Protocol of the Session on December 20, 2013

Herzlichen Dank. Ich denke, wir haben noch genügend Zeit, wenn jetzt Dezember ist, bis Ende der Legislaturperiode das Gesetz zu verabschieden. Es ist neben dem Krankenhausgesetz, was wir vielleicht im Januar verabschieden könnten, eines der wichtigen Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode von unserem Haus. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster erhält für die Fraktion DIE LINKE Abgeordneter Kubitzki das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich will gleich beim Staatssekretär anschließen das sollte uns schon gelingen und das muss uns gelingen, dass wir dieses Gesetz in dieser Legislaturperiode, ich sage sogar, wir sollten das bis zum Frühjahr abschließen,

(Beifall FDP)

denn dann findet hier in diesem Haus nicht mehr viel statt außer Wahlkampf. Dieses Gesetz hat es, ähnlich wie das Krankenhausgesetz, nicht verdient, auch im Interesse der Bewohner der stationären Einrichtungen und der neuen Wohnformen, dafür benutzt zu werden. Zum anderen muss ich sagen, es gab früher einen alten Schlager, „Endlich, endlich, endlich“ ist dieser Gesetzentwurf, auf den alle lange warten, heute hier in dieses Haus eingebracht worden. Mir haben natürlich viele Kollegen auch aus anderen Bundesländern gesagt, seid froh, dass ihr noch das Bundesgesetz habt und das bei euch gültig ist, denn wir haben die Erfahrung gemacht, mit unseren Heimgesetzen ist es immer schlechter geworden.

Da möchte ich jetzt zu dem Entwurf der Landesregierung sagen, das möchte ich nicht auf dieses Gesetz beziehen, das sage ich an dieser Stelle erst mal, denn es hat sich zum ursprünglichen Entwurf schon einiges geändert. Ich gebe Ihnen recht, Herr Staatssekretär, jawohl, wir brauchen auch dieses Gesetz, weil sich die Formen des Wohnens sowohl für behinderte Menschen, aber auch für ältere Menschen geändert haben. Den Begriff, wie wir das früher kannten, „Alten- und Pflegeheim“, den gibt es schon lange nicht mehr, dass ich in einem Heim meinen Lebensabend verbringen kann oder will. Dann hatten wir die reinen Pflegeheime. Aber es gibt den Trend - und das ist gut so - bei unseren

Menschen, so lang wie möglich seine Zeit und sein Leben im häuslichen Umfeld zu verbringen bei Gewährleistung einer hohen Lebensqualität, selbst wenn man pflegebedürftig ist. Ich glaube, dieses Gesetz trägt dem auch Rechnung.

Deshalb ist es richtig, dass wir besonders neue Wohnformen betrachten, auch der unterschiedlichen Organisationsart. Das finde ich gut. Weil, das sind auch meine Erfahrungen, liebe Kolleginnen und Kolleginnen, diesen Begriff, wie wir ihn bisher kannten, dieses sogenannte betreute Wohnen - ich kann es bald nicht mehr hören. Betreutes Wohnen sage ich an dieser Stelle, weil oft betreutes Wohnen, wie es jetzt stattfindet, ganz einfach teilweise Abzocke war, was dort mit Menschen, mit diesen Bewohnern betrieben wurde, indem einfach, weil in dieser Wohnung für betreutes Wohnen ein Klingelknopf für den Notfall installiert war, dieser Klingelknopf gleich auf den Mietpreis aufgeschlagen wurde. 100 € mehr Miete dafür, dass das eine betreute Wohnform ist. Wenn du Hilfe brauchst, kommt jemand, wenn du keine Hilfe brauchst, ist gut, aber du bezahlst jetzt erst mal die höhere Miete. Deshalb finde ich auch gut, dass gesetzlich dort an dieser Stelle klare Festlegungen getroffen sind, welche Anforderungen an die jeweilige Wohnform gestellt werden.

Gut angesetzt finde ich, dass klar festgelegt wurde, welche Einrichtungen unter dieses Gesetz fallen, welche Wohnformen es gibt. Besonders richtig finde ich, dass die selbst organisierten Wohnformen definiert werden, das heißt, die Wohnformen, wo der Bewohner selbst festlegen kann, welcher Hilfsdienst, welcher Pflegedienst zu ihm kommt, ohne dass das dann über einen Mietvertrag festgelegt ist. Ich kenne das leider auch oft von kommunalen Wohnungsgesellschaften, die so etwas anbieten. Da steht dann schon direkt im Mietvertrag drin, welcher Pflegedienst dort durch die Bewohner zu benutzen ist, wofür es gar keine rechtliche Grundlage gibt. Das sind Erfahrungswerte. Deshalb finde ich gut, dass diese Einrichtungen, wo so etwas im Mietvertrag steht, jetzt unter dieses Gesetz fallen. Ich glaube, da wird sich manche Wohnungsgesellschaft überlegen, ob sie das noch in den Mietvertrag reinschreibt oder ob sie dann diese selbstorganisierte Wohnform wählt, in der der Bewohner dann selbst bestimmen kann, wer zu ihm kommt, wer ihn pflegt.

Besonders gut finde ich, dazu hatten wir uns schon beim ersten Gesetzentwurf sehr deutlich geäußert, ich unterscheide es jetzt einmal so, dass diese Einrichtungen, in denen man den Pflegedienst nicht selbst wählen kann, unter die Kontrolle fallen. Ich meine dort besonders diese Einrichtungen - ein hochsensibles Thema -, in denen Beatmungspatienten betreut werden. Ich nenne hier bewusst keine Firmen, die das machen. Dort wird eine gute Arbeit geleistet und die Problematik ist die, gerade die An

(Staatssekretär Dr. Schubert)

gehörigen sind froh, wenn sie ihre zu Betreuenden in so einer Einrichtung unterbringen, aber diese Einrichtungen waren bisher jeglicher Kontrolle entzogen. Das, finde ich, kann man diesen Bewohnern nicht zumuten, die eigentlich nicht mehr in der Lage sind, über ihr Leben selbst zu bestimmen. Da hat man ganz einfach Wohnungen gemietet, die Bewohner haben selbst die Mietverträge abgeschlossen, der Träger, der dort die Betreuung übernommen hat, hat die Geräte installiert, hat die Pflegeperson zur Verfügung gestellt. Aber dort selbst sind ja keine Pflegeleistungen abgerechnet worden, weil die Gebührensätze so hoch waren, dass die keine Pflegesätze abrechnen brauchten und damit jeglicher Kontrolle - auch durch den medizinischen Dienst - entzogen waren. Deshalb finde ich gut, dass wir hier in diesem Gesetz diesen Weg gefunden haben. Das werden die Träger nicht gut finden. Ich kann da nur an das Ministerium gerichtet sagen: Bei dieser Frage standhaft bleiben, wenn es dann in der Anhörung Einsprüche gibt.

Gut finde ich auch, dass die Fragen der Einrichtung der Eingliederungshilfe mit einbezogen werden in dieses Gesetz, gerade auch dort kommt es auf Qualitätsstandards an und vor allem dort kommt es auch darauf an, dass wirklich für die ausgehandelten Pflegesätze, die oft zulasten der Kommunen gehen, auch die Gewähr gegeben wird, dass dieses Geld für die Betroffenen eingesetzt wird und da eine hohe Qualität geliefert wird.

(Beifall DIE LINKE)

Das finde ich gut und das muss in dieses Gesetz hinein. Da spreche ich selbst als Vater mit eigener Erfahrung dafür, dass das wirklich nötig ist. In dem Zusammenhang gebe ich dem Staatssekretär recht, jawohl, auch die Frauenbeauftragte, erst habe ich ein bisschen gegrinst. Aber ich muss sagen, dann habe ich an meine angeheiratete Tochter gedacht, die in so einer Einrichtung ist. Jawohl, solche Probleme gibt es. Die Mädels dort in diesen Behinderteneinrichtungen sind solchen Sachen teilweise ausgeliefert und wissen nicht, an wen kann ich mich jetzt wenden und um Hilfe bitten. Deshalb ist das gut, dass das in diesem Gesetz drin ist. Ich muss auch sagen, es wird deutlich, dass der Bewohner wirklich im Mittelpunkt steht insgesamt im Gesetz und auch seine Lebensqualität im Mittelpunkt steht, Mitspracherecht gewährt wird und dergleichen mehr. Manches liest sich dann im Gesetz mit den vielen Sanktionsmaßnahmen, den Kontrollmaßnahmen so: Wird denn eine schlechte Arbeit geleistet? Es wird auch jetzt schon in den Einrichtungen in der Regel und im Prinzip eine gute Arbeit geleistet. Aber klar muss ich schon bestimmte Prinzipien festlegen. Natürlich steht auch drin, Qualitätsmanagement ist vorzuhalten, das ist richtig. Zum Qualitätsmanagement gehört aber aus meiner Sicht selbstverständlich das Beschwerdemanagement dazu. Ob man das nun extra noch mal rein

schreiben muss? Verkehrt ist es nicht. Aber das sind nun mal Selbstverständlichkeiten, die eigentlich darin sind, auch die Frage Aufzeichnungspflichten und dergleichen mehr, auch richtig, Personal usw. Nur auf eins möchte ich hinweisen, das müsste man auch noch mal in den Ausschüssen diskutieren. Die Einrichtungen haben zwei Meldeebenen, wo sie zum Beispiel Personal und Bewohner melden müssen. Das ist nämlich in dem Falle dann entsprechend dem Gesetz an die Heimaufsicht, ich nenne es jetzt mal Heimaufsicht, an die zuständige Behörde, und gleichzeitig gehen aber die gleichen Meldungen noch mal an die Kostenträger ab. Das ist eine Bürokratie. Vielleicht kann man dann auch zwischen Kostenträger und der zuständigen Behörde eine Vereinbarung treffen, dass die Daten ausgetauscht werden. Das sollten wir mal diskutieren.

Wenn ich das hier alles so positiv dargestellt habe, aber, Frau Ministerin, ein paar Kritikpunkte muss ich trotzdem anbringen. Als Erstes hatten wir im letzten Plenum den Pflegepakt auf der Tagesordnung. Unter anderem hatten Sie dort auch die Arbeit der Arbeitsgruppe 3 geschildert. Als der Gesetzentwurf kam, habe ich mich natürlich gleich mit dieser Arbeitsgruppe 3 in Verbindung gesetzt. Ich sage mal, da habt ihr mir gar nichts erzählt, weil, da kennt man einige, die da drin sind, aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege. Wieso habt ihr mir vorgestern nicht erzählt, dass ihr das Gesetz im Prinzip schon verabschiedet habt, den Gesetzentwurf usw. Da waren die genauso überrascht über die Anfrage, die ich ihnen gestellt habe, weil, das wussten sie nicht, dass dieser Gesetzentwurf in dieser Form vorlag. Das kann ich hier an dieser Stelle erst mal nur wiedergeben. Jawohl, Herr Schnellbach hat dort grobe Züge dargelegt und dergleichen mehr. Herr Dietrich hat das auch gemacht, aber der Gesetzentwurf als Ganzes, der wurde zumindest nach den Befragungen und Gesprächen, die ich mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe 3 geführt habe, dieser Arbeitsgruppe 3 nicht in dieser Form vorgelegt. Das muss ich an dieser Stelle kritisieren. Das wäre dann ein bisschen ein Widerspruch zu dem, Frau Ministerin, was Sie zum Pflegepakt erzählt haben. Dann brauchen wir die Arbeitsgruppe nicht. Da hätte ich mir schon mehr gewünscht, dass die dort mit einbezogen sind.

Herr Staatssekretär, Sie haben es selber angedeutet, ein Hauptproblem habe ich. Das ist wieder der Paragraf, wo steht, es wird alles über Verordnung geregelt. Nun gehe ich davon aus, gerade was den Personalschlüssel betrifft, dass es da durchaus auch entsprechende bestimmte Anforderungen, Veränderungen geben kann; und ich müsste jedes Mal das Gesetz ändern. Bis jetzt haben wir einen Personalschlüssel. Der ist in der Heimbetriebsverordnung auf Grundlage des Bundesgesetzes verankert. Da haben wir einen ganz konkreten zahlenmäßigen Personalschlüssel. Jetzt habe ich Sie vorhin

nicht so richtig verstanden. Das mit den Verordnungen werden wir dann regeln, so ungefähr hatten Sie gesagt. Bloß, ich muss jetzt die Frage stellen: Wenn das Gesetz in Kraft tritt und wir haben zeitgleich keine Verordnung zu dem Personalschlüssel, was ist dann? Können dann die Träger machen, was sie wollen? Aus meiner Sicht gilt dann die Heimbetriebsverordnung nicht mehr, weil wir dieses Gesetz haben. An was für einen Schlüssel halten die sich dann? Gehen sie da nach dem Motto, was wir haben, haben wir, stellen wir ein oder was? Also da sehe ich eine ganz große Gefahr, dass hier Fachkräftestandards, was die Ausstattung betrifft, abgebaut werden können. Und wenn eine Verordnung dann erst später kommt, dann haben wir einen gewissen Status quo und dann bin ich mal auf die Diskussion mit den Trägern gespannt. Wenn wir schon den Personalschlüssel über Verordnung klären wollen, dann müsste aus meiner Sicht mit der Verabschiedung des Gesetzes zumindest diese Verordnung zeitgleich in Kraft treten.

(Beifall DIE LINKE)

Sonst, befürchte ich, geraten wir hier wirklich in einen luftleeren Raum, der sich dann nicht positiv auf die zu Pflegenden oder zu Betreuenden auswirken wird. Das wird, glaube ich, aus unserer Sicht noch einmal ein Hauptpunkt sein, den wir dann im zuständigen Ausschuss bereden müssen.

Die letzte Bemerkung wäre, wenn es um diese Verordnung geht, dass wir dann auch sagen, dann sollten schon diese Verordnungen gerade mit dem Personalschlüssel im Einvernehmen mit dem zuständigen Fachausschuss des Landtags erfolgen. Auch ich wünsche uns eine angeregte Debatte darüber.

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Gumprecht das Wort, und während er hier nach vorn geht, möchte ich etwas sehr Schönes bekannt geben, die sozialen Netzwerke sind ja sehr schnell, ich gebe mal eine Nachricht bekannt: „Mein Weihnachtsgeschenk gibt es schon heute: Jakob Friedrich Voigt wurde geboren. 3.700 Gramm, 52 Zentimeter, Kind und Mutter wohlauf, Vater betrunken, vor Glück natürlich.“ Herzlichen Glückwunsch an Dr. Mario Voigt, der vor wenigen Minuten offensichtlich Papa geworden ist.

(Beifall im Hause)

Eine frohe Botschaft. Das kann man an der Stelle tun, Kinder sind nach wie vor eine sehr gute Botschaft, Kinder sind wahrlich Musik in meinen Ohren.

Meine Damen und Herren, wir sprechen heute über das Wohn- und Teilhabegesetz, es heißt, was lange währt, wird endlich gut. Bereits 2006 ging die Gesetzgebungskompetenz für den Heimbereich vom Bund auf die Länder über. Die ersten Länder haben bereits 2008 eigene Heimgesetze erlassen. Thüringen bekommt nun ein eigenes Heimgesetz, ich kann auch sagen, wir sind damit das letzte Land.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das ist so.)

Ich halte diese Nachricht nicht für einen Nachteil, so konnten wir von den Nachbarländern lernen und können Fehlentwicklungen vermeiden. Beispielsweise gab es solche auch in Sachsen. Aber warum brauchen wir überhaupt ein eigenes Gesetz? Das Heimgesetz des Bundes in seiner ursprünglichen Fassung stammt aus dem Jahre 1974, zur Erinnerung, die Pflegeversicherung wurde erst rund 20 Jahre später, nämlich 1995, geschaffen. Die Erwartung der Menschen an Pflege und an Pflegeversicherung hat sich damit auch verändert. Das Heimgesetz des Bundes entspricht in weiten Teilen nicht mehr den heutigen Anforderungen, einmal an die Selbstbestimmung, an die Qualität, aber auch die Teilhabe des betreuten Wohnens. Und vor allem ist die Zahl der Pflegebedürftigen sehr stark angestiegen und sie wird weiter ansteigen. Den veränderten Blickwinkel auf das Thema Pflege kann man schon am Gesetzestitel ablesen. Er heißt nämlich nicht „Thüringer Heimgesetz“, sondern „Gesetz über Wohnen und Teilhabe“. Der uns vorliegende Gesetzentwurf deckt stationäre Einrichtungen, das heißt Einrichtungen der Altenhilfe nach dem SGB XII sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe nach SGB IX, ebenso ab wie ambulante Wohnformen, letztere in Abstufung.

Worin unterscheiden sich nun einerseits stationäre Einrichtungen, andererseits ambulante Einrichtungen? Das entscheidende Kriterium - und Herr Dr. Schubert hat das in seinem Bericht hier schon gesagt - ist der Grad der strukturellen Abhängigkeit der Bewohner vom Anbieter, also vom Betreiber der jeweiligen Einrichtung. Wenn ein Bewohner, heißt das, nicht mehr in der Lage ist, über die Art, den Umfang seiner Pflege- und Betreuungsleistungen selbst zu entscheiden und diese zu wählen, dann ist die Schutzaufgabe des Staates gefragt und der Staat muss eingreifen.

Meine Damen und Herren, die Abkehr vom Heimbegriff, die mit dem Gesetzentwurf vollzogen wird, ist für mich eine folgerichtige Entwicklung. Ich selbst plädiere dafür, stationäre Einrichtungen einerseits und die verschiedenen Formen des selbst organisierten betreuten Wohnens andererseits klar voneinander abzutrennen. Ich komme darauf zurück, warum. Eine Abkehr vom Heimbegriff darf nicht dazu führen, dass Einrichtungen des betreu

(Abg. Kubitzki)

ten Wohnens plötzlich wie Heime behandelt werden. In den ambulanten Wohnformen behalten die Menschen ihre Unabhängigkeit. Sie haben eine eigene Wohnung, einen eigenen Mietvertrag, sie sind in vollem Umfang für ihr Wohnen selbst verantwortlich und sind selbstständig. Sie nutzen Angebote, Barrierefreiheit, auch sonstige Betreuungsangebote, aber sie bleiben selbstständig. Viele sind nicht mal pflegebedürftig, aber sie haben Schwierigkeiten in ihrer alten Wohnung, die nicht behindertengerecht ist, am Leben teilzunehmen. Deshalb haben sie eine Wohnform gewählt, die dies ermöglicht. Es darf nun nicht passieren, dass diese Wohnform plötzlich zu einem Heim wird, denn bisher zahlen sie eine Miete, und wenn die Kassen erst mal kommen, wäre das eine ganz andere Höhe. Das heißt, sie wären nicht mal mehr in der Lage, diese zu bezahlen. Dies ist genau die Schnittstelle, worauf wir achten. Ich weiß, das Ministerium hat sich hier sehr, sehr große Mühe gegeben, diese auch genau zu finden. Ich denke, das ist ein sehr zentraler Teil dieses Gesetzes.

Meine Damen und Herren, was wollen wir also mit dem neuen Gesetz erreichen? In erster Linie braucht es aus Sicht der Bewohner Schutzmechanismen für die Nutzer, die sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden. Zweitens geht es um die Sicherung der Qualität der erbrachten, aber auch der bezahlten Leistungen entweder durch den Nutzer oder auch durch die Pflegekassen. Drittens geht es aus Sicht des Staates um die Verantwortung, nämlich die Verantwortung für den Pflegefall.

Meine Damen und Herren, das Wohn- und Teilhabegesetz ist in erster Linie ein Verbraucherschutzgesetz. Wenn der Begriff auch noch etwas ungewohnt ist und vielleicht für den einen oder anderen unpassend erscheint, dann deshalb, weil Pflege oft noch mit Krankheit und nicht mit Wohnen und Lebensqualität gleichgesetzt wird. Aber gerade darum geht es uns, Pflegequalität ist Lebensqualität. Ein großer Balanceakt in diesem Gesetz ist, wie sichere ich Qualität in der Pflege und wie ermögliche ich andererseits, dass auch neue, bezahlbare Wohnformen entstehen, ohne dass die Qualität darunter leidet.

Wir tun gut daran, Entwicklungsmöglichkeiten nicht durch allzu starre Vorschriften zu blockieren oder Innovation zu verhindern, deshalb begrüße ich ausdrücklich die Öffnungsklausel zur Erprobung neuer Wohnformen in § 23.

Positiv ist auch, dass Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen aus dem Regelungsbereich des Gesetzes herausgenommen wurden. Die Nutzer dieser Einrichtungen verfügen weiter über ihre eigene private Häuslichkeit, nur bestimmte Tage und bestimmte Zeiten suchen sie eine Einrichtung auf, um sich dort betreuen oder pflegen zu lassen.

Ich begrüße auch, dass durch eine bessere Abstimmung zwischen den verschiedenen Prüfinstitutionen - MDK oder Heimaufsicht - der Bürokratieaufwand abgebaut werden soll. Es soll nur eine Regelprüfung pro Jahr in den Heimen geben, aber die Heimaufsicht muss nicht noch einmal prüfen, wenn andere Institutionen, wie beispielsweise der MDK oder andere Träger, bereits in der Einrichtung waren.

Nicht selbst organisierte ambulant betreute Wohnformen werden ein halbes Jahr nach dem Start geprüft, ansonsten nur anlassbezogen. Diskutiert werden muss neben der Häufigkeit der Regelprüfung genauso die Frage, wann eine Prüfung angemeldet werden muss und wann nicht. Auch bei den Bewohnerbeiräten ist ein guter Kompromiss gelungen; die Beiräte sind ein wichtiger Bestandteil, um den Begriff „Teilhabe“ mit Leben zu füllen.

Andererseits berichten uns aber auch Heimleiter von den Schwierigkeiten, einen Heimbeirat zu wählen und eine kontinuierliche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für Einrichtungen mit einer Vielzahl an Demenzpatienten oder Einrichtungen mit Schwerstmehrfachbehinderten. Zudem stellen wir fest, dass die Verweildauer in den Heimen immer kürzer wird, und wir hören von Angehörigen, die andererseits im Nachgang von Pflegesatzverhandlungen berichten und sich bitterböse beschweren, weil sie bisher von dem erhöhten Pflegesatz nichts gehört hatten und plötzlich damit konfrontiert werden. Das soll in Zukunft nicht mehr möglich sein. Ich denke, das ist im Gesetz auch gut verankert. Wir brauchen für viele Dinge praktikable Lösungen, die Beiräte müssen offen sein für die Wahl externer Mitglieder. Ich denke, da gibt es sehr gute Regelungsvorschläge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegt nun ein Gesetzentwurf vor. Wir werden prüfen, ob es sich um ein gutes Gesetz handelt angesichts meines Eingangssatzes: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Das muss unser Maßstab sein. Sie wissen, der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Hiermit werden wir uns im Sozialausschuss beschäftigen. Aufgrund der Vielzahl der Interessenlagen halte ich eine mündliche Anhörung für notwendig. Ich beantrage Überweisung an den Sozialausschuss. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Koppe das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine beiden Vorredner haben mit unterschiedlichen Worten ihre Freude darüber zum

(Abg. Gumprecht)

Ausdruck gebracht, dass uns jetzt dieses Gesetz im Hohen Hause vorliegt. Ich kann mich der Freude des Kollegen Kubitzki durchaus anschließen, und ob das alles gut wird, was lange währt, das werden wir dann, wie Sie schon gesagt haben, in den Einzelheiten im Ausschuss feststellen. Aber summa summarum glaube ich, dass wir zumindest jetzt nach der im Jahr 2006 durchgeführten Föderalismuskommission - Sie haben es angesprochen, wir sind das letzte Bundesland, das sich jetzt dieses Gesetz auf Landesebene geben möchte. Ich bin bei Ihnen, dass vielleicht Quantität nicht immer über Qualität geht oder - besser gesagt - Schnellschüsse, aber ich glaube, von 2006 bis 2013, und da ist nicht nur die amtierende Landesregierung tätig gewesen, sondern da gab es auch noch eine Vorgängerregierung, die war auch so schnell bei der Ausarbeitung des Gesetzes. Das sollte man hier fairerweise auch noch mal ansprechen.

(Beifall FDP)

Ich glaube, nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass uns der Gesetzentwurf vorliegt. Ich habe es persönlich auch immer mal so als Running Gag empfunden, dass die Landesregierung alle halbe, dreiviertel Jahre einmal angekündigt hat, dass das Gesetz auf dem Weg ist und dass wir das demnächst im Ausschuss behandeln werden. Aber achtmal ein halbes Jahr sind auch vier Jahre und deswegen ist es zumindest schön, dass wir es dieses Jahr noch auf der Tagesordnung haben. Ich bin nicht der Auffassung vom Staatssekretär Schubert, dass wir uns bis zum Ende der Legislatur Zeit geben sollten, sondern wir sollten das Gesetz so schnell wie möglich auch mit der zugrunde liegenden Zeit im Ausschuss beraten, eine Anhörung durchführen und dann relativ zeitnah auf den Weg bringen.

(Beifall FDP)

Dass das Gesetz dringend notwendig ist, ich habe schon darauf hingewiesen, zeigt die Genese, dass im Zuge der Föderalismuskommission im Jahr 2006 die Zuständigkeiten und die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übertragen worden sind. Also noch mal: Gut, dass wir jetzt endlich hier tätig werden können.