Protocol of the Session on April 26, 2013

Sie haben sich hier anhand des Antrags entlanggehangelt und noch mal deutlich gemacht, inwiefern und wieweit sich der Freistaat hier einsetzt über verschiedene Maßnahmen und Programme, um entsprechend auch als Demokratie wehrhaft zu sein gegen Rassismus in unserer Gesellschaft. Ich muss sagen, ich denke, da pflichte ich Herrn Bergner bei, wir dürfen die Thüringer nicht stigmatisieren. Wir dürfen hier nicht alle in einen Topf schütten. Das wäre unfair an dieser Stelle und das wäre nicht gerecht. Wir dürfen Probleme natürlich nicht wegdiskutieren,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wer tut das?)

aber eines steht auch fest - da sehe ich hier in das Hohe Haus -, wir haben in diesem Hohen Haus keine Abgeordneten der NPD und das sagt etwas über die Bevölkerung in Thüringen aus.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten wieder zu den an sich bildungspolitischen Forderungen dieses Antrags zurückkehren. Das war mit Sicherheit auch die Intention der Fraktion DIE LINKE. So habe ich auch die Einführung vom Abgeordneten Möller verstanden, der sachlich auf den Antrag eingegangen ist. Ich muss sagen, Sie haben davon gesprochen, dass eine tatsächliche Ansage gegen jede Form von Rassismus stattfinden muss. Das hat das Hohe Haus vor vielen Jahren schon an dieser Stelle unterstützt. Mit dem gemeinsamen Antrag aller Landtagsfraktionen zu Beginn der Legislaturperiode haben sich alle Fraktionen für ein tolerantes und weltoffenes Thüringen ausgesprochen,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und deshalb ist es jetzt so, ja?)

in dem Rassismus und menschenverachtende Ideologien keinen Platz haben. Die Thüringer Landesregierung hat zur Unterstützung aller demokratischen Kräfte am 14. Dezember 2010 das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit verabschiedet. Das Landesprogramm setzt vor allem auf Prävention. Aus diesem Grund ist der Präventionsgedanke, Demokratie erlernen durch Demokratie erleben, auch Grundsatz der die Richtung des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit vorgibt. Dies wird seit dem Jahr 2011 umgesetzt und stärkt auch die Auseinandersetzung mit Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit an Thüringer Schulen und Bildungseinrichtungen. Präventive Arbeit findet im Rahmen von formalen, non-formalen und informellen Bildungsprozessen statt und wird als kontinuierlicher, vernetzter und früh einsetzender Prozess begriffen, in dem demokratische, soziale, interkulturelle und personelle Kompetenzen entwickelt und gefördert werden.

Meine Damen und Herren, viele Partner arbeiten hier in Thüringen dabei gemeinsam, die Bürgerbündnisse gegen Rechts, die Kirchen, die Gewerkschaften, der Landessportbund, unsere Feuerwehren, die Mobilen Beratungsteams, der Landesjugendring und viele, viele mehr. Anfang des Jahres war ich selbst Teilnehmer eines Demokratiestammtisches des Kreisfeuerwehrverbands in SaaleSchwarza. Auf solchen wichtigen Veranstaltungen sehen Sie, wie sich auch Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr zu diesem Thema engagieren. Entsprechende Flyer und personelle Unterstützung stehen für die Arbeit zur Verfügung und werden genutzt.

(Abg. Adams)

Herr Abgeordneter Kowalleck, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage. Lassen Sie die zu?

Ich möchte mich am Antrag entlanghangeln und Herr Adams kann die Zwischenfrage stellen, ja.

Bitte, Herr Abgeordneter Adams.

Vielen Dank, Herr Kowalleck. Ich möchte Ihnen erst mal sagen, das ist alles richtig, was Sie sagen. Aber sehen Sie nicht auch, dass wir trotz des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit im Thüringen-Monitor noch - nennen wir es einmal - sozialdemografische Messwerte haben, die uns sagen, das kann es noch nicht gewesen sein. Nur darum dreht sich doch die Debatte. Es ist ja richtig, was Sie sagen. Sehen Sie den Widerspruch nicht auch?

Danke für Ihre Anfrage. Ich habe das ja schon eingangs erwähnt. Man kann nicht alles pauschalisieren. So wie Sie das hier vorn gesagt haben, kann ich das auch nicht hundertprozentig unterstützen. Herr Bergner hatte recht, wir dürfen einfach nicht stigmatisieren und alles in einen Topf werfen. Natürlich gibt es hier Bedarfe, die haben wir doch aber erkannt und wir dürfen uns auch als Parlament nicht auseinanderdividieren lassen. Wir müssen uns hier auch zusammen für den Erfolg einsetzen. Das haben wir damit gemacht, dass wir einen gemeinsam Beschluss gefasst haben. Dafür müssen wir uns als demokratische Kräfte weiter einsetzen und es ist überhaupt nicht

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das macht ihr doch gerade.)

in irgendeiner Art und Weise mein Verlangen, hier irgendetwas klein zu halten. Wir müssen die Probleme benennen, das machen wir auch, aber wir müssen auch die Erfolge herausstreichen. Wenn ich hier sage, die unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte - von Kirchen, Gewerkschaften, die Beratungsteams, ich habe die Feuerwehren genannt -, die setzen sich ein aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Das ist ja auch unser Erfolg und da müssen wir unterstützend ansetzen. Wir sind noch lange nicht am Ende des Weges, aber wir haben den Weg zusammen beschritten und werden ihn auch weitergehen. Das muss manchmal auch ein bisschen in unseren Köpfen bleiben, denn irgendwo haben wir ja doch das eine Ziel.

Die Zusammensetzung dieses Parlamentes zeigt auch, dass Thüringen auf so einem schlechten Weg nicht sein kann, wenn man da in andere Bundesländer schaut.

(Beifall SPD)

In das Themenfeld passt auch, dass der Landessportbund Thüringen der Ausgrenzung und Diskriminierung eine klare Absage erteilt. Es werden unter anderem internationale Wochen gegen Rassismus unterstützt und innerhalb des Projektes „Sport zeigt Gesicht! Gemeinsam couragiert handeln“. Die Landesregierung unterstützt diese Arbeit in zahlreichen Projekten und das muss auch anerkannt werden. Wir haben doch den Haushalt jetzt erst beschlossen. Schauen wir uns die letzten Haushalte an. Hier wurden enorme Beträge dafür eingesetzt, diese unterschiedlichen Programme zu unterstützen und es können auch spezifische Projekte gegen Rassismus unterstützt werden. Das ist doch ein Erfolg, den wir auch hier gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

Ich komme jetzt auch noch einmal zu den lokalen Aktionsplänen. Die lokalen Aktionspläne sind lokale oder regionale Konzepte zur Stärkung der Zivilgesellschaft und Bekämpfung von Extremismus. Gerade hier werden Strategien entwickelt gegen rechtsextreme, fremdenfeindliche und antisemitische Tendenzen vor Ort. Es erfolgt eine Umsetzung in Aktionen und Projekte. Lokale Aktionspläne gibt es in vielen Landkreisen und auch kreisfreien Städten in Thüringen. Die Begleitausschüsse setzen sich zum Teil aus den Mitgliedern der Steuerungsgruppe „nelecom“ zusammen, da sind wir auch wieder bei Schule, um die Projekte beider Programme sinnvoll aufeinander abzustimmen.

Darunter sind auch Vertreter der Stadtverwaltung, des Stadtrates, der Schulämter, der Polizei, der Jugendhilfeträger, die nelecom-Koordination, Arbeitsagentur und viele andere Akteure. Im Rahmen des Aktionsplans meiner Heimatregion Saalfeld-Rudolstadt gibt zum Beispiel Projekte, die sich mit dem Thema Schule beschäftigen - zum Beispiel „Miteinander“ - ein Modellprojekt zur Etablierung einer vorurteilsbewussten, machtungleichgewichtsbewussten Kultur an Schulen. „Offline“ ist ein Projekt zur Medienkompetenz und bewusster Informationsnutzung. „Gewaltfreiheit miteinander“, das ist ein Konfliktlösungsprojekt, „proERG“ antirassistisches Schülerinnenprojekt, Förderung des multikulturellen Lebens - ein Bürgerprojekt zur Begegnung und gemeinsamen Leben. Das kann man vielerorts erfahren und da gibt es auch diese individuellen Programme, die vor Ort entwickelt wurden und auch dort ansetzen, wo sie helfen.

Das Projekt „Schule ohne Rassismus“ wurde genannt. Das bietet den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, indem sie sich bewusst gegen jede Form

von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden. Da stimme ich Ihnen am Ende auch zu, es sind noch nicht alle Schulen dabei, da muss man weiter werben und da müssen wir auch aktiv werden als Verantwortungsträger vor Ort. An den verschiedenen Beispielen sehen Sie, dass es vielfältige und wichtige Ansätze gibt, insofern stimme ich dann wieder dem Abgeordneten Döring zu, dass wir hier schon Handlungsbedarf sehen, aber wir müssen auch hier im Hohen Hause anerkennen, dass schon viel passiert ist, dass eine Menge auf den Weg gebracht worden ist und dass wir in der Pflicht sind, dies gemeinsam zu begleiten. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Kowalleck. Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Berninger für die Fraktion DIE LINKE.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vorweg möchte ich sagen, weder meine Fraktion noch antirassistische Initiativen und Engagierte in Thüringen werden zulassen, dass Sie so tun, als hätten Sie die Deutungshoheit über unseren Antrag. Wir werden uns den von Ihnen auch nicht schlechtreden lassen.

(Beifall DIE LINKE)

„Das Problem heißt Rassismus“, so hieß das Motto des bundesweiten Aktionstages am 4. November vergangenen Jahres.

Ich fühle mich ein bisschen gestört durch die Lautstärke des Dialogs zwischen Herrn Koppe und Herrn Bergemann, ich würde Sie bitten, diese Unterhaltung draußen fortzusetzen.

Das Wort hat jetzt unsere Abgeordnete Berninger und bitte verleihen Sie Ihr auch das entsprechende Gehör.

Danke schön, Frau Präsidentin. „Das Problem heißt Rassismus“ war das Motto des bundesweiten Aktionstages am 04.11. letzten Jahres, als in 30 Städten bundesweit Demonstrationen ein Jahr nach dem Auffliegen des neonazistischen Terrornetzwerks NSU stattfanden. In dem Aufruf zu diesem Aktionstag hieß es unter anderem, ich zitiere: „Rassismus ist in Deutschland kein Randphänomen, das sich an einen rechten, extremistischen Rand der Gesellschaft verschieben lässt. Er ist in der Mitte der Gesellschaft vorhanden und hat Struktur sowie

Methode. Wir stellen uns aktiv gegen Rassismus in dieser Gesellschaft, nur wenn wir innerhalb der Gesellschaft Rassismus bekämpfen, können solche Morde und Vertuschungen verhindert werden. Wir wollen in einer anderen Gesellschaft leben, wir haben genug Rassismus in den Institutionen, in der Politik und im Alltag erfahren.“ Diese Zustandsbeschreibung, die sich bei vielen Demonstrationen und Aktionen immer wieder in ähnlicher Form wiederfinden lässt, macht eines deutlich, meine Damen und Herren, die rassistisch motivierten Morde des NSU sind Teil der Spitze eines Eisberges. Zu dieser Spitze des Eisberges gehören weitere über 170 Morde seit 1990, zu ihr gehören die Pogrome in den 90er-Jahren und unzählige Angriffe auf Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten. Zur sichtbaren Spitze des Eisberges Rassismus gehören auch die Veröffentlichungen und Diskussionsbeiträge der Sarrazins und Buschkowskys dieser Welt. Der unsichtbare, der bekanntermaßen weitaus größere Teil des Eisberges sind die in der Gesellschaft verankerten Einstellungen, sind die strukturellen Benachteiligungen von Menschen, sind die Sondergesetze für Nichtdeutsche, wie etwa Arbeitsverbote und Residenzpflicht, und die alltägliche Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund, ob beim Zugang zu Arbeit, zu menschenwürdigem Wohnen oder zu gesellschaftlicher Teilhabe.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Menschen in diesem Land werden als Ausländer und Ausländerinnen, als nicht dazugehörig wahrgenommen und deshalb diskriminiert. Wenn in diesem Land über Integration gesprochen wird, dann meint es, dass „die“ sich dem „wir“ unterordnen sollen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Darüber müssen wir reden und deshalb, meine Damen und Herren, unser Antrag. Denn eines müssen wir uns bewusst machen, erst aus verankerten und verfestigten Meinungen und Einstellungen erwachsen aktives Handeln, Diskriminierungen und auch Straf- und Gewalttaten. Wer diese letztlich verhindern und bekämpfen will, der muss dafür Sorge tragen, dass sich rassistische Einstellungen nicht weiterverbreiten, sondern zurückgedrängt werden. Das rassistische Einstellungspotenzial ist besorgniserregend groß. Nahezu die Hälfte - das ist schon erwähnt worden - der bei der repräsentativen Studie zur politischen Kultur 2012 in Thüringen Befragten stimmen einer rassistischen Überfremdungsthese zu. Wenn wir diese Zahlen aus dem Monitor benennen, dann heißt das nicht, dass wir die Thüringerinnen und Thüringer insgesamt stigmatisieren, Herr Kowalleck, wir sagen nur was ist, was repräsentativ festgestellt wurde.

(Abg. Kowalleck)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Um auch noch einmal andere Zahlen anzuführen: Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel „Die Mitte im Umbruch“ kommt zu dem Befund, dass etwa 39 Prozent der Menschen im Osten manifest ausländerfeindlich sind. Was die ebenfalls schon benannte Aussage im Thüringen-Monitor betrifft - Zitat: „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.“ -, müssen wir uns eines vergegenwärtigen, meine Damen und Herren: Die Menschen stimmen zunächst einem ideologischen Konzept zu, das die Überfremdung von Staaten durch Menschen vorsieht und sie stimmen der nicht minder ideologischen Annahme zu, dass es Menschen gibt, die irgendwo nicht hingehörten, bevor sie überhaupt erst feststellen, dass es nicht nur viele oder zu viele Menschen in der Bundesrepublik gäbe, die hier nicht hingehörten, sondern dass deren Anteil ein gefährliches Maß bereits überschritten habe. Das heißt im Kern, wenn wir uns Rassismus entgegenstellen wollen, so wie es der Beschluss des Thüringer Landtags vom 29. September 2009 zum Ausdruck brachte - Zitat: „Der Schutz der Menschenwürde verlangt, entschlossen gegen Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorzugehen.“ -, dann erfordert das, gegen das ideologische Konzept der Ungleichheit vorzugehen, dass Menschen erst als Fremde konstruiert und dann aufgrund vermeintlicher oder auch tatsächlicher Unterschiede zwischen diesen konstruierten Gruppen von Menschen und ihnen zustehenden politischen und sozialen Rechten differenziert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nur leider endet an dieser Stelle bisher die von allen Fraktionen des Landtags im September 2009 noch dokumentierte Einigkeit. Die notwendige grundlegende Auseinandersetzung mit rassistischen Einstellungen und ihren gesellschaftspolitischen Grundlagen rückt uns selbst in den Fokus der Auseinandersetzung und lässt uns nicht mehr nur allein auf den rassistisch motivierten Straftäter mit dem Finger zeigen. Der Umgang mit Flüchtlingen in diesem Land ist dafür ein Lackmustest ebenso wie die Sarrazin-Debatte für die bundesrepublikanische Bevölkerung. In Bezug auf Sarrazin möchte ich erwähnen, dass für den Umgang mit Sarrazins „Thesen“ die Bundesrepublik Deutschland vom Antirassismusausschuss der UNO gerügt wurde. Der Ausschuss fordert von Deutschland ein härteres Vorgehen gegen Rassismus. Das sollte uns doch zu denken geben.

Insbesondere die Debatte um die gestiegene Anzahl von aus ihren Herkunftsländern vor dem Wintereinbruch 2012 fliehenden Roma dokumentierte

eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen einem institutionellen Rassismus, also den eingeschliffenen Gewohnheiten, etablierten Wertvorstellungen und bewährten Handlungsmaximen, und einem strukturellen Rassismus, also dem gesellschaftlichen System mit seinen Rechtsvorstellungen und seinen politischen und ökonomischen Strukturen. Die Anzahl von 2.400 vor Diskriminierung und Ausgrenzung als ethnische Minderheit fliehenden Menschen nahm der Bundesinnenminister zum Anlass, von „Asylmissbrauch, Wirtschaftsflüchtlingen und einem massiven Zustrom“ zu sprechen und führte damit eine Debatte, die in fataler Art und Weise an die Debatte Anfang der 90er-Jahre erinnerte, die das wissen Sie selbst noch - nicht nur zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl führte, sondern auch von Pogromen und Übergriffen auf Flüchtlinge geprägt war.

Friedrichs Forderung, Roma-Flüchtlingen die Leistungen zu kürzen und damit widersprechend zum Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes, aus menschenunwürdigen Lebensbedingungen Fliehenden ein die Menschenwürde garantierendes Existenzminimum zu streichen, ist perfide, meine Damen und Herren. Sie missachtete nicht nur den vom Bundesverfassungsgericht am 18. Juli 2012 betonten verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass die Menschwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren ist, sondern Friedrich bedient durch sein verwendetes Vokabular genau die 44 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer, die der Auffassung sind, dass Ausländer nur in die BRD kommen, um den Sozialstaat auszunutzen.

(Beifall DIE LINKE)

Deutlicher kann der Zusammenhang zwischen politischen Äußerungen von Regierungen und rassistischen Einstellungen, die Diskriminierung begründen, nicht dargestellt werden - oder vielleicht doch, meine Damen und Herren? Minister Carius lieferte heute Vormittag selbst die Begründung für unseren Antrag, als er im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung polemisierte, Thüringen könne nicht das Sozialamt für die ganze Welt sein.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Da hat er doch recht.)

Und am Ende sind es die gleichen Politiker und Politikerinnen, die mit Hinweis auf die in der Gesellschaft verankerten Positionen diskriminierende gesetzliche Regelungen mit den Worten, wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen, begründen, wie z.B. CDU-Innenpolitiker Bosbach nach dem Votum der Schweizerin für ein Minarett-Bauverbot im Jahr 2009. Die Entscheidung im Nachbarland sei ernst zu nehmen, so Herr Bosbach. Das Ergebnis der Volksabstimmung sei Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor Islamisierung, so Bosbach, und wörtlich weiter: „Diese Sorge muss man ernst nehmen.“ Seit einigen

Jahren, meine Damen und Herren, beobachten wir in der Bundesrepublik eine zunehmende Ablehnung gegen den Islam und gegen Muslime. Diese wird von rechtsextremen Strukturen ausgenutzt. Rechtsextreme Strukturen nutzen aus, wofür Sarrazin und alle ihn verteidigenden Politikerinnen, Politiker und Medien die Grundlage gelegt haben. Islamfeindlichkeit wird zum Beispiel nicht mit Rechts assoziiert, sondern als berechtigte Kritik der Mitte. Der Antiislamismus hat in den vergangenen Jahren den klassischen, biologistisch begründeten Rassismus erweitert, so dass es folgerichtig ist, unter Rassismus nicht mehr nur die Ablehnung anderer Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe und anderer äußerer Merkmale zu verstehen. Rassismus hat viele Facetten, meine Damen und Herren. Der Bielefelder Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer benennt in seinen Studien deutsche Zustände, die Dimensionen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie, Abwertung von Obdachlosen, Abwertung von Behinderten, Islamfeindlichkeit, klassischer Sexismus, Etabliertenvorrechte und die Abwertung von Langzeitarbeitslosen. Es handelt sich dabei nicht einfach um individuelle Vorurteile, sondern um die Legitimation gesellschaftlicher Hierarchien, die auf der Diskriminierung der so konstruierten Gruppen basieren. Für rassistisches Denken ist kennzeichnend, dass es eine Ordnung behauptet, die gegenüber Prozessen des sozialen Wandels unempfindlich und deshalb beständig ist. In diesem Sinn ist Rassismus immer Ausdruck bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse. Das ist der Grund, mit unserem Antrag die gesellschaftlichen Verhältnisse anzugehen und zu verändern, meine Damen und Herren. Ein erster Schritt dafür ist es, die Befunde über rassistische Einstellungen oder um Heitmeyers Begriff zu verwenden, die Befunde zu Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern genauer zu untersuchen. Wir schlagen mit unserem Antrag zur Erforschung der Ursachen, Erscheinungsformen und Verbreitung rassistischer Einstellungen in der Gesellschaft einen institutionalisierten Dialog mit Experten und Expertinnen und zivilgesellschaftlichen Akteuren vor, in dessen Prozess gleichfalls Konzepte und Programme für eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit erarbeitet werden kann. Wir beschränken uns dabei nicht auf den Bildungsbereich, meine Damen und Herren. Der gesamtgesellschaftliche und nachhaltige Ansatz erscheint uns bei der Auseinandersetzung mit rassistischen Einstellungen bislang als vollkommen unzureichend. Wir meinen, die Auseinandersetzung mit Rassismus sei bislang sporadisch und eher projektbezogen organisiert, anstatt kontinuierlich und institutionell verankert zu sein. Wir sagen nicht, es würde nichts gemacht, aber wir sagen nicht wie Sie, es sei alles gut. Die Zahlen, die wir aus den zahlreichen Studien kennen, belegen, dass

nicht alles gut ist und mehr gemacht werden muss. Zur gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung gehört dann auch die Auseinandersetzung mit der von mir angesprochenen eigenen Verantwortung und damit meine ich nicht nur die Auseinandersetzung mit unseren eigenen individuellen Vorurteilen, von denen weder Sie, meine Damen und Herren, noch ich frei sind, sondern auch die Institution Verantwortung als Parlament und Verwaltung. Neben der verbalen Ablehnung diskriminierender Einstellungen und ein Bekenntnis zur Weltoffenheit, wie wir es hier einstimmig 2009 verabschiedet haben, muss der Freistaat Thüringen auch selbst diskriminierungsfrei sein

(Beifall DIE LINKE)