Protocol of the Session on January 24, 2014

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: So ist es, Herr Meyer.)

Worunter leiden die Kommunen eigentlich am meisten? Leiden sie an fehlenden Investitionen? - Eine steile Behauptung nach 20 Jahren und mehreren Milliarden Euro in den Kommunen. Dass die kommunale Ausstattung mit Investitionen über alle Kommunen gesehen in Thüringen noch einen Nachholbedarf im Verhältnis zu beispielsweise westdeutschen Flächenländern hat, halte ich für falsch, schlicht für falsch. Da gibt es Kommunen, die sind eine Katastrophe, ich will da nur das Beispiel Eisenach nennen. Eisenach ist übrigens eine der schuldenfreisten Gebietskörperschaften Thüringens. Wer gestern die Zahlen dazu gesehen hat, Eisenach hat nur 38 Mio. € Schulden. Aber Eisenach hat noch über die Hälfte der Innenstadtgrundstücke nicht an das Kanalnetz angeschlossen. Die haben nichts getan. Aber das ist eine Ausnahme in Thüringen. Die meisten Thüringer Gemeinden haben einen höheren Kapitalstock, als ihn die westdeutschen Flächengemeinden haben. Wer das Gegenteil behauptet, der soll das mal versuchen hier vorn darzulegen.

Leiden die Kommunen an zu hohen Schulden? Tja, wenn die Statistik nicht völlig lügt, kann man feststellen, dass sich die Gemeinden in den letzten zehn Jahren entschulden konnten, das haben wir auch gerade an der Zahl der schuldenfreien Gemeinden gesehen, im Gegensatz zum Land. Oder leiden die Gemeinden an strukturell unausgeglichenen Verwaltungshaushalten? Das allerdings tun sie tatsächlich. Warum tun sie das? Unter anderem, weil die Bevölkerung zurückgeht. Der horizontale Ausgleich zwischen den Kommunen, Herr Kuschel, ist eben eine Gebietsreform, die dafür sorgen würde, dass finanzstarke Kommunen mit finanzschwachen Kommunen zusammen dafür sorgen, dass eine klare Entscheidung getroffen wird und eine strukturelle Entscheidung getroffen wird, welche Kommunen müssen sich darauf einstellen, weiter zu schrumpfen, und welche nicht. Diese Frage wird durch dieses Gesetz in keiner Weise geändert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht mal im Kleinen dazu: Zu § 1 - Investitionen - will ich darauf hinweisen, dass selbst Ihre eigenen Vorhaben zurzeit, wie ich finde, nicht beson

ders konsistent sind. Die Thüringer Kommunalordnung soll gerade dahin gehend geändert werden, dass energetische Instandsetzung möglich und als Investitionsbegriff auch gefördert wird. Warum steht das hier nicht mit drin? Ich freue mich auf die Debatte im Haushaltsausschuss. Denn ist es wirklich die Substanzerweiterung, die die Kommunen dringend brauchen, indem sie noch weitere Investitionen machen dürfen? Wie gesagt, dass wir Kommunen haben, die dieses Problem haben, habe ich gerade versucht mit Eisenach am Beispiel zu zeigen. Oder ist es nicht viel deutlicher der Substanzerhalt, der für die Kommunen das viel größere Problem darstellt als Substanzerweiterung? Sicherlich gibt es noch die eine oder andere sinnvolle Umgehungsstraße, die eine oder andere dringend notwendige zusätzliche Brücke, aber viel wichtiger ist doch die Erhaltung der jetzt vorhandenen Straßen und der jetzt vorhandenen Brückenanlagen. Dafür tut dieses Gesetz aber fast nichts.

Bei § 2 kann man natürlich die Frage stellen, ob die Investitionspauschale von 15 Mio. € für die Landkreise irgendeine Art von seriöser Änderung bewirkt. 15 Mio. € auf die Landkreise umgelegt, das ist ein richtiger Schluck aus der Pulle. Wer seine Schulen noch nicht saniert hat, der wird damit eine halbe Grundschule anfangen können zu sanieren, das hilft strukturell ganz bestimmt. Das war jetzt Ironie, das haben Sie auch gemerkt. Das trifft auch auf die Stabilisierungspauschale zu. Aber das eigentlich Schöne daran, finde ich, ist der § 4, der soll akute Not beheben helfen. Aber Sie tun es nicht einfach, wie die Linke es vorschlägt, in den großen Topf und sagen, machen Sie dafür ein ordentliches Konzept, dann kriegen sie auch Geld von uns. Nein, es sind sozusagen Sonderbedarfszuweisungen und ich kann mir die Bilder schon sehr schön vorstellen; der Grund dafür, warum die am 15. März ausgereicht werden sollen, sind nicht umsonst die vielen schönen Fotos in den Zeitungen, wo Scheckübergaben gemacht werden von den Damen und Herren aus der Regierungskoalition.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Skandalös.)

Skandalös, ja.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht auch Sinn, wenn man im Wahlkampf ist. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, wenn es darum geht, den Kommunen strukturell zu helfen. Der ländliche Raum braucht die Stärkung der Starken im ländlichen Raum, damit sie die Schwachen unterstützen können, und nicht Notleidungsmillionen für die Schwachen und die Starken gucken in die Röhre. Wie müssen sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vorkommen, die den Einwohnerschwund ihrer Kommune aufgehalten haben, die es geschafft haben, ihre Kommune plus/minus null an Einwohnern zu haben, und jetzt feststellen, dass

die, die das nicht getan haben, dafür Geld bekommen? Das werden Sie denen erklären müssen. Ich muss das, Gott sei Dank, nicht tun.

Die dritte Frage: Nützt es eigentlich Thüringen insgesamt, was Sie heute hier vorstellen? Es ist mehr Geld da als gedacht. Ehrlich gesagt, dazu hatte ich keine Lust, mir Reden von Herrn Mohring anzusehen, die er schon mal gehalten hat. Aber ich weiß, was er hier gesagt hat: Wir schwören hier, wir werden immer nur noch Schulden tilgen. Wenn wir mal Geld übrig haben, müssen Schulden getilgt werden. Und in guten Zeiten muss man sparen, damit man in der Not hat. So, jetzt hat das Land 136 Mio. € übrig - und was machen Sie? Sie geben sie aus.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir tilgen auch Schulden.)

Doch, Sie geben sie aus.

(Unruhe CDU)

Nein, Sie geben 136 Mio. € aus und in Ihren Haushaltssatzungen steht drin, Herr Mohring - da können Sie durchaus gerne dazwischenreden -, wenn zusätzliches Geld da ist, soll es zur Schuldentilgung eingesetzt werden. Das haben Sie hier gesagt, nicht einmal, nicht zweimal, sondern ein halbes Dutzend Mal.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir tilgen Schulden.)

Sie tun es nicht. Sie tun es deshalb nicht, weil Sie eine andere Währung haben.

Herr Mohring, Sie sprechen danach.

Sie denken nicht mehr in Euro, Sie denken in Wählerstimmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch eine Währung, aber diese Währung ist für die Kommunen nur bedingt tauglich. Wir können ja mal allgemein fragen, warum ist eigentlich dieses Geld, wenn es schon da ist, und es ist gut, dass es da ist... Übrigens, bei dieser Bemerkung von Ihnen vorhin, da habe ich wirklich herzhaft gelacht, dass Sie dafür gesorgt haben, weil Sie gut gewirtschaftet haben, dass wir 136 Mio. haben - Entschuldigung, das ist schon fast eine Beleidigung Richtung Finanzminister gewesen. Der hat zufälligerweise mehr Geld bekommen, weil die Konjunktur brummt in Deutschland.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat mit Ihrer Finanzierung und Ihrem Haushalt überhaupt gar nichts zu tun. Nebenbei bemerkt,

das ist auch der Grund dafür, warum Sie keinen Nachtragshaushalt wollen, Herr Gentzel. Sie wollen deshalb keinen Nachtragshaushalt, weil dann deutlich werden würde, welche Probleme in dem Haushalt noch drin sind. Sie hatten Angst vor den anderen Fachministern, dass die auch Forderungen aufmachen - völlig zu Recht. Denn diese Frage muss man ja auch beantworten. Das Land hat 136 Mio. nehmen wir mal an, es ist so viel - tatsächlich zur Verfügung, um strukturelle Probleme zu lösen für die Bürgerinnen und Bürger. Was könnte man damit eigentlich alles machen? Man könnte Schulden tilgen, das scheint ja nicht mehr so wichtig zu sein; man könnte Strukturänderungen angehen, auch darüber wird hier immer mit freundlicher Begeisterung geredet, solange es nicht um das Konkrete geht. Welche Strukturänderung könnte man denn zum Beispiel angehen? Herr Mohring, man könnte das Geld in eine Rücklage tun und damit dafür sorgen, dass man, wenn man dann eine Gebietsreform macht, die sowieso kommen muss, egal wer hier ab 14. September vorne steht oder nicht,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

mit diesem Geld Hochzeitsprämien ausreichen, eine gepflogene Übung.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: … nicht mehr aufgestellt … und da sind Sie dabei ge- wesen.)

Ja, sehen Sie, gut, dass Sie noch da sind, Herr Mohring. Das ist für Thüringen das große Glück, die 17 Mrd. € habe ich nicht verantwortet, die jetzt an Schulden da sind, da sind Sie dabei gewesen und viele von denen, die bei Ihnen auch dabei sind. Das müssen wir so zur Kenntnis nehmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gut, dass Sie mich dann nicht mehr hören müssen, da haben Sie schon recht, ein Problem weniger. Aber das Strukturproblem lösen Sie dadurch eben gerade nicht.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das waren nicht wir, das war Ihre Partei.)

Meine Damen und Herren! Das ist kein Dialog, Herr Mohring.

Sie vermitteln hier durchaus nicht den Eindruck, als wenn Sie darunter leiden würden.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das stimmt.)

Sehen Sie, das ist für mich ein Anreiz, hier vorne zu stehen.

(Unruhe CDU)

Tatsache ist, Herr Mohring, Strukturänderungen können Sie nicht und wollen Sie nicht. Die Struktur der CDU heißt: Weiter so, weiter so mit den alten Mitteln, weiter so im alten Trott und versuchen, die Kommunen dazu zu bringen, Sie noch ein einziges Mal in die Regierung zu wählen. Ob das dieses Mal klappt, darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Die dritte Möglichkeit, wie man die 136 Mio. ausgeben könnte - übrigens auch für die Kommunen wären Fachbedarfe. Alle Minister durften ruhig sein, die sind jetzt auch entweder nicht da oder ruhig, weil sie genau wissen, wenn sie gesagt hätten, wir wollen aber den Kommunen, die beispielsweise Hochschulen tragen, den Kommunen, die beispielsweise Gymnasialstandorte tragen oder Gemeinschaftsschulstandorte tragen, die leistungsfähig und strukturfähig sind, Extrageld geben, dann hätten sie die Büchse der Pandora aufgemacht, in diesem Fall nämlich die Wünsche der Fachkollegen. Und das durfte nicht sein, das kann ich verstehen, Frau Lieberknecht, das hätte ich an Ihrer Stelle auch nicht getan, sorgt aber dafür, dass es falsch ist, weil es politisch nicht durchsetzbar ist aus Ihrer Sicht heraus, weil Sie nicht anders können. Strukturkonservativ wie Sie sind, machen Sie es nicht. Inhaltlich wäre es aber nötig. Inhaltlich wäre es für die Kommunen viel nötiger, statt in dieser Pauschalität den KFA anzugreifen, dafür zu sorgen, Schulden zu tilgen, Strukturen zu ändern und Fachbedarfe zu befriedigen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

aber das wollen Sie halt nicht, das nehmen wir so zur Kenntnis.

Dann kommen wir mal allgemein zu der Frage: Nützt es eigentlich der Regierung, was Sie heute hier tun? Wie gesagt, Sie kennen zurzeit, das ist normal ein halbes Jahr vor den Wahlen, nur noch die Währung Wählerstimmen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das haben Sie eben schon gesagt, schauen Sie mal in Ihre Rede.)

Also, Herr Mohring, wenn Sie die Redundanz Ihrer Reden zusammenstreichen würden, dann hätten wir hier viel freie Zeit gewonnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Man muss auch mal feststellen, Herr Mohring - das ist ja das, worunter Sie wahrscheinlich sehr leiden...

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein, lie- ber nicht.)

Das war doch erst der Halbsatz. Ich habe viel Zeit heute, Sie merken das vielleicht, ich bin ganz entspannt.

Sie haben doppelte Redezeit.

Eben. Das wichtigste Thema ist: Nützt es eigentlich der Regierung respektive den regierungstragenden Fraktionen? Antwort: Auch das tut es nicht. Vor zehn Jahren haben Sie noch mit der Abschaffung der Abwasserbeiträge dafür gesorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen 1,3 Mrd. € abstottern dürfen über 40 Jahre, vielleicht werden es auch 1,7; das Wahlgeschenk 2014 ist nur noch um den Faktor 10 kleiner, 136 Mio.; leider nutzt es auch weniger. Sie verärgern einen Teil der Kommunen. Die, die Geld bekommen, können damit nicht wirklich ihre Strukturprobleme lösen, ein Jahr später sind die ganz genauso wieder da, da hat sich gar nichts geändert. Keine einzige Kommune, die heute von Ihnen 136 Mio. € ausgereicht bekommt, kriegt dann mehr Geld. Ich bin gar nicht auf solche Banalitäten eingegangen wie diese kleinen Zückerli in Richtung SPD, dass auch die kreisfreien Städte Geld bekommen, wo man auch nicht begründen will, warum sie eigentlich Geld bekommen.