Das ist ignorant ohne Ende. Ich will es nicht aussprechen, aber Menschen mit Behinderung zum Kostenfaktor zu stilisieren, um ihnen damit zu sagen, liebe Frau, lieber Mann, wir können es nicht, weil du uns zu viel kostest, das ist menschenverachtend meiner Meinung nach
und das haben schon einmal vor uns welche vor 80 Jahren probiert und das Ergebnis kennen wir. Das wollen wir nicht wieder haben, das sage ich an der Stelle auch eindeutig.
Ich sage auch eindeutig an der Stelle, ja, mehr Kosten konnten wir bis zum Ende nicht durchkalkulieren, weil die Landesregierung kein statistisches Material hat. Ich habe eine Vielzahl von Anfragen gestellt, zum Beispiel zum Thema Mobilitätsausgleich, wie viele Personen das betreffen würde. Die Anfrage konnte nicht beantwortet werden. Da sage ich einfach mal, man muss auch damit leben, dass es im Moment nicht bis zu Ende kalkulierbare Größe gibt, was die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung kostet.
Ich sage, Frau Künast, auch Ihre Rede war nicht so aufregend. Ja, wir haben einen Gesetzentwurf bereits in der vorhergehenden Legislatur hier eingebracht. Und da wir uns in der Sache als LINKE mit den Verbänden seit vielen, vielen Jahren sehr einig sind, sehr stringent in der Sache sind, kann es doch nur sein, dass ein Gesetzentwurf aus der 4. Legislatur gut überarbeitet jetzt auch in der 5. Legislatur wieder eingebracht wird. Unser Gesetzentwurf, Frau Künast, steht auf einer rechtlich definierten Grundlage. Die UN-Konvention ist nicht eine Konvention, die ich anwenden kann oder auch nicht, sondern sie ist gesetzliche Grundlage und wir müssen sie so in Thüringen und in Deutschland umsetzen.
Darum haben wir gar keinen großen Spielraum. An der Stelle frage ich auch, 3,6 Mio. €, da werden Sie mir wohl zustimmen, sind weniger als 20 Mio. €, die in einem Erziehungsgeld einfach herausgeschleudert werden, die man dafür einsetzen könnte, wenn man politisch wollte. Da haben Sie auch eine Verantwortung. Wenn ich noch einmal unseren Landeshaushalt anschaue, der hat insgesamt ein Volumen von 9 Mrd. €. Da sind eventuelle Mehrkosten in Höhe von 5 Mio. €, wenn man alles zusammenrechnet, nicht einmal 0,05 Prozent. Das sollten wir uns gemeinsam in dem Thüringer Landtag auf die Fahnen schreiben, dass wir diese Mehrkosten im Interesse der betroffenen Menschen hier auch finden.
Herr Koppe, auch an Sie noch zwei Bemerkungen: Gebärdensprache kann ein jeder, der in einer Behörde sitzt, erlernen. Das heißt nicht, dass wir zusätzliche Arbeitskräfte brauchen. Die Stadtverwaltung Erfurt zum Beispiel hat in einer Weiterbildung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet, damit diese die Gebärdensprache erlernen konnten, um mit Bürgerinnen und Bürgern, die kommen und die Gebärdensprache benutzen, in den Kommunikationsaustausch zu treten. Was eine Landeshauptstadt Erfurt hinbekommt, das bekommen sicher auch andere Kommunen und Landkreise hin, ohne dass man zusätzliche Personalkosten benötigen würde, um Gebärdensprache anzubieten. Noch eine Bemerkung, ich kann es Ihnen nicht ersparen und es tut mir eigentlich ein bisschen leid, ich hätte Sie an der Stelle ein bisschen intelligenter eingeschätzt. Wir brauchen einen anderen Behindertenbeauftragten.
Es geht darum, dass ein Behindertenbeauftragter Kompetenzen hat und die haben wir in unserem Gesetzentwurf formuliert. Er braucht Rechte und Pflichten und Kompetenzen. Wir haben auch in unserem Gesetzentwurf formuliert, dass der heutige Behindertenbeauftragte diese so nicht hat. Das wissen Sie auch, weil Sie sich auskennen, glaube ich, ein Stückchen diesbezüglich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gaukle den Leuten nichts vor, sondern die Behindertenverbände, mit denen sind Sie vielleicht auch ab und zu im Gespräch, haben uns genau diese Forderungen ins Buch geschrieben. Wir brauchen kein Datum, ob
das der 5. Mai ist oder der 3. Dezember, wir in unserer Fraktion DIE LINKE machen seit vier Jahren ganz konsequente Behindertenpolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor zehn Jahren ist das Deutsche Behindertengleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht worden und vor wenigen Monaten war eine gemeinsame Veranstaltung in der Montoringstelle, wo man sich auch noch mal zusammengesetzt hat und hat eindeutig die Aufgaben formuliert, wie die Gleichstellungsgesetze in den Ländern, aber auch die des Bundes novelliert werden müssen. Ich will nur einen Punkt aus der gemeinsamen Erklärung zitieren. Da heißt es u.a.: Die vorhandenen behinderungsspezifischen Strukturen müssen gestärkt werden, die Mandate der Behindertenbeauftragten müssen klar benannt und mit klaren Aufgabenstrukturen umgesetzt werden. Man braucht flächendeckend Behindertenbeauftragte in den Kommunen und Landkreisen. Das „Außerparlamentarische Bündnis“, von dem Sie heute schon ein paar Mal gesprochen haben, hat bereits im Dezember 2012 eine Petition verabschiedet, die Sie alle erhalten haben. Zumindest haben Sie auch die Antwort schon aus dem Petitionsausschuss erhalten, wo u.a. das Thema besprochen worden ist. Die Petition fordert barrierefreie Kommunikation, das umfassende Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen wird eingefordert, man hat barrierefreie Wahllokale eingefordert, das Verbandsklagerecht und die Beweisumkehrstruktur wird eingefordert, man hat die Assistenz eingefordert und man hat u.a. den Nachteilsausgleich formuliert. Dies sind alles Dinge, die in unserem Gesetzentwurf, werte Damen und Herren, in vielen Paragraphen noch einmal aufgeschrieben worden sind.
Ich möchte mich noch mal auf drei inhaltliche Punkte unseres Gesetzentwurfs konzentrieren und die noch einmal benennen, weil ich glaube, sie sind wichtig. Das hat nichts mit vorgaukeln zu tun, sondern das hat etwas mit Menschenrecht und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu tun. Wir haben uns also auf Nachteilsausgleiche noch einmal verständigt. Das geht dahin, dass wir für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen gesagt haben, wir brauchen ein Mehr an Blindengeld, und zwar von jetzt 270 € - und da, sage ich, ist Thüringen im Moment eines der Schlusslichtländer im
Vergleich zu den Bundesländern - auf 320 €. Das ist ein Plus von 50 € im Monat für die ca. 3.500 Betroffenen. Wir sagen auch, wenn wir das Landesblindengeld, was einkommensunabhängig gezahlt wird, erhöhen, verringert sich zeitgleich - und das soll man nicht vergessen - die Anzahl der Menschen, die im Moment Blindenhilfe erhalten nach SGB XII, die einkommensabhängig nur gewährt wird, und diese wird durch die Kommunen finanziert. Also haben wir auch einen Teil zur Entlastung der Kommunen mit in unser Gesetz hineinformuliert. Wir sagen auch, Gehörlose benötigen einen Nachteilsausgleich. Da sagen wir, mit 130 € gehen wir einen ersten kleinen Schritt, um diesen Nachteilsausgleich Monat für Monat gewähren zu können. Da ist die Anzahl der Betroffenen zwischen 1.000 und 1.200 Personen. Die Personengruppe der Taubblinden - das sind Menschen, die weder etwas sehen noch etwas hören, und das sind offiziell registrierte im Moment 19 Personen in Thüringen - soll einen Nachteilsausgleich für ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Höhe von 450 € erhalten. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt, wenn wir wirklichen Nachteilsausgleich einfordern.
Wir haben uns auch darauf verständigt in unseren Gesprächen mit den Vereinen und Verbänden, dass wir das Thema Assistenz und das Thema Vermittlung von lebenspraktischen Fertigkeiten sowie den Mobilitätsausgleich noch einmal in den Gesetzentwurf schreiben. Das heißt nicht, und das sage ich noch einmal ausdrücklich, dass jeder und jede auf diesen Mobilitätsausgleich, so wie wir ihn in dem Gesetzentwurf formuliert haben, einen Anspruch hat, sondern nur die Personen, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, diese Wertmarke, die man kaufen kann für 72 € für ein Jahr, zu erwerben. Da habe ich nachgefragt, wie viele Menschen das sind, die aufgrund der Schwere der Behinderung nicht die Möglichkeit haben, diese Wertmarken zum ÖPNV oder für die Bahn zu kaufen, da konnte mir die Landesregierung in der Drucksache 5/5325 keine Auskunft geben. So einfach ist die Faktenlage und das muss man, Frau Künast, auch so zur Kenntnis nehmen.
Wir haben uns auch darauf verständigt, und das steht auch in dem Gesetzentwurf, dass natürlich Vorrang vor diesen Landesleistungen immer die Bundesleistungen haben. Wer also Pflegegeld erhält, wer Leistungen noch nach SGB XII erhält, die werden immer als Erstes in Anspruch genommen und dann kommen die Leistungen nach unserem Gesetzentwurf. Darum sehen wir die finanzielle Belastung für den Landeshaushalt als äußerst überschaubar an.
Es geht auch darum, dass wir nicht davon ausgehen, dass ein Mensch, der schwer behindert ist, ca. 24 Stunden rund um die Uhr Assistenz benötigt, sondern die Assistenzleistungen werden sich zurückziehen auf Begleitung von Amtsgängen, Beglei
tung in Vereine oder auch Begleitung bei der Ausübung von ehrenamtlichen Tätigkeiten. Das ist auch für Menschen mit Behinderungen ein großes Kriterium, um am Leben teilzuhaben und natürlich der Gesellschaft auch etwas zurückzugeben. Aber das scheint ja bei der Koalition so nicht gesehen zu werden und auch nicht gewollt zu sein. Ein anderer großer Schwerpunkt in unserem Gesetzentwurf ist, und das will ich noch einmal kurz benennen, die Barrierefreiheit. Hier geht es uns nicht nur um die baulichen Barrieren, sondern natürlich auch um die Kommunikationsbarrieren. Das Thema hatten wir gut vor einem Jahr hier bereits schon einmal in den Landtag eingebracht. Da geht es darum, dass ein Schriftverkehr mit Behörden entweder in Brailleschrift oder mit Gebärdendolmetscher bei Kontakt von Person zu Person gewährleistet werden kann.
Wir haben, und das ist ein dritter Schwerpunkt in unserem Gesetzentwurf, das Verbandsklagerecht geklärt. Ja, das braucht es, das Verbandsklagerecht, weil nicht der einzelne oder die einzelne Betroffene oft die Möglichkeit oder die Power hat, loszugehen und ihre Diskriminierungserfahrung, die sie gemacht hat, vor Gericht einzuklagen. Da ist es gut, wenn ein großer Verband an ihrer Seite steht und für sie die Klagen führt. Darum brauchen wir das Verbandsklagerecht als ein wichtiges Instrument,
Wir haben außerdem, und das will ich Ihnen noch einmal erläutern, das Thema Behindertenbeauftragter sowohl in den Kommunen als auch im Land als einen großen Schwerpunkt im Gesetzentwurf geregelt. Hier kann ich nur aus den Beratungen mit den kommunalen Behindertenbeauftragten, die ich in den letzten Monaten sehr aktiv durchgeführt habe, berichten. Die kommunalen Behindertenbeauftragten brauchen, wenn sie ihre Arbeit gewissenhaft durchführen wollen, ein Hauptamt. Es kann nicht angehen, dass diese eventuell im Ehrenamt diese Tätigkeit durchführen oder im schlimmsten Fall zwar hauptamtlich in der Kommune beschäftigt sind, aber nebenbei noch Bürgerbeauftragter sind, vielleicht noch Gleichstellungsbeauftragte sind oder eventuell noch weitere Funktionen in einer Verwaltung übernehmen müssen und somit gar nicht die Zeit haben, die Belange für Menschen mit Behinderung durchzusetzen/umzusetzen.
Es nützt nichts, nur Beauftragte zu haben, sondern die Beauftragten, Herr Koppe, brauchen ordentliche Strukturen. Sie brauchen Rechte und Pflichten und sie brauchen Eingriffsmöglichkeiten. Das ist heute nicht gegeben, darum haben wir sie mit ordentlichen Rechten und Pflichten ausgestattet.
Ich denke, wenn Sie es ehrlich meinen und wenn Sie so viel Angst haben, dass Sie eventuell nächste/übernächste Woche, wenn das „Außerparlamentarische Bündnis“ auf Einladung der CDU-Fraktion hier im Thüringer Landtag ist, wenn Sie diese Kritik nicht ertragen wollen, dann lassen Sie doch die Überweisung unseres Gesetzentwurfs zu, dann kann man sich im Ausschuss, kann man sich in Anhörungen noch mal mit Argumenten auseinandersetzen und nicht mit dieser Ignoranz, die Sie hier ans Tageslicht gelegt haben, zu sagen, es ist mit uns nicht machbar, wir würden den Leuten etwas vorgaukeln. Das sind Äußerungen, die finde ich, gelinde gesagt, nicht sehr demokratisch, sondern Demokratie lebt vom Mitmachen. An der Stelle bitte ich und werbe noch einmal für die Überweisung unseres Gesetzentwurfs. Danke schön.
Herr Abgeordneter Grob hatte signalisiert, dass er so dachte ich - einen Redebeitrag halten möchte, aber jetzt eine Frage stellen möchte. Das ist nicht mehr möglich, die Redezeit ist abgelaufen. Sie haben noch die Möglichkeit zum Redebeitrag. Möchten Sie das?
Sie können keine Frage stellen, wenn kein Mensch da ist, der die beantworten kann, aber Sie können natürlich zu einem Sachverhalt am Pult noch einmal Platz nehmen. Das ist Ihre Entscheidung.
Frau Präsidentin, mir wäre schon sehr daran gelegen, etwas beantwortet zu bekommen. Ich habe mir die Rede natürlich von Frau Stange angehört und ich war es auch nicht anders gewöhnt, darauf sind wir eingegangen, nicht nur die SPD, auch die FDP. Aber wissen Sie, ich habe hoffentlich falsch gehört, dass Sie gewarnt haben vor den Verhältnissen vor 80 Jahren
und uns so ähnlich gleichgestellt haben. Ich hoffe, dass Sie jemand anderen meinen als die Nazis, mit denen Sie uns verglichen haben.
(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Und ich hoffe, dass Sie überle- gen, was Sie gesagt haben.)