Auf einen politischen Aspekt möchte ich abschließend noch verweisen, den ich ebenso besorgniserregend finde, dass deutlich wird, welch ungebrochener Unterstützung sich der NSU bis heute in neonazistischen Strukturen bis hin zur NPD sicher sein kann. Wenn man dann noch den Hinweis nimmt, dass der, über dessen Überwachung dieses Netzwerk um Ralf Wohlleben entdeckt wurde, auch gleichzeitig der Anmelder des Thüringentags der Nationalen Jugend am 15. Juni in Kahla ist, dann wird deutlich, was die Gesellschaft hier noch zu tun hat, aber nicht nur Behörden wie das Justizministerium, meine Damen und Herren.
Hier dürfen wir als Gesellschaft nicht die Augen verschließen und sollten am 15. Juni in Kahla den Nazis zeigen, was wir von ihnen halten, ebenso wie nächste Woche hier in Erfurt. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich, das ist alles andere als ein Spaß, wenn ein rechtsradikales Netzwerk auffliegt, oder dessen Gründungsversuch, und wenn ein Herr Wohlleben trotz verschärfter Beobachtung es schafft, über Dritte irgendwelche Kassiber zu empfangen und rauszuschmuggeln. Da muss man natürlich fragen: Was hat solches ermöglicht? Aber, Frau Kollegin Berninger, Sie haben ja gerade darauf hingewiesen, das ist ja nicht so, dass ein offener Aufruf zur Netzwerkgründung erfolgte oder irgendwie Briefchen gekommen sind an die entsprechenden Gefangenen, sondern Sie haben es ja richtig gesagt, es gab in den Bikernews eine Kleinanzeige, und zwar unter dem Kürzel „AD Jail Crew“. Und unter „AD“ - das haben Sie auch richtig gesagt - verbirgt sich das Kürzel „Aryan Defense“, also die sogenannte arische Verteidigung. Da haben wir doch das Problem, was es eben nicht einfach macht, so etwas zu entdecken in einer Zeitschrift, in einer ganz normalen Zeitschrift, deren Abonnement einem Gefangenen gestattet ist, auch einem der unter Postüberwachung steht, auch einem, dessen Kleidung regelmäßig durchsucht wird, der darf Zeitungen beziehen. Das gibt unsere
Rechtsordnung her, das lässt sie zu. Es müssten die Kleinanzeigen in allen diesen Zeitungen entsprechend gescannt werden, das ist natürlich ein Versäumnis, von wem auch immer, dass eine solche Kleinanzeige nicht gefunden worden ist. Es wird sich Chiffrierungen bedient in einem solchen Fall, die sich mir nicht erschließen als vielleicht Leser in einer Eingangskontrolle in einem Gefängnis. Da muss die Information verbessert werden, wenn Sie und andere sagen, und dann natürlich nachrecherchiert wird, dass das doch klar ist, dass „AD Jail Crew“ Aryan Defense heißt und das dann auf einen braunen Sumpf hindeutet. Dann ist die Frage, wie kann ich künftig dafür sorgen, dass so etwas besser entdeckt wird? Es wurde dann bekannt, nachdem erstmals die Anfangsmeldung aus Hessen gekommen ist, hier hat es einen Nazitäter gegeben, der versucht hat, über diese Anzeige Kontakt aufzunehmen, dass dann bei ihm auch eine Adressenliste ausgewertet worden ist und in der Tat, darin fanden sich Thüringer Adressen. Also welche, die sich dann auf diese Kleinanzeigen offenbar gemeldet hatten.
Vorbild für diese versuchte Netzwerkgründung war der 2011 verbotene HNG. Bisher wurde aber keine feste Vereinsstruktur entdeckt. Wie ist es jetzt zu verhindern? Das ist eine wichtige und richtige Frage, der verschließe ich mich doch nicht. Ich bin doch die Letzte, die es gut findet, wenn sich NaziNetzwerke bilden oder der Herr Wohlleben kommuniziert. Eine völlige Abschottung von Gefangenen ist aber nicht möglich. Wir haben das Problem und den Skandal, wenn Sie das so nennen wollen, dass immer alles Mögliche trotz Verboten in Haftanstalten hineingelangt, z.B. verbotene Handys. Aber eine völlige Abschottung kann in bestimmten Fällen auch rechtswidrig sein. Postkontrolle und Kleiderkontrolle, ich habe es Ihnen schon gesagt, sind bei unverschlüsselter Kommunikation oder klassischen Kassibern einfach. Insofern ist es natürlich schon tragisch und auch schlimm, dass Kassiber bei Wohlleben so spät gefunden wurden. Ich möchte es hier nicht ins Lächerliche ziehen, aber ich habe sogar gelesen, dass manchmal die Zitronentinte, die wir in Kindertagen schon verwendet haben, immer noch zur Anwendung kommen soll. Das kann ich finden, wenn ich möchte. Natürlich muss ich auch darauf achten, dass ich Gesinnungsgenossen nicht zusammenlege.
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das sind doch geschulte Leute, die dort sind. Das sind doch keine Anfänger.)
Aber, ich sage es noch mal, eine geschickt chiffrierte Kleinanzeige in Zeitungen, deren Bezug erlaubt ist, das kann eben sein, dass das eine Weile verdeckt bleibt. Das war das Problem, das sehe ich jedenfalls so, das hier zu dieser Netzwerkgründung geführt hat. Sicherheitslücken Aufspüren und Schließen ist aber nur eine halbe Antwort. Es geht
auch um das Auffüllen des Betreuungsdefizits, das vermeintliche Helfer ausnutzen können. Gerade bei erstmaligem Haftantritt befinden sich auch rechtsradikale Täter wahrscheinlich durchaus in einer psychischen Ausnahmesituation. Das ist auch gewollt. Haft soll nichts Schickes sein, sonst würde sie nicht abschrecken oder strafen können, aber der Umgang gerade mit jüngeren Gefangenen entscheidet darüber, ob Strafe eine Lehre sein kann oder ob sie zu einer falschen Solidarisierung mit anderen Häftlingen oder mit Mäusefängern aller Art von außen führt. Wir haben Ausstiegsangebote, die ausgebaut werden müssen. Wir haben ein Anti-Gewalt-Training, und vernünftige Resozialisierungsangebote brauchen wir. Auch das ist wichtig. Das muss an dieser Stelle gesagt werden, um dem Versuch rechter Netzwerkbildung das Wasser abzugraben. Ich will hier nichts beschönigen oder verharmlosen, aber, wie gesagt, wer sich von Ihnen jetzt wirklich mal ernsthaft überlegt, ob er sämtliche Chiffrierungen, die sich auch fortentwickeln, von denen es immer wieder neue gibt, auf Anhieb erkennt und sich zutraut, die in einem Gefängnis eingehenden Zeitungen darauf zu entziffern, wird zweifeln.
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Vor 15 Jah- ren haben Sie ein Buhei draus gemacht und jetzt reden Sie alles schön. Unerhört!)
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich rede nicht von AD Jail, ich rede davon, was in Thüringer Gefängnissen los ist.)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, über die Aktuelle Stunde der CDU-Fraktion bin ich insofern ein wenig verwundert, dass ich denke, das Thema wäre im Justizausschuss besser aufgehoben gewesen.
Ich bin mir nicht sicher, inwieweit es möglich ist, in fünf Minuten den Titel der Aktuellen Stunde, der eine Frage beinhaltet, nämlich „Rechtsextremistische Netzwerke auch in Thüringer Gefängnissen?“, umfänglich zu behandeln.
Einige Fragen hätte ich aber an den Justizminister, nämlich wann und woher in Thüringen zum Beispiel die Erkenntnisse eines solchen Netzwerks bekannt waren. Meine Damen und Herren, soweit ich informiert bin, sind in Thüringen die Überprüfungen der sieben Haftanstalten abgeschlossen. Die Überprüfungen sind aber erst erfolgt, nachdem der hessische Justizminister Hahn auf solche Strukturen aufmerksam gemacht und in Hessen durchgegriffen hat. In einem Gefängnis im hessischen Hünfeld hat ein Gefangener versucht, ein Netzwerk aufzubauen und dafür eine Anzeige in einer Bikerzeitschrift geschaltet. Das war schon eben Thema. In Thüringen sind aufgrund der Überprüfung wohl zwei Gefangene und ein Untersuchungshäftling entdeckt worden, die mit dem Netzwerk Kontakt aufgenommen hatten. Zuletzt gibt es wohl Hinweise, dass ein Gefangener in der JVA Untermaßfeld Kontakt zum Initiator der „AD Jail Crew“ hatte. Das war ebenfalls gerade Thema.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nachdem aus Hessen bestätigt wurde, dass die sich im Aufbau befindlichen Strukturen zerschlagen wurden, stellt sich nun die Frage, was wir daraus lernen, nämlich, dass auch in den Gefängnissen extremistische Gruppen versuchen, sich mit eigenen Leuten zu solidarisieren und neue Leute zu rekrutieren ist nicht wirklich überraschend. Solche Versuche gibt es nicht nur von rechtsextremistischen Gruppen, sondern sie umfassen alle extremistischen Gruppierungen. Es stellt sich auch die Frage, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben, solche Netzwerke zu unterbinden. Und eines, meine Damen und Herren, ist ja klar, wir können bei der Justiz nicht immer mehr einsparen und darauf vertrauen, dass es genauso gut oder vielleicht sogar besser weitergeht. Aber es ist auch weit gefehlt, es allein daran festzumachen. Ich denke, es müssen hier mehrere Puzzlestücke zusammengeführt werden. Zum einen braucht es ein gut geschultes Personal, das die Anzeichen für ein solches Netzwerk anhand von Symbolen oder Codes frühzeitig erkennt. Und da sind ja offensichtlich bislang auch erhebliche Defizite gewesen. Dann ist es ebenso wichtig, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, inhaftierte Neonazis durch entsprechende Aussteigerprogramme stärker zu resozialisieren. Aber auch der Informationsaustausch zwischen Polizei, Justiz und Verfassungsschutz muss innerhalb von Thüringen, aber auch länderübergreifend deutlich besser funktionieren.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, es sind also viele Punkte, die beachtet werden müssen, um solche Netzwerke in Zukunft frühzeitig zu erkennen. Eins muss trotzdem klar sein, wir werden solche Vorkommnisse nie hundertprozentig ausschließen können. Deswegen müssen wir wachsam sein in der Gesellschaft, in der Politik und in der
Justiz, um solche Bestrebungen zu unterbinden. Da ich jetzt, nachdem hier etliches auch schon gesagt worden ist, ein bisschen was weggelassen habe, meine sehr verehrten Damen und Herren
- Herr Kollege Fiedler, hören Sie doch erst einmal zu Ende zu -, möchte ich an dieser Stelle noch eines sagen, den Ausführungen des Kollegen Fiedler, und jetzt können Sie gern zuhören, was die Information durch das Justizministerium anbelangt,
denn das ist etwas, was ich in der Vergangenheit schon immer angemahnt habe. Ich glaube, dort sollte die Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und vor allem auch den Mitgliedern des Justizausschusses in der Richtung Regierung - Ausschuss deutlich besser werden. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Fiedler, ich habe schon bei der dritten Aktuellen Stunde hier immer das Gefühl, dass wir als Opposition das Problem haben, dass wir gar keine Opposition mehr sein müssen, das machen Sie ja schon.
Das Verhalten und Verhältnis zwischen diesen beiden Regierungsparteien hier an diesem Tag gibt wieder einmal zu Bemerkungen Anlass. Das ist wirklich nicht mehr ganz einfach, Sie noch zu toppen, was das Thema angeht.
Ich werde auch nicht versuchen, keine Sorge, den Justizminister oder Ihre Regierung zu unterstützen, die kritischen Bemerkungen sind zu Recht gefallen. Aber ich werde einmal versuchen, den Rechtsstaat ein bisschen zu unterstützen gegen Untertöne, die ich von Ihnen meine, gehört zu haben. Vielleicht am Anfang einmal ein paar Feststellungen. Ja, es gibt Netzwerke von Neonazis in Thüringer Gefängnissen. Ebenso gibt es Netzwerke von Rockerbanden und von Schwerkriminiellen auch in unseren Gefängnissen. Die hat es gegeben, die gibt es wahr
scheinlich aktuell und die wird es höchstwahrscheinlich auch in Zukunft geben. Diese Tatsachen sind skandalös, aber sie sind und bleiben Tatsachen. Dass es gleich Parallelwelten sind, wie Frau Berninger behauptet hat, das würde ich in Zweifel ziehen, das glaube ich bei unseren Situationen in den Haftanstalten zurzeit nicht. Wenn das der Fall wäre, müsste ich über das Thema ganz anders sprechen, mit ganz anderen Konsequenzen. Da ist dann nicht nur der Justizminister, sondern das ganze System infrage zu stellen. Soweit würde ich nicht gehen, parallele Strukturen ja, aber parallele Welten nicht. Es gelingt den Neonazis Gott sei Dank nicht, auch den Rockerbanden in den Gefängnissen nicht, schalten und walten zu können, wie sie wollen. Das ist Gott sei Dank noch nicht so, wie es in einigen Gefängnissen, beispielweise der USA, gang und gäbe ist. Es ist auch komisch, dass das Thema letztlich auf den Justizminister fokussiert und nicht beispielsweise auf den Innenminister.
Denn, was ich immer höre, wie viele V-Leute es in dem Milieu gibt, da fragt man sich doch, warum draußen keiner etwas davon wusste, dass da drinnen Leute sind, die nach draußen kommunizieren.
Ich dächte, jeder Zweite ist V-Mann, es scheint nicht so toll zu funktionieren, der Verfassungsschutz, das einmal ganz nebenbei bemerkt.