollständigkeit kennen?

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Das frage ich mich jetzt auch. So steht es in der Zeitung.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Bingo.)