Protocol of the Session on February 26, 2010

Auch da gilt, die Überprüfung von dessen Wirksamkeit setzt eine Auswertung voraus, natürlich maßgeblich unter Beteiligung der behinderten Menschen und ihrer Verbände. Denn diese sind die Experten in eigener Sache. Ich bin überzeugt davon, dass Sie bei allen berechtigten Anliegen, bei all ihren Erfahrungen dennoch die Handlungsmöglichkeiten und Grenzen öffentlicher Haushalte im Blick haben werden.

Außerdem gibt uns die Koalitionsvereinbarung klare Ziele vor. Ja, wir wollen die Stellung des Behindertenbeauftragten der Landesregierung, die Mitwirkungsmöglichkeiten des Behindertenbeirats und der Behindertenverbände stärken. Wir wollen verbindliche Regelungen zur Barrierefreiheit treffen. Auch die rechtlichen Möglichkeiten zur Realisierung eines Verbandsklagerechts, was ja immer gefordert wurde, sollen geprüft werden.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Chancen von behinderten Bürgerinnen und Bürgern auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessert werden. Die Behindertenwerkstätten sind für uns fester Bestandteil unserer Behindertenpolitik. Wir werden aber Modellvorhaben zur besseren beruflichen Integration für Menschen mit Behinderungen in den Regelarbeitsmarkt unterstützen.

All diese Punkte haben wir in unserem Koalitionsvertrag vereinbart. Sie werden von uns im Verlauf der Legislaturperiode kommen. Aber nicht alles geht sofort. Wir haben ja auch noch viereinhalb Jahre vor uns.

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Wann beginnen Sie denn dann, Frau Künast?)

Die Fraktion DIE LINKE vergisst manchmal, dass man nicht in zwei Monaten alles das, was man in fünf Jahren machen will, umsetzen kann.

(Beifall CDU)

Das hätten Sie gelernt, wenn Sie mit in die Regierung gekommen wären, aber so können Sie alles immer sofort fordern.

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Geschwätz von gestern, Frau Künast.)

(Unruhe DIE LINKE)

Ich habe bereits im letzten Plenum gesagt, dass ich volles Verständnis für das Drängen der Betroffenen und ihrer Vertreter auf eine mögliche Umsetzung der Ziele der Konvention in Thüringen habe. Dennoch warne ich nochmals ausdrücklich davor, Dinge zu überstürzen. Dialog mit den Akteuren und gute handwerkliche Arbeit setzen auch in der Politik Zeit voraus. Nur dann sind die Maßnahmen mittel- und langfristig trag- und umsetzbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit hat sich in seiner Sitzung am 21. Januar 2010 ausgiebig mit dem Thema beschäftigt. Weil die Koalitionäre fundiert arbeiten wollen, liegt Ihnen heute ein Alternativantrag vor. Ich will ihn nicht im Einzelnen vortragen. Er greift auch das auf, was ich zuvor bereits ausgeführt habe. Aber auf die Punkte 2 und 3 lassen Sie mich hinweisen. Hier sehen Sie den Stil, der die Sozialpolitik in dieser Legislaturperiode prägen wird. Beteiligung, Einbeziehung, Kommunikation mit den Experten und Betroffenen und eben keine Schnellschüsse aus den Ministerien. Darum wird es gehen. Weil Dialog immer ein wechselnder Prozess ist, wird es immer auch darum gehen, was das Land und die Kommunen zu welchem Zeitpunkt tatsächlich leisten können. Sie können sicher sein, die Bäume in der Thüringer Behindertenpolitik werden wachsen, stetig, verlässlich, fest verwurzelt und auch sturmfest und deshalb aber nicht gleich in den Himmel.

Dafür wollen wir die Voraussetzungen schaffen. Die SPD-Fraktion wird den Antrag der LINKEN in Drucksache 5/184 ablehnen und dem Alternativantrag von

SPD und CDU zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Ich habe jetzt keine Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten mehr. Für die Landesregierung Ministerin Taubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrter Herr Dr. Brockhausen, der vorliegende Alternativantrag der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD entspricht den Intentionen der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Konvention, wie in dem Sofortbericht zum Antrag der Fraktion DIE LINKE bereits dargestellt. Zu den einzelnen Punkten des Antrags ist Folgendes auszuführen:

Zu 1.: Das Land wird sich an den Aktivitäten auf Bundesebene zur Umsetzung der UN-Konvention aktiv beteiligen und die spezifischen Interessen behinderter Menschen in Thüringen dort artikulieren. Das den Prozess der Erarbeitung eines nationalen Aktionsplans steuernde Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird die Länder in einer gemeinsamen Besprechung am 11. März dieses Jahres über erste Vorstellungen und Ideen sowie das weitere Verfahren und die Einbindung der Länder informieren.

Zu 2.: Zur Umsetzung der UN-Konvention in Thüringen ist die Evaluierung des Thüringer Gesetzes zur Integration und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen als Basis für weitere Aktivitäten und gegebenenfalls notwendige Novellierungen unerlässlich. Insofern ist ein Fachforum in diesem Prozess zielführend. Damit wird an die drei erfolgreichen Fachtagungen des Behindertenbeauftragten des Freistaats Thüringen im Jahr 2009 zur UN-Konvention angeknüpft.

Zu 3.: Unter Einbeziehung aller in diesem Bereich engagierten Akteure sowohl innerhalb der Ressorts der Landesregierung, der Kommunen als auch der Interessenvertretungen behinderter Menschen werden die eingebrachten Vorschläge aus dem Fachforum, die Ergebnisse der Evaluierung sowie die Maßnahmen des nationalen Aktionsplans zu diskutieren sein. In diesem Zusammenhang werden wir prüfen, welche Umsetzungserfordernisse sich für Thüringen ergeben und wie diese gegebenenfalls in konkreten Maßnahmen realisiert werden können.

Zu 4.: Um die Wirksamkeit der bisherigen Politik für Menschen mit Behinderungen insgesamt darzustellen

und vor allem auch empirische Erkenntnisse und Aussagen zur Lebenssituation dieser Menschen zu erreichen, sind eine gezielte Befragung von Betroffenen und eine qualifizierte Analyse unter Einbindung von externem Sach- und Fachverstand unumgänglich. Dies kann durch die Beauftragung eines in diesem Bereich erfahrenen wissenschaftlichen Instituts erfolgen. Die Ergebnisse können dann als gesonderter Teil in den Sozialbericht Eingang finden.

Ich will etwas zu Frau Siegesmunds Missdeutung sagen, dass wir nicht tätig werden. Das Ministerium ist seit Jahren tätig und es ist auch unter meiner Führung weiterhin tätig. Wir warten natürlich nicht fünf Jahre.

(Beifall CDU, SPD)

Zu Herrn Kemmerich will ich wiederholen, was auch schon gesagt wurde: Natürlich sind wir ganz intensiv in einer breiten Diskussion. Ich halte das für wichtig, was Sie gesagt haben; ich stimme Ihnen da auch zu. Wir haben den Landesseniorenbeirat, der nun mittlerweile fast 15 Jahre seine Arbeit tut, wo ein ganz intensiver Austausch um die Thematik stattfindet. Wir reden natürlich mit Trägern von Einrichtungen, die die Sicht der Betroffenen und ihre eigene Sicht widerspiegeln, und wir sind natürlich in regelmäßigen Gesprächen mit einer Vielzahl von betroffenen Organisationen, die die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen, die sie vertreten, auch artikulieren und wo wir natürlich dabei sind, in den möglichen kleinen Schritten, Verbesserungen anzubieten. Ich will sagen, wir können vieles momentan aufgrund auch der wirtschaftlichen Situation des Landes nur langsam anschieben. Das wollen wir gern tun.

Ich will vielleicht exemplarisch ein paar Dinge benennen, wo wir schon ganz aktiv sind, wo es in einem Aktionsplan am Ende darum geht, das, was passiert, auch heute schon passiert, zusammenzuschreiben. Es ist schon erwähnt worden, die Behindertenwerkstätten sind ein fester Bestandteil auch unserer Arbeit und sie sind in den letzten 20 Jahren gut gewachsen und können auch zeigen, dass Menschen mit Behinderungen ihren Teil an Arbeit leisten können und auch gern in diesen Einrichtungen sind. Wir wissen, dass gerade bei Beschulung das Kultusministerium sehr intensiv daran ist, zu schauen, wo ist es möglich, wo ist es aber auch gewollt von den Kindern bzw. Angehörigen, dass Kinder in der sogenannten normalen Schule eingeschult werden. Da gibt es doch gar keine Barrieren. Dazu braucht es den Aktionsplan im Moment jetzt nicht. Wir haben Integrationsfachdienste, die sich um Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt kümmern. Wir wissen, dass den Behindertengruppen vieles nicht schnell genug geht, deswe

gen ist Ihr Antrag - Antrag der Fraktion DIE LINKE -, denke ich, auch so zu verstehen, dass man dort etwas schneller... Aber man muss natürlich alle Akteure dazu einbinden. Wir sind dabei - da brauchen wir auch keine Aufforderung - zu schauen, wie können wir junge Menschen mit Behinderungen ins selbstständige Leben entlassen. Es müssen nicht alle im Behindertenwohnheim landen, sie können ihr Leben selber gestalten. Der Weg, denke ich, ist auch schon eine Weile eingeschlagen worden, den wollen wir gern befördern und mit Ihnen gemeinsam zusammenarbeiten, Frau Stange, das ist gar nicht die Frage. Ich denke, wir haben ein gemeinsames Ziel, Menschen mit Behinderungen nicht nur zu integrieren, sondern sie als Teil unseres Lebens zu verstehen, denn das ist Inklusion und wir werden da auch gemeinsam zusammenarbeiten. Wenn hier im Plenum manchmal darum gestritten wird, heißt es nicht, dass wir nicht gemeinsam auch an der Stelle einer Meinung sind. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, SPD)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Stange.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, was ich heute gehört habe seitens der Koalitionsfraktionen, ist in meinen Augen Hinhaltetaktik, Hinauszögern und einfach Ignoranz, was die Belange von Menschen mit Behinderungen anbelangt.

Herr Kemmerich, wir haben schon gemeinsam mit Behindertenverbänden geredet, haben Vorschläge erarbeitet, da war an Sie noch gar nicht zu denken.

(Beifall DIE LINKE)

Eines können Sie mir glauben, der Antrag, den wir hier vorgelegt haben, der ist nicht einfach mal auf dem grünen Tisch entstanden,

(Unruhe CDU)

sondern der ist ganz konkret mit Thüringer Behindertenverbänden, mit Einzelpersonen beredet, besprochen, abgestimmt. Das ist nicht irgendwelches Wolkenkuckucksheim, das DIE LINKE hier mal zu Papier bringt, sondern das sind Forderungen, die nachvollziehbar sind.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Künast, dass Sie mich mittlerweile enttäuschen in Ihrer Position und Ihrer Funktion, wie Sie hier

vorn reden, das mag nun sein, dass Sie in der Regierung angekommen sind, im Vergleich zum dem, was Sie die letzten Monate in der alten Legislatur so geäußert haben. Sie mögen ja recht haben, dass die Politik Zeit hat, aber Menschen mit Behinderungen haben keine Zeit.

(Beifall DIE LINKE)

Die erwarten von uns - und darum sind wir hier drin -, dass wir so schnell wie möglich handeln, dass wir uns nicht zum Sankt-Nimmerleins-Tag irgendwann in viereinhalb Jahren Legislatur mal darauf konzentrieren, irgendetwas auf den Weg zu bringen, sondern die erwarten das von uns jetzt, heute und sofort.

(Beifall DIE LINKE)

Als Beispiel dafür möchte ich das Gleichstellungsgesetz einfach einmal exemplarisch nehmen. Ja, Sie haben recht, der Passus, der in unserem Antrag steht, steht auch im Gleichstellungsgesetz. Aber bis heute sind daraus ganz, ganz wenige Dinge umgesetzt. Wie oft wurden denn andere Gesetze genau auf nicht diskriminierende Angelegenheiten überprüft? Wie oft sind denn andere Gesetze noch einmal geändert worden aufgrund des Gleichstellungsgesetzes? Mir sind keine bekannt. Als ganz Exemplarisches würde ich auf meine Kleine Anfrage hinweisen, die ich im Dezember 2009 gestellt habe, wo es darum geht, wie wirksam die Umsetzung nach vier Jahren Gleichstellungsgesetz im Bereich der barrierefreien Kommunikation ist. Es hat erst einmal gut zehn Wochen gedauert, ehe die Landesregierung überhaupt in der Lage war, uns genau über diese Thematik zu informieren. Da mache ich Ihnen nicht den Vorwurf, Frau Ministerin, sondern das hat auch etwas mit einer alten Landesregierung zu tun. Aber wenn ich mir die Antwort anschaue, Entschuldigung, Sie haben zehn Wochen gebraucht, die Antwort, kann ich sagen, die kann man auch nehmen, sie ist nichtssagend. Es gibt bis heute keinen umfassenden Abbau von Barrieren in der Kommunikation; die bestehen bis heute noch. Eine Verordnung diesbezüglich, die nach dem Behindertengleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht werden musste, ist erst im Juni 2007 verabschiedet worden. Man hat also als Landesregierung gewartet, über zwei Jahre gewartet, ehe überhaupt etwas auf den Weg kam. Da können wir uns doch nicht heute hinstellen und sagen, wir brauchen weiterhin Zeit und müssen weiterhin abwarten und abwarten und abwarten.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist Zeit, dass wir handeln, und zwar heute und sofort. Weiterhin möchte ich noch mal auf den Punkt eingehen, dass wir so schnell gefordert hätten. Ja, wir haben gefordert, genau aus den Gründen, weil

jahrelang alles vor uns hergeschleppt worden ist. Es sind keine Aktionen und Maßnahmen geplant worden. Ein Beispiel dafür sind die Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, geistigen Behinderungen, Wohneinrichtungen. Wir wissen um die Problematik seit Jahren, dass immer älter werdende jetzt aus den Werkstätten rauskommen, dass sie versorgt werden müssen. Es gibt bis heute keine Planung dafür, wie das passieren soll. Da haben wir Nachholbedarf.

Noch ein Punkt zum Thema Behindertenbericht: Ja, wann soll es denn werden? Ich habe es von Ihnen nicht gehört. Soll es denn Ende der Legislatur werden?

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Das haben wir von euch auch nicht ge- hört, jetzt hört mal langsam auf.)

Wissen Sie, Sie sollten sich nur über Dinge äußern, für die Sie wirklich Verständnis und von denen Sie Ahnung haben,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ansonsten ist das auch diskriminierend gegenüber den Menschen mit Behinderungen, was Sie hier äußern.