Das heißt, Sie verlagern Schulden nur an künftige Generationen, das hilft uns nicht weiter, sondern Sie müssen als Finanzminister eine Diskussion führen, dass wir ein Einnahmeproblem haben. Und da komme ich zum neoliberalsten Ansatz, da bin ich Herrn Mohring dankbar, dass er das hier noch mal vom Pult endlich verkündet hat, welche Denke er hat. Er hat nämlich die Denke und sagt, der Staat soll sich von Aufgaben verabschieden und dann steht die Freiheit des Einzelnen im Mittelpunkt und der kann das machen. Klar, die Leistungsträger brauchen den Staat nicht, aber wir haben, wenn unser Gemeinwesen funktionieren soll, eine soziale Verantwortung in diesem Land, einen Interessenausgleich.
Sie sind seit 23 Jahren hier in der politischen Verantwortung und haben dafür Sorge getragen, dass wir im Steuerrecht Verwerfungen haben wie in Entwicklungsländern. Das wissen Sie als Finanzminister auch. Wer finanziert denn das Gemeinwesen? Zu 85 Prozent die lohnabhängig Beschäftigten und die Verbraucher
und nur noch 15 Prozent resultieren aus Eigentum und aus wirtschaftlicher Betätigung. Und dieses Verhältnis war 1990 60 zu 40 und da hat doch das Gemeinwesen auch funktioniert, das heißt, wir haben in den letzten Jahren eine Verschiebung hin zu den lohnabhängig Beschäftigten und zu den Verbrauchern. Natürlich weiß ich, auch da kommt wieder der ganz Kluge von der FDP, der sagt, Herr Kemmerich ist auch Verbraucher, das weiß ich auch, aber die Struktur in unserem Steuersystem hat sich so verändert, dass sich dort der Grundsatz eines sozialen Gemeinwesens nicht mehr widerspiegelt und das ist die Verantwortung. Wenn wir das Problem gelöst haben, dass aus wirtschaftlicher Betätigung, ohne dass wir die Wirtschaft überfordern, die überfordern wir nicht, aber Sie müssen sich doch einmal ausrechnen, bei Kapitalgesellschaften hatten wir einmal einen Steuersatz von 35, jetzt haben wir noch 15,
und Eigentum wird nach dem Aussetzen der Vermögensteuer nur noch über die Grundsteuer besteuert. 12 Mrd. € kommen da rein bei 6 Billionen €, das ist ein Steuersatz von 0,2 Prozent. In den USA wird Grundvermögen mit 3,4 Prozent besteuert und da würde doch keiner auf die Idee kommen, dass das eine sozialistische Räterepublik ist. Nein, die machen es nur vernünftiger. Hören Sie auf, immer wieder nur zu sagen, Personalabbau wäre die Lösung. Das ist doch nichts Kreatives. Wenn Herr Mohring sagt, dass die Regionalentwicklung von öffentlichen Dienststellen abhängig ist, dann ist das doch ein Eingeständnis, dass die Wirtschaftspolitik der CDU hier in diesem Land völlig versagt hat.
Also von daher noch einmal, unser Regionalkreismodell im Übrigen stellt keinen einzigen Standort der jetzigen Landratsämter infrage, weil wir die Aufgaben ja dezentral wahrnehmen und ein Regionalkreis ist keine Publikumsverwaltung mehr. Deswegen ist völlig egal, wo dann die Verwaltung sitzt, die muss nicht zentralisiert werden. Wir entscheiden dann nur noch über den Dienstsitz des Landrats. Da kann man sich dann streiten, wo der sitzt. Da haben wir übrigens vorgeschlagen - ähnlich wie Brandenburg, das war eine vernünftige Regelung -, es in den Orten mit den meisten Entwicklungsdefiziten zu machen. Daran haben wir schon gedacht, was Herr Mohring hier noch einmal zitiert hat.
Wir sagen, dieses neoliberale Staatsdenken, der Staat soll sich weiter zurückziehen aus der Aufgabenwahrnehmung, ist ein Irrweg.
In der Wirtschaftskrise hat doch die Wirtschaft nach dem Staat geschrien und wenn der Staat nicht geholfen hätte, wäre dieses System zusammengebrochen und die Menschen hätten das teuer bezahlt.
Deshalb brauchen wir ein ausgewogenes Verhältnis. Wir wollen keine Staatswirtschaft oder dergleichen, aber wir wollen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen öffentlichem Handeln und privatem Engagement. Das ist ja immer schlimm, wenn wir als Linke Ihnen das erläutern müssen. Das waren ursprünglich einmal Ansätze einer sozialen Marktwirtschaft, von denen haben Sie sich aber inzwischen weitestgehend verabschiedet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal zum Prinzip Freiwilligkeit. Da hat Herr Mohring gesagt, die Leute vor Ort wissen schon, was sie machen. Das ist richtig, aber sie machen es auf Kosten anderer und das dürfen wir als Gesetzgeber nicht zulassen, dass wir das auf Kosten anderer machen,
sondern wir müssen landesplanerisch, raumordnerisch Vorgaben machen, dass es dann tatsächlich zu einer ausgewogenen Entwicklung im gesamten Land kommt. Davon profitieren im Übrigen alle. Uns nützt es nichts, dass einzelne Leuchtpunkte dann durchaus auch eigenständig ohne Landeszuweisungen auskommen, wenn wir in andere Strukturen dauerhaft wieder Geld reinpumpen müssen, nur weil wir hier nach dem Prinzip der Freiwilligkeit alles zugelassen haben. Auch das Prinzip der Freiwilligkeit muss sich einem gewissen Rahmen unterordnen. Ansonsten halten wir die Freiwilligkeit für ein sehr hohes Gut. Wir sind überzeugt, ein Leitbild im Rahmen eines Vorschaltgesetzes zu machen, wie auch die SPD das will, viele Gemeinden würden dankbar reagieren und würden die Freiwillig
Sie haben sicher gemerkt, Sie durften länger sprechen, weil wir festgestellt haben, dass sich durch die Gesamtredezeit der Landesregierung für die Fraktionen noch zusätzliche Redezeit ergeben hat. Deswegen haben Sie den roten Balken „Redezeit zu Ende“ nicht gesehen.
Es gibt eine weitere Redeanmeldung durch den Abgeordneten Dr. Voigt und ich bekomme jetzt auch noch einen Schriftführer. Vielen Dank. Herr Dr. Voigt, Sie haben das Wort in ausreichender Redezeit. Ich signalisiere Ihnen, wann die zu Ende ist.
Das ist sehr nett, Frau Präsidentin. Werte Kollegen, Frau Siegesmund und auch Herr Kuschel haben ja nach den Argumenten gefragt, warum wir gegen eine Kreisgebietsreform sind. Der Unterschied ist im Gegensatz zu Ihnen, Sie beziehen sich immer nur auf Prognosen, wir beziehen uns auf die Realitäten, die draußen in diesem Land gelebt werden.
Ja, es ist vollkommen klar, aber schauen wir doch einmal die Kreisgebietsreformen an, die es in den neuen Bundesländern in den letzten drei Jahren gegeben hat. Gehen Sie doch einmal nach Mecklenburg-Vorpommern, schauen Sie es sich an: Vorher 13 Landkreise, die sind jetzt reduziert worden auf sechs. Vorher hatte die Hälfte dieser Landkreise einen ausgeglichenen Haushalt. Wissen Sie, wie viele Landkreise jetzt einen ausgeglichenen Haushalt haben? Kein einziger und die haben insgesamt 100 Mio. € Hochzeitsprämie bekommen. Also offensichtlich scheint ja Größe kein hinreichendes Kriterium für Effizienz zu sein. Das ist der Ansatz, den wir als Union fahren.
Ich lehne es ab. Herr Adams kann mich nachher fragen, nachdem ich gesprochen habe. Sie können gern eine Frage stellen.
Insofern glaube ich, dass man sich einfach in aller Ruhe anschauen muss, wie das in anderen Ländern gemacht wird, und sich dann die Frage stellen darf, ob das eine thüringengerechte Lösung ist.
Wir sagen, wir wollen keine Landkreise, die von der sachsen-anhaltinischen Grenze bis zur bayerischen Grenze gehen, das ist keine thüringengerechte Variante und deswegen lehnen wir eine Kreisgebietsreform auch ab.
Wieso denn? Lesen Sie doch bitte mal das Expertengutachten. Mein Heimatlandkreis, Saale-Holzland-Kreis, soll zusammengelegt werden mit Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla-Kreis. Das reicht von der sachsen-anhaltinischen Grenze bis zur bayerischen Grenze, ist 3.000 Quadratkilometer groß, größer als das Saarland. Glauben wir ernsthafterweise, dass wir in Thüringen Kreise brauchen, die größer sind als Bundesländer?
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und da finden Sie sich nicht mehr zurecht, oder was?)
Wenn Sie es dann auch inhaltlich noch begründet haben wollen, dann schauen Sie sich doch mal die kleinen Landkreise an, sagen wir Sonneberg, sagen wir Hildburghausen - wirtschaftlich effizient trotz der Mitwirkung von manchen in Kreistagen. Und dann schaue ich 100 Kilometer weiter und stelle fest, im Unstrut-Hainich-Kreis haben wir einen der größten Landkreise Thüringens, der finanziell de facto bankrott ist. Also offensichtlich scheint auch hier wieder Größe kein Kriterium dafür zu sein, ob wir wirtschaftlich erfolgreich sind.
Ich will eines sagen, Herr Meyer, Sie haben Herrn Mohring dafür angegriffen, dass Blankenhain im Weimarer Land sei - aber das ist doch genau die Frage, mit der wir uns beschäftigen sollten. Die Frage: Ist es denn eine gute Idee zu sagen, dass wir Gemeindegrößen schaffen, die in der Fläche größer sind als zum Beispiel die Landeshauptstadt Erfurt, die in Straßenkilometern länger sind, als wir zum Beispiel im gesamten Kreis Weimarer Land zu verwalten haben? Das scheint offensichtlich kein
hinreichendes Kriterium zu sein, sondern wir setzen auf bürgernahe Strukturen. Eines müssen Sie doch auch konstatieren: Es fällt doch keine einzige Aufgabe dadurch weg, dass Sie Strukturen größer machen, sondern uns geht es doch um die Aufgabenerfüllung. Deswegen glauben wir, dass bürgernahe Strukturen da deutlich sinnvoller sind.
Ich will es einfach mal beschreiben. Wenn Sie sich vorstellen, Sie wohnen in einem Reihenhaus und stellen fest, dass Ihnen die Kosten aus dem Ruder laufen, dann ist doch Ihre Überlegung zuerst, zu sagen: Wie können wir vielleicht die Energie effizienter gestalten, wie können wir vielleicht besser dafür sorgen, dass wir mit unserem Strom sinnvoll umgehen? All das sind Fragen, die Sie sich zuerst stellen. Das ist im übertragenen Sinne die Verwaltungsreform. Aber Sie kommen doch, bitte schön, nicht als Erstes auf die Idee, die Wand einzureißen und mit Ihrem Nachbarn zusammenzuziehen, um dann die Kosten einzusparen. Das ist doch offensichtlich kein hinreichender und sinnvoller Weg.